Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 03. Dez. 2014 - B 4 K 13.414
Gericht
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen einen Herstellungsbeitrag zur Entwässerungseinrichtung für seine bebauten Grundstücke Fl.-Nrn. ..., ...und ..., jeweils Gemarkung ....
Mit Bescheiden vom 12.11.1993 setzte der Beklagte für die Grundstücke des Klägers Fl.-Nrn. ..., ... in drei Raten zu zahlende Herstellungsbeiträge in Höhe von 20.996,30 DM bzw. für das Grundstück Fl.-Nr. ... in Höhe von 5.604,50 DM fest. Der Kläger zahlte nur jeweils zwei Raten, nämlich 16.796,00 DM (= 8.587,66 EUR), bzw. 4.482,00 DM (= 2.291,61 EUR).
Mit Bescheid vom 09.12.2011 erhob der Beklagte für die Grundstücke Fl.-Nrn. ... und ... unter Anrechnung der bereits erbrachten Zahlungen einen Herstellungsbeitrag zur Entwässerungseinrichtung in Höhe von 1.881,24 EUR und mit weiterem Bescheid vom 09.12.2011 für das Grundstück Fl.-Nr. ... unter Anrechnung der bereits erbrachten Zahlungen einen Herstellungsbeitrag zur Entwässerungseinrichtung in Höhe von 517,09 EUR. Die Beitragsbescheide wurden dem Kläger am 24.12.2011 per Postzustellungsurkunde bekannt gegeben.
Mit Schreiben vom 20.01.2012, beim Beklagten eingegangen am 23.01.2012, erhob der Kläger Widerspruch, den das Landratsamt F. mit Widerspruchsbescheid vom 03.06.2013 zurückwies.
Mit Schriftsatz vom 17.06.2013 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth erhoben und beantragt,
die Bescheide des Beklagten vom 09.12.2011 und den Widerspruchsbescheid des Landratsamts F. vom 03.06.2013 aufzuheben.
Zur Begründung wird vorgetragen, die veranlagten Grundstücke des Klägers hätten bereits seit 19 Jahren einen entsprechenden Erschließungsvorteil aufgewiesen, so dass die Beitragsforderungen bereits damals entstanden seien. Es werde die Einrede der Verjährung erhoben. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungswidrig und dürfe nicht mehr angewendet werden.
Mit Schriftsatz vom 25.07.2013 hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Klageerwiderung wird vorgetragen, der Beklagte habe auf der Basis des Art. 5 Abs. 1 BayKAG seine Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 29.08.2007 erlassen. Die vorangehende BGS-EWS 1993 sei im Beitragsteil wegen der Nebengebäuderegelung nichtig. Damit liege mit der BGS-EWS 2007 erstmals wirksames Satzungsrecht des Beklagten vor. Der Marktgemeinderat habe eine Übergangsregelung getroffen, wonach nur bestandskräftig veranlagte und vollständig bezahlte Grundstücks- und Geschossflächen bei der neuen Veranlagung als abgegolten anzusehen seien. Der Kläger habe die Vorveranlagung für beide Grundstücke jeweils nicht vollständig bezahlt, so dass die Abgeltung für ihn nicht eingetreten sei. Der Beklagte habe bei der Veranlagung die erbrachten Teilzahlungen des Klägers in vollem Umfang abgezogen. Nach bisheriger Rechtspraxis und unter Geltung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b cc BayKAG habe keine Festsetzungsverjährung eintreten können, da wirksames Satzungsrecht als Rechtsgrundlage Voraussetzung für das Entstehen der Beitragspflicht sei. Die Festsetzungsverjährungsfrist habe nach bisher geltendem Recht erst mit Erlass der BGS-EWS 2007 zu laufen angefangen.
Mit Beschluss vom 24.10.2013 setzte das Gericht wegen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (1 BvR 2457/08) das Verfahren aus und nahm es am 29.07.2014 von Amts wegen wieder auf, nachdem der Aussetzungsgrund aufgrund Änderung des BayKAG durch Gesetz vom 11.03.2014 entfallen war.
Mit Schriftsatz vom 17.09.2014 trug die Klägerseite nun vor, der Kanalanschluss für die klägerischen Grundstücke sei bereits ca. 1960 erfolgt. Es greife nun die vom Bayerischen Gesetzgeber zum 01.04.2014 erlassene Ausschlussvorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b bb Spiegelstrich 1 BayKAG ein.
Mit Schriftsatz vom 22.09.2014 führte die Beklagtenseite aus, dass die erstmalige Herstellung der Ortskanalisation im Gemeindeteil ... in den Jahren 1994 bis 1996 erfolgt sei. Die Verdingungsverhandlung habe am 14.07.1994 stattgefunden. Die technischen Bauarbeiten hätten von November 1994 bis Juni 1996 gedauert und seien am 12.05.1995 beendet gewesen, so dass spätestens ab diesem Zeitpunkt alle Anschließer hätten einleiten können. Die Abnahme habe schließlich am 20.09.1996 stattgefunden. Die Höchstfrist für die Beitragsfestsetzung würde damit erst am 31.12.2016 ablaufen. Selbst wenn die Vorteilslage, die Möglichkeit das Abwasser einzuleiten, bereits schon 1994 oder 1995 eingetreten sein sollte, liefe die Höchstfrist nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 b bb Spiegelstrich 1, Art. 19 Abs. 1 BayKAG in beiden Fällen aufgrund der Übergangsregelung erst am 31.03.2016 ab. Die streitgegenständlichen Herstellungsbeitragsbescheide seien also weit vor Ablauf der Höchstfrist ergangen. Die Behauptung des Klägers, er sei seit ca. 1960 an den Kanal angeschlossen worden, könne nicht nachvollzogen werden. Möglicherweise hätten dort vereinzelt Ableitungen für Oberflächenwasser und den Überlauf von Gruben existiert. Eine gemeindliche Einrichtung sei jedoch nicht vorhanden gewesen.
Mit Schriftsatz vom 05.11.2014 hielt die Klägerseite an dem Vorbringen fest, in den 1960er Jahren sei die Entwässerungseinrichtung bestehend aus Regenwasserkanal und Überlauf der Klärgruben geschaffen worden. Diese Einrichtung sei dann 1993 lediglich erweitert worden.
Mit Schriftsatz vom 21.11.2014 trug der Prozessbevollmächtigte des Beklagten unter Vorlage von Unterlagen vor, dass der Vortrag des Klägers nicht bestätigt werden könne. Für das Anwesen des Klägers sei von dessen Rechtsvorgänger in einem Bauantrag vom 28.06.1970 als Grundstückentwässerung festgehalten „Schöpfgrube wird landwirtschaftlich verwertet“. Bei einem weiteren Bauvorhaben im Jahr 1989 sei als Grundstücksentwässerung angegeben „bestehende Ausfallgrube ohne Ablauf, ..., Grubeninhalt wird ausgefahren.“ Im Bauentwurf der „Abwasseranlage E. - Ortsnetz ...“ vom 01.02.1990 für den Zweckverband zur Abwasserbeseitigung im T-tal sei unter Ziffer 3.5 über die bestehenden Abwasseranlagen ausgeführt, dass das Baugebiet Brunnleite ein komplett ausgebautes Entwässerungssystem besitze. Weiter werde ausgeführt: „Im Übrigen Ortsbereich wird das anfallende Abwasser teilweise über Hauskläranlagen vorgereinigt und über die vorhandenen Straßenentwässerungskanäle weitergeleitet. Teilweise wird das Wasser in vorhandenen abflusslosen Jauchegruben gesammelt. Ein Großteil der Straßenentwässerungskanäle mündet in einen abflusslosen Teich im Süden des Ortes. Die vorhandenen Straßenentwässerungskanäle sind wegen ihres schlechten Zustandes bzw. wegen der geringfügigen Tiefenlage für eine Weiterverwendung nicht mehr geeignet.“ Somit seien bestenfalls sog. Bürgermeisterkanäle vorhanden gewesen. Diese hätten aber keine geordnete gemeindliche Entwässerung dargestellt, sondern allenfalls ein Provisorium. Schließlich habe das Landratsamt F. in einem Schreiben vom 18.07.1967 an die damals noch selbstständige Gemeinde ... darauf hingewiesen, dass es an einer geordneten Abwasserbeseitigung fehle. Die vorgelegten Unterlagen belegten, dass vor der Herstellung der jetzt abgerechneten Entwässerungseinrichtung eine Vorteilslage nicht bestanden habe. Damit stehe die zum 01.04.2014 in Kraft getretene KAG-Änderung der Beitragserhebung nicht entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen. Wegen des Ablaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Gründe
1. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Bescheide des Beklagten vom 09.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts F. vom 03.06.2013 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a. Die Heranziehung des Klägers zu einem Herstellungsbeitrag für die Entwässerungseinrichtung des Beklagten scheitert nicht an der Ausschlussfrist des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b bb Spiegelstrich 1 KAG i. V. m. § 169 der Abgabenordnung (AO). Danach ist die Festsetzung eines Beitrags ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig. Für Beiträge, die vor dem 01.04.2014 durch nicht bestandskräftigen Bescheid festgesetzt sind, gilt Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b bb Spiegelstrich 1 KAG mit der Maßgabe, dass die Frist einheitlich 30 Jahre beträgt (Art. 19 Abs. 2 KAG). Der Begriff der Vorteilslage knüpft an das Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung an. Bei leitungsgebundenen Einrichtungen setzt die Entstehung der Beitragspflicht u. a. das Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung voraus (vgl. BayVGH
Der Kläger könnte nur dann nicht mehr zu einem (erstmaligen) Herstellungsbeitrag für die in den Jahren 1994 bis 1996 hergestellte Entwässerungseinrichtung herangezogen werden, wenn die „Vorteilslage“ für seine Grundstücke bereits - wie er vorträgt - in den 1960er Jahren vorgelegen hätte. Dies ist aber nach den vom Beklagten mit Schriftsatz vom 21.11.2014 vorgelegten Unterlagen, dem Entwurf des Erläuterungsberichts des Ingenieurbüros vom 01.02.1990, den vorgelegten Auszügen aus Baugenehmigungsverfahren für die klägerischen Grundstücke und den Schreiben des Landratsamts F. vom 18.07.1967 und des Wasserwirtschaftsamts Bamberg vom 04.07.1967, nicht der Fall.
Die Anwesen des Klägers Hausnummern ... und ... verfügten lediglich über abflusslose Ausfaul- oder Schöpfgruben, deren Inhalt auf landwirtschaftliche Flächen ausgebracht werden musste. Allenfalls das Niederschlagswasser wurde über die Straßenentwässerungskanäle, die sog. Bürgermeisterkanäle abgeleitet. Eine Widmung als öffentliche Einrichtung liegt hinsichtlich dieser Kanäle nicht vor. Die Schreiben des Landratsamts und des Wasserwirtschaftsamts, die die Herstellung einer ordentlichen Kanalisation zur Lösung des Abwasserproblems in der Gemeinde ... anmahnen, belegen ebenfalls, dass in dieser Zeit eine betriebsfertige öffentliche Entwässerungseinrichtung nicht bestanden haben kann.
Allein aus dem Umstand, dass die Grundstücke des Klägers bebaut bzw. bebaubar waren, kann nicht auf das Vorhandensein einer „Vorteilslage“ im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b bb Spiegelstrich 1 KAG geschlossen werden. Sie waren durch private Ausfaulgruben erschlossen und nicht durch eine betriebsfertige öffentliche Entwässerungseinrichtung. Somit liegt im Jahr 1996 die erstmalige Herstellung einer öffentlichen Entwässerungseinrichtung und die entsprechende Vorteilslage für die klägerischen Grundstücke vor. Der Kläger kann sich folglich weder auf die 30jährige noch auf die 20jährige Ausschlussfrist berufen. An der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b bb Spiegelstrich 1 BayKAG durch Gesetz vom 11.03.2014 hat das Gericht keine Zweifel.
b. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Beitragsbescheide vom 09.12.2011 war auch die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b bb Spiegelstrich 3 KAG, § 169 AO noch nicht abgelaufen, weil sie nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b cc Spiegelstrich 2 KAG, § 170 AO erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen begann, als die gültige Beitrags- und Gebührensatzung (BGS-EWS) des Beklagten vom 29.08.2007 bekannt gemacht wurde.
Die Vorgängersatzung von 1993 war nach der Rechtsprechung des BayVGH (z. B. Beschluss vom 17.05.2006 - 23 CS 06.928
2. Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt, abzuweisen.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.
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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist
- 1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder - 2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.
(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.
(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn
- 1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt, - 2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.
(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.
(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2
- 1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat, - 2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat, - 3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.
(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die
- 1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und - 2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.