Verwaltungsgericht Arnsberg Urteil, 08. Jan. 2015 - 5 K 142/14.A
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
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T a t b e s t a n d :
2Der am 24. November 1983 geborene Kläger ist pakistanischer Staatsangehöriger. Nach eigenen Angaben reiste er am 17. August 2012 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein. Hier beantragte er am 23. August 2012 seine Anerkennung als Asylberechtigter.
3Am 12. Dezember 2012 wurde der Kläger beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) angehört. Hier machte er unter anderem folgende Angaben: Sein Vater und seine Mutter seien Cousin und Cousine. Die Mutter habe als Einzelkind von ihrem Vater 10 Kila Land geerbt. Es sei so, dass das Land nicht auf Frauen überschrieben werde, so dass er automatisch der alleinige Erbe des Landes sei. Seine Onkel väterlicherseits und seine Cousins hätten schon ewig über dieses Land gestritten. Sie hätten immer Gelegenheiten gesucht, um mit ihm zu streiten, ihn dabei zu töten und das Land zu bekommen. Wenn er tot sei, gehe das Land automatisch an die Verwandtschaft. Wenn sein Vater, der alt sei, sterbe, gehe das Land an die Cousins und Cousinen. Später erklärte der Kläger auf Nachfrage, dass das Ziel des Onkels eigentlich nicht gewesen sei, das Land zu bekommen. Sie seien nur neidisch gewesen und hätten nicht gewollt, dass er das Land als Erbe ganz allein bekomme, sondern es aufteilen wollen. Zwei- bis dreimal sei es auch zu Auseinandersetzungen gekommen. Er sei geschlagen worden und dabei seien ihm Nase und Arm gebrochen worden. Später erklärte der Kläger, dass er ein paar Mal geschlagen worden sei. Vor zwei Jahren sei die schlimmste Schlägerei gewesen. Im Januar 2012 hätten sie mit Traktoren auf den Feldern gearbeitet. Ihnen sei vorgeworfen worden, dass sie auf dem Weg zu ihrem Feld über fremdes Land gefahren seien. Dann sei es zu einem Streit gekommen und er sei geschlagen worden. Bei diesem Vorfall sei seine Nase nicht ganz gebrochen, aber sein Arm sei gebrochen. Davor habe es Beschimpfungen und Bedrohungen, aber keine richtige Schlägerei gegeben. Er habe die Polizei über die Schlägerei informiert. Diese habe aber nichts getan. Der Onkel und dessen Söhne seien mächtig, weil sie Kontakt zur „Pakistan Muslim League Navaz“ hätten. Sie hätten Kontakt zu einer Person gehabt, die als Vertreter aus dem Dorf in die Regierung gewählt worden sei. Diese Person habe dem Onkel als Gegenleistung für die Zusage geholfen, sie zu wählen. Nachdem es zu Handgreiflichkeiten gekommen sei, habe sein Vater entschieden, dass er - der Kläger - ausreisen solle. Am 17. August 2012 sei er von Lahore nach Frankfurt am Main geflogen.
4Mit Bescheid vom 18. Dezember 2013, der dem Kläger am 2. Januar 2014 zugestellt wurde, lehnte das Bundesamt den Asylantrag ab. Gleichzeitig stellte es fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzstatus sowie Abschiebungshindernisse im Sinne des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen. Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik innerhalb eines Monats nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen, andernfalls er nach Pakistan oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat abgeschoben werde.
5Am 16. Januar 2014 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, dass er aus Angst vor Verfolgung und körperlichen Übergriffen seines Onkels und seines Cousins geflohen sei. Er wisse nicht mit letzter Sicherheit, welche Motive seine Verwandten gehabt hätten, ihn zu drangsalieren. Er habe davon ausgehen können, dass seine Verwandten mit ihren Kontakten zur „Pakistan Muslim League Nawaz“ die Möglichkeit gehabt hätten, ihn einer Verfolgung durch die örtliche Polizei auszusetzen. Er fühle sich den Lehren der Ahmadiyya nah und habe sowohl in seinem Heimatland als auch in Deutschland freundschaftliche Beziehungen zu Angehörigen dieser Religionsgemeinschaft gepflegt. Dies sei auch seinem Onkel und seinem Cousin bekannt. Sein Onkel und sein Cousin hätten ihm konkret gedroht, dass sie aufgrund seiner Nähe zu Angehörigen der Ahmadiyya-Bewegung dafür Sorge tragen würden, dass er durch die Polizei verfolgt werde.
6Der Kläger beantragt,
7den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. Dezember 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 des Asylverfahrensgesetzes i.V.m. § 60 Abs.1 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes zuzuerkennen,
8hilfsweise
9ihn als subsidiär Schutzberechtigten nach § 4 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes i.V.m. § 60 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes anzuerkennen,
10und weiter hilfsweise
11festzustellen, dass hinsichtlich seiner Person Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes hinsichtlich Pakistan vorliegen.
12Die Beklagte beantragt - schriftsätzlich -,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beteiligten sind mit der Ladung auf die dem Gericht vorliegenden Erkenntnismit-
15tel hingewiesen worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes Bezug genommen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
17Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
18Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter noch einen solchen auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Er hat ferner keinen Anspruch ‑ wie hilfsweise begehrt ‑ auf Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter nach § 4 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG bzw. ‑ wie weiter hilfsweise begehrt ‑ auf Feststellung, dass hinsichtlich seiner Person Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG vorliegen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Auch die angefochtene Abschiebungsandrohung erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
19Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob er auf dem Luftweg oder dem Landweg und somit aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 des Grundgesetzes (GG), § 26a Abs. 2 AsylVfG in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, was gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a Abs. 1 Sätze 1 und 2 AsylVfG seine Anerkennung als Asylberechtigter gesetzlich von vornherein ausschließen würde, denn der Kläger ist jedenfalls nicht politisch verfolgt im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG.
20Politisch verfolgt ist, wer wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Überzeugung gezielt Rechtsverletzungen ausgesetzt ist, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen; der eingetretenen Verfolgung steht die unmittelbar drohende Gefahr der Verfolgung gleich.
21Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschlüsse vom 10. Juli 1989‑ 2 BvR 502/86 u.a. -, Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) 80, 315 (333 ff.) und vom 23. Januar 1991 - 2 BvR 902/85 u.a. -, BVerfGE 83, 216 ff.
22Nach dem durch den Zufluchtgedanken geprägten normativen Leitbild des Asylgrundrechts gelten für die Beurteilung, ob ein Asylsuchender politisch Verfolgter im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG ist, unterschiedliche Maßstäbe je nach dem, ob er seinen Heimatstaat auf der Flucht vor - in seiner Person - eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat und ihm ein Ausweichen innerhalb des Heimatstaates auf Grund dieser ausweglosen Lage unzumutbar war oder ob er unverfolgt in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist. Im erstgenannten Fall ist Asyl zu gewähren, wenn eine (erneute) Verfolgung nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden kann (herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab). Hat der Asylsuchende sein Heimatland jedoch unverfolgt verlassen, kann sein Asylanerkennungsbegehren nur Erfolg haben, wenn ihm aufgrund von berücksichtigungsfähigen Nachfluchttatbeständen bei einer Rückkehr in sein Heimatland (nunmehr) politische Verfolgung mit beachtlicher - d.h. überwiegender - Wahrscheinlichkeit droht.
23Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, BVerfGE 54, 341 (360), vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, a.a.O. (344 ff.) und vom 23. Januar 1991 - 2 BvR 902/85 u.a. -, a.a.O. (231); Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 18. Februar 1997 - 9 C 9.96 -, Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE) 104, 97 (99).
24Entscheidend ist, ob dem Asylsuchenden bei objektiver Würdigung der gesamten Umstände seines Falles nicht zuzumuten war bzw. ist, in seinem Heimatland zu bleiben oder dorthin zurückzukehren.
25Vgl. BVerwG, Urteile vom 5. November 1991 - 9 C 118.90 -, BVerwGE 89, 162 (169) und vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 -, BVerwGE 71, 180 ff.
26Wegen der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Asylsuchenden kann schon allein sein eigener Tatsachenvortrag zur Anerkennung führen, sofern das Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände von dessen Wahrheit überzeugt ist. Der Asylsuchende ist gehalten, seine Asylgründe in schlüssiger Form vorzutragen. Er muss insbesondere seine persönlichen Erlebnisse unter Angabe genauer Einzelheiten derart schlüssig darlegen, dass seine Schilderung geeignet ist, seinen Anspruch lückenlos zu tragen. Enthält das Vorbringen erhebliche, nicht überzeugend aufgelöste Widersprüche und Unstimmigkeiten, kann es als unglaubhaft beurteilt werden, wobei insbesondere der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylsuchenden entscheidende Bedeutung zukommt.
27Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 1989 ‑ 9 B 239.89 -, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk des BVerwG (Buchholz), 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 113.
28Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat das Gericht auch unter Berücksichtigung der Beweisnot von Asylsuchenden und der daraus folgenden besonderen Bedeutung der eigenen Schilderung der persönlichen Verhältnisse und Erlebnisse des Klägers vor seiner Ausreise aus seiner Heimat
29vgl. BVerwG, Urteile vom 12. November 1985 ‑ 9 C 27.85 -, Informationsbrief Ausländerrecht (InfAuslR) 1986, 79 (80) und vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 -, a.a.O.
30nicht die Überzeugung gewonnen, dass er in Pakistan politische Verfolgung erlitten hat oder - unmittelbar drohend - zu befürchten hatte.
31Dem Kläger kann bereits nicht abgenommen werden, dass er im Rahmen eines familiären Streits über das Erbe von Land tätlichen Übergriffen seines Onkels und seiner Cousins ausgesetzt war. Insoweit ist das Vorbringen des Klägers in den Anhörungen beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung derart widersprüchlich und ungereimt, dass nicht davon auszugehen ist, dass der Kläger von tatsächlich erlebten Ereignissen berichtet hat.
32Beim Bundesamt hatte der Kläger zu den Motiven, die den Onkel und die Cousins bei den Übergriffen und Drohungen ihm gegenüber geleitet hätten, zunächst ausgeführt, dass diese ihn hätten töten wollen, um in der Folge selbst das umstrittene Land zu erben. Später berichtete der Kläger hingegen abweichend hiervon, dass das Ziel des Onkels und der Cousins eigentlich nicht gewesen sei, das Land zu bekommen. Sie seien nur neidisch gewesen und hätten nicht gewollt, dass er das Land ganz allein geerbt habe.
33Des Weiteren weichen die Angaben des Klägers beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung zu der tätlichen Auseinandersetzung, die Anfang des Jahres 2012 stattgefunden haben soll und bei der er verletzt worden sein will, erheblich voneinander ab. Die Widersprüche setzen schon beim Anlass für den angeblichen Übergriff an. Während der Kläger beim Bundesamt noch vorgetragen hatte, dass die Verwandten ihm an diesem Tag vorgeworfen hätten, auf dem Weg zu seinem Feld mit geliehenen Traktoren über deren Felder gefahren zu sein, trug er in der mündlichen Verhandlung vor, dass an jenem Tag nicht er durch fremde Felder gefahren sei, sondern vielmehr der Onkel durch die Felder der Familie des Klägers habe fahren wollen und trotz des Protests des Klägers darauf bestanden habe, diesen Weg zu nehmen. Überdies hatte der Kläger beim Bundesamt behauptet, dass er bei dem fraglichen Vorfall an der Nase verletzt worden sei und sich den Arm gebrochen habe. Demgegenüber berichtete er in der mündlichen Verhandlung von sich aus anfänglich nur von der Verletzung an der Nase und gab erst auf Nachfrage an, dass er auch eine Verrenkung am Handgelenk davongetragen habe, weil die Verwandten daran gezogen hätten. Weshalb der Kläger beim Bundesamt hingegen wiederholt von einem gebrochenen Arm gesprochen hat, konnte er auf entsprechenden Vorhalt nicht nachvollziehbar erläutern.
34Ebenso widersprüchlich sind die Ausführungen des Klägers zu der Gesamtzahl und den Zeitpunkten der angeblichen handgreiflichen Auseinandersetzungen mit seinen Verwandten. In der mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger auf mehrfache Nachfrage, dass es davon insgesamt - einschließlich des Vorfalls Anfang des Jahres 2012 - nur zwei gegeben habe. Diese zweite handgreifliche Auseinandersetzung habe sich etwa 1½ Monate nach der ersten ereignet. Im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung trug der Kläger allerdings vor, dass er neben dem Vorfall mit der Verletzungsfolge noch bei zwei weiteren Anlässen geschlagen worden sei. Eine dieser Auseinandersetzungen, bei der er ins Gesicht geschlagen worden sei, habe vor dem Vorfall Anfang 2012 stattgefunden. Insoweit weicht sein Vorbringen nicht nur von seinen vorangegangenen Angaben in der mündlichen Verhandlung, sondern auch von denen beim Bundesamt ab. Dort hatte der Kläger auf die Frage des Einzelentscheiders, ob es vor der Auseinandersetzung Anfang 2012 noch Vorfälle gegeben habe, bei denen er geschlagen worden sei, ausdrücklich ausgeführt, dass es davor „Beschimpfungen und Bedrohungen, aber keine richtige Schlägerei“ gegeben habe. Die Erläuterung des Klägers auf Nachfrage seines Prozessbevollmächtigten, dass er damit nur gemeint habe, dass es vor Anfang 2012 keine Verletzungen gegeben habe, vermag vor dem Hintergrund der eindeutigen Frage des Einzelentscheiders, die allgemein auf Schläge und nicht auf die Folgen der Schläge abzielte, nicht zu überzeugen.
35Ebenso wenig glaubhaft ist, dass der Kläger von seinen Verwandten wegen seiner angeblichen Nähe zu Mitgliedern der Ahmadiyya-Bewegung bedroht wird. Beim Bundesamt hatte der Kläger nicht ansatzweise erwähnt, dass er freundschaftliche Beziehungen zu Ahmadis pflegte und daher befürchtete, von seinem Onkel und seinen Cousins bei den Sicherheitskräften angezeigt zu werden. Wenn der Kläger tatsächlich wegen des behaupteten Streits um ererbtes Land Bedrohungen durch seine Verwandten ausgesetzt gewesen wäre, hätten entsprechende Angaben, die eine erhöhte Gefährdung seiner Person belegt hätten, indes nahegelegen. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, dass der Kläger erstmalig im Klageverfahren mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 17. Februar 2014 vorgetragen hat, dass er Kontakte zu Angehörigen der Ahmadiyya-Bewegung gehabt habe und dies dem Onkel und den Cousins bekannt gewesen sei. Des Weiteren hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf mehrfache Nachfrage ausdrücklich eingeräumt, dass der Onkel seiner Familie erstmals bei einem Vorfall im August 2014 vor versammelten Dorfbewohnern Kontakte zur Ahmadiyya-Bewegung vorgehalten habe. Diese Schilderung ist allerdings mit den Angaben des Klägers zu Beginn der mündlichen Verhandlung nicht zu vereinbaren, denen zufolge der Onkel der Polizei von Kontakten des Klägers zur Ahmadiyya-Bewegung erzählt habe, wenn er - der Kläger - sich an die Polizei gewandt habe. Hieraus folgt nämlich, dass die Beziehungen des Klägers zu Ahmadis entgegen seiner Darstellung schon vor der Ausreise aus Pakistan im August 2012 und nicht erst im August 2014 öffentlich thematisiert worden sind.
36Vor dem Hintergrund des insgesamt unglaubhaften Sachvortrags des Klägers kann es schließlich dahinstehen, ob er sich der angeblichen Verfolgung durch seine Verwandten und mithin durch Privatpersonen nicht durch einen Wechsel seines Aufenthaltsorts innerhalb Pakistans dauerhaft hätte entziehen können.
37Dem Kläger steht ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aus anderen Gründen zu, die nach seiner Ausreise entstanden sind. Die insoweit in Betracht zu ziehende Asylantragstellung stellt keinen beachtlichen Nachfluchtgrund dar. Eine politische Verfolgung „nach sich ziehende“ Asylantragstellung wird von Art. 16a Abs. 1 GG nur dann erfasst, wenn sich der Antragsteller vor dem Verlassen seines Heimatlandes in einer latenten Gefährdungslage befunden hat.
38Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. März 1992 - 9 C 57.91 - Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl.) 1992, 1543.
39Das ist hier nach den vorausgegangenen Ausführungen nicht der Fall.
40Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich - 1. - aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2. - außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG wiederum darf ein Ausländer in Anwendung des o.g. Abkommens vom 28. Juli 1951 nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist.
41Als Verfolgung in diesem Sinne gelten gemäß § 3a Abs. 1 AsylVfG u.a. Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) keine Abweichung zulässig ist oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich der Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Als hier in Betracht zu ziehende Verfolgung in diesem Sinne können gemäß § 3a Abs. 2 AsylVfG u.a. gelten: 1. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, 2. gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, 3. unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, 4. die Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, 5. die Folge der Verweigerung des Militärdienstes oder 6. Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. Eine Verfolgung in diesem Sinne kann dabei gemäß § 3c AsylVfG nicht nur von dem Staat, sondern u.a. auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens ist, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
42Bei Anwendung dieser Grundsätze folgt aus den vorstehenden Ausführungen zum Nichtbestehen des Asylanspruchs, dass der Kläger auch die Flüchtlingseigenschaft in diesem Sinne nicht beanspruchen kann, weil die Voraussetzungen für die Asylgewährung einerseits und die Gewährung der Flüchtlingseigenschaft ‑ abgesehen von vorstehenden und hier nicht weiter bedeutsamen Besonderheiten des Flüchtlingsschutzes ‑ in Bezug auf Verfolgungshandlungen, geschütztes Rechtsgut und politischen Charakter der Verfolgung deckungsgleich sind.
43Subsidiärer Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylVfG i.Vm. § 60 Abs. 2 AufenthG ist dem Kläger ebenso wenig zuzuerkennen wie ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG.
44Die vom Bundesamt verfügte Ausreiseaufforderung nebst Abschiebungsandrohung steht im Einklang mit § 34 AsylVfG in Verbindung mit § 59 AufenthG. Der Kläger ist nicht asylberechtigt und besitzt keine Aufenthaltsgenehmigung.
45Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylVfG.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Arnsberg Urteil, 08. Jan. 2015 - 5 K 142/14.A
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Referenzen - Gesetze
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn
- 1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder - 2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
- 1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder - 2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.
(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.
(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.
(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.
(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.
(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn
- 1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder - 2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.