Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 06. Feb. 2019 - Au 3 K 17.33506

06.02.2019

Gericht

Verwaltungsgericht Augsburg

Tenor

I. Soweit die Klage auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtet war, wird das Verfahren eingestellt.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der nach eigenen Angaben am ... 1999 geborene Kläger ist pakistanischer Staatsangehöriger aus dem Distrikt ... in der Provinz ... Er stellte bereits am 9. September 2015 einen Asylantrag in Ungarn. Am 30. Oktober 2015 stellte die mit Beschluss des Familiengerichts Augsburg vom 1. Oktober 2015 zu seinem Vormund bestellte Bevollmächtigte für ihn einen Asylantrag beim Bundesamt.

Bei seiner Anhörung am 2. Mai 2017 trug der Kläger vor, er habe sein Heimatland im Juni 2015 verlassen und sei am 14. September 2015 nach Deutschland eingereist. Sein Vater sei Bauer gewesen und habe eigenes und gepachtetes Land bewirtschaftet. Zudem habe sein Vater einen Lebensmittelladen gehabt, der vermietet gewesen sei und den sein Vater im April oder Mai 2015 verkauft habe, um mit dem Erlös den Schlepper zu bezahlen. Dieser habe 250.000 pakistanische Rupien bekommen. In ihrer Gegend gebe es eine mächtige Mafia, die alles kontrolliere und tun könne, was sie wolle. Die Mitglieder der Mafia begingen Raubüberfälle, nähmen das Land weg, würden in Läden einbrechen und entführten auch Menschen. Diese Leute seien auch bei ihnen zu Hause gewesen und hätten ihnen das Land wegnehmen wollen. Sie seien bewaffnet gewesen und sein Vater habe sich geweigert, ihnen das Land zu übergeben. Wenn man nicht das mache, was die wollten, würden die Kinder der Familie bedroht und entführt. Sein Vater sei bei der Polizei gewesen, doch habe die Polizei nichts unternommen. Das sei im Februar 2015 gewesen. Seitdem sei er nicht weiter zur Schule gegangen und immer zu Hause gewesen. Sein älterer Bruder, der immer getrunken und geraucht habe, sei 2014 von zu Hause ausgezogen, so dass er, der Kläger, als einziger Sohn zu Hause gewesen sei. Die Bedrohungen gegen seine Familie hätten entweder Ende 2014 oder Anfang 2015 angefangen. Diese Leute hätten eine Mauer auf ihrem Land bauen wollen, weil sie das Land hätten übernehmen wollen. Als sein Vater dort hingegangen sei, um das zu stoppen, hätten sie den Vater bedroht. Nachdem sie beim ersten Mal einen Teil des Landes übernommen hätten, habe sich daraufhin sein Vater beschwert. Beim zweiten Mal, als sie den Rest hätten übernehmen wollen, hätten sie seinen Vater bedroht. Danach sei er ca. drei Monate zu Hause gewesen und noch ein paar Tage in ... Dort habe er nichts gehabt, sei alleine gewesen und habe nicht zur Schule gehen können. Diese habe er in der 10. Klasse abgebrochen.

Mit Bescheid vom 31. Mai 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, Asylanerkennung und subsidiären Schutz ab, verneinte das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG und drohte die Abschiebung nach Pakistan an. Da der Kläger angegeben habe, nie persönlich bedroht oder verfolgt worden zu sein, fehle es an einer schwerwiegenden Verfolgungshandlung. Die hierzu erwähnten Entführungen aus seinem Dorf seien lediglich „Erzählungen vom Hörensagen“. Die Angaben des Klägers erwiesen sich insgesamt als im Kern oberflächlich und unsubstantiiert. Der Sachvortrag beschränke sich lediglich auf die Darstellung einer Rahmengeschichte und diesbezügliche Spekulationen. Selbst bei Wahrunterstellung des Sachvortrags müsse sich der Kläger auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer inländischen Fluchtalternative verweisen lassen.

Am 12. Juni 2017 erhob der Kläger Klage. Nach teilweiser Klagerücknahme beantragt er,

unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bundesamts vom 31. Mai 2017 die Beklagte zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz zu gewähren, hilfsweise festzustellen, dass bei ihm Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Pakistans vorliegen.

Der Kläger habe das Land verlassen, weil er und seine Familie von der Mafia verfolgt worden seien. Die Polizei decke die Machenschaften der Organisation und helfe den Bürgern nicht, wenn sie Anzeige erstatteten, sondern beschuldige den Anzeigeerstatter irgendeiner Straftat und nehme ihn fest. Die Mafia habe den Vater des Klägers mit Waffen bedroht und die Entführung des Klägers angeordnet. Dieser habe sehr wohl selbst Entführungen von Menschen aus seinem Dorf miterlebt. Diese Männer mit normaler Kleidung, auffällig großen Bärten und großen Gewehren seien auch bereits beim Vater des Klägers gewesen, doch sei er selbst zu diesem Zeitpunkt in der Schule gewesen. Daraufhin habe der Vater den Kläger aus der Schule genommen und versteckt, bis er die Ausreise seines Sohnes habe organisieren und finanzieren können. Eine inländische Fluchtalternative habe es für den Kläger nicht gegeben. Er habe keinerlei Möglichkeiten gehabt, sich in seinem jugendlichen Alter selbst an einem anderen Ort eine Lebensgrundlage zu schaffen. Die Eltern des Klägers seien mit seinen Schwestern nach dem Streit um die Grundstücke und die Bedrohung durch die Mafia an einen ihm unbekannten Ort gezogen. Der Kläger habe vergeblich versucht, sie telefonisch zu erreichen, nachdem sie weggezogen gewesen seien. Deshalb habe er bei einer Rückkehr keinerlei familiäre Bindungen und Unterstützung mehr. Ohne die Hilfe der Familie fehle die wirtschaftliche Basis, die nötig wäre, um ein Überleben am Rand des Existenzminimums zu ermöglichen.

Ergänzend wird auf den Akteninhalt, insbesondere das Protokoll über die Anhörung des Klägers beim Bundesamt und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisgrundlagen Bezug genommen.

Gründe

I.

Soweit die Klage zurückgenommen wurde, war das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO).

II.

Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

1. Die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes liegen nicht vor. Der Kläger hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihm nach einer Rückkehr in Pakistan ein ernsthafter Schaden im Sinn von § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG droht. Sein diesbezügliches Vorbringen ist nicht glaubhaft.

Der Kläger hat beim Bundesamt und beim Verwaltungsgericht unterschiedliche Versionen seines angeblichen Verfolgungsschicksals geschildert. Einerseits sollen die Bedrohungen der örtlichen Mafia gegen seine Familie entweder Ende 2014 oder Anfang 2015 angefangen haben, andererseits Anfang des Jahres 2014. Einerseits soll seine Ausreise aus Pakistan im Juni 2015 gewesen sein, andererseits im Jahr 2014. Einerseits sollen die Mafiamitglieder bei der ersten Bedrohung des Vaters einen Teil des Landes übernommen haben, andererseits sollen sie das erste Mal (nur) ein normales Gespräch mit seinem Vater geführt haben und der Vater ihnen das Land erst überlassen haben, nachdem sie ihn zu Hause bedroht hätten.

Gegen die Glaubwürdigkeit des Klägers spricht auch nachdrücklich, dass er sowohl im Asylverfahren als auch im Vormundschaftsverfahren über seine Identität getäuscht hat. Selbst als zu Beginn der Anhörung beim Bundesamt am 2. Mai 2017 seine Personalien abgeglichen und ergänzt wurden, hat er daran festgehalten, dass der Kastenname „...“ (Bauer) sein Familienname bzw. Nachname sei. Er zeigte zwar eine Handykopie seines Schülerausweises mit dem Nachnamen „...“ vor, wies das Bundesamt aber weder auf diesen Namen noch darauf hin, dass sein korrekter Nachname „...“ laute. Beim Bundesamt gab er als letzte offizielle Anschrift im Heimatland das Dorf ... an, während er in der mündlichen Verhandlung einräumte, dies sei das Dorf ... gewesen. Der erst im zweiten Halbjahr 2018 vorgelegten Geburtsurkunde kann entnommen werden, dass die Familie des Klägers bereits bei seiner Geburt in dem Dorf ... lebte. Bei seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung, im Vorschulalter zwei bis drei Jahre in ... bzw. ... gelebt zu haben, handelt es sich um eine klare Schutzbehauptung.

Der Kläger hat beim Bundesamt auch den Namen seiner Mutter unrichtig angegeben, nämlich mit „...“ statt - wie in der vorgelegten Geburtsurkunde vermerkt - „...“. Zudem dürfte der Kläger nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck mehrere Jahre älter sein als von ihm angegeben. Dieser Einschätzung steht die vorgelegte Geburtsurkunde nicht entgegen. Die Beschaffung standesamtlicher Dokumente unwahren Inhalts ist in Pakistan problemlos möglich. Angesichts weit verbreiteter Korruption und des unzureichenden Zustands des Zivilstandswesens ist es einfach, einen fiktiven Standesfall (Geburt, Tod, Eheschließung) in ein echtes Personenstandsregister eintragen zu lassen und auf der Basis dieser Eintragung eine formal echte Urkunde ausgestellt zu bekommen. Ebenso leicht lassen sich Verfälschungen einzelner Fakten tatsächlicher Personenstandsfälle (z.B. Geburtsdatum) in den Personenstandsregistern erreichen, um damit echte standesamtliche Urkunden zu erhalten, deren Inhalt der tatsächlichen Faktenlage nur teils entspricht (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Pakistan vom 21.8.2018, V.1.1. S. 25 f. Echte Dokumente unwahren Inhalts).

Abgesehen davon stand und steht dem Kläger vor allem in den pakistanischen Großstädten eine die Gewährung subsidiären Schutzes ausschließende zumutbare inländische Schutzalternative zur Verfügung (vgl. § 4 Abs. 3 AsylG i.V.m. § 3e AsylG). Insoweit wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des angefochtenen Bescheids Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend wird ausgeführt:

Beim Kläger handelt es sich um einen gesunden jungen Mann, der arbeitsfähig ist (vgl. Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit vom 2.11.2017 für eine Tätigkeit als Küchenhilfskraft im Umfang von 12,5 Stunden/Woche vom 2.11.2017 bis 1.11.2020; Berufsausbildungsvertrag vom 3.8.2018 für eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger im Rahmen der Hilfe für junge Volljährige sozialpädagogisch betreut wird. Ist - wie im streitgegenständlichen Verfahren - das Asylgesetz anzuwenden, sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs dafür maßgebend, ob ein Ausländer als minderjährig oder volljährig anzusehen ist (§ 12 Abs. 2 Satz 1 AsylG). Im Übrigen enthält das pakistanische internationale Privatrecht insoweit eine Rückverweisung auf das deutsche Recht, so dass der Kläger auch nach dem Recht seines Herkunftsstaats seit Vollendung des 18. Lebensjahrs volljährig ist (vgl. OLG Stuttgart, B.v. 3.1.2018 - 17 WF 76/17 - juris). Die dazu im Widerspruch stehende Praxis des Familiengerichts ... ist rechtlich nicht haltbar.

2. Demnach liegen auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vor.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 4 Subsidiärer Schutz


(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: 1. die Verhängung oder Vollstreckung der To

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 92


(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der münd

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3e Interner Schutz


(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er 1. in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und2. sicher und legal in diesen Landesteil r

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 12 Handlungsfähigkeit


(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen nach diesem Gesetz ist ein volljähriger Ausländer, sofern er nicht nach Maßgabe des Bürgerlichen Gesetzbuches geschäftsunfähig oder in dieser Angelegenheit zu betreuen und einem Einwilligungsvorbehalt z

Referenzen

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen nach diesem Gesetz ist ein volljähriger Ausländer, sofern er nicht nach Maßgabe des Bürgerlichen Gesetzbuches geschäftsunfähig oder in dieser Angelegenheit zu betreuen und einem Einwilligungsvorbehalt zu unterstellen wäre.

(2) Bei der Anwendung dieses Gesetzes sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches dafür maßgebend, ob ein Ausländer als minderjährig oder volljährig anzusehen ist. Die Geschäftsfähigkeit und die sonstige rechtliche Handlungsfähigkeit eines nach dem Recht seines Heimatstaates volljährigen Ausländers bleiben davon unberührt.

(3) Im Asylverfahren ist vorbehaltlich einer abweichenden Entscheidung des Familiengerichts jeder Elternteil zur Vertretung eines minderjährigen Kindes befugt, wenn sich der andere Elternteil nicht im Bundesgebiet aufhält oder sein Aufenthaltsort im Bundesgebiet unbekannt ist.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.