Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 21. Juni 2017 - AN 4 K 16.02256

bei uns veröffentlicht am21.06.2017
nachgehend
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 4 ZB 17.1731, 16.11.2017

Gericht

Verwaltungsgericht Ansbach

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer der Grundstücke mit den FlNrn. … und … der Gemarkung … im Gemeindegebiet der Beklagten. Die Eltern des Klägers hatten diese Grundstücke durch notariellen Kaufvertrag vom 26. Juni 1992 von der Beklagten erworben. Unter Ziffer XII. des Kaufvertrags (Bauverpflichtung) verpflichteten sich die Käufer gegenüber der Gemeinde …, die geplanten Mietwohnungen innerhalb von fünf Jahren bezugsfertig zu erstellen. Für den Fall der Nichteinhaltung dieser Frist verpflichteten sich die Käufer, an die Gemeinde … für jedes angefangene Jahr bis zur Vollendung der Mietwohnungen eine Entschädigung von jährlich 1.000,00 DM für jedes Grundstück als Ausgleich für fehlende Steuer- und Gebühreneinnahmen zu entrichten (Bl. 62 der Widerspruchsakte).

Mit Schreiben vom 3. Juni 2015 forderte die Beklagte den Kläger auf, rückständige Entschädigungszahlungen gemäß Zahlungsmitteilung vom 3. Dezember 2014 in Höhe von 3.178,73 EUR bis spätestens 25. Juni 2015 an die Beklagte zu überweisen. Für den Fall der Nichterfüllung drohte die Beklagte an, dass sie unverzüglich von ihrem Wiederkaufsrecht Gebrauch machen und den Rückkauf der unbebauten Grundstücke mit den FlNrn. … und … der Gemarkung … in die Wege leiten werde (Bl. 57 der Widerspruchsakte).

Mit Schreiben vom 23. Mai 2016 wandte sich der Kläger an das Landratsamt … und legte „Widerspruch“ gegen das Schreiben der Gemeinde … vom 3. Juni 2015 ein (Bl. 52 der Widerspruchsakte). Zur Begründung führte der Kläger aus, dass er die vollumfängliche Überprüfung „des Verwaltungsaktes“ auf seine Recht- und Zweckmäßigkeit bis zurück ins Jahr 1992 erwarte. Darüber hinaus erwarte er die Verbescheidung seiner beiden Widersprüche vom 10. November 2014 an die Gemeinde …

Am 12. Oktober 2016 erließ das Landratsamt … einen Widerspruchsbescheid und wies darin die Widersprüche gegen die Anforderung der Entschädigungsleistung aus dem Kaufvertrag zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich dabei nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handele.

Der Widerspruchsbescheid ist mit einer Rechtsbehelfsbelehrung:dahingehend versehen, dass gegen diesen Bescheid innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach erhoben werden könne. Die Klage müsse den Kläger, den Beklagten (Freistaat Bayern) und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen.

Der Widerspruchsbescheid wurde dem Klägerbevollmächtigten durch Postzustellungsurkunde am 20. Oktober 2016 durch Einlegung des Schriftstücks in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt.

Am 21. November 2016 erschien der Klägerbevollmächtigte vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach und erhob Klage gegen die Gemeinde …

Zur Begründung wurde eine Kopie des Widerspruchsschreibens vom 23. Mai 2016 an das Landratsamt … zu den Akten des Gerichts übergeben.

Mit Schreiben vom 30. November 2016 trat der anwaltliche Vertreter der beklagten Gemeinde … der Klage entgegen.

In der mündlichen Verhandlung am 21. Juni 2017 beantragte der Klägerbevollmächtigte,

„dass der Gemeinderatsbeschluss vom 5. Juni 1992, der Grundlage des notariellen Kaufvertrages vom 26. Juni 1992 war, als rechtswidrig eingestuft wird.“

Der Beklagtenbevollmächtigte beantragte

Klageabweisung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

1. Nach dem Ergebnis der am 21. Juni 2017 durchgeführten mündlichen Verhandlung und der Auslegung des dort – ungeachtet der dem Kläger vom Gericht insoweit aufgezeigten rechtlichen Bedenken – gestellten Klageantrages begehrt der Kläger der Sache nach die Feststellung, dass der Gemeinderatsbeschluss vom 5. Juni 1982 rechtswidrig war (§ 88 VwGO).

Für die so zu verstehende Klage ist der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO zwar eröffnet, jedoch erweist sich diese Klage bereits als unzulässig, weil der Kläger in Ermangelung auch nur der Möglichkeit einer Rechtsverletzung keine Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO hat bzw. kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage gegen einen – nicht mit unmittelbarer Außenwirkung versehenen – Gemeinderatsbeschluss besteht.

Für eine etwaige Klage bezüglich des notariellen Kaufvertrages vom 26. Februar 1982 wäre hingegen der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nicht eröffnet, weil es sich wohl nicht um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag etwa im Sinne von § 11 BauGB, sondern um einen zivilrechtlichen Kaufvertrag handelt. Die Frage nach der Rechtsnatur des Kaufvertrages kann jedoch im Rahmen dieser Klage dahinstehen, weil der Kläger sein Klagebegehren ausdrücklich im oben genannten Sinne formuliert hat. Im Übrigen ist der Kaufvertrag nach Auskunft der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung Gegenstand eines anhängigen Zivilprozesses, bei dem es um die Rückabwicklung gehen soll. Da der Kaufvertrag nur mittelbar, nämlich als Thema des vom Kläger in Streit gestellten Gemeinderatsbeschlusses, Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, spielt die Frage der etwaigen doppelten Rechtshängigkeit jedoch keine entscheidungserhebliche Rolle.

Ausdrücklich ist zudem nicht der Widerspruchsbescheid des Landratsamtes … Gegenstand der vorliegenden Klage, so dass der Freistaat Bayern nicht als Beklagter in Betracht kommt.

2. Für eine Klage gegen den Gemeinderatsbeschluss fehlt es bereits an einer Klagebefugnis des Klägers.

Denn bei einem Gemeinderatsbeschluss handelt es sich zunächst nur um ein bloßes Verwaltungsinternum ohne Außenwirkung und nicht etwa um einen Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 BayVwVfG. Außenwirkung erfährt der Gemeinderatsbeschluss erst durch einen etwaigen Umsetzungsakt, welcher in der Regel durch den ersten Bürgermeister einer Gemeinde erfolgt, Art. 36 BayGO (vgl. Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke, Kommunalrecht in Bayern, Art. 30 GO, Nr. 6.1). Ein solcher mit unmittelbarer Außenwirkung versehener Umsetzungsakt kann im Erlass eines – auf dem Verwaltungsrechtsweg anfechtbaren – Verwaltungsaktes bestehen oder auch im Abschluss eines zivilrechtlichen Kaufvertrages, dessen Folgen Gegenstand eines zivilgerichtlichen Verfahrens sein können. Erst durch die Umsetzung des Beschlusses besteht daher überhaupt die Möglichkeit der Rechtsverletzung des einzelnen Bürgers.

Ein allgemeiner Anspruch auf eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung verwaltungsinterner Vorgänge existiert nicht. Erst wenn der Vorgang Rechtswirkungen für den Bürger entfaltet, gebietet das Gebot effektiven Rechtsschutzes den Zugang zu einem Gericht. Aus diesem Grund besteht auch kein Rechtsschutzbedürfnis für das geltend gemachte Klagebegehren.

Auf die Frage, ob der Kläger, der nach den Angaben des Klägerbevollmächtigten gar nicht mehr im Grundbuch als Eigentümer des betroffenen Grundstückes eingetragen ist, überhaupt aktivlegitimiert sein kann, kommt es vorliegend nicht entscheidungserheblich an, weil die Klagebefugnis bzw. ein Rechtsschutzbedürfnis schon aus den genannten Gründen zu verneinen waren.

3. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 21. Juni 2017 - AN 4 K 16.02256

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 21. Juni 2017 - AN 4 K 16.02256

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 21. Juni 2017 - AN 4 K 16.02256 zitiert 5 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 88


Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 40


(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Stre

Baugesetzbuch - BBauG | § 11 Städtebaulicher Vertrag


(1) Die Gemeinde kann städtebauliche Verträge schließen. Gegenstände eines städtebaulichen Vertrags können insbesondere sein: 1. die Vorbereitung oder Durchführung städtebaulicher Maßnahmen durch den Vertragspartner auf eigene Kosten; dazu gehören au

Referenzen

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.

(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Die Gemeinde kann städtebauliche Verträge schließen. Gegenstände eines städtebaulichen Vertrags können insbesondere sein:

1.
die Vorbereitung oder Durchführung städtebaulicher Maßnahmen durch den Vertragspartner auf eigene Kosten; dazu gehören auch die Neuordnung der Grundstücksverhältnisse, die Bodensanierung und sonstige vorbereitende Maßnahmen, die Erschließung durch nach Bundes- oder nach Landesrecht beitragsfähige sowie nicht beitragsfähige Erschließungsanlagen, die Ausarbeitung der städtebaulichen Planungen sowie erforderlichenfalls des Umweltberichts; die Verantwortung der Gemeinde für das gesetzlich vorgesehene Planaufstellungsverfahren bleibt unberührt;
2.
die Förderung und Sicherung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele, insbesondere die Grundstücksnutzung, auch hinsichtlich einer Befristung oder einer Bedingung, die Durchführung des Ausgleichs im Sinne des § 1a Absatz 3, die Berücksichtigung baukultureller Belange, die Deckung des Wohnbedarfs von Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen sowie der Erwerb angemessenen Wohnraums durch einkommensschwächere und weniger begüterte Personen der örtlichen Bevölkerung;
3.
die Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen, die der Gemeinde für städtebauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind und die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind; dazu gehört auch die Bereitstellung von Grundstücken;
4.
entsprechend den mit den städtebaulichen Planungen und Maßnahmen verfolgten Zielen und Zwecken die Errichtung und Nutzung von Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung;
5.
entsprechend den mit den städtebaulichen Planungen und Maßnahmen verfolgten Zielen und Zwecken die Anforderungen an die energetische Qualität von Gebäuden.
Die Gemeinde kann städtebauliche Verträge auch mit einer juristischen Person abschließen, an der sie beteiligt ist.

(2) Die vereinbarten Leistungen müssen den gesamten Umständen nach angemessen sein. Die Vereinbarung einer vom Vertragspartner zu erbringenden Leistung ist unzulässig, wenn er auch ohne sie einen Anspruch auf die Gegenleistung hätte. Trägt oder übernimmt der Vertragspartner Kosten oder sonstige Aufwendungen, ist unbeschadet des Satzes 1 eine Eigenbeteiligung der Gemeinde nicht erforderlich.

(3) Ein städtebaulicher Vertrag bedarf der Schriftform, soweit nicht durch Rechtsvorschriften eine andere Form vorgeschrieben ist.

(4) Die Zulässigkeit anderer städtebaulicher Verträge bleibt unberührt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.