Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 25. Sept. 2014 - 2 K 14.314

Gericht
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 24.02.2014 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch die Kläger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 v. H. des zu vollstreckenden Betrages leisten.
Tatbestand
Die Kläger begehren die Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 24.02.2014 mit welchem dem Beigeladenen eine isolierte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans „...“ der Gemeinde ... erteilt wurde.
Die Kläger sind Eigentümer des Anwesens ... in ... (FlNrn. ... und ... der Gemarkung ...). Das Grundstück ..., ... (FlNrn. ... der Gemarkung ...) steht im Eigentum des Beigeladenen. Die genannten Grundstücke befinden sich im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „...“ vom 09.04.1996, der ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. Für das Grundstück des Beigeladenen ist eine Zufahrt an der Südost-Seite zur heutigen Straße „...“ (FlNr. ...) vorgesehen, die als Erschließungsstraße ausgewiesen ist. Nach dem Kurvenbereich schließt sich an die Erschließungsstraße eine Verkehrsgrünfläche an der Nordseite des Grundstücks des Beigeladenen an (FlNr. ...). Laut Bebauungsplanbegründung sollen derartige Verkehrsgrünflächen eine spätere Weiterführung des Baugebiets ermöglichen. Derzeit hätten diese Flächen den Zweck, einen Anschluss der landwirtschaftlichen Flächen sicherzustellen. Im Rahmen einer Gemeinderatssitzung vom 04.02.1999 beschloss der Gemeinderat der Beklagten die Einleitung eines vereinfachten Änderungsverfahrens für das Grundstück des Beigeladenen. Mit Satzungsbeschluss vom 16.03.2000, dessen Rechtsverbindlichkeit am 24.07.2000 eintrat, wurde das Grundstück des Beigeladenen als Mischgebiet festgesetzt; die Straßenerschließung sowie das Verkehrsgrün blieben unverändert. In der Begründung zur Bebauungsplan-Änderung „...“ heißt es, dass eine negative Auswirkung auf Nachbarbereiche nicht gegeben sei, da zwischen dem Änderungsbereich und dem anschließenden allgemeinen Wohngebiet noch eine Pufferzone (Verkehrsgrünfläche) liege.
In der Gemeinderatssitzung vom 18.01.2007 beschloss der Gemeinderat der Beklagten die Aufstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans (vBP) „...“. Dieses Gebiet, das nunmehr als eingeschränktes Gewerbegebiet festgesetzt wurde, schließt sich nordwestlich an das Bebauungsplangebiet „...“ entlang der Staatsstraße ... an. Es dient der Errichtung einer Autoreparatur- und Autoverkaufsstelle mit integriertem Friseurgeschäft durch den Beigeladenen. Die Zufahrt soll auf der Südwestseite des neuen Geländes direkt zur Staatsstraße erfolgen. In den Bebauungsplan „...“ wird abändernd nur insoweit eingegriffen, als die bisherige Fläche Verkehrsgrün (FlNr. ...) als Mischgebiet ohne Baurecht und eine dreieckige Fläche entlang der Staatsstraße auf der Südwestseite des Grundstücks des Beigeladenen als Geh- und Radweg ausgewiesen wird. Die Straßenerschließung sowie das Verkehrsgrün blieben unverändert.
Dem Beigeladenen wurde vom Landratsamt ... mit inzwischen bestandskräftigem Bescheid vom 07.04.2009 (Az. ...) die Genehmigung zur Nutzungsänderung einer Doppelgarage in eine Kfz-Werkstatt mit Büro auf der FlNr. ... erteilt. Am 09.01.2014 beantragte der Beigeladene eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans „...“ mit dem Ziel, anstelle der festgesetzten Zufahrt an der Südostseite eine solche an der Nordostseite über die FlNr. ..., welche er erwarb, herzustellen. Im Rahmen seiner Sitzung vom 13.02.2014 beschloss der Gemeinderat der Beklagten einstimmig dem Antrag zu entsprechen. Mit Bescheid vom 24.02.2014 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen die beantragte Befreiung. Den Klägern ist dieser Bescheid am 07.04.2014 zugegangen.
Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 05.05.2014, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am gleichen Tag eingegangen, erhoben die Kläger hinsichtlich des Bescheids der Beklagten vom 24.02.2014 Klage und trugen zur Begründung vor, dass die erteilte isolierte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans „...“ rechtswidrig sei und die Kläger in ihren Rechten verletze.
Der Klägerbevollmächtigte behauptet in seinen Schriftsätzen vom 26.05.2014 und vom 08.08.2014, dass entsprechend dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan die Straßenverkehrsfläche des Kfz-Betriebes des Beigeladenen auf die vorbeiführende Staatsstraße hin orientiert werden müsse. Im Zuge der Bebauungsplanung sei klargestellt worden, dass die Umsetzung der Maßnahmen nur möglich und mit dem Rücksichtnahmegebot vereinbar sei, soweit eine Zufahrt auf die Staatsstraße vor Aufnahme der gewerblichen Nutzung hergestellt werde. Wie sich aus dem Gemeinderatsbeschluss vom 12.06.2007, in dessen Folge der Erschließungs- und Durchführungsvertrag abgeschlossen worden sei, ergebe, sei ausdrücklich bestimmt worden, dass vor Errichtung der Gebäude und Begrünung des Grundstücks die Erschließung der Fläche sichergestellt werden müsse. Nunmehr werde die gepflasterte Fläche auf FlNr. ... entsprechend der abweichenden Planung als Zufahrt sowohl zum Gebiet des vorhabenbezogenen Bebauungsplans als auch für den Kfz-Betrieb des Beigeladenen genutzt. Infolgedessen werde nicht nur der Zu- und Abfahrtsverkehr der Kfz-Werkstatt, sondern auch der gesamte Verkehr des vorhabenbezogenen Bebauungsplangebiets „...“ entlang eines allgemeinen Wohngebiets über die „...“ Grundstück FlNr. ... geführt. Der damit verbundene Lärm sei aus immissionsschutzrechtlicher Hinsicht in einem allgemeinen Wohngebiet nicht hinnehmbar. Die in einem allgemeinen Wohngebiet geltenden Lärmimmissionswerte seien deutlich überschritten. Zudem werde die Funktion der Erschließungsstraße des allgemeinen Wohngebiets hierdurch deutlich ausgeweitet und zwar in einer nicht auf die nachbarlichen Interessen der Anlieger im allgemeinen Wohngebiet Rücksicht nehmenden Weise. Die Argumentation der Beklagten, die Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans sei städtebaulich vertretbar, da die Zufahrtsfläche in der Begründung zum Bebauungsplan „...“ als Verkehrsgrünfläche ausgewiesen sei, verfange nicht. Hierbei werde die zweite Bebauungsplanänderung des Bebauungsplans „...“ vergessen, die das fragliche Gebiet als Mischgebiet ausweise. Die Behauptung, nachbarschützende Interessen seien nicht verletzt, da die Hofeinfahrt eine verfahrensfreie, unbedeutende Anlage darstelle, verkenne grundlegend und bewusst die Situation. Denn diese Hofeinfahrt stelle die einzige Zu- und Abfahrtsmöglichkeit für den Kfz-Betrieb des Beklagten und das großflächige eingeschränkte Gewerbegebiet dar. Die erteilte Befreiung sei daher weder städtebaulich vertretbar noch im Übrigen mit nachbarlichen Interessen vereinbar.
Selbst wenn sich die Festsetzung der Hofeinfahrt auf östlicher Seite nicht als nachbarschützend erweise, so sei mit der Erteilung der Befreiung im Hinblick auf die Bewohner des allgemeinen Wohngebiets jedenfalls eine eklatante Verletzung des Rücksichtnahmegebots verbunden. Darüber hinaus werde sich der Gebietscharakter des allgemeinen Wohngebiets hin zu einem Gebiet entwickeln, welches unmittelbar an eine Zufahrt zu einem eingeschränkten Gewerbegebiet angrenze. Die Zufahrt nehme auch ohne planerische Festsetzung am Gebietscharakter des eingeschränkten Gewerbegebiets teil; zumal sie derzeit die einzige Zufahrt darstelle. Dies führe zu einer Veränderung der planerischen Situation des angrenzenden allgemeinen Wohngebiets hin zu einer mindestens als Mischgebiet belasteten Fläche. Dagegen könnten sich die Kläger mit dem Gebietserhaltungsanspruch wehren. Auch gehe die Befreiung formell von einer falschen Basis aus, da nicht nur eine Veränderung des Bebauungsplans „...“ vorliege, sondern faktisch auch eine Modifikation des Bebauungsplans „...“.
Mit Schriftsatz vom 12.09.2014 trägt der Klägerbevollmächtigte weiter vor, dass der vorhabenbezogene Bebauungsplan („...“) zwar eine Zufahrt direkt über die vorbeiführende Staatsstraße vorsehe, diese aber bis heute nicht realisiert worden sei. Die Zufahrt sei zur Voraussetzung für die Ansiedlung des Betriebes erklärt worden. Inzwischen sei der der Betrieb längstens angesiedelt. Auch habe man durch Veränderungen der Randbepflanzung und Schaffung einer Treppe die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die ursprünglich geplante Zufahrt nicht mehr gebaut werde. Dass sich der Beigeladene im Rahmen des Durchführungsvertrages zur plangerechten Durchführung des Vorhabens (Zufahrt über die Staatsstraße) verpflichtet habe, werde mit Nichtwissen bestritten. Sinn und Zweck der erteilten Befreiung sei es letztlich, eine rechtlich gesicherte Zufahrt zum hinter dem Bebauungsplangebiet „...“ gelegenen Gewerbebetrieb im Bereich des vorhabenenbezogenen Bebauungsplans zu schaffen. Dies verdeutlichten die von Seiten der Kläger vorgelegten Lichtbilder.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid der Gemeinde ... vom 24.02.2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt durch Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 27.06.2014,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt der Beklagtenbevollmächtigte im Rahmen seines Schriftsatzes vom 18.07.2014 vor, dass die dem Beigeladenen erteilte Befreiung rechtmäßig sei und die Kläger nicht in ihren Rechten verletze. Eine Befreiung sei nur hinsichtlich des Bebauungsplans „...“ erteilt worden und zwar für die Zufahrt zum Grundstück des Beigeladenen FlNr. ..., welche von der Südostseite seines Grundstücks auf die Nordostseite verlegt worden sei. Hinsichtlich des vorhabenbezogenen Bebauungsplans „...“ sei eine Befreiung von den dortigen Festsetzungen weder beantragt noch erteilt worden. Letzterer setze eine direkte Zufahrt für das eingeschränkte Gewerbegebiet von der Staatsstraße aus fest. Daher sei es nicht nachvollziehbar, weshalb die Kläger davon ausgingen, dass der Planbereich nach seiner Verwirklichung über die „...“ angefahren werde.
Der Umstand, dass Hofeinfahrten verfahrensfrei gestellt seien, belege, dass der Gesetzgeber diese baulichen Maßnahmen bewusst in die private und privatrechtliche Verantwortung des Bauherrn gestellt habe. Dies sei auch ein Hinweis darauf, dass derartigen Bestimmungen in einem Bebauungsplan kaum nachbar- bzw. drittschützende Wirkung zukomme. Die erteilte Befreiung berühre die Grundzüge der Planung nicht, sei städtebaulich vertretbar und auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar. An der Zielsetzung des Bebauungsplans „...“, weiterführende Verkehrsgrünflächen auszuweisen und diese nicht etwa anderweitig zu nutzen, sei auch im Rahmen der Planänderungen festgehalten worden. Die Entscheidung, die Zufahrt des Grundstücks FlNr. ... an anderer Stelle auszuführen, berühre daher die Planungsgrundsätze nicht. Auch erweise sie sich als städtebaulich vertretbar, da sich die Befreiung nur äußerst kleinräumig auf das Grundstück des Beigeladenen auswirke. Überdies komme den Festsetzungen der Garagenzufahrten im Bebauungsplan „...“ weder nach den textlichen Festsetzungen noch entsprechend der ergänzend heranzuziehenden Begründung nachbarschützender Charakter zu. Eine Rechtsverletzung der Kläger scheide daher aus. Die Befreiung sei aus rein städtebaulichen und gestalterischen Gesichtspunkten erfolgt, nicht aber zum Schutz der Nachbarn. Die Beklagte habe sowohl während der Bearbeitung des Befreiungsantrags als auch bei der Entscheidung die nachbarlichen Interessen gewürdigt und im Rahmen der Betätigung des (Planungs-)Ermessens eingestellt. Auch hätten die Kläger ohne den Bebauungsplan wegen der Verfahrensfreiheit keine Handhabe, gegen die Zufahrtsänderung im öffentlichrechtlichen Bereich vorzugehen.
Mit Schriftsatz vom 04.09.2014 trägt der Beklagtenbevollmächtigte abermals vor, dass Streitgegenstand dieses Verfahrens lediglich eine Befreiung von der Zufahrtfestsetzung im Bebauungsplan „...“ der Beklagten bezüglich des Grundstücks FlNr. ... der Gemarkung ... (...) sei. Die Festsetzungen für dieses Grundstück des Beigeladenen würden durch den vorhabenbezogenen Bebauungsplan mit integriertem Grünordnungsplan „...“ nicht berührt. Für das durch den vorhabenbezogenen Bebauungsplan betroffene Vorhaben sei eine Zufahrt von der Staatsstraße ... aus geplant und festgesetzt. Im Rahmen des Durchführungsvertrages habe sich der Beigeladene gegenüber der Beklagten zur plangerechten Durchführung des Vorhabens, um welches es hier nicht gehe, verpflichtet. Überdies wird darauf hingewiesen, dass der Beigeladene sein Gewerbe „Vermittlung und Verkauf von Kfz, Ersatzteile und Zubehörhandel, Kfz-Reinigung und Maschinenverleih sowie Vermietung“ bereits seit 2001 betreibe.
Mit Schriftsatz vom 22.09.2014 trägt der Beklagtenbevollmächtigte weiter vor, dass die erteilte Befreiung für die Grundstückszufahrt FlNr. ... keinen Bezug zu dem westlichen Gebiet des vorhabenbezogenen Bebauungsplans habe. Wie sich aus vorgelegten Lichtbildern ergebe, könne der Bereich des vorhabenbezogenen Bebauungsplans über die streitgegenständliche Zufahrt nicht erreicht werden. Vielmehr sei dieses Gebiet durch die Bauführung auf dem Grundstück FlNr. ... abgeriegelt. Auch seien auf dem Grundstück des vorhabenbezogenen Bebauungsplans bisher keine Gebäude errichtet worden. Der Beklagtenbevollmächtigte verweist insoweit auf die vorgelegten Lichtbilder.
Mit Beschluss vom 06.05.2014 wurde der Bauherr zum Verfahren beigeladen.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Die Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen weisen mit Schriftsatz vom 04.06.2014 darauf hin, dass die Klage unbegründet sei, nachdem keine nachbarschützenden Rechte der Kläger berührt würden. Die Zufahrtsfläche sei im Bebauungsplan als Verkehrsgrünfläche ausgewiesen und diene einer späteren Weiterführung des im Bebauungsplan festgesetzten Bebauungsgebiets.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte mit der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 25.09.2014 sowie den Inhalt der vorgelegten Behördenakten, § 117 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -.
Gründe
I.
Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.
Der zugunsten des Beigeladenen erteilte Befreiungsbescheid der Beklagten vom 24.02.2014 ist aufzuheben, weil er rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Nach § 31 Abs. 2 des Baugesetzbuches - BauGB - kann von den Festsetzungen eines Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und entweder Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern (Nr. 1) oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist (Nr. 2) oder die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde (Nr. 3) und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Hinsichtlich des Nachbarschutzes im Rahmen des § 31 Abs. 2 BauGB ist grundsätzlich danach zu unterscheiden, ob von drittschützenden Festsetzungen befreit wird oder von solchen, die nicht drittschützend sind. Bei einer fehlerhaften Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung des Bebauungsplans ist ein nachbarlicher Abwehranspruch stets gegeben, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Befreiung nicht vorliegen, es führt also jeder Fehler bei der Anwendung des § 31 Abs. 2 BauGB zur Aufhebung des Befreiungsbescheides (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.07.1998, Az. 4 B 64/98).
Bei einer rechtswidrigen Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung besteht Drittschutz des Nachbarn nur, wenn seine nachbarlichen Interessen nicht hinreichend berücksichtigt worden sind; alle übrigen Fehler einer Befreiung machen diese zwar objektiv rechtswidrig, vermitteln dem Nachbarn aber keinen Abwehranspruch, weil seine Rechte nicht berührt werden.
Unter welchen Voraussetzungen eine Befreiung von nicht nachbarschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans die Rechte des Nachbarn verletzt, ist dabei nach den Maßstäben zu beantworten, die das Bundesverwaltungsgericht zum Gebot der Rücksichtnahme entwickelt hat (vgl. BVerwG a. a. O.; Urt. v. 19.09.1986, Az. 4 C 8/84; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 17.02.2011, Az. 7 B 1803/10).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die erteilte Befreiung die Kläger in ihren Rechten verletzt, da die Festsetzung „Verkehrsgrünfläche“ hier Drittschutz vermittelt und die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung nicht vorlagen.
1. Grundsätzlich ist die Gemeinde bei der Aufstellung von Bebauungsplänen frei, ob sie einer Festsetzung nachbarschützende Wirkung beimisst. Lediglich die Festsetzung von Baugebieten erweist sich generell als nachbarschützend. Denn auf die Bewahrung der festgesetzten Gebietsart hat der Nachbar einen Anspruch auch dann, wenn das baurechtswidrige Vorhaben im Einzelfall noch nicht zu einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren nachbarlichen Beeinträchtigung führt (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.09.1996, Az. 4 C 28/91).
Dieser sog. „Gebietserhaltungsanspruch“ greift jedoch nur innerhalb desselben Baugebiets. Einen baugebietsübergreifenden Schutz in dem Sinne, dass etwa derjenige, der einem anderen Baugebiet benachbart ist, unabhängig von dem konkreten Ausmaß seiner tatsächlichen Beeinträchtigung einen Abwehranspruch gegen baugebietsfremde Nutzungen im benachbarten Baugebiet hat, gibt es regelmäßig nicht. Das wechselseitige Austauschverhältnis, auf dem der Gebietserhaltungsanspruch letztlich beruht, beschränkt sich auf die Grundstückseigentümer desselben Baugebiets (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 28.11.2002, Az. 10 B 1618/02).
Die Einhaltung der Festsetzungen „Verkehrsgrünfläche“ sowie „Garagenzufahrt“ kann ein Nachbar nicht unter Berufung auf einen Gebietserhaltungsanspruch mit Erfolg einfordern. Denn diese Festsetzungen zielen ausschließlich darauf ab, das neben dem Kfz-Betrieb des Beigeladenen festgesetzte allgemeine Wohngebiet vor Lärmeinwirkungen des mit Bebauungsplanänderung vom 16.03.2000 ausgewiesenen Mischgebietes zu schützen. Es sind folglich verschiedene Baugebiete betroffen.
Für Festsetzungen, die keinen Gebietserhaltungsanspruch begründen, gilt der Grundsatz, dass es jeweils der Klärung im Einzelfall bedarf, ob eine baurechtliche Vorschrift ausschließlich objektivrechtlichen Charakter hat oder ob sie (auch) dem Schutz individueller Interessen dient, ob sie also Rücksichtnahme auf die Interessen außerhalb des Bau- bzw. Plangebiets befindlicher Dritter gebietet. Das kann sich unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm ergeben, wenn sie Abwehrrechte Betroffener ausdrücklich begründet. In der Regel hat jedoch eine Auslegung der Norm nach ihrem Sinn und Zweck zu erfolgen (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.09.1986 a. a. O.).
Gemessen hieran kommt der Festsetzung „Verkehrsgrünfläche“ im vorliegenden Fall Drittschutz zu. Zwar wurde im Rahmen der Begründung zum Bebauungsplan „...“ vom 09.04.1996 noch ausgeführt, dass die Ausweisung von Verkehrsgrünflächen eine spätere Weiterführung des Baugebiets ermöglichen solle und die maßgeblichen Flächen derzeit die Funktion hätten, den Anschluss landwirtschaftlicher Flächen sicherzustellen. Mithin diente die Festsetzung in ihrer ursprünglichen Form nicht dem Schutz individueller Interessen. Jedoch kam ihr nachträglich mit der Änderung des Bebauungsplans „...“ vom 16.03.2000 nachbarschützende Funktion zu. Im Rahmen dieser Bebauungsplanänderung wurde das Anwesen des Beigeladenen als Mischgebiet zum Betrieb einer Kfz-Werkstatt festgesetzt. Für den übrigen Bereich des Bebauungsplans „...“ blieb die Kategorisierung als allgemeines Wohngebiet aufrechterhalten. Dies führte letztlich dazu, dass neben dem klägerischen Wohnanwesen nunmehr in bauplanungsrechtlich zulässiger Weise eine Kfz-Werkstatt betrieben werden konnte. In der Begründung zum geänderten Bebauungsplan wurde hierzu ausgeführt, dass sich die vollzogenen Änderungen nicht negativ auf die Nachbarbereiche auswirken, da zwischen dem Änderungsbereich und dem anschließenden allgemeinen Wohngebiet noch eine Pufferzone (Verkehrsgrünfläche) liege. Nunmehr zielt also die Festsetzung einer Verkehrsgrünfläche im Bereich zwischen Misch- und allgemeinem Wohngebiet darauf ab, die unmittelbar neben dem Kfz-Betrieb vorhandene Wohnbebauung vor Immissionen zu schützen. Entsprechend dem Wortlaut der Änderungsbegründung sollte ein generelles, von konkreten Beeinträchtigungen unabhängiges Recht der Nachbarschaft auf Einhaltung der Festsetzungen begründet werden. Folglich vermitteln die Festsetzungen Drittschutz für die neben dem Mischgebiet ansässige Wohnbebauung und zwar sowohl inner- als auch außerhalb des Baugebiets.
2. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB liegen nicht vor.
Bei der Frage, ob ein planerischen Festsetzungen widersprechendes Vorhaben im Wege der Befreiung zugelassen werden kann, ist der Rechtsnormcharakter des als Satzung zu beschließenden Bebauungsplans zu beachten. Die Festsetzungen sind für das Baugenehmigungsverfahren grundsätzlich strikt verbindlich. Der Gesetzgeber stellt mit § 31 Abs. 2 BauGB ein Instrument zur Verfügung, das trotz dieser Rechtsverbindlichkeit im Interesse einer Einzelfallgerechtigkeit und der Wahrung der Verhältnismäßigkeit für Vorhaben, die den Festsetzungen zwar widersprechen, sich mit den planerischen Vorstellungen aber gleichwohl in Einklang bringen lassen, ein Mindestmaß an Flexibilität schafft (vgl. BVerwG, Beschl. v. 05.03.1999, Az. 4 B 5/99).
§ 31 Abs. 2 BauGB erfasst Fallgestaltungen, für die der Ortsgesetzgeber sich regelmäßig keine oder jedenfalls keine genauen Vorstellungen darüber gemacht hat, ob trotz der bauplanerischen Festsetzung zur sachgemäßen Verfolgung der städtebaulichen Ziele im Sinne gebotener Einzelfallgerechtigkeit ein Abweichen von den Festsetzungen sachnäher ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.11.1989, Az. 4 B 163/89).
Demnach rechtfertigen nur Planfestsetzungen, die - wie regelmäßig - ein Mindestmaß an Abstraktion oder Verallgemeinerung enthalten, die Erteilung einer Befreiung. Hat der Plangeber hingegen eine Festsetzung „im Angesicht des Falles“ für diesen Fall so und nicht anders gewollt, ist für eine Befreiung kein Raum (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1972, Az. IV C 69/70; BayVGH, Urt. v. 15.03.2000, Az. 15 B 97/529). Diese zum alten Recht entwickelten Grundsätze gelten auch seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuches und zur Neuregelung des Rechts der Raumordnung vom 18.08.1997 (BGBl. I S. 2081) fort. Denn eine Änderung eines Bebauungsplans setzt nach §§ 3 und 4 BauGB ein bestimmtes Verfahren unter Beteiligung der Bürger und der Träger öffentlicher Belange voraus, von dem nur unter den in § 13 BauGB genannten Voraussetzungen abgesehen werden kann. Diese Regelungen dürfen nicht durch eine großzügige Befreiungspraxis aus den Angeln gehoben werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 05.03.1999, Az. 4 B 5/99; VG Aachen, Urt. v. 14.07.2011, Az. 5 K 57/10).
Der Wille des Plangebers war im vorliegenden Fall entsprechend den Formulierungen im Rahmen der Begründung zur Bebauungsplanänderung eindeutig darauf gerichtet, die festgesetzte Verkehrsgrünfläche als Brachfläche im Sinne einer Pufferzone zwischen Misch- und allgemeinem Wohngebiet zu erhalten. Dieser eindeutig geäußerte Wille darf nicht durch eine Befreiung unterlaufen werden.
Die erteilte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans „...“ ist daher aufzuheben.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Als unterlegener Beteiligter hat die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen. Da der Beigeladene sich nicht durch Stellung eines Antrags einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, seine außergerichtlichen Kosten nicht für erstattungsfähig zu erklären.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 f. Zivilprozessordnung - ZPO -.

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(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.
(2) Das Urteil enthält
- 1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren, - 2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, - 3.
die Urteilsformel, - 4.
den Tatbestand, - 5.
die Entscheidungsgründe, - 6.
die Rechtsmittelbelehrung.
(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.
(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.
(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.
(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.
(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und
- 1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder - 2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder - 3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.
(1) Die Öffentlichkeit ist möglichst frühzeitig über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung, sich wesentlich unterscheidende Lösungen, die für die Neugestaltung oder Entwicklung eines Gebiets in Betracht kommen, und die voraussichtlichen Auswirkungen der Planung öffentlich zu unterrichten; ihr ist Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung zu geben. Auch Kinder und Jugendliche sind Teil der Öffentlichkeit im Sinne des Satzes 1. Von der Unterrichtung und Erörterung kann abgesehen werden, wenn
- 1.
ein Bebauungsplan aufgestellt oder aufgehoben wird und sich dies auf das Plangebiet und die Nachbargebiete nicht oder nur unwesentlich auswirkt oder - 2.
die Unterrichtung und Erörterung bereits zuvor auf anderer Grundlage erfolgt sind.
(2) Die Entwürfe der Bauleitpläne sind mit der Begründung und den nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen für die Dauer eines Monats, mindestens jedoch für die Dauer von 30 Tagen, oder bei Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Dauer einer angemessenen längeren Frist im Internet zu veröffentlichen. Zusätzlich zur Veröffentlichung im Internet nach Satz 1 sind eine oder mehrere andere leicht zu erreichende Zugangsmöglichkeiten, etwa durch öffentlich zugängliche Lesegeräte oder durch eine öffentliche Auslegung der in Satz 1 genannten Unterlagen, zur Verfügung zu stellen. Die nach § 4 Absatz 2 Beteiligten sollen von der Veröffentlichung im Internet auf elektronischem Weg benachrichtigt werden. Die Internetseite oder Internetadresse, unter der die in Satz 1 genannten Unterlagen eingesehen werden können, die Dauer der Veröffentlichungsfrist sowie Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, sind vor Beginn der Veröffentlichungsfrist ortsüblich bekannt zu machen; in der Bekanntmachung ist darauf hinzuweisen,
- 1.
dass Stellungnahmen während der Dauer der Veröffentlichungsfrist abgegeben werden können, - 2.
dass Stellungnahmen elektronisch übermittelt werden sollen, bei Bedarf aber auch auf anderem Weg abgegeben werden können, - 3.
dass nicht fristgerecht abgegebene Stellungnahmen bei der Beschlussfassung über den Bauleitplan unberücksichtigt bleiben können und - 4.
welche anderen leicht zu erreichenden Zugangsmöglichkeiten nach Satz 2 bestehen.
(3) Bei Flächennutzungsplänen ist ergänzend zu dem Hinweis nach Absatz 2 Satz 4 zweiter Halbsatz darauf hinzuweisen, dass eine Vereinigung im Sinne des § 4 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes in einem Rechtsbehelfsverfahren nach § 7 Absatz 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes gemäß § 7 Absatz 3 Satz 1 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes mit allen Einwendungen ausgeschlossen ist, die sie im Rahmen der Veröffentlichungsfrist nicht oder nicht rechtzeitig geltend gemacht hat, aber hätte geltend machen können.
(1) Die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich durch die Planung berührt werden kann, sind entsprechend § 3 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 1 zu unterrichten und zur Äußerung auch im Hinblick auf den erforderlichen Umfang und Detaillierungsgrad der Umweltprüfung nach § 2 Absatz 4 aufzufordern. Hieran schließt sich das Verfahren nach Absatz 2 auch an, wenn die Äußerung zu einer Änderung der Planung führt.
(2) Die Gemeinde holt die Stellungnahmen der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich durch die Planung berührt werden kann, zum Planentwurf und zur Begründung ein. Die Bereitstellung der Unterlagen sowie die Mitteilung hierüber sollen elektronisch erfolgen. Die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange haben ihre Stellungnahmen innerhalb eines Monats abzugeben, wobei jedoch die Frist zur Abgabe von Stellungnahmen 30 Tage nicht unterschreiten darf; die Gemeinde soll diese Frist bei Vorliegen eines wichtigen Grundes angemessen verlängern. Die Stellungnahmen sollen elektronisch übermittelt werden. In den Stellungnahmen sollen sich die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange auf ihren Aufgabenbereich beschränken; sie haben auch Aufschluss über von ihnen beabsichtigte oder bereits eingeleitete Planungen und sonstige Maßnahmen sowie deren zeitliche Abwicklung zu geben, die für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung des Gebiets bedeutsam sein können. Verfügen sie über Informationen, die für die Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials zweckdienlich sind, haben sie diese Informationen der Gemeinde zur Verfügung zu stellen.
(3) Nach Abschluss des Verfahrens zur Aufstellung des Bauleitplans unterrichten die Behörden die Gemeinde, sofern nach den ihnen vorliegenden Erkenntnissen die Durchführung des Bauleitplans erhebliche, insbesondere unvorhergesehene nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt hat.
(1) Werden durch die Änderung oder Ergänzung eines Bauleitplans die Grundzüge der Planung nicht berührt oder wird durch die Aufstellung eines Bebauungsplans in einem Gebiet nach § 34 der sich aus der vorhandenen Eigenart der näheren Umgebung ergebende Zulässigkeitsmaßstab nicht wesentlich verändert oder enthält er lediglich Festsetzungen nach § 9 Absatz 2a oder Absatz 2b, kann die Gemeinde das vereinfachte Verfahren anwenden, wenn
- 1.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht vorbereitet oder begründet wird, - 2.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter bestehen und - 3.
keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(2) Im vereinfachten Verfahren kann
- 1.
von der frühzeitigen Unterrichtung und Erörterung nach § 3 Absatz 1 und § 4 Absatz 1 abgesehen werden, - 2.
der betroffenen Öffentlichkeit Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist gegeben oder wahlweise die Veröffentlichung im Internet nach § 3 Absatz 2 durchgeführt werden, - 3.
den berührten Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist gegeben oder wahlweise die Beteiligung nach § 4 Absatz 2 durchgeführt werden.
(3) Im vereinfachten Verfahren wird von der Umweltprüfung nach § 2 Absatz 4, von dem Umweltbericht nach § 2a, von der Angabe nach § 3 Absatz 2 Satz 4, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, sowie von der zusammenfassenden Erklärung nach § 6a Absatz 1 und § 10a Absatz 1 abgesehen; § 4c ist nicht anzuwenden. Bei der Beteiligung nach Absatz 2 Nummer 2 ist darauf hinzuweisen, dass von einer Umweltprüfung abgesehen wird.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.