Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz Urteil, 11. Jan. 2016 - VGH N 10/14, VGH N 25/14

ECLI: ECLI:DE:VERFGRP:2016:0111.VGHN10.14.0A
published on 11/01/2016 00:00
Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz Urteil, 11. Jan. 2016 - VGH N 10/14, VGH N 25/14
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Die Anträge werden abgelehnt.

Gründe

A.

1

Mit ihren Anträgen wenden sich die Antragstellerinnen gegen die Eingliederung der Antragstellerin zu 2., der Verbandsgemeinde Manderscheid, in die Antragstellerin zu 1., die Verbandsgemeinde Wittlich-Land, im Rahmen einer Kommunal- und Verwaltungsreform.

I.

2

Die letzte große kommunale Funktions- und Gebietsreform fand in Rheinland-Pfalz Ende der 1960er Jahre/ Anfang der 1970er Jahre statt. Sie diente der Anpassung der kommunalen Strukturen an die gewachsenen Ansprüche im modernen Sozial- und Rechtsstaat. Ziel war es, Kommunen angemessener Größe zu schaffen, um eine effiziente Aufgabenwahrnehmung zu ermöglichen und dadurch die kommunale Selbstverwaltung zu stärken (vgl. hierzu LT-Drucks. 6/17, S. 18 ff., LT-Drucks. 6/698, S. 28 ff.; ferner Stamm, in: Brocker/Droege/Jutzi [Hrsg.], Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2014, Art. 49 Rn. 6 m.w.N.; vertiefend Steinbicker, in: Junkernheinrich/Lorig [Hrsg.], Kommunalreformen in Deutschland, 2013, S. 213 ff.).

3

Mehr als 40 Jahre später hat der Landtag Rheinland-Pfalz beschlossen, eine weitere Kommunal- und Verwaltungsreform durchzuführen. Diese beinhaltet neben der Änderung zahlreicher Zuständigkeiten (vgl. hierzu das Zweite Landesgesetz zur Kommunal- und Verwaltungsreform vom 28. September 2010, GVBl. S. 280) auf einer ersten Stufe insbesondere eine Gebietsreform auf der Ebene der verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden. Hierdurch sollen die Leistungsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Verwaltungskraft dieser kommunalen Gebietskörperschaften gestärkt werden. Anlässe für die Änderung der Gebietsstrukturen seien, so der Gesetzgeber, im Wesentlichen demografische Veränderungen, die Situation der öffentlichen Finanzen, technische und soziale Entwicklungen sowie eine Änderung des Aufgabenspektrums der Verwaltungen (so LT-Drucks. 15/4488, S. 1, 21). Auf einer zweiten Stufe der Reform sollen bis zum Jahr 2019 die Strukturen der Landkreise und kreisfreien Städte optimiert werden (vgl. hierzu auch LT-Drucks. 15/4488, S. 32, LT-Drucks. 16/1081).

II.

4

Am 8. September 2010 beschloss der Landtag das Erste Landesgesetz zur Kommunal- und Verwaltungsreform, das am 5. Oktober 2010 im Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet wurde (GVBl. 272). Artikel 1 dieses Gesetzes beinhaltet das Landesgesetz über die Grundsätze der Kommunal- und Verwaltungsreform – KomVwRGrG – (im Folgenden: Grundsätzegesetz), das unter anderem die Kriterien für eine Änderung der Gebietsstrukturen festlegt.

5

§ 1 bis § 3 KomVwRGrG lauten wie folgt:

6

§ 1
Ziele

7

(1) Ein Ziel der Kommunal- und Verwaltungsreform sind kommunale Gebietskörperschaften, die unter besonderer Berücksichtigung der demografischen Entwicklungen und des Einsatzes neuer Informations- und Kommunikationstechnologien, insbesondere im Rahmen von E-Government, in der Lage sind, langfristig die eigenen und die übertragenen Aufgaben in fachlich hoher Qualität, wirtschaftlich sowie bürger-, sach- und ortsnah wahrzunehmen. Zu diesem Zweck sollen Aufgabenzuständigkeiten verändert und die Leistungsfähigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit und die Verwaltungskraft der verbandsfreien Gemeinden und der Verbandsgemeinden im Interesse einer bestmöglichen Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger durch Gebietsänderungen verbessert werden. Der Freiwilligkeit gebietlicher Veränderungen wird hierbei der Vorrang eingeräumt.

8

(2) Darüber hinaus ist zur Verbesserung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Aufgabenerledigung eine Erweiterung der gemeinsamen Wahrnehmung von Aufgaben und der gemeinsamen Unterhaltung öffentlicher Einrichtungen durch öffentliche und private Stellen angestrebt; dies gilt insbesondere für eine Zusammenarbeit kommunaler Gebietskörperschaften, die ihren Sitz in derselben Gemeinde haben. Mit Dienstleistungsangeboten der kommunalen Gebietskörperschaften sollen die Möglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger zur schnellen, qualitativ hochwertigen und kostengünstigen Abwicklung ihrer Verwaltungsangelegenheiten und die Unterstützung der Ortsgemeinden und der Ortsbezirke in Verwaltungsangelegenheiten verbessert werden. Ein Ziel der Kommunal- und Verwaltungsreform ist auch eine stärkere direkte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in kommunalen Selbstverwaltungsangelegenheiten, um das Potenzial des in Rheinland-Pfalz sehr ausgeprägten bürgerschaftlichen Engagements zur Verwirklichung des Gemeinwohlziels verstärkt nutzen zu können. Dazu sollen notwendige Voraussetzungen geschaffen und erweitert werden.

9

§ 2
Grundsätze der Verbesserung kommunaler Gebietsstrukturen

10

(1) Zur Stärkung der Leistungsfähigkeit, der Wettbewerbsfähigkeit und der Verwaltungskraft der verbandsfreien Gemeinden und der Verbandsgemeinden werden die vorhandenen Gebietsstrukturen dieser kommunalen Gebietskörperschaften bis zum Tag der allgemeinen Kommunalwahlen im Jahr 2014 verbessert.

11

(2) Eine ausreichende Leistungsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Verwaltungskraft haben in der Regel

12

1. verbandsfreie Gemeinden mit mindestens 10 000 Einwohnerinnen und Einwohnern und

13

2. Verbandsgemeinden mit mindestens 12 000 Einwohnerinnen und Einwohnern.

14

Maßgebend ist die vom Statistischen Landesamt Rheinland-Pfalz zum 30. Juni 2009 festgestellte amtliche Zahl der Personen, die mit alleiniger Wohnung oder, sofern eine Person mehrere Wohnungen hat, mit ihrer Hauptwohnung in der verbandsfreien Gemeinde oder der Verbandsgemeinde gemeldet sind.

15

(3) Unterschreitungen der Mindestgröße nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 sind in der Regel unbeachtlich bei Verbandsgemeinden mit mindestens 10 000 Einwohnerinnen und Einwohnern, die eine Fläche von mehr als 100 Quadratkilometern und mehr als 15 Ortsgemeinden haben. Aus besonderen Gründen können Unterschreitungen der Mindestgrößen nach Absatz 2 Satz 1 unbeachtlich sein, wenn die verbandsfreien Gemeinden und die Verbandsgemeinden die Gewähr dafür bieten, langfristig die eigenen und übertragenen Aufgaben in fachlich hoher Qualität, wirtschaftlich sowie bürger-, sach- und ortsnah wahrzunehmen. Besondere Gründe sind vor allem landschaftliche und topografische Gegebenheiten, die geografische Lage einer kommunalen Gebietskörperschaft unmittelbar an der Grenze zu einem Nachbarstaat oder einem Nachbarland, die Wirtschafts- und Finanzkraft, die Erfordernisse der Raumordnung sowie die Zahl der nicht kasernierten Soldatinnen und Soldaten, Zivilangehörigen und Familienangehörigen der ausländischen Stationierungsstreitkräfte, soweit diese nicht den deutschen Meldevorschriften unterliegen.

16

(4) Verbandsfreie Gemeinden und Verbandsgemeinden sollen mit benachbarten verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden desselben Landkreises zusammengeschlossen werden. Eine Ausnahme von Satz 1 kann zugelassen werden, vor allem wenn innerhalb desselben Landkreises ein Zusammenschluss zu einer verbandsfreien Gemeinde oder Verbandsgemeinde mit einer ausreichenden Leistungsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Verwaltungskraft nicht möglich ist. Ferner können im Ausnahmefall die Ortsgemeinden einer Verbandsgemeinde in mehrere andere Verbandsgemeinden eingegliedert, die Ortsgemeinden einer Verbandsgemeinde und die Ortsgemeinden mehrerer anderer Verbandsgemeinden zu neuen Verbandsgemeinden zusammengeschlossen sowie eine Ortsgemeinde aus einer Verbandsgemeinde ausgegliedert und in eine andere Verbandsgemeinde eingegliedert werden.

17

(5) Bei dem Zusammenschluss kommunaler Gebietskörperschaften sind vor allem die Erfordernisse der Raumordnung, landschaftliche und topografische Gegebenheiten, die öffentliche Verkehrsinfrastruktur, die Wirtschaftsstruktur und historische und religiöse Bindungen und Beziehungen zu berücksichtigen.

18

§ 3
Freiwillige Gebietsänderungen

19

(1) Im Falle der freiwilligen Eingliederung einer verbandsfreien Gemeinde oder einer Verbandsgemeinde in eine Verbandsgemeinde sind Beschlüsse des Gemeinderates der bisherigen verbandsfreien Gemeinde, der Verbandsgemeinderäte der bisherigen und der aufnehmenden Verbandsgemeinde sowie der Ortsgemeinderäte der Ortsgemeinden der bisherigen und der aufnehmenden Verbandsgemeinde erforderlich, mit denen übereinstimmend der Wille zu dieser freiwilligen Gebietsänderung erklärt wird. Im Falle der freiwilligen Eingliederung der Ortsgemeinden einer Verbandsgemeinde in mehrere andere Verbandsgemeinden sind Beschlüsse nach Satz 1 des Verbandsgemeinderates der bisherigen Verbandsgemeinde und der Ortsgemeinderäte ihrer Ortsgemeinden sowie der Verbandsgemeinderäte der aufnehmenden Verbandsgemeinden und der Ortsgemeinderäte ihrer Ortsgemeinden erforderlich. Im Falle der freiwilligen Umgliederung einer Ortsgemeinde aus einer Verbandsgemeinde in eine andere Verbandsgemeinde sind Beschlüsse nach Satz 1 der Ortsgemeinderäte und der Verbandsgemeinderäte dieser kommunalen Gebietskörperschaften erforderlich. Die Zustimmung der Ortsgemeinden nach den Sätzen 1 bis 3 gilt als erteilt, wenn jeweils mehr als die Hälfte der Ortsgemeinden der bisherigen und der aufnehmenden Verbandsgemeinde zugestimmt hat und in diesen Ortsgemeinden jeweils mehr als die Hälfte der Einwohnerinnen und Einwohner der bisherigen und der aufnehmenden Verbandsgemeinde wohnt.

20

(2) Im Falle der freiwilligen Bildung einer neuen verbandsfreien Gemeinde oder Verbandsgemeinde aus verbandsfreien Gemeinden oder Verbandsgemeinden sind Beschlüsse nach Absatz 1 Satz 1 der Gemeinderäte der bisherigen verbandsfreien Gemeinden oder der Verbandsgemeinderäte der bisherigen Verbandsgemeinden und der Ortsgemeinderäte ihrer Ortsgemeinden erforderlich. Im Falle des freiwilligen Zusammenschlusses der Ortsgemeinden einer Verbandsgemeinde mit den Ortsgemeinden mehrerer anderer Verbandsgemeinden zu neuen Verbandsgemeinden sind Beschlüsse nach Absatz 1 Satz 1 der Verbandsgemeinderäte der bisherigen Verbandsgemeinden und der Ortsgemeinderäte ihrer Ortsgemeinden erforderlich. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

21

(3) Im Hinblick auf eine freiwillige Änderung des Gebiets kommunaler Gebietskörperschaften, die verschiedenen Landkreisen angehören, sind die betroffenen Landkreise vorher zu hören.

22

(4) Die Beschlussfassung und die Anhörung nach den Absätzen 1 bis 3 müssen bis zum 30. Juni 2012 erfolgen.

23

(5) Eine Gebietsänderung, die aus Gründen des Gemeinwohls erforderlich ist und nicht freiwillig erfolgt, wird nach vorheriger Anhörung der beteiligten kommunalen Gebietskörperschaften ohne deren Zustimmung durch Gesetz geregelt.

(…)

III.

24

Zur Vorbereitung der Gebietsreform hatte im Auftrag des Ministeriums des Innern und für Sport Prof. Dr. Junkernheinrich eine „begleitende Gesetzesfolgenabschätzung zu den Entwürfen des Ersten und Zweiten Landesgesetzes zur Kommunal- und Verwaltungsreform in Rheinland-Pfalz“ (Stand: 13. April 2010) – im Folgenden: begleitende Gesetzesfolgenabschätzung – durchgeführt. Darin kommt er zu dem Ergebnis, dass in fiskalischer Hinsicht kleine Gemeinden im Durchschnitt deutlich schlechter dastehen als einwohnerstarke Gemeinden. Dies spiegele sich zum einen in ihren überwiegend negativen Haushaltsergebnissen und darüber hinaus auch in der Höhe ihrer Kassenkreditverbindlichkeiten wider. Beide Indikatoren korrespondierten deutlich mit der Gemeindegröße. Die fiskalischen Unterschiede gingen wesentlich auf ortsgrößenbedingte Kostendifferenzen zurück. Zwar stelle die Einwohnerzahl nicht die einzige Bestimmungsgröße für die Höhe des administrativen Ressourcenverbrauchs dar, doch insbesondere im fiskalisch besonders bedeutsamen Bereich der allgemeinen Verwaltung (Einzelplan 0) habe sie einen deutlich spürbaren Einfluss. Im Verbandsgemeindebereich ergäben sich im Hinblick auf eine künftige Mindestortsgröße zwei methodisch begründbare Wirtschaftlichkeitsgrenzen. Die erste liege bei einer Einwohnerzahl von 10.700, die zweite bei etwa 13.000 Einwohnern.

IV.

25

1. Unter dem 1. August 2012 erstellte Prof. Dr. Junkernheinrich im Auftrag des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur ein Gutachten mit dem Titel „Fusion von Verbandsgemeinden und verbandsfreien Gemeinden in Rheinland-Pfalz – Teil A – Prüfung der Ausnahmegründe von der Fusionspflicht im Rahmen der territorialen Neugliederung rheinland-pfälzischer Verbandsgemeinden und verbandsfreier Gemeinden“ (im Folgenden: Gutachten Junkernheinrich Teil A). Darin untersuchte er, welche verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden die primären Ausnahmegründe nach § 2 Abs. 3 Satz 1 KomVwRGrG bzw. die besonderen Ausnahmegründe nach § 2 Abs. 3 Satz 2 KomVwRGrG erfüllten. Unter Zugrundlegung der im Gutachten angewandten Kriterien bestand für die Antragstellerin zu 1. kein eigener Gebietsänderungsbedarf, weil sie mit 21.731 Einwohnern zum Stichtag 30. Juni 2009, dem nach § 2 Abs. 2 S. 2 KomVwRGrG maßgeblichen Zeitpunkt, die gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KomVwRGrG erforderliche Mindestgröße für Verbandsgemeinden von 12.000 Einwohner deutlich überschreite. Demgegenüber ergab sich für die Antragstellerin zu 2. ein gemeindeimmanenter Gebietsänderungsbedarf, weil sie weder die Mindesteinwohnerzahl erreiche noch Ausnahmetatbestände für sich beanspruchen könne.

26

2. Im September 2012 legte Prof. Dr. Junkernheinrich zudem im Auftrag des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur Teil B seines Gutachtens „Fusion von Verbandsgemeinden und verbandsfreien Gemeinden in Rheinland-Pfalz“ (im Folgenden: Gutachten Junkernheinrich Teil B) vor, in dem er Neugliederungsoptionen für diejenigen verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden entwickelte, für die zuvor ein gemeindeimmanenter Gebietsänderungsbedarf festgestellt worden war. In diesem Rahmen schlug er für die Antragstellerin zu 2. in der ersten von drei ausgearbeiteten Varianten für eine landesweite Neugliederung einen Zusammenschluss mit der verbandsfreien Stadt Wittlich, in der zweiten Variante mit der Antragstellerin zu 1. und in der dritten Variante mit der Verbandsgemeinde Kyllburg vor.

V.

27

1. Nachdem ein freiwilliger Zusammenschluss der Antragstellerinnen letztlich daran gescheitert war, dass zwar der Verbandgemeinderat der Antragstellerin zu 1. der zuvor im Einzelnen ausgearbeiteten Vereinbarung zugestimmt, der Verbandsgemeinderat der Antragstellerin zu 2. diese jedoch abgelehnt hatte, teilte das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur mit Schreiben vom 17. Oktober 2012 an die Bürgermeister der Antragstellerinnen mit, dass für die Antragstellerin zu 2. nach Maßgabe des Landesgesetzes über die Grundsätze der Kommunal- und Verwaltungsreform ein gemeindeimmanenter Gebietsänderungsbedarf gesehen werde und für diese vorgesehen sei, einen Zusammenschluss mit der Antragstellerin zu 1. herbeizuführen. Den Antragstellerinnen wurde hierzu die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Hiervon machten die Antragstellerin zu 2. mit Schreiben vom 19. Dezember 2012 und die Antragstellerin zu 1. mit Schreiben vom 11. Januar 2013 Gebrauch. Die Antragstellerin zu 1. sprach sich gegen einen Zusammenschluss aus und verwies vor allem darauf, dass bei ihr kein Gebietsänderungsbedarf bestehe, sich die Strukturen der beteiligten Verbandsgemeinden unterschieden und sie, die Antragstellerin zu 1., aufgrund der Verschuldungssituation der Antragstellerin zu 2. von einer der effizientesten Verbandsgemeindeverwaltungen im Land zu einer solchen, die nur noch Mittelmaß sei, verwandelt würde. Die Situation habe sich nach den gescheiterten, von ihrer Seite ernsthaft geführten Fusionsverhandlungen für einen freiwilligen Zusammenschluss geändert. In keinem Fall sei ein entschädigungsloser Zusammenschluss akzeptabel. Neben der Antragstellerin zu 1. nahmen einige ihrer Ortsgemeinden ebenfalls Stellung. Die Antragstellerin zu 2. lehnte den Zusammenschluss ebenfalls ab. Sie sei inzwischen wirtschaftlich sehr leistungsstark und entgegen anderslautender Feststellungen auch finanziell gut aufgestellt. Aufgrund ihrer geografischen Lage sei sie in besonderer Weise von der erst auf der zweiten Reformstufe zu behandelnden Landkreisproblematik betroffen, weshalb eine Entscheidung über ihre Gebietsveränderung auf das Jahr 2019 zu verschieben sei. Die Stadt Manderscheid wandte sich an das Ministerium mit der Bitte, die Möglichkeit ihrer Einzeleingliederung in die Verbandsgemeinde Daun in die Erwägungen einzubeziehen.

28

Mit Schreiben vom 3. Mai 2013 informierte das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur die betroffenen verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden, darunter auch die Antragstellerinnen, darüber, dass Gesetzesentwürfe zu Gebietsänderungen vorbereitet würden. Die Landesregierung sei auf Wunsch einiger Fusionskandidaten allerdings bereit, im Gesetzesentwurf die Gebietsänderung für einen späteren Zeitpunkt, spätestens aber zum 1. Juli 2019, vorzusehen, sofern die betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften der jeweilig vorgesehenen Gebietsänderung zustimmten. Von dieser Möglichkeit machten die Antragstellerinnen letztlich keinen Gebrauch.

29

3. Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur gab den Antragstellerinnen mit Schreiben vom 19. Juni 2013 zum Entwurf eines Landesgesetzes über die Eingliederung der Verbandsgemeinde Manderscheid in die Verbandsgemeinde Wittlich-Land Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 20. August 2013.

30

Nachdem Anträge der Antragstellerin zu 2. auf Fristverlängerung und Akteneinsicht in Bezug auf die zugrunde gelegten finanziellen Gesichtspunkte abgelehnt worden waren, nahm sie unter dem 16. August 2013 zu dem Gesetzentwurf Stellung und lehnte diesen ab. Es liege eine Ungleichbehandlung vor, weil nur einige wenige Gebietskörperschaften ausgewählt und zwangsweise fusioniert würden. Die als willkürlich zu bezeichnende Auswahl einzelner Verbandsgemeinden stehe überdies in offenem Widerspruch zu den eigenen Vorgaben, eine abgestimmte und flächendeckende Gesamtreform im Land durchzuführen. Ungeachtet dessen sei sie, die Antragstellerin zu 2., entgegen der Behauptung im Gesetzentwurf dauerhaft leistungsfähig. Seit 2007 habe sich die finanzielle Situation so stabilisiert, dass man kontinuierlich Schulden zurückgeführt und keine neuen Schulden aufgenommen habe. Sogar der Umlagesatz sei auf aktuell 37 % gesenkt worden. Darüber hinaus sei man der Ansicht, dass das bloße Zählen von Einwohnern nicht zielführend sei. Vielmehr müssten auch die vielen Fremdübernachtungen, die vielen Tagesgäste, die vielen Grundstücksbesitzer mit Zweitwohnsitz sowie die Soldaten ausländischer Streitkräfte berücksichtigt werden. Die Eingliederung führe auch nicht zu einer Verbesserung des Gemeinwohls. Der geplanten Verbandsgemeinde fehle es aufgrund der Größe von annähernd 400 Quadratkilometern und 45 Ortsgemeinden an der erforderlichen Bürgernähe. Ob es möglich sei, dauerhaft kostengünstiger zu verwalten, sei zumindest sehr zweifelhaft. Hinzu komme, dass erhebliche strukturelle Unterschiede bestünden. Während sie, die Antragstellerin zu 2., zu großen Teilen in der Vulkaneifel liege und sich in der Vergangenheit in besonderer Weise dem Tourismus gewidmet habe, weise die Antragstellerin zu 1. eine andere Ausrichtung auf. Aufgrund ihrer geografischen Lage müsse die zweite Stufe der Reform mit einbezogen werden, da sich im Zusammenhang mit der Neuordnung der Kreisgrenzen für sie mit hoher Wahrscheinlichkeit neue und bessere Zuordnungsmöglichkeiten ergäben. Weiterhein fehle es bisher an einer echten Bürgerbeteiligung. Es gebe keinen belastbaren Grund, jetzt eine zwangsweise Neugliederung vorzunehmen, wenn gleichzeitig ein Aufschub bis 2019 bei Freiwilligkeit in Aussicht gestellt werde. Aus Gründen der Gleichbehandlung sei für alle die Reform bis 2019 aufzuschieben.

31

Die Antragstellerin zu 1. lehnte den Gesetzentwurf mit Stellungnahme vom 19. August 2013 ebenfalls ab. Sie selbst weise keinen Gebietsänderungsbedarf auf. Mit Blick auf die durch die Eingliederung deutlich steigende Pro-Kopf-Verschuldung, die aufgrund der gescheiterten Freiwilligkeitsbemühungen ohne finanziellen Ausgleich aufgefangen werden müsse, liege ein unverhältnismäßiger Eingriff in ihr Selbstverwaltungsrecht vor. Hilfsweise fordere man, die Aus- und Eingliederungswünsche der einzelnen Ortsgemeinden – auch aus der Verbandsgemeinde Kröv-Bausendorf – zu berücksichtigen und eine Kreisgrenzen überschreitende Gesamtreform anzugehen. Darüber hinaus sei ihr, der Antragstellerin zu 1., bei einem Neuzuschnitt ein finanzieller Ausgleich zu gewähren. Die vorliegende Konstellation unterscheide sich nicht grundsätzlich von der Fusion der Verbandsgemeinden Nierstein-Oppenheim und Guntersblum, bei der auch ohne Freiwilligkeit eine finanzielle Förderung gewährt worden sei. Soweit im Gesetzentwurf als Ausgleich die Möglichkeit einer Sonderumlage für die Ortsgemeinden der ehemaligen Verbandsgemeinde Manderscheid vorgesehen sei, lasse sich diese aus tatsächlichen Gründen nicht über einen langen Zeitraum erheben. Schließlich sei im Eingliederungsgesetz die zum Ausdruck gebrachte Absicht zu verankern, reformbedingte Baumaßnahmen an ihrem Verwaltungsgebäude zu 70 % zu fördern. Im Übrigen wies die Antragstellerin zu 1. auf den Termin für den am 22. September 2013 stattfindenden Bürgerentscheid hin. Bei einer Beteiligung von 69,2 % sprachen sich dort sodann 69 % für das von der Antragstellerin zu 1. erstellte Eckpunktepapier aus, in dem ihre zuvor beschriebene Positionierung wiedergeben wurde.

32

Am 19. November 2013 fand vor dem Innenausschuss des Landtages ein Anhörungsverfahren zu dem Gesetzesentwurf statt, zu dem unter anderem die Bürgermeister der Antragstellerinnen eingeladen worden waren.

VI.

33

1. Am 13. Dezember 2013 beschloss der Landtag das Landesgesetz über die Eingliederung der Verbandsgemeinde Manderscheid in die Verbandsgemeinde Wittlich-Land (im Folgenden: Eingliederungsgesetz oder ManderEinglG) in der Fassung des Gesetzesentwurfs der Landesregierung (LT-Drucks. 16/2795). Das Gesetz wurde am 30. Dezember 2013 im Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet (GVBl. S. 545). Es lautet auszugsweise wie folgt:

§ 1

34

Die Verbandsgemeinde Manderscheid wird am 1. Juli 2014 in die Verbandsgemeinde Wittlich-Land eingegliedert.

§ 2

35

Die Verbandsgemeinde Wittlich-Land führt ihren Namen unverändert fort. Ihr Sitz bleibt die Stadt Wittlich.

§ 3

36

(1) Der Verbandsgemeinderat und die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister der umgebildeten Verbandsgemeinde Wittlich-Land werden am Tage der allgemeinen Kommunalwahlen im Jahr 2014 neu gewählt. Eine etwaige Stichwahl zur Wahl der Bürgermeisterin oder des Bürgermeisters der umgebildeten Verbandsgemeinde findet am 14. Tag nach der ersten Wahl statt. Für die Vorbereitung und die Durchführung der Wahlen ist das gemeinsame Gebiet der Verbandsgemeinden Wittlich-Land und Manderscheid maßgeblich. Die Wahlzeit des neuen Verbandsgemeinderates Wittlich-Land beginnt am 1. Juli 2014. Die Wahlzeiten der bisherigen Verbandsgemeinderäte der Verbandsgemeinden Wittlich-Land und Manderscheid und die Amtszeiten ihrer jeweils am 30. Juni 2014 amtierenden Bürgermeister enden mit Ablauf des 30. Juni 2014.

37

(2) Die am 30. Juni 2014 amtierenden Bürgermeister der Verbandsgemeinden Wittlich-Land und Manderscheid haben für den Rest der Amtszeiten, für die sie ernannt worden sind, einen Anspruch auf Verwendung als hauptamtliche Beigeordnete der umgebildeten Verbandsgemeinde Wittlich-Land. Eine Verpflichtung zur Übernahme eines gleich oder geringer zu bewertenden Amtes im Sinne des § 27 Abs. 3 des Landesbeamtengesetzes (LBG) in Verbindung mit § 18 Abs. 1 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) vom 17. Juni 2008 (BGBl. I S. 1010) in der jeweils geltenden Fassung besteht nicht. Bei einer Versetzung in den einstweiligen Ruhestand findet § 83 Abs. 8 des Landesbeamtenversorgungsgesetzes vom 18. Juni 2013 (GVBl. S. 157, BS 2032-2) entsprechende Anwendung.

38

(3) Wird der am 30. Juni 2014 amtierende Bürgermeister der Verbandsgemeinde Manderscheid oder Bürgermeister der Verbandsgemeinde Wittlich-Land in das Amt des Bürgermeisters oder für den Rest seiner Amtszeit, für die er ernannt worden ist, als hauptamtlicher Beigeordneter der umgebildeten Verbandsgemeinde Wittlich-Land berufen, gilt das Beamtenverhältnis als nicht unterbrochen.

§ 11

39

Die umgebildete Verbandsgemeinde Wittlich-Land kann neben der Verbandsgemeindeumlage von den Ortsgemeinden der bisherigen Verbandsgemeinde Manderscheid im Zeitraum vom 1. Juli 2014 bis zum 31. Dezember 2024 eine jährliche Sonderumlage in Höhe von bis zu 5 v. H. der auf diese Ortsgemeinden nach § 25 Abs. 1 Satz 2 bis 4 des Landesfinanzausgleichsgesetzes entfallenden Beträge erheben. Die Sonderumlage dient einem Ausgleich des den Ortsgemeinden der bisherigen Verbandsgemeinde Manderscheid mit der Gebietsänderung durch einen Übergang der Verschuldung der bisherigen Verbandsgemeinde Manderscheid auf die umgebildete Verbandsgemeinde Wittlich-Land entstehenden finanziellen Vorteils. Der Umlagesatz der Sonderumlage ist in der Haushaltssatzung der umgebildeten Verbandsgemeinde Wittlich-Land festzusetzen.

§ 14

40

Soweit in diesem Gesetz nichts Abweichendes geregelt ist, gilt ergänzend das Landesgesetz über die Grundsätze der Kommunal- und Verwaltungsreform.

41

2. In der Begründung zum Gesetzesentwurf vom 24. September 2013 (LT-Drucks. 16/2795) heißt es unter anderem:

42

Für die Antragstellerin zu 2. bestehe ein Gebietsänderungsbedarf. Sie unterschreite mit 7.694 Einwohnern zum Stichtag 30. Juni 2009 die gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KomVwRGrG erforderliche Mindesteinwohnerzahl von 12.000 Einwohnern um 4.306 Einwohner (= 35,9 %). Ausnahmetatbestände, die ein Unterschreiten der Mindesteinwohnerzahl rechtfertigen könnten, seien nicht gegeben. Die Antragstellerin zu 2. könne sich vor allem weder auf in § 2 Abs. 2 Satz 3 KomVwRGrG ausdrücklich erfasste noch auf ungeschriebene besondere Gründe im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 2 KomVwRGrG stützen, wobei zu beachten sei, dass, je stärker die Einwohnerzahl hinter der gesetzlichen Mindesteinwohnerzahl zurückbleibe, desto schwerer in einer Abwägung die besonderen Gründe wiegen müssten, die für den Fortbestand der Gebietskörperschaft sprächen. Bei der Antragstellerin zu 1. bestehe kein gemeindeinterner Gebietsänderungsbedarf, weil sie mit 21.731 Einwohnern zum Stichtag 30. Juni 2009 erheblich über dem gesetzlichen Schwellenwert von 12.000 Einwohnern für Verbandsgemeinden gelegen habe und überdies auch nach Vorausberechnungen für die Jahre 2020 und 2030 trotz leichter Bevölkerungsrückgänge deutlich darüber liege.

43

Die Antragstellerin zu 1. werde dennoch – auch ohne gemeindeinternen Gebietsänderungsbedarf – in die Gebietsreform einbezogen. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit sei zwar angestrebt, Verbandsgemeinden mit jeweils eigenem Gebietsänderungsbedarf zu fusionieren. Es könne jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass auch Gebietskörperschaften ohne eigenen Neugliederungsbedarf als Fusionspartner herangezogen werden müssten. Dies sei insbesondere der Fall, wenn ansonsten keine sinnvolle Gebietsstruktur der neu zu bildenden Gebietskörperschaft erreicht werden könne oder sogar überhaupt kein potenzieller Partner für eine Kommune mit Gebietsänderungsbedarf zu finden sei.

44

Eine Einbeziehung der Antragstellerin zu 1. sei notwendig, da andere Neugliederungsoptionen dem Sinn und Zweck der Reform nicht gerecht würden. Die einen eigenen Gebietsänderungsbedarf aufweisende Antragstellerin zu 2. grenze an die Verbandsgemeinden Kyllburg, Daun, Kröv-Bausendorf und Wittlich-Land sowie die verbandsfreie Stadt Wittlich an. Von diesen wiesen allein die Verbandsgemeinden Kyllburg und Kröv-Bausendorf ebenfalls einen eigenen Gebietsänderungsbedarf auf und seien dementsprechend aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zunächst in Betracht zu ziehen. Gegen einen Zusammenschluss mit der Verbandsgemeinde Kyllburg spreche jedoch – unabhängig von der Problematik einer landkreisüberschreitenden Fusion –, dass sich die Verbandsgemeinden Kyllburg und Bitburg-Land auf einen freiwilligen Zusammenschluss verständigt hätten. Die dabei entstehende neue Verbandsgemeinde, die hinsichtlich der ihr angehörenden Ortsgemeinden die bisherige Maximalzahl im Land überschreite, sei unter Beachtung der Leitlinie aus § 2 Abs. 5 KomVwRGrG nicht mehr vergrößerbar. Auch von einem Zusammenschluss mit Kröv-Bausendorf werde abgesehen, weil mangels einer ausreichenden räumlichen Verflechtung die Ziele der Reform nicht in einem ausreichenden Maße erfüllt werden könnten. Mithin sei ein Zusammenschluss der Antragstellerin zu 2. mit einer Kommune, die einen eigenen Gebietsänderungsbedarf aufweise, nicht realisierbar. Gegen einen Zusammenschluss mit der Verbandsgemeinde Daun spreche – unabhängig von der Problematik einer landkreisüberschreitenden Fusion –, dass dabei entgegen der Soll-Vorgabe aus § 2 Abs. 5 KomVwRGrG eine zu große Verbandsgemeinde mit 59 Ortsgemeinden entstünde, die über die bisherige Maximalzahl im Land von 51 Ortsgemeinden hinausginge. Von einem Zusammenschluss mit der verbandsfreien Stadt Wittlich werde ebenfalls Abstand genommen. Zwar sei die Eingliederung von verbandsfreien Gemeinden in Verbandsgemeinden und die Neubildung von Verbandsgemeinden aus Verbandsgemeinden und verbandsfreien Gemeinden auf der aktuellen Reformstufe grundsätzlich möglich. Allerdings entspräche ein Zusammenschluss der Antragstellerin zu 2. mit der verbandsfreien Stadt Wittlich, die dadurch ihre Verbandsfreiheit verlieren würde, nicht den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit. Zudem entstünde kein sinnvoller gebietlicher Zusammenschluss, da beide in einem lediglich geringfügigen Maße aneinandergrenzten.

45

Die Eingliederung der Antragstellerin zu 2. in die Antragstellerin zu 1. sei aus Gründen des Gemeinwohls erforderlich und stelle unter Berücksichtigung und Würdigung der im Gutachten Junkernheinrich Teil B vorgenommenen Punktebewertung im Vergleich zu anderen Fusionsoptionen die Lösung dar, welche am effektivsten zu einer Verwirklichung der Reformziele beitrage und dem im Grundsätzegesetz aufgestellten Leitbild entspreche. Soweit damit gleichzeitig punktemäßig besser bewertete Neugliederungsvarianten unter Beteiligung der verbandsfreien Stadt Wittlich abgelehnt würden, sei dies der aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abgelehnten Einbeziehung der verbandsfreien Stadt Wittlich geschuldet. Für die Antragstellerin zu 1. begründe die Aufnahme der Antragstellerin zu 2. trotz deren höheren Schuldenstandes keine unzumutbare Härte. Ein damit angestrebter Disparitätenausgleich sei bei Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zulässig, um eine zukunftsfähige Entwicklung des Gesamtraums zu erreichen. Die Möglichkeit, von den Ortsgemeinden der Antragstellerin zu 2. zeitlich begrenzt eine Sonderumlage zu erheben, diene dem Ausgleich der auf die umgebildete Verbandsgemeinde übergehenden, allein von der Antragstellerin zu 2. eingebrachten Kassenkredite.

46

Der Zusammenschluss stehe mit den Vorgaben des § 2 Abs. 5 KomVwRGrG in Einklang. Auch die unterschiedliche Wirtschaftsstruktur, die im nördlichen Teil der Antragstellerin zu 2. in bedeutsamer Weise touristisch geprägt sei, spreche nicht gegen den geplanten Zusammenschluss. Schließlich entspreche der Weg der Eingliederung in Abgrenzung zur Bildung einer neuen Verbandsgemeinde durch Auflösung der bisherigen Gebietskörperschaften dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Für die Antragstellerin zu 1., die keinen eigenen Gebietsänderungsbedarf aufweise, stelle die Eingliederung der Antragstellerin zu 2. den geringstmöglichen Eingriff dar.

B.

47

Mit ihren Anträgen machen die Antragstellerinnen in erster Linie geltend, durch das Landesgesetz über die Eingliederung der Verbandsgemeinde Manderscheid in die Verbandsgemeinde Wittlich-Land in ihrer kommunalen Selbstverwaltungsgarantie verletzt zu sein, und rügen darüber hinaus Verstöße gegen das im allgemeinen Gleichheitssatz verankerte Willkürverbot.

I.

48

1. Die Antragstellerin zu 1. macht mehrere Abwägungsfehler geltend, an denen § 1 ManderEinglG leide. Schon ihre Einbeziehung in die Kommunalreform begründe eine Abwägungsfehleinschätzung, weil sie – wie die Gesetzesbegründung zutreffend ausführe – keinen eigenen Gebietsänderungsbedarf aufweise und eine im Grundsätzegesetz nicht vorgesehene „passive Fusionspflicht“ unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nur als ultima ratio anzusehen sei. Vorliegend hätten für die Antragstellerin zu 2. jedoch geeignete Fusionskandidaten mit eigenem Gebietsänderungsbedarf bereit gestanden. Dies gelte zunächst hinsichtlich der gegenüber der beschlossenen Maßnahme nur unwesentlich schlechter bewerteten Dreierfusion zwischen der Antragstellerin zu 2. und den Verbandsgemeinden Kröv-Bausendorf und Traben-Trarbach. Diese Variante habe der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung gar nicht in seine Abwägung eingestellt, so dass insoweit ein Abwägungsausfall zu rügen sei. Auch eine Fusion mit der Verbandsgemeinde Kyllburg sei abwägungsfehlerhaft abgelehnt worden. Dieser könne weder ihre landkreisüberschreitende Wirkung noch die freiwillige Fusion der Verbandsgemeinden Kyllburg und Bitburg-Land entgegen gehalten werden. Hinsichtlich der Landkreisgrenzen sei zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber diese ebenfalls für revisionsbedürftig halte und außerdem unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit durch diese Landkreisgrenzen wahrende Erwägung keine passive Fusionspflicht ausgelöst werden könne. Der freiwillige Zusammenschluss könne ebenfalls keine Berücksichtigung finden, weil der Gesetzgeber hier einer gegen die Vorgaben des Grundsätzegesetzes verstoßenden Fusion zugestimmt habe, welche die selbst formulierten Größenvorgaben in Bezug auf die maximale Anzahl an Ortsgemeinden nicht wahre. Ein Abwägungsausfall bestehe auch in Bezug auf den ablehnenden Bürgerwillen, weil sich in den Gesetzesmaterialien keine Hinweise darauf fänden, dass der Gesetzgeber den Bürgerentscheid überhaupt berücksichtigt habe, und der Gesetzgeber überdies den Hintergründen des ablehnenden Bürgerwillens nicht nachgegangen sei. Der Gesetzgeber sei mit Blick auf die Fläche der neugebildeten Verbandsgemeinde einer Abwägungsfehleinschätzung unterlegen. Ausgehend davon, dass die Mehrzahl der Indikatoren für die Bürgernähe im Gutachten Junkernheinrich Teil B schlecht bewertet worden seien, fehle es an stichhaltigen Gründen dafür, dass die umgebildete Verbandsgemeinde eine ausreichende Bürgernähe gewährleiste. Hier habe sich der Gesetzgeber einseitig von Rationalisierungsgedanken leiten lassen. Ein erhebliches Abwägungsdefizit folge auch daraus, dass der Gesetzgeber Verbindlichkeiten der Antragstellerin zu 2. von rund 4,6 Mio. Euro nicht berücksichtigt habe, die sie, die Antragstellerin zu 1., bei der Eingliederung (zusätzlich) übernehmen müsse. Dies gehe darauf zurück, dass der Jahresabschluss 2011 der Antragstellerin zu 2. fehlerhaft keine Rückstellungen für Pensions- und Beihilfeverpflichtungen im Umfang von rund 4,6 Mio. Euro ausgewiesen habe. Das Risiko dieser defizitären Sachverhaltsermittlung trage der Gesetzgeber.

49

2. Weiter verstoße der Gesetzgeber gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit und gegen das Willkürverbot. Denn es mangele vorliegend an einem Gesamtkonzept in zeitlicher Hinsicht. Ein solches sei nach dem Grundsätzegesetz bereits vor Ende der Freiwilligkeitsphase am 30. Juni 2012 zu erstellen gewesen. Des Weiteren hätte der Gesetzgeber die Reform auf der Ebene der verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden bis zum 25. Mai 2014, dem Tag der allgemeinen Kommunalwahlen, abschließen müssen. Abweichungen von diesem Zeitplan kämen nur im Einzelfall und bei Vorliegen zwingender Gründe in Betracht. Hierzu zählten jedoch keine Belange, denen bereits nach den Grundsätzen und Ausnahmetatbeständen des Grundsätzegesetzes Rechnung getragen werden könne. Als systemwidriger Abwägungsausfall stelle es sich dar, dass der Gesetzgeber nach eigenen Angaben überhaupt nicht gewillt sei, von der in § 2 Abs. 4 Satz 2 KomVwRGrG vorgesehene Ausnahme von dem in § 2 Abs. 4 Satz 1 KomVwRGrG formulierten Regelvorrang kreisinterner Lösungen Gebrauch zu machen, sondern vielmehr Kreisgrenzen betreffende Fusionen auf das Jahr 2019 verschoben habe.

50

3. Darüber hinaus liege eine zweifache Verletzung des kommunalen Gleichbehandlungsgebots vor. Zum einen sei es gleichheitswidrig, dass ihr, der Antragstellerin zu 1., im Gegensatz zu Fusionen während der Freiwilligkeitsphase keine „Hochzeitsprämie“ zur „Refinanzierung von Fusionskosten“ und zum „Abbau von Schulden“ gewährt worden sei. Aufgrund der auch zu ihrem Fall bestehenden Zweckidentität (Schuldenabbau, Fusionskosten) sei es sachwidrig, die finanzielle Förderung an die Freiwilligkeit zu knüpfen. Ungeachtet dessen sei die vorliegenden Situation, in der ein freiwilliger Zusammenschluss allein an einem fehlenden Ratsbeschluss des kleineren Fusionspartners gescheitert sei, mit derjenigen der Verbandsgemeinden Guntersblum und Nierstein-Oppenheim vergleichbar, in der ebenfalls eine finanzielle Zuwendung gewährt worden sei. Ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte fehle.

51

4. Die zunächst schriftsätzlich vorgetragenen Rügen im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit des Grundsätzegesetzes und die im Vorfeld der Neugliederungsmaßnahme durchgeführte Anhörung hat die Antragstellerin zu 1. in der mündlichen Verhandlung nicht aufrechterhalten.

II.

52

1. Die Antragstellerin zu 2. rügt zunächst die Anhörung, als sie zur Diskussion stellt, ob eine ministerielle Anhörung ausreiche oder stattdessen eine parlamentarische Anhörung stattzufinden habe. Weiter wendet sie in diesem Zusammenhang ein, dass eine Erwägungspflicht des Gesetzgebers bestehe, die ihn dazu verpflichte, sich in der Begründung des Gesetzes mit den geäußerten Einwendungen und Vorschlägen auseinanderzusetzen. Hieran fehle es insbesondere in Bezug auf die vielfach geäußerten Vorschläge einzelner Ortsgemeinden zu unterschiedlichen Varianten der Einzelausgliederungen.

53

2. Darüber hinaus seien Leitbild und Leitlinien der Kommunal- und Verwaltungsreform, wie sie im Grundsätzegesetz normiert seien, verfassungswidrig.

54

Dies gelte zunächst in Bezug auf die für Verbandsgemeinden geltende Mindesteinwohnerzahl von 12.000 Einwohnern. Es fehle an einem rationalen Abwägungsprozess zur Begründung dieser Grenze. Eine Auseinandersetzung mit den festgelegten Mindesteinwohnerzahlen in anderen Bundesländern habe nicht stattgefunden. Auch die vom Gesetzgeber bei der Bestimmung der Mindesteinwohnerzahlen vorgenommene Differenzierung zwischen verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden sei widersprüchlich. Vor dem Hintergrund, dass verbandsfreie Gemeinden grundsätzlich mehr Aufgaben wahrnähmen als Verbandsgemeinden, müsse von den verbandsfreien Gemeinden grundsätzlich eine höhere Leistungsfähigkeit und damit eine höhere (Mindest-)Einwohnerzahl eingefordert werden als von den Verbandsgemeinden. Auch die Kriterien für den primären Ausnahmegrund nach § 2 Abs. 3 Satz 1 KomVwRGrG seien nicht rational begründet. Dies gelte für die Untergrenze von 10.000 Einwohnern ebenso wie für die Orientierung an der durchschnittlichen Fläche und der durchschnittlichen Anzahl an Ortsgemeinden. Auch hier fehle eine Auseinandersetzung mit den inhaltlichen Festlegungen in anderen Ländern. In Bezug auf die Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 3 Satz 2 KomVwRGrG sei es unverhältnismäßig, dass eine Verbandsgemeinde, die nachweislich die Gewähr dafür biete, dauerhaft leistungsfähig zu sein, und damit der Zielsetzung des § 1 Abs. 1 KomVwRGrG genüge, zur Abwendung ihrer Fusionspflicht zusätzlich eines besonderen Grundes bedürfe.

55

Widersprüchlich und damit evident sachwidrig sei es zudem, dass die Neugliederungsmaßnahmen gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 KomVwRGrG grundsätzlich nur innerhalb der bestehenden Kreisgrenzen erfolgen könnten, diese aber durch den Gesetzgeber als revisionsbedürftig erachtet würden. Denn zum einen schränke die Bindung an die Kreisgrenzen die Suche nach sinnvollen Lösungen ein. Zum anderen begrenzten die jetzt geschaffenen Fakten zwangsläufig den Spielraum für die finanziell bedeutsamere Gebietsreform auf Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte.

56

Schließlich begründe das Grundsätzegesetz auch einen Verstoß gegen die „institutionelle Symmetrie“, weil es keine territoriale Obergrenze vorsehe und expansiv angelegt sei. Die damit hervorgerufene Unüberschaubarkeit stehe in Konflikt mit der örtlichen Identifikation. Einhergehend mit der territorialen Erweiterung der Verbandsgemeinden auf kreisähnliche Ausmaße stelle die schleichende Entörtlichung faktisch eine in diesem Umfang nicht zu rechtfertigende Hochzonung der Aufgaben dar.

57

3. Das Fusionsgesetz sei ebenfalls verfassungswidrig. Der Gesetzgeber habe den maßgeblichen Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt. Darüber hinaus leide das Gesetz an mehreren Abwägungs- und Gewichtungsfehlern, setze die im Grundsätzegesetz festgelegten Leitbilder und Leitlinien der Reform nicht systemgerecht um und genüge nicht den Vorgaben der Verhältnismäßigkeit.

58

a) Die nahezu ausschließliche Bezugnahme auf das Gutachten Junkernheinrich, das sich der Gesetzgeber ohne weitergehende Überlegungen zu Eigen mache, könne eine eigene Sachverhaltsermittlung des Gesetzgebers nicht ersetzen. Darüber hinaus bilde das Gutachten nur die Entwicklung bis längstens September 2012 ab, so dass der Gesetzgeber Veränderungen der Sachlage zu ermitteln und zu berücksichtigen gehabt hätte. Der Nachtrag einzelner Zahlen zur Finanzlage genüge insoweit nicht. Zudem nehme das Gutachten im Wesentlichen auf ökonomische Aspekte Bezug und lasse die Kriterien der Orts-, Sach- und Bürgernähe außer Acht. Auch fehle es an einer differenzierten Analyse der strukturellen Optimierungspotenziale. Über das Gutachten Junkernheinrich hinausgehende Sachverhaltsermittlungen wären auch hinsichtlich der besonderen Ausnahmegründe nach § 2 Abs. 3 Satz 2 KomVwRGrG erforderlich gewesen. Es fehle an jeglicher summierenden Gesamtschau, bei der weitergehende Überlegungen zu landschaftlichen und topografischen Besonderheiten, andere und aktualisierte Kriterien zur Wirtschafts- und Finanzkraft, der Tourismus sowie raumordnerische und landesplanerische Gründe hätten ermittelt und einbezogen werden müssen. Soweit der Gesetzgeber als unbenannten Grund alleine die demografische Entwicklung aufnehme, bestünden aufgrund bestehender Prognoserisiken Bedenken an der stark formalistischen Betrachtung, wonach es darauf ankomme, ob die prognostizierte Einwohnerzahl später die festgelegten Mindesteinwohnerzahlen überschreite. Infolge der unzureichenden Ermittlung von geschriebenen und ungeschriebenen Ausnahmegründen habe sich der Gesetzgeber in Verletzung seiner Pflicht zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts auch nicht mit der inhaltlichen Prüfung ihrer dauerhaften Leistungsfähigkeit auseinandergesetzt. Letztere sei indes gegeben, wenn man ihre wirtschaftliche Entwicklung nach dem im Gutachten Junkernheinrich zugrunde gelegten Zeitraum berücksichtige; sie habe seit 2009 durchgängig eine „freie Finanzspitze“ und habe seit 2009 ihren Schuldenstand ebenso senken können wie die Verbandsgemeindeumlage. Dies erlaube eine positive Prognose. Hinzu komme ein äußerst effizienter Personaleinsatz bei einem gleichzeitig durch ihre große Fläche begründeten überdurchschnittlichen Verwaltungsaufwand. Ihre Investitionen zur Schaffung einer modernen und leistungsfähigen Infrastruktur seien ebenso Indiz für ihre besondere Leistungsfähigkeit.

59

b) Unabhängig davon leide das Fusionsgesetz an mehreren Abwägungs- und Gewichtungsfehlern und könne deshalb auch in der Sache keinen Bestand haben. Durch die ausschließlich auf Grundlage der Wertungen und Ergebnisse des Gutachtens Junkernheinrich erfolgende Abwägung der möglichen Fusionsalternativen habe ein Ausgleich von Disparitäten Eingang in die Abwägung gefunden, der seinerseits indes keine Stütze im Grundsätzegesetz finde. Auch das der Abwägung der Fusionsalternativen zugrunde gelegte Punktesystem des Gutachtens Junkernheinrich Teil B genüge nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Das Punktesystem selbst stoße schon deshalb auf Bedenken, weil aus den Kriterien ohne weitere Binnendifferenzierung ein arithmetisches Mittel gebildet werde, das eine Mess- und Vergleichbarkeit von Neugliederungsoptionen suggeriere, die faktisch nicht gegeben sei. Zwar solle das Punktesystem ermöglichen, Indikatoren mit unterschiedlichen Messskalen einzubeziehen und eine Gewichtung vorzunehmen. Es sei aber nicht erkennbar und nicht nachweisbar, dass eine solche Gewichtung der Kriterien untereinander tatsächlich erfolgt sei. Indem der Gesetzgeber die Wertungen des Punktesystems kritiklos übernommen habe, fehle es an einer eigenen Gemeinwohlkonkretisierung. Darüber hinaus seien die Begründungen gegen eine Heranziehung der verbandsfreien Stadt Wittlich und der Verbandsgemeinde Kröv-Bausendorf nicht überzeugend. Bei der Gewichtung der nach § 2 Abs. 5 KomVwRGrG einzubeziehenden Belange habe der Gesetzgeber schlicht das Vorliegen abwägungsrelevanter Besonderheiten verneint und dadurch insbesondere die erheblichen Unterschiede in der Wirtschaftsstruktur nicht berücksichtigt. Eine Fehlgewichtung abwägungsbedürftiger Belange ergebe sich, weil der Gesetzgeber mögliche kreisübergreifende Ausgliederungen einzelner Ortsgemeinden durch den Hinweis auf die Leistungsfähigkeit der neu gebildeten Verbandsgemeinde abgelehnt habe. Dadurch habe der Gesetzgeber in unzulässiger Weise allein ökonomische Aspekte zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht, ohne die Integrationsfunktion der Verbandsgemeinde zu berücksichtigen.

60

c) Der Gesetzgeber sei mit dem hier angegriffenen Fusionsgesetz mehrfach ohne hinreichenden Grund von den Leitbildern und Leitlinien des Grundsätzegesetzes abgewichen. Ein Verstoß gegen die Systemgerechtigkeit liege in der zeitlichen und territorialen Stückelung der Reform bereits auf der Verbandsgemeindeebene. Das im Grundsätzegesetz für diese Reformebene vorgesehene Gesamtkonzept verlange vor dem Eintritt in die Umsetzungsphase nach einem geschlossenen planerischen Gesamtkonzept. An diese Konzeption habe sich der Gesetzgeber mit dem fragmentarischen und unkoordinierten Vorziehen einzelner Fusionen ohne sachlichen Grund nicht gehalten. Eine weitere nicht zu rechtfertigende Abweichung von den selbst aufgestellten Leitbildern und Leitlinien ergebe sich daraus, dass die Planungen von Anfang an und offen auf die zielgerichtet ökonomischen Empfehlungen des Gutachtens Junkernheinrich ausgerichtet gewesen seien. Eine allein ökonomische Betrachtung werde den Vorgaben des Grundsätzegesetzes nicht gerecht und könne auch in der Sache einen Eingriff in die Selbstverwaltungsgarantie nicht rechtfertigen. Gleichzeitig bezöge das Gutachten Junkernheinrich mit dem angestrebten Disparitätenausgleich und der Kongruenz zwischen Verflechtungs- und Verwaltungsraum Ziele ein, die im Grundsätzegesetz keinen Widerhall fänden.

61

Der Gesetzgeber habe sich ferner nicht an das Grundsätzegesetz gehalten, als er im Rahmen der konkreten Fusionsentscheidung mit der Antragstellerin zu 1. eine Kommune ausgewählt habe, die keinen eigenen Gebietsänderungsbedarf aufweise. Eine sachgerechte Auslegung des Grundsätzegesetzes unter Einbeziehung von Wortlaut, Systematik und Gesetzesbegründung führe zu dem Ergebnis, dass nach dem Leitbild und den Leitlinien der vorliegenden Reform eine Einbeziehung von Verbandsgemeinden und verbandsfreien Gemeinden ohne eigenen Gebietsänderungsbedarf nicht vorgesehen sei. Vor diesem Hintergrund könne auch nicht auf die bisherige Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer passiven Fusionspflicht abgestellt werden, weil es nicht darum gehe, ob eine solche unmittelbar an der Verfassung gemessen zulässig sei, sondern unter Geltung des Grundsätzegesetzes, was hier zu verneinen sei.

62

d) Ihr Anspruch auf interkommunale Gleichbehandlung sei ebenfalls verletzt. Dies ergebe sich zum einen aus der systemwidrigen zeitlichen Stückelung und dem Vorziehen einzelner Fusionen, für die es keine sachlichen Gründe gebe. Auch konkret das Beispiel der Verbandsgemeinde Thalfang, deren Fusionsplanungen bis 2019 aufgeschoben worden seien, weil die Ausgliederung einzelner Ortsgemeinden geprüft werde, zeige die Ungleichbehandlung im Umgang mit ihr. Zum anderen seien einzelnen Verbandsgemeinden neben der Verschiebung auf 2019 auch finanzielle Vorteile zugesagt worden, wenn sie sich schon jetzt zu einem Zusammenschluss bereit erklärten.

63

e) Das Fusionsgesetz sei überdies unverhältnismäßig. Das umgesetzte Reformkonzept erscheine vor allem unter dem Aspekt der Erforderlichkeit schwer zu rechtfertigen. Eine andere Fusionsvariante, z.B. mit der Verbandsgemeinde Daun, wäre ohne Zweifel eine weniger intensive, vor allem von den Bürgerinnen und Bürgern in den verbandsangehörigen Ortsgemeinden eher akzeptierte Variante gewesen. Diese sei jedoch aufgrund ihres kreisübergreifenden Charakters nicht in Betracht gezogen worden. Unabhängig davon hätte auch eine modifizierte Fusion durch Ausgliederung einzelner Ortsgemeinden zu einer weniger eingriffsintensiven Lösung geführt, zumal ihre Eingliederung in die Antragstellerin zu 1. durch eine Umgliederung einzelner Ortsgemeinden ungefährdet geblieben wäre.

C.

64

Der Verfassungsgerichtshof hat dem Landtag und der Landesregierung Gelegenheit zur Äußerung gegeben.

I.

65

Der Landtag hält die Anträge, soweit Verstöße gegen das Gleichbehandlungsgebot geltend gemacht würden, für unzulässig und ungeachtet dessen insgesamt für unbegründet. Die hier angegriffene Fusion werde den prozeduralen und materiellen Anforderungen gerecht.

66

Dem Anhörungsgebot sei ausreichend Genüge getan worden. Der Gesetzgeber habe den maßgeblichen Sachverhalt entgegen der Ansicht der Antragstellerinnen ausreichend ermittelt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Basiere das Gutachten Junkernheinrich auf einer in tatsächlicher Hinsicht nicht zu beanstandenden Grundlage, dürfe es zulässigerweise im Gesetzgebungsverfahren zugrunde gelegt werden. Die behauptete Unvollständigkeit der Sachverhaltsermittlung lasse sich nicht auf eine vermeintliche Inkompatibilität des Gutachtens Junkernheinrich mit den Leitbildern und Leitlinien des Grundsätzegesetzes stützen, da dies für das angeblich hinzugenommene Merkmal Disparitätenausgleich gerade nicht gelte. Auch der Einwand fehlender Aktualität des Datenmaterials des zugrunde gelegten Gutachtens greife nicht durch, da der Gesetzgeber die Datenbasis – insbesondere hinsichtlich der Entwicklung der Finanzsituation bei der Antragstellerin zu 2. – in genügender Weise fortgeschrieben habe.

67

Die vorgenommene Eingliederung sei gemeinwohlorientiert. Mit der Reform verfolge der Gesetzgeber das legitime Ziel, die Leistungsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Verwaltungskraft der kommunalen Selbstverwaltung effizient und nachhaltig zu steigern. Er habe sich vor allem aufgrund der zu erwartenden demografischen Entwicklung und der Verschuldungssituation der kommunalen Haushalte zur Veränderung kommunaler Gebietsstrukturen veranlasst sehen dürfen. Ohne Gegenmaßnahmen sei eine Beeinträchtigung der aktuellen und langfristigen Aufgabenwahrnehmung zu befürchten. Die im Grundsätzegesetz festgelegten Leitlinien seien geeignet, den Gemeinwohlbegriff in verfassungskonformer Weise zu konkretisieren. Die im Rahmen einer begleitenden Gesetzesfolgenabschätzung mittels einer Varianzanalyse festgelegte Mindestgröße von 12.000 Einwohnern pro Verbandsgemeinde sei nachvollziehbar begründet. Dasselbe gelte für die Mindestgröße von 10.000 Einwohnern bei verbandsfreien Gemeinden, die im Gegensatz zu Verbandsgemeinden alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft wahrnähmen. Die Ausnahmeregelungen zur Mindesteinwohnerzahl, die ihrerseits nicht zu beanstanden seien, schlössen eine verfassungsrechtlich problematische schematische Anwendung aus. Schon wegen der Eigenart der kommunalen Struktur in Rheinland-Pfalz seien die Richtwerte anderer Bundesländer nicht übertragbar. Die grundsätzliche Orientierung an den Kreisgrenzen stelle die Schlüssigkeit des im Grundsätzegesetz angelegten Neugliederungskonzepts schon deshalb nicht in Frage, weil nach dem Grundsätzegesetz ausnahmsweise auch kreisübergreifende Maßnahmen zulässig seien. Diese würden nunmehr in einer zweiten Stufe der Reform realisiert. Die stufenweise Aufstellung und Umsetzung sei Ausdruck des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers, der sich über die künftig in Angriff zu nehmenden Entscheidungen ein hinreichend sicheres Urteil bilden müsse. Der Gesetzgeber sei schließlich auch nicht verpflichtet, ausdrücklich flächenmäßige oder territoriale Obergrenzen zu definieren. Ungeachtet dessen übersehe die Antragstellerin, dass mit § 2 Abs. 5 KomVwRGrG und der korrespondierenden Gesetzesbegründung durchaus entsprechende Begrenzungen vorhanden seien.

68

Die in Umsetzung von Leitbild und Leitlinien des Grundsätzegesetzes erfolgende Eingliederung der Antragstellerin zu 2. in die Antragstellerin zu 1. sei verfassungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Einwand der Antragstellerin zu 2., der Gesetzgeber habe zu Unrecht eine gesetzliche Ausnahme von der Mindesteinwohnerzahl verneint, greife nicht durch. Der Gesetzgeber habe sich im Einzelnen mit den besonderen Gründen des Ausnahmetatbestandes – auch den ungeschriebenen – auseinandergesetzt und den Gründen auch angesichts der Erheblichkeit der Unterschreitung der gesetzlich vorgegebenen Mindesteinwohnerzahl keine solche Bedeutung beigemessen, die die Annahme einer Ausnahme gerechtfertigt hätten. Dass seine Erwägungen offensichtlich unvertretbar seien, sei nicht ersichtlich. Gleiches gelte für die schlüssig begründete Annahme, dass die Antragstellerin zu 2. auch nicht dauerhaft leistungsfähig sei.

69

Bei der von beiden Antragstellerinnen gerügten Abwägung der Fusionsoptionen habe der Gesetzgeber die Belange kommunaler Selbstverwaltung ausreichend berücksichtigt. Gebietliche Alternativen seien in hinreichender Weise abgewogen und in vertretbarer Weise abgelehnt worden. In diesem Zusammenhang sei mit der Auswahl der Antragstellerin zu 1., die selbst keinen Gebietsänderungsbedarf aufweise, vor allem auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt, weil es nach der schlüssig begründeten Annahme des Gesetzgebers an geeigneten gebietlichen Alternativen fehle. Entgegen dem Einwand der Antragstellerin zu 1. habe der Gesetzgeber auch das Ergebnis der Bürgerbefragung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens berücksichtigt, dem gemeinwohlorientierten Zusammenschluss jedoch den Vorrang eingeräumt. Ebenfalls in die Abwägung eingeflossen seien die zu berücksichtigenden Belange nach § 2 Abs. 5 KomVwRGrG, wobei der Gesetzgeber die unterschiedlichen Wirtschaftsstrukturen der beiden Antragstellerinnen – anders als die Antragstellerin zu 2. – ebenso wenig als entgegenstehenden Belang eingestuft habe wie – so die Rüge der Antragstellerin zu 1. – die Größenverhältnisse der neu gebildeten Verbandsgemeinde. Darüber hinaus ergebe sich auch unter der Annahme, der Gesetzgeber habe die zu bilanzierenden, indes nicht ausgewiesenen Pensions- und Beihilferückstellungen der Antragstellerin zu 2. nicht berücksichtigt, weder ein Defizit der Sachverhaltsermittlung noch der Abwägung. Denn zum einen wirkten sich die nicht bilanzierten Rückstellungen nicht auf die seitens des Gesetzgebers herangezogenen Kriterien zur Ermittlung der fiskalischen Situation (Steuerkraft und aufgelaufene Kassenkredite) aus. Zum anderen würden durch Rückstellungen keine Zahlungsmittel gebunden, da diese lediglich korrespondierenden Aktivwerten in der Bilanz gegenüberstehen müssten.

70

Die Fusionsentscheidung sei auch nicht systemwidrig. Dies gelte sowohl hinsichtlich der Annahme einer passiven Fusionspflicht, die in keinem Widerspruch zu den Vorgaben des Grundsätzegesetzes stehe und verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig sei, als auch in Bezug auf die Anforderungen einer Gesamtkonzeption der Reform. Der Gesetzgeber verstehe die Reform als einen mehrstufigen und sukzessiv zu verwirklichenden Prozess. Dies sei vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt, der sich über die zukünftigen Entscheidungen ein hinreichend sicheres Urteil bilden müsse. Leitlinien und Leitbilder stellten dabei lediglich den Rahmen dar, seien jedoch keine Vorwegnahme der konkreten Strukturentscheidung. Das interkommunale Gleichbehandlungsgebot sei ebenfalls nicht verletzt. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber gestützt auf eine angenommen Akzeptanzsteigerung bei der Bevölkerung allein freiwillige Zusammenschlüsse finanziell fördere.

II.

71

Die Landesregierung ist ebenfalls der Ansicht, das angegriffene Gesetz sei verfassungsmäßig.

72

Die durchgeführte Anhörung durch das Innenministerium genüge den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Das Leitbild und die Leitlinien des Grundsätzegesetzes seien ebenfalls verfassungsgemäß. Die Bestimmung von Mindesteinwohnerzahlen kommunaler Gebietskörperschaften durch den Gesetzgeber erfolge in einer Abwägung, deren Ergebnis der Gesetzgeber in für das ganze Land geltenden Regelungen typisieren dürfe. Es entspreche den Anforderungen an ein informationsbasiertes rationales Gesetzgebungsverfahren, dass sich der Gesetzgeber bei der Festlegung der Mindesteinwohnerzahlen auch auf ein als begleitende Gesetzesfolgenabschätzung konzipiertes Expertengutachten gestützt habe. Der Wert von 12.000 Einwohnern sei keinesfalls „gegriffen“, sondern halte sich innerhalb der methodisch begründbaren Wirtschaftlichkeitsgrenzen. Eine Auseinandersetzung mit den in anderen Bundesländern festgelegten Mindestgrößen sei verfassungsrechtlich nicht erforderlich. Die Festlegung einer niedrigeren Mindesteinwohnerzahl für verbandsfreie Gemeinden sei nicht systemwidrig und sei im Übrigen nicht geeignet, die hiervon nicht betroffene Antragstellerin zu 2. in ihrem Selbstverwaltungsrecht zu verletzen. Die Regelung zu Ausnahmen von der Mindesteinwohnerzahl aufgrund besonderer Gründe sei nicht zu beanstanden; das dort niedergelegte Abwägungsmodell entspreche präzise den in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung entwickelten Anforderungen. Sofern die Antragstellerin zu 2. beanstande, dass die Neugliederungsmaßnahmen der ersten Stufe grundsätzlich nur innerhalb der Kreisgrenzen erfolgen dürften, enge die prinzipiell zulässige zeitliche Trennung zwischen der Neugliederung auf der Ebene der verbandsfreien Gemeinden bzw. Verbandsgemeinden und der Neugliederung auf Kreisebene allenfalls Spielräume für die zweite Stufe ein. Die Geeignetheit der ersten Stufe werde hierdurch nicht relativiert.

73

Die Eingliederung entspreche dem Gemeinwohl. Die Ermittlung und Würdigung des Sachverhaltes genüge den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Die Behauptung der Antragstellerin zu 2., der Gesetzgeber habe sich nahezu ausschließlich und unkritisch auf das Gutachten Junkernheinrich gestützt, sei unzutreffend. Dies zeige sich bereits daran, dass sich der Gesetzgeber, der die untersuchten Optionen jeweils eigenständig bewertet habe, in mehreren Fällen gegen die in dem Gutachten präferierte Neugliederungsvariante entschieden habe. Auch in zeitlicher Hinsicht habe der Gesetzgeber die dem Gutachten nachfolgenden Geschehnisse ausreichend ermittelt und einbezogen. Dasselbe gelte für die Kriterien der Sach-, Orts- und Bürgernähe, die der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung in seine Überlegungen einbezogen habe. Es sei Sache des Gesetzgebers, die zur systemgerechten Verwirklichung des von ihm formulierten Leitbildes relevanten Sachverhaltselemente auszuwählen und zu ermitteln. Die Antragstellerin zu 2. versuche, dem Gesetzgeber abweichend davon bezüglich besonderer Gründe für eine Ausnahme nach § 2 Abs. 3 Satz 2 KomVwRGrG eine unbeachtliche Sachverhaltsrekonstruktion aufzudrängen. Die hiermit verknüpfte Behauptung, der Gesetzgeber habe mangels festgestellter besonderer Gründe davon abgesehen, die dauerhafte Leistungsfähigkeit der Antragstellerin zu 2. zu prüfen, sei falsch. Die Begründung des Gesetzesentwurfs befasse sich ausdrücklich mit dieser Frage und lehne die dauerhafte Leistungsfähigkeit auf Grundlage der hierfür herangezogenen Kriterien ab.

74

Die vorgenommene Abwägung der Neugliederungsvarianten und die Entscheidung für eine Eingliederung der Antragstellerin zu 2. in die Antragstellerin zu 1. seien verfassungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Im Ausgangspunkt sei die Annahme einer passiven Fusionspflicht verfassungsrechtlich anerkannt und stehe – entgegen der von den Antragstellerinnen vertretenen Ansicht – nicht in Widerspruch zum Grundsätzegesetz, dessen gesamtstaatlichem Bezugsrahmen keine Begrenzung auf Neugliederungsmaßnahmen für Gebietskörperschaften mit eigenem Gebietsänderungsbedarf entnommen werden könne. Ausgehend davon sei die Auswahl der Antragstellerin zu 1. als Fusionspartner für die Antragstellerin zu 2. nicht zu beanstanden. Insbesondere sei der Gesetzgeber nicht gehalten gewesen, einen Zusammenschluss der Antragstellerin zu 2. mit den Verbandsgemeinden Kröv-Bausendorf und Traben-Trarbach, mit der Verbandsgemeinde Kyllburg oder der – ebenso wie die Antragstellerin zu 1. keinen eigenen Gebietsänderungsbedarf aufweisenden – verbandsfreien Stadt Wittlich zu präferieren. Die Gewichtung der Belange und deren Abwägung durch den Gesetzgeber seien verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber habe in diesem Zusammenhang auch die Überlegungen der Ortsgemeinden der Antragstellerinnen gewürdigt, sich in Ausübung seines Abwägungs- und Gestaltungsspielraums indes für eine andere Neugliederungsoption entschieden. Auch habe der Gesetzgeber entgegen dem Einwand der Antragstellerin zu 1. das Ergebnis der Bürgerbefragung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens in seine Abwägung einbezogen. Dasselbe gelte in Bezug auf die nach § 2 Abs. 5 KomVwRGrG bei der Neugliederung zu berücksichtigenden Belange, bei denen der Gesetzgeber die unterschiedlichen Wirtschaftsstrukturen der beiden Antragstellerinnen – inhaltlich anders als die Antragstellerin zu 2. – ebenso wenig als entgegenstehenden Belang eingestuft habe wie – so die Rüge der Antragstellerin zu 1. – die Größenverhältnisse der neu gebildeten Verbandsgemeinde. Soweit die Antragstellerin zu 1. einen Abwägungsfehler und ein Defizit der Sachverhaltsermittlung darauf stütze, in der Jahresbilanz 2011 der Antragstellerin zu 2. seien Pensions- und Beihilferückstellungen nicht ausgewiesen worden, lasse sich daraus nichts herleiten. Schon bilanziell sei zwischen Verbindlichkeiten und Rückstellungen zu unterscheiden. Der Gesetzgeber habe sich in zulässiger Weise darauf beschränkt, zur Quantifizierung der Verschuldung die Statistik der kommunalen Schulden des Statistischen Landesamtes zugrunde zu legen, in die Rückstellungen jedoch gerade nicht einzubeziehen seien. Schließlich habe die Antragstellerin zu 1. nicht substantiiert dargelegt, inwieweit sich die Einbeziehung der Rückstellungen im Zusammenspiel mit dem hierfür geforderten finanziellen Ausgleich auf die Verfassungsmäßigkeit des § 1 ManderEinglG auswirke.

75

Ein Verstoß gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit könne nicht darin gesehen werden, dass der Gesetzgeber nicht bis zum Ende der Freiwilligkeitsphase ein landesweites Konzept zur Optimierung von Gebietsstrukturen aller Verbandsgemeinden und verbandsfreien Gemeinden vorgelegt und nicht alle Verbandsgemeinden und verbandsfreien Gemeinden mit Gebietsänderungsbedarf bis zum Tag der allgemeinen Kommunalwahl neugegliedert habe. Die Bindung des Gesetzgebers beziehe sich auf die Inhalte von Leitbild und Leitlinien, nicht auf deren Konkretisierung innerhalb einer bestimmten Frist oder innerhalb einer Legislaturperiode. Eine Gefährdung der systemgerechten Fortführung durch die zeitliche Streckung der Reform sei nicht ersichtlich. Die in § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 4 KomVwRGrG genannten Fristen seien überdies nicht zwingend. Im Übrigen bestünden sachliche Gründe für die Durchführung von Neugliederungsmaßnahmen auf der Ebene der verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden nach der allgemeinen Kommunalwahl im Jahr 2014. Auch die von der Antragstellerin zu 2. gerügte Unvereinbarkeit des Gutachtens mit dem Leitbild und den Leitlinien des Grundsätzegesetzes begründe keinen Verstoß gegen die Systemgerechtigkeit, da hieran nicht das Gutachten, sondern das Fusionsgesetz zu messen sei.

76

Das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung werde nicht verletzt. Die von der Antragstellerin zu 2. gerügte zeitliche Stufung der Neugliederungsmaßnahmen auf Ebene der Verbandsgemeinden und verbandsfreien Gemeinden beruhe auf sachlichen Gründen, da in erster Linie solche Maßnahmen zurückgestellt worden seien, die mit Änderungen von Landkreisen einhergingen. Darüber hinaus habe es Fälle gegeben, in denen ein konstatierter Gebietsänderungsbedarf noch nicht bis 2014 habe abgearbeitet werden können. Die Sachlichkeit der Gründe für eine Verlagerung weniger Neugliederungsmaßnahmen über 2014 hinaus werde durch die Bereitschaft, im Falle eines freiwilligen Zusammenschlusses die Durchführung auf 2019 zu verschieben, nicht in Frage gestellt. Das Entgegenkommen des Innenministeriums sei insoweit von den Zielen Vorrang der Freiwilligkeit und Rechtssicherheit getragen gewesen. Soweit die Antragstellerin zu 1. eine Ungleichbehandlung in Bezug auf die allein bei freiwilligen Zusammenschlüssen gewährten Finanzzuschüsse nach § 17a Landesfinanzausgleichsgesetz – LFAG – geltend mache, begründe die Freiwilligkeit als förderungswürdiges Element einen sachlichen Grund für eine Differenzierung. Hinsichtlich der ebenfalls gerügten Ungleichbehandlung mit dem Fall des Zusammenschlusses der Verbandsgemeinden Guntersblum und Nierstein-Oppenheim, in dem außerhalb der Freiwilligkeitsphase eine Finanzhilfe gewährt worden sei, fehle es an der Vergleichbarkeit der beiden Fallkonstellationen. Nicht durchgreifend seien schließlich die Einwendungen der Antragstellerin zu 2. gegen die Verhältnismäßigkeit des Eingliederungsgesetzes.

D.

77

Die Anträge sind überwiegend zulässig (I.); soweit sie zulässig sind, sind sie allerdings unbegründet (II.).

I.

78

1. Die Anträge sind gemäß Art. 130 Abs. 1 Satz 2 Verfassung für Rheinland-Pfalz – LV – als Normenkontrolle auf kommunalen Antrag statthaft. Nach Art. 130 Abs. 1 Satz 1 LV kann die Landesregierung, der Landtag und jede Landtagsfraktion eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs darüber beantragen, ob ein Gesetz oder die sonstige Handlung eines Verfassungsorgans, soweit es sich nicht um eine Gesetzesvorlage handelt, verfassungswidrig ist. Den Antrag können nach Satz 2 auch Körperschaften des öffentlichen Rechts stellen – und damit auch die Antragstellerinnen als kommunale Gebietskörperschaften (vgl. § 64 Abs. 1 Satz 1 Gemeindeordnung – GemO –) –, soweit sie geltend machen, durch das Gesetz oder die sonstige Handlung eines Verfassungsorgans in eigenen Rechten verletzt zu sein (zum Vorrang des Verfahrens nach Art. 130 Abs. 1 Satz 2 LV gegenüber der Verfassungsbeschwerde nach Art. 130a LV vgl. etwa VerfGH RP, Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 23 f. m.w.N.).

79

Unter Rechten in diesem Sinne sind nur solche zu verstehen, die sich aus dem Wesen und der Aufgabe der Körperschaft ergeben, die also zu ihrem spezifisch hoheitlichen Aufgabenbereich gehören (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 14. November 1966 – VGH 5/66 –, AS 3, 19 [20]; Urteil vom 8. Februar 1971 – VGH 10/70 –, AS 12, 256 [257]; Urteil vom 18. April 1994 – VGH N 1/93 u.a. –, AS 24, 321 [332 f.]; Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 23 f.). Kommunale Gebietskörperschaften können sich daher im Wesentlichen auf die in Art. 49 Abs. 1 bis Abs. 3 LV verankerte Selbstverwaltungsgarantie und das zum Rechtsstaatsprinzip zählende Willkürverbot (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 8. Mai 1985 – VGH 2/84 –, AS 19, 339 [340]) berufen, sowie auf solche Vorschriften, die ihrem Inhalt nach geeignet sind, das verfassungsrechtliche Bild der Selbstverwaltung mitzubestimmen (VerfGH RP, Urteil vom 18. April 1994 – VGH N 1/93 u.a. –, AS 24, 321 [333]; Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S, 23 f.; vgl. ferner BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 1980 – 2 BvR 584/76 u.a. –, BVerfGE 56, 298 [310]; VerfGH NRW, Urteil vom 15. September 1986 – 17/85 –, OVGE 39, 292 [293]).

80

Diese Voraussetzungen sind vorliegend überwiegend erfüllt. Die Antragstellerinnen machen jeweils geltend, durch die sie betreffende Neugliederungsmaßnahme gemäß § 1 ManderEinglG in ihrer durch Art. 49 Abs. 1 bis Abs. 3 LV geschützten Selbstverwaltungsgarantie verletzt zu sein. Sie haben Tatsachen vorgetragen, die eine Beeinträchtigung ihres Selbstverwaltungsrechts nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen lassen. Insoweit sind sie zur Anrufung des Verfassungsgerichtshofs nach Art. 130 Abs. 1 Satz 2 LV befugt. Dies gilt insbesondere auch für die Antragstellerin zu 1., die durch die Neugliederungsmaßnahme in ihrer Existenz unangetastet bleibt und durch die Eingliederung eine Gebietserweiterung erfährt. Ein Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht einer Gebietskörperschaft liegt nämlich nicht nur bei Auflösung, Gebietsverminderung oder Aufgabenentzug vor, sondern auch dann, wenn der Gesetzgeber den Selbstverwaltungsbereich der Gebietskörperschaft neu ordnet (vgl. NdsStGH, Urteil vom 3. Juni 1980 – StGH 2/79 –, juris, Rn. 48).

81

Soweit die Antragstellerin zu 1. allerdings rügt, § 1 ManderEinglG verstoße gegen das kommunale Selbstverwaltungsrecht sowie das Willkürverbot, weil ihr im Gegensatz zu anderen verbandsfreien Gemeinden bzw. Verbandsgemeinden für die Fusion keine finanzielle Zuwendung nach § 17a Landesfinanzausgleichgesetz – LFAG – bzw. § 6 Satz 1 Nr. 1 und § 7 Nr. 2 bis 8 LFAG gewährt worden sei und darüber hinaus eine Ungleichbehandlung im Vergleich zur Fusion der Verbandsgemeinden Guntersblum und Nierstein-Oppenheim vorliege, ist ihr Antrag nicht gemäß § 23 des Landesgesetzes über den Verfassungsgerichtshof – VerfGHG – hinreichend begründet. Für eine substantiierte Darlegung, mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidiert, muss der Antragsteller aufzeigen, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Recht verletzt sein soll (vgl. zum Verfassungsbeschwerdeverfahren etwa BVerfG, Beschluss vom 29. September 1998 – 2 BvR 1790/94 –, BVerfGE 99, 84 [87]; Kammerbeschluss vom 14. Dezember 2011 – 2 BvR 1430/11 –, juris, Rn. 3) und sich mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des vorgetragenen Sachverhaltes auseinandersetzen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. März 2010 – 1 BvR 2909/08 –, juris, Rn. 2). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Antragstellerin zu 1. nicht. Insbesondere legt sie zu beiden gerügten Punkten nicht dar, inwieweit sich eine unterbliebene finanzielle Zuwendung unmittelbar auf den hier in der Sache allein angegriffenen § 1 ManderEinglG auswirken könnte. Sie zeigt nicht auf, dass die Eingliederung als solche und eine etwaig zu gewährende finanzielle Zuwendung in einem derart engen Zusammenhang stehen, dass das Fehlen letzterer zugleich die Verfassungswidrigkeit der Neugliederung als solcher zur Folge hat – wie etwa bei der Eingliederung der Verbandsgemeinde Hochspeyer in die Verbandsgemeinde Enkenbach-Alsenborn, wo mithilfe der finanziellen Zuwendung erst die Zumutbarkeit der Neugliederungsmaßnahme für die aufnehmende Verbandsgemeinde Enkenbach-Alsenborn hergestellt werden soll (vgl. dazu LT-Drucks. 16/2801, S. 82 ff.). Das Vorgenannte gilt entsprechend, soweit auch die Antragstellerin zu 2. eine Ungleichbehandlung in Bezug auf finanzielle Zuwendungen geltend macht.

82

Hinsichtlich der Antragstellerin zu 2. fehlt es zum Teil auch an einer Antragsbefugnis, soweit sie rügt, § 1 ManderEinglG verstoße gegen das kommunale Selbstverwaltungsrecht, weil die einzelnen Ausgliederungswünsche einer Vielzahl ihrer Ortsgemeinden nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Bei Verfahren nach Art. 130 Abs. 1 Satz 2 LV ist ähnlich einer Verfassungsbeschwerde eine eigene, gegenwärtige und unmittelbare Rechtsbetroffenheit erforderlich (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 18. April 1994 – VGH N 1/93 u.a. –, AS 24, 321 [333]; Urteil vom 13. Oktober 1995 – VGH N 4/93 –, AS 25, 194 [195]). An einer eigenen Rechtsbetroffenheit der Antragstellerin zu 2. fehlt es indes, wenn sie sich auf Rechte der ihr angehörenden Ortsgemeinden beruft; sie ist nicht berechtigt, sich zum Sachwalter ihrer Ortsgemeinden zu machen (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 17. Dezember 1969 – VGH 10/69 –, AS 11, 271 [272]). Soweit sie danach isoliert nicht einbezogene oder abgelehnte Einzelausgliederungen der ihr angehörenden Ortsgemeinden rügt, ohne gleichzeitig darzulegen, welche Auswirkungen diese auf ihren eigenen Bestand oder ihre eigenen – nicht bereits aus anderen Gründen abgelehnten – Fusionsoptionen haben könnte, fehlt es an der erforderlichen Antragsbefugnis. Eine Beeinträchtigung ihres Selbstverwaltungsrechts scheidet insoweit aus.

83

2. Der Zulässigkeit des Antrags steht ansonsten nicht entgegen, dass die Antragstellerin zu 2. gemäß § 1 ManderEinglG seit dem 1. Juli 2014 aufgelöst und somit rechtlich nicht mehr existent ist. Denn für die Dauer des Verfahrens gegen den ihre Auflösung bewirkenden Rechtsakt gelten Gemeinden und Gemeindeverbände als fortbestehend. Dies resultiert aus dem Gebot der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes, da anderenfalls der Existenzverlust der Gebietskörperschaft nicht rügefähig bliebe (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 6. Dezember 2012 – 2 BvR 1470/11 –, juris, Rn. 7; VerfGH NRW, Beschluss vom 9. April 1976 – 58/75 –, OVGE 31, 309 [310]; VerfGH Saarland, Urteil vom 22. März 1993 – Lv 3/91 –, NVwZ 1994, 481; VerfG Brandenburg, Urteil vom 15. September 1994 – VfgBbg 3/93 –, juris, Rn. 37; VerfGH RP, Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 24 f.). Ebenfalls mit Blick auf das Gebot der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes und nicht zuletzt auch, um von vornherein jeglichen möglichen Interessenkonflikt zu vermeiden, geht der Verfassungsgerichtshof auch in Bezug auf die Antragstellerin zu 1. davon aus, dass die Verbandsgemeinde Wittlich-Land in ihrer Gestalt bis zum 30. Juni 2014 beschwerdefähig ist.

84

3. Die Antragstellerinnen werden im Verfahren zulässigerweise durch ihre zuletzt amtierenden Bürgermeister vertreten (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 14. Juni 1971 – VGH 7/70 –, AS 12, 153 [159 ff.]; ferner Th. Schmidt, JA 2008, 763 [765]). Da die ehemaligen Bürgermeister der Antragstellerinnen nicht im Dienst der umgebildeten Verbandsgemeinde Wittlich-Land stehen, ist es mangels der Gefahr eines Interessenwiderstreits nicht veranlasst, die Prozessfähigkeit der Antragstellerinnen über ihre ehemaligen Verbandsgemeinderäte herzustellen (so aber VerfGH NRW, Urteil vom 18. Dezember 1970 – 11/70 –, OVGE 26, 306 [310 f.]; Urteil vom 18. Dezember 1970 – 13/70 –, OVGE 26, 316 [318] unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung). Es erscheint vielmehr sachgerechter, die Fiktion des Fortbestehens von Organen zum Zwecke der Prozessführung auf den jeweiligen Bürgermeister der aufgelösten bzw. umgebildeten kommunalen Gebietskörperschaft bzw. dessen gesetzlichen Vertreter zu beschränken (vgl. Bosse, DÖV 1976, 34 [35]), zumal nach § 64 Abs. 2, § 47 Abs. 1 Satz 1 GemO grundsätzlich dem Bürgermeister die Vertretung der Gemeinde obliegt.

II.

85

Der Anträge sind, soweit sie zulässig sind, nicht begründet. § 1 ManderEinglG verstößt nicht gegen die in Art. 49 Abs. 1 bis Abs. 3 LV verankerte kommunale Selbstverwaltungsgarantie. Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie verlangt bei der Auflösung und Eingliederung von Verbandsgemeinden oder deren Zusammenschluss – ebenso wie bei Gemeinden –, dass die betroffenen Gebietskörperschaften angehört werden und der Eingriff in den individuellen Bestand dem Gemeinwohl dient (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 26 f., m.w.N.). Die Antragstellerinnen sind in verfassungsrechtlicher Hinsicht ausreichend angehört worden (1.). Die Auflösung der Antragstellerin zu 2. und ihre Eingliederung in die Antragstellerin zu 1. entsprechen dem Gemeinwohl (2.).

86

1. Die hier vorgenommenen Anhörungen der Antragstellerinnen sind gemessen an den verfassungsrechtlichen Maßstäben, wie sie sich aus dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs vom 8. Juni 2015 ergeben (VGH N 18/14, UA S. 27 ff.), nicht zu beanstanden; die Anhörung muss von Verfassungs wegen insbesondere nicht durch den Landtag selbst oder einen von ihm gebildeten Ausschuss erfolgen (vgl. nur VerfGH RP Urteile vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 29 f. und vom 26. Oktober 2015 – VGH N 36/14 –, UA S. 33 f.). Im Hinblick auf die weitere Einwendung der Antragstellerin zu 2. hält der Verfassungsgerichtshof daran fest, dass das nicht mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör gleichzusetzende Anhörungsrecht keine formelle Erwägungspflicht des Gesetzgebers begründet (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 26. Oktober 2015 – VGH N 36/14 –, UA S. 38 f.).

87

2. Die in § 1 ManderEinglG vorgesehene Eingliederung der Antragstellerin zu 2. in die Antragstellerin zu 1. dient dem Gemeinwohl.

88

a) Nach der übereinstimmenden, ständigen Rechtsprechung der Verfassungsgerichte verlangt die verfassungsrechtlich garantierte kommunale Selbstverwaltung, so wie diese sich geschichtlich entwickelt hat, dass Gemeinden in ihrem individuellen Bestand nur dann geändert oder aufgelöst werden dürfen, wenn dieser Eingriff dem Gemeinwohl bzw. dem öffentlichen Wohl dient (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. November 1978 – 2 BvR 165/75 –, BVerfGE 50, 50; Beschluss vom 12. Mai 1992 – 2 BvR 470/90 u.a. –, BVerfGE 86, 90 [107]; BVerfG, Kammerbeschluss vom 3. November 1981 – 2 BvR 827/80 –, juris, Rn. 2; VerfGH RP, Urteil vom 17. April 1969 – VGH 2/69 –, AS 11, 73 [78 ff.]; Urteil vom 5. Mai 1969 – VGH 29/69 –, AS 11, 118 [121]; Urteil vom 14. Dezember 1970 – VGH 4/70 –, AS 12, 239 [247 f.]; Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 43 f.; ThürVerfGH, Urteil vom 18. Dezember 1996 – 2/95 u.a. –, NVwZ-RR 1997, 639 [641]). Die Gemeinwohlbindung, wie sie für sämtliche Gesetzgebung besteht, folgt zudem aus Art. 1 Abs. 2 bis 4 LV (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 17. April 1969 – VGH 2/69 –, AS 11, 73 [80]; Urteil vom 14. Dezember 1970 – VGH 4/70 –, AS 12, 239 [247 f.]).

89

Bei dem abstrakten Begriff des „Gemeinwohls“ handelt es sich um einen generalklauselartigen unbestimmten Rechts- bzw. Verfassungsbegriff, dessen Inhalt nicht festgelegt und keiner abstrakten Definition zugänglich ist. Es ist vielmehr Sache des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, die für ihn maßgeblichen Gemeinwohlgründe zu bestimmen und daran die Neugliederung von Gemeinden auszurichten (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 17. April 1969 – VGH 2/69 –, AS 11, 73 [82 ff.]; Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 44). Dabei hat er – im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben – einen großen politischen Spielraum (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 – UA S. 44; VerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26. Juli 2007 – 9/06 u.a. –, juris, Rn. 117). Das Gemeinwohl kann durch die rechtlichen Wertungen der Verfassung konkretisiert werden. Allerdings können auch Interessen und Zwecke, die sich nicht unmittelbar aus einem Verfassungsgrundsatz ableiten lassen, Gründe des öffentlichen Wohls darstellen. Dabei ist aber übergeordneten Verfassungsprinzipien bzw. der verfassungsmäßigen Wertordnung Rechnung zu tragen (vgl. ThürVerfGH, Urteil vom 18. Dezember 1996 – 2/95 u.a. –, NVwZ-RR 1997, 639 [641]; LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21. April 2009 – LVG 12/08 –, BeckRS 2009, 33217).

90

Mit dem erheblichen politischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bestimmung des Gemeinwohls im Rahmen von Gebietsreformen und dem „planerischen Einschlag“ von Neugliederungsgesetzen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1992 – 2 BvR 470/90 u.a. –, BVerfGE 86, 90 [108]) korrespondiert eine nur eingeschränkte verfassungsgerichtliche Überprüfung der Gemeinwohlkonformität. Die Bewältigung komplexer Probleme, wie sie bei einer Gebietsreform auftreten, muss vorrangig dem Parlament überlassen bleiben (vgl. auch VerfG Brandenburg, Urteil vom 14. Juli 1994 – VfGBbg 4/93 –).

91

Dabei lassen sich drei Stufen der gesetzgeberischen Entscheidung unterscheiden, auf denen jeweils eine Gemeinwohlkonkretisierung durch den Gesetzgeber erfolgt (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 45 ff.; VerfGH Sachsen, Beschluss vom 9. November 1995 – Vf. 20-VIII-95 –; Urteil vom 18. Juni 1999 – Vf. 51-VIII-98 –; ThürVerfGH, Urteil vom 18. Dezember 1996 – 2/95 u.a. –, NVwZ-RR 1997, 639 [642 ff.]; Beschluss vom 8. September 1997 – 8/95 –, juris, Rn. 76 ff.; Müller/Trute, Stadt-Umland-Probleme und Gebietsreform in Sachsen, 1996, S. 156 ff.):

92

Auf der ersten Stufe werden die Überlegungen, die der Durchführung der Reform als solcher zugrunde liegen, verfassungsrechtlich gewürdigt. Dabei prüft der Verfassungsgerichtshof nur, ob im Lichte der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie betrachtet verfassungsrechtlich legitime Reformziele verwirklicht werden sollen.

93

Auf der zweiten Stufe werden das Leitbild und die Leitlinien, die der Gesetzgeber seiner Reformmaßnahme selbst zugrunde gelegt hat, einer verfassungsrechtlichen Prüfung unterzogen. Diese erlangen rechtliche Bedeutung für die einzelne Neugliederung durch das aus dem Gleichheitssatz bzw. dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebot der Systemgerechtigkeit (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –; ThürVerfGH, Urteil vom 18. Dezember 1996 – 2/95 u.a. –, NVwZ-RR 1997, 639 [643]; NdsStGH, Urteil vom 14. Februar 1979 – StGH 2/77 –, juris, Rn. 610; Müller/Trute, Stadt-Umland-Probleme und Gebietsreform in Sachsen, 1996, S. 190).

94

Auf der dritten Stufe wird schließlich die konkrete einzelne Neugliederungsmaßnahme verfassungsrechtlich gewürdigt.

95

b) Gemessen an diesem verfassungsrechtlichen „Prüfprogramm“ verfolgt der Gesetzgeber mit seiner Gebietsreform betreffend die verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden, wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Urteil vom 8. Juni 2015 (VGH N 18/14, UA S. 47 f., m.w.N.) entschieden hat und seitens der Antragstellerinnen auch nicht (mehr) in Frage gestellt wird, ein verfassungsrechtlich legitimes Reformziel. Auch begegnen das Leitbild und die Leitlinien des Grundsätzegesetzes und damit dieses selbst keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (aa). § 1 ManderEinglG hält ebenfalls der verfassungsrechtlichen Prüfung stand (bb).

96

aa) Das Leitbild und die Leitlinien, wie sie der Gesetzgeber im Grundsätzegesetz zugrunde gelegt hat, sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies hat der Verfassungsgerichtshof mit Urteilen vom 8. Juni 2015 (VGH N 18/14, UA S. 49 ff.) und vom 26. Oktober 2015 (VGH N 36/14, UA S. 42 ff.) bereits entschieden. Die Antragstellerin zu 1. hält ihre zuvor schriftsätzlich erhobenen Rügen zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der ersten beiden Stufen der Reform, wie sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof klargestellt hat, nicht weiter aufrecht. Die im Einzelnen erhobenen Einwendungen der Antragstellerin zu 2. greifen – wie der Verfassungsgerichtshof zu im Wesentlichen gleichlautenden Vortrag bereits entschieden hat (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 26. Oktober 2015 – VGH N 36/14 –, UA S. 43 ff.) – nicht durch.

97

bb) § 1 ManderEinglG hält ebenfalls der verfassungsrechtlichen Prüfung stand. Die Eingliederung der Antragstellerin zu 2. in die Antragstellerin zu 1. verletzt die Antragstellerinnen nicht in ihrer kommunalen Selbstverwaltungsgarantie.

98

(1) Auch auf der Stufe der verfassungsrechtlichen Überprüfung des konkreten Fusionsgesetzes ist der politische Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zu berücksichtigen, der nur eine eingeschränkte verfassungsgerichtliche Kontrolle zulässt (vgl. etwa LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 4. September 2012 – LVG 3/11 –; VerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 18. August 2011 – 21/10 –, juris, Rn. 125). Allerdings unterliegt der Gesetzgeber hier einer intensiveren verfassungsgerichtlichen Kontrolle als auf den beiden vorangegangenen Stufen (vgl. ThürVerfGH, Urteil vom 18. Dezember 1996 – 2/95 u.a. –, NVwZ-RR 1997, 639 [644]; VerfGH Sachsen, Beschluss vom 9. November 1995 – Vf. 20-VIII-95 –; VerfGH RP, Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 64).

99

In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Verfassungsgerichte der Länder überprüft der Verfassungsgerichtshof die einzelne Neugliederung darauf, ob der Gesetzgeber den für seine Regelung erheblichen Sachverhalt zutreffend ermittelt, dem Gesetz zugrunde gelegt hat und ob er die im konkreten Fall angesprochenen Gemeinwohlgründe sowie die Vor- und Nachteile der gesetzlichen Regelung in die vorzunehmende Abwägung eingestellt hat. Auf der Grundlage des in dieser Weise ermittelten Sachverhalts und der Gegenüberstellung der daraus folgenden verschiedenen – oft gegenläufigen Belange – ist der Gesetzgeber befugt, sich letztlich für die Bevorzugung eines Belangs und damit notwendig zugleich für die Zurückstellung aller anderen betroffenen Aspekte zu entscheiden. Insoweit hat sich die Prüfung auf die Kontrolle zu beschränken, ob die angegriffene Neugliederungsmaßnahme dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht und frei von willkürlichen Erwägungen ist (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 64 f.; BVerfG, Beschluss vom 27. November 1978 – 2 BvR 165/75 –, BVerfGE 50, 50 [51]; Beschluss vom 12. Mai 1992 – 2 BvR 470/90 u.a. –, BVerfGE 86, 90 [108 f.]; VerfGH Sachsen Urteil vom 6. Mai 1999 – Vf. 51-VIII-98 –; VerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 18. August 2011 – 21/10 –, juris, Rn. 124). Liegen zudem gesetzgeberische Leitbilder und Leitlinien für die Neugliederungsmaßnahme vor, prüft der Verfassungsgerichtshof, ob diese systemgerecht verwirklicht worden sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. November 1978 – 2 BvR 165/75 –, BVerfGE 50, 50 [51]; VerfGH RP, Urteil vom 5. Mai 1969 – VGH 29/69 –, AS 11, 118 [130 f., 133]; Urteil vom 14. Dezember 1970 – VGH 4/70 –, AS 12, 239 [249 f.]; VerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 18. August 2011 – 21/10 –, juris, Rn. 124). Soweit Ziele, Wertungen und Prognosen des Gesetzgebers in Rede stehen, hat der Verfassungsgerichtshof darüber zu wachen, dass diese nicht offensichtlich oder eindeutig widerlegbar sind oder gar den Prinzipien der verfassungsrechtlichen Ordnung widersprechen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. November 1978 – 2 BvR 165/75 –, BVerfGE 50, 50 [51]; Beschluss vom 12. Mai 1992 – 2 BvR 470/90 u.a. –, BVerfGE 86, 90 [109]; VerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 18. August 2011 – 21/10 –, juris, Rn. 124; LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 4. September 2012 – LVG 3/11 –; VerfGH RP, Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 64 f.).

100

Für diese Prüfung ist es unabdingbar, dass der Gesetzgeber seiner Entscheidung eine Begründung beigibt, aus der die für den Abwägungsprozess und sein Ergebnis relevanten Gesichtspunkte erkennbar werden (VerfGH Sachsen, Urteil vom 6. Mai 1999 – Vf. 51-VIII-98 –; Urteil vom 25. November 2005 – Vf. 119-VIII-04 –, juris, Rn. 246). Der Gemeinwohlvorbehalt für gemeindliche Neugliederungen bedeutet daher im Wesentlichen ein „legislatorisches Abwägungsgebot“ (Wallerath, in: Die Verfassungsgerichte der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern u.a. [Hrsg.], 20 Jahre Verfassungsgerichtsbarkeit in den neuen Ländern, 2014, S. 53 [82]).

101

(2) Hieran gemessen ist § 1 ManderEinglG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt in ausreichendem Maße ermittelt (a). Die hier vorgenommene Abwägung genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen (b).

102

(a) Die Sachverhaltsermittlung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

103

(aa) Für eine ausreichende Sachverhaltsermittlung kommt es nicht darauf an, ob sämtliche tatsächlichen Momente in allen Einzelheiten richtig erfasst und gewürdigt worden sind. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, alle irgendwie mit einem Neugliederungsvorhaben zusammenhängenden Aspekte umfassend aufzuklären. Ins Gewicht fällt vielmehr, ob er die Sachverhaltselemente vollständig ermittelt hat, die für sein selbst gesetztes Ziel erheblich sind. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber bei organisatorischen Regelungen, die das ganze Land betreffen, typisieren darf; er braucht nicht jeder einzelnen Gemeinde und grundsätzlich auch nicht jeder insgesamt gesehen unbedeutenden Gruppe von Gemeinden Rechnung zu tragen. Dies folgt schon aus dem notwendig generellen Charakter seiner Regelung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2002 – 2 BvR 329/97 –, BVerfGE 107, 1 [14]). Erst wenn die Richtigkeit einer die Entscheidung tragenden Tatsache bestritten und es möglich ist, dass die Neugliederung anders ausgefallen wäre, besteht eine Nachprüfungspflicht für das Verfassungsgericht (vgl. VerfGH Sachsen, Urteil vom 25. November 2005 – Vf. 119-VIII-04 –, juris, Rn. 241 f.; VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18. November 2004 – VfgBbg 266/03 –, juris, Rn. 24, m.w.N.).

104

(bb) Ausgehend hiervon vermag mit Blick auf die Rügen der Antragstellerin zu 2. weder die im Wesentlichen auf das Gutachten Junkernheinrich gestützte Entscheidung des Gesetzgebers (α) noch der Einwand einer unzureichenden Ermittlung besonderer Gründe im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KomVwRGrG (β) oder die Rüge einer unterlassenen bzw. ungenügenden Prüfung der dauerhaften Leistungsfähigkeit (γ) eine unzureichende Sachverhaltsermittlung zu begründen. Entgegen dem Einwand der Antragstellerin zu 1. ergibt sich auch kein Ermittlungsdefizit im Zusammenhang mit der von ihren Bürgern mehrheitlich geäußerten Ablehnung der Neugliederungsmaßnahme oder in Bezug auf (etwaig) fehlerhaft nicht in der Bilanz 2011 der Antragstellerin zu 2. aufgenommene Rückstellungen für Pensions- und Beihilfeverpflichtungen (δ).

105

(α) Soweit die Antragstellerin zu 2. eine Verletzung der Pflicht zur Ermittlung des zugrunde liegenden Sachverhalts darauf stützt, dass sich die Begründung des Fusionsgesetzes nahezu ausschließlich auf die Ausführungen des Gutachtens Junkernheinrich stütze und keine eigene Sachverhaltsermittlung erfolgt sei, vermag der Verfassungsgerichtshof dem nicht zu folgen. Weder der Umstand, dass das Gutachten nach seinem Selbstverständnis lediglich eine Grundlage für die Abwägungs- und Entscheidungsprozesse sein soll, noch der Einwand, das Gutachten Junkernheinrich weise Lücken oder Fehlinterpretationen der Vorgaben aus dem Grundsätzegesetz auf, vermögen – wie der Verfassungsgerichtshof in Bezug auf im Wesentlichen gleichlautendes Vorbringen bereits entschieden hat (vgl. VerfGH RP, Urteil im vom 26. Oktober 2015 – VGH N 36/14 –, UA S. 57 ff.) – den Einwand einer unzureichenden Sachverhaltsermittlung zu tragen. Dasselbe gilt, soweit die Antragstellerin zu 2. Defizite im Zusammenhang mit dem vermeintlich nur unzureichend erfolgten Nachtrag statistischer Daten seit dem Gutachten Junkernheinrich sowie das Fehlen einer Analyse der strukturellen Optimierungspotenziale rügt (vgl. dazu VerfGH RP, Urteil vom 26. Oktober 2015 – VGH N 36/14 –, UA S. 60).

106

(β) Eine unzureichende Sachverhaltsermittlung durch den Gesetzgeber ist auch im Bereich der besonderen Gründe im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KomVwRGrG nicht ersichtlich.

107

Die Einwendungen der Antragstellerin zu 2. in Bezug auf die Auslegung und Anwendung der besonderen Gründe der landschaftlichen und topografischen Gegebenheiten sowie der Wirtschafts- und Finanzkraft lassen sich ebenso wenig bestätigen wie das Fehlen einer erforderlichen Gesamtschau zur Frage, ob bei Addition verschiedener Einzelaspekte, die bei isolierter Betrachtung eine Ausnahme nicht tragen, eine Unterschreitung der Mindesteinwohnerzahl gerechtfertigt ist (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 26. Oktober 2015 – VGH N 36/14 –, UA S. 61 f. zu im Wesentlichen gleichlautendem Beschwerdevorbringen). Zur Systematik der besonderen Gründe im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 2 KomVwRGrG und der in Satz 3 enthaltenen – indes nicht abschließenden – Aufzählung ist zu berücksichtigen, dass die in § 2 Abs. 3 Satz 3 KomVwRGrG beispielhaft genannten besonderen Gründe zwar grundsätzlich einer Auslegung zugänglich sind. Allerdings hat der Gesetzgeber sie in Ausübung der ihm zustehenden Typisierungsbefugnis konkretisiert, indem er sich die im Gutachten Junkernheinrich Teil A herangezogenen Kriterien zu Eigen gemacht hat (vgl. LT-Drucks. 16/2795, S. 33 ff.). Gilt es danach unter Berücksichtigung des verfassungsgerichtlichen Prüfungsmaßstabes, die Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers zu wahren, solange die herangezogenen Kriterien nicht offensichtlich ungeeignet, willkürlich festgelegt oder aus anderen verfassungsrechtlich relevanten Gründen abzulehnen sind, darf die zulässige Typisierung nicht über den Umweg der unbenannten besonderen Gründe ausgehebelt werden. Mit anderen Worten brauchen Umstände, die inhaltlich einem geschriebenen besonderen Grund zuzuordnen sind, aber aufgrund der auf andere Kriterien abstellenden Typisierung nicht zum Tragen kommen, seitens des Gesetzgebers nicht als unbenannter besonderer Grund eingestellt zu werden. Andernfalls würde man dem Gesetzgeber gerade in Bezug auf die von ihm ausdrücklich benannten und typisierend ausgefüllten Vorgaben mittelbar seine Typisierungsbefugnis absprechen und eine nach seinen Kriterien unbeachtliche Sachverhaltsrekonstruktion aufdrängen. Gleichzeitig darf die beschriebene Typisierungs- und Zuordnungsbefugnis bei den benannten besonderen Gründen jedoch nicht dazu führen, dass die im Grundsätzegesetz im gleichen Rang vorgesehene Berücksichtigung von unbenannten besonderen Gründen leerläuft. Unabhängig von der danach erforderlichen Abgrenzung zwischen nicht relevanten Indikatoren innerhalb eines benannten besonderen Grundes einerseits und der Berücksichtigungsfähigkeit eines unbenannten besonderen Grundes andererseits hat der Gesetzgeber hier den Vortrag der Antragstellerin zu 2. zu besonderen Gründen, die diese selbst einzelnen benannten besonderen Gründen zugeordnet hat (landschaftliche und topografische Gegebenheiten, geografische Lage sowie Wirtschafts- und Finanzkraft, vgl. Antragsschrift vom 8. April 2014, S. 31 ff. sowie Schriftsatz vom 30. Juli 2014, S. 20 ff.) und damit die typisierenden Kriterien des Gesetzgebers auszutauschen sucht, im Sinne einer ausreichenden Sachverhaltsermittlung erfasst (vgl. LT-Drucks. 16/2795, S. 62). Er hat sich im Weiteren mit der inhaltlichen – hier letztlich abgelehnten – Relevanz der vorgetragenen Gründe für einen unveränderten Fortbestand der Antragstellerin zu 2. auseinandergesetzt (vgl. LT-Drucks. 16/2795, S. 68 ff., S. 74 ff.). Unabhängig davon, dass aus dem Vorbringen der Antragstellerin zu 2. vielfach nicht ohne weiteres ersichtlich ist, inwieweit daraus qualitativ ein Grund für einen unveränderten Fortbestand folgen soll, ist die Begründungs- und Abwägungstiefe in der Gesetzesbegründung von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

108

Soweit die Antragstellerin zu 2. ergänzend rügt, dass die Ausnahmegründe generell nicht so eng ausgelegt werden dürften, dass faktisch bereits die Unterschreitung der Mindesteinwohnerzahl einen Gebietsänderungsbedarf begründe, trifft dies ausweislich der im Gutachten Junkernheinrich Teil A ermittelten Ausnahmen nicht zu. Dort finden sich elf Verbandsgemeinden, die für sich in Anspruch nehmen können, trotz Unterschreitung der Mindesteinwohnerzahl keinen Gebietsänderungsbedarf aufzuweisen, von denen wiederum vier Verbandsgemeinden unterschiedliche besondere Gründe im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 2 KomVwRGrG zugeschrieben wurden (vgl. Gutachten Junkernheinrich Teil A, S. 64 f.). Stellt man dies zahlenmäßig den verbleibenden 63 verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden gegenüber, die auch nach der Prüfung von Ausnahmegründen einen Gebietsänderungsbedarf haben, kann von einer faktisch zwingenden Auflösung bereits bei Unterschreiten der Mindesteinwohnerzahl nicht die Rede sein.

109

Defizite der Sachverhaltsermittlung zu raumordnerischen oder landesplanerischen Besonderheiten sind bereits deshalb auszuschließen, weil diese ausweislich der Gesetzesbegründung Eingang in die Entscheidungsfindung genommen haben (vgl. LT-Drucks. 16/2795, S. 62 ff., 76, 94 f.). Die Antragstellerin zu 2., die insoweit die Belange nicht hinreichend „abgewogen“ sieht, rügt insoweit letztlich eine fehlerhafte Abwägung (dazu unten) und kein Ermittlungsdefizit. Der in diesem Zusammenhang ebenfalls erhobene Einwand zur Berücksichtigung der demografischen Entwicklung – im Sinne eines unbenannten besonderen Grundes – trägt ebenfalls nicht die Annahme einer unzureichenden Sachverhaltsermittlung. Letztlich kritisiert die Antragstellerin zu 2. die inhaltlich starre Handhabung einer mit Unsicherheiten behafteten Prognose, indem lediglich diejenigen Gebietskörperschaften hieraus einen besonderen Grund herleiten können, die nach der Vorausberechnung für das Jahr 2020 die Mindesteinwohnerzahlen erreichen. Ungeachtet der Frage, ob diese Herangehensweise in Widerspruch zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben steht, ist mit Blick auf die Antragstellerin zu 2., deren aktuelle Einwohnerzahlen und dem für sie prognostizierten Bevölkerungsrückgang bis 2020, weder vorgetragen noch ersichtlich, inwieweit sie von einer (vermeintlich) zu starren Handhabung von Grenzwerten bei gleichzeitigen prognostischen Unsicherheiten betroffen sein könnte. Mithin bedarf dieser Punkt mangels einer auch nur in Ansätzen ersichtlichen Beschwer der Antragstellerin zu 2. keiner weiteren Erörterung.

110

(γ) Die dem angegriffenen Eingliederungsgesetz zugrunde liegenden Sachverhaltsermittlungen zur – letztlich abgelehnten – dauerhaften Leistungsfähigkeit der Antragstellerin zu 2. sind ebenfalls nicht zu beanstanden.

111

Die Behauptung, der Gesetzgeber sei als unmittelbare Konsequenz des Nichtvorliegens besonderer Gründe im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KomVwRGrG davon ausgegangen, sie, die Antragstellerin zu 2., biete nicht die Gewähr einer dauerhaften Leistungsfähigkeit im Sinne des Grundsätzegesetzes, lässt sich nicht bestätigen. Zuzugeben ist insoweit, dass die Formulierung der Gesetzesbegründung in diesem Kontext an einer Stelle durchaus missverständlich ist, wenn dort im Anschluss an die Ablehnung besonderer Gründe ausgeführt wird, die Antragstellerin zu 2. biete „deshalb“ nicht die Gewähr dauerhafter Leistungsfähigkeit (LT-Drucks. 16/2795, S. 78). Allerdings heißt es an anderer Stelle und ohne grammatikalische Verbindung zur Prüfung besonderer Gründe, dass die Antragstellerin dem Gutachten Junkernheinrich Teil A zufolge eine dauerhafte Leistungsfähigkeit nicht gewährleisten könne (LT-Drucks. 16/2795, S. 76). Das Gutachten Junkernheinrich Teil A wiederum hat die inhaltliche Prüfung der dauerhaften Leistungsfähigkeit nicht von einer vorherigen Feststellung besonderer Gründe abhängig gemacht, sondern alle verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden überprüft (vgl. dazu auch VerfGH RP, Urteil vom 26. Oktober 2015– VGH N 36/14 –, UA S. 63 f.). Danach hat der Gesetzgeber aufbauend auf eine inhaltliche Prüfung ausdrücklich festgestellt, dass die Antragstellerin zu 2. nach den von ihm herangezogenen Kriterien eine dauerhafte Leistungsfähigkeit nicht gewährleiste (vgl. LT-Drucks. 16/2795, S. 76).

112

Auch soweit die Antragstellerin zu 2. die mit den beiden fiskalischen Kennzahlen ausgesprochenen „hohen Hürden“ zur Annahme einer dauerhaften Leistungsfähigkeit kritisiert, lassen sich daraus Rückschlüsse auf eine unzureichende Sachverhaltsermittlung zur dauerhaften Leistungsfähigkeit im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 2 KomVwRGrG nicht ziehen (vgl. schon VerfGH RP, Urteil vom 26. Oktober 2015 – VGH N 36/14 –, UA S. 64 zu im Wesentlichen gleichlautendem Beschwerdevorbringen).

113

Der weitere Einwand, die wirtschaftliche Entwicklung in der Zeit nach den im Gutachten Junkernheinrich Teil A herangezogenen Jahren (bis 2009) habe ermittelt und berücksichtigt werden müssen, begründet ebenfalls keine unzureichende Ermittlung des Sachverhalts. Zum Teil bringt die Antragstellerin zu 2. schlicht andere fiskalische Kriterien ein (z.B. überdurchschnittlicher Verwaltungsaufwand, effizienter Personaleinsatz, Schuldenabbau, sinkende Verbandsgemeindeumlage), die der Gesetzgeber seiner typisierenden Betrachtung zur Ermittlung der fiskalischen Grundvoraussetzungen für eine dauerhafte Leistungsfähigkeit jedoch nicht zugrunde gelegt hat. Auch soweit die Antragstellerin zu 2. für sich in Anspruch nimmt, in der Zeit nach 2009 jeweils ausgeglichene Haushalte aufgestellt zu haben, wurde dieser Punkt jedenfalls im Rahmen der Anhörung vor dem Innenausschuss am 19. November 2013 durch den ehemaligen Bürgermeister der Antragstellerin zu 2. in das Gesetzgebungsverfahren eingeführt (vgl. APr Innenausschuss 16/33, S. 4), so dass diesbezüglich ein Ermittlungsdefizit nicht ersichtlich ist. Die davon zu trennende Frage, inwieweit der Gesetzgeber – auch unter Einbeziehung der wirtschaftlichen Entwicklung ab dem Jahr 2009 – eine dauerhafte Leistungsfähigkeit ablehnen und damit einen Gebietsänderungsbedarf bejahen durfte, betrifft demgegenüber die Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers (dazu unten).

114

(δ) Der Annahme einer ausreichenden Sachverhaltsermittlung steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber davon abgesehen hat, weitergehende Ermittlungen zu den Hintergründen der ablehnenden Haltung der Bürger der Antragstellerin zu 1. zu der vorgesehenen Eingliederung einzuholen. Der Einwand, der Gesetzgeber habe das Ergebnis des durchgeführten Bürgerentscheids überhaupt nicht in seine Entscheidung einbezogen, ist nicht zutreffend. Es ist zwar richtig, dass das Ergebnis des Bürgerentscheids angesichts der zeitlichen Nähe zur Vorlage des Gesetzesentwurfs in der niedergelegten Gesetzesbegründung keine Erwähnung findet. Unzutreffend ist indes die Behauptung der Antragstellerin zu 1., es fänden sich in den Gesetzesmaterialien keine Hinweise auf eine Berücksichtigung durch den Gesetzgeber. So ergibt sich aus den Materialien zur Anhörung vor dem Innenausschuss des Landtages am 19. November 2013, dass der damalige Bürgermeister der Antragstellerin zu 1. ausdrücklich auf den ablehnenden Bürgerentscheid hingewiesen hat (vgl. APr Innenausschuss 16/33, S. 13) und inhaltliche Nachfragen zu dem Bürgerentscheid gestellt und erörtert wurden (vgl. APr Innenausschuss 16/33, S. 21 f.). Weiter enthielt die in diesem Zusammenhang seitens der Antragstellerin zu 1. vorgelegte Stellungnahme auch die nachrichtliche Mitteilung zu den Ergebnissen des Bürgerentscheids (vgl. Vorlage 16/3265 zu LT-Drucks. 16/2795), die als Vorlage ihrerseits Gegenstand der Sitzung des Innenausschusses am 28. November 2013 gewesen ist (vgl. die in Bezug genommene Vorlage 16/3265, APr Innenausschuss 16/35, S. 18). Hinzu kommt, dass in der Sitzung des Innenausschusses am 28. November 2013 auch noch einmal in allgemeiner Form die Thematik Bürgerbefragungen und Bürgerentscheid in der Diskussion aufgenommen und in Bezug zu den angestrebten Gebietsänderungen gesetzt wurde (vgl. APr Innenausschuss 16/35, S. 4 f.). Auch weitergehende Ermittlungen zu Ausmaß, Gewicht und Hintergründen der ablehnenden Haltung waren vorliegend nicht erforderlich. Soweit die Antragstellerin zu 1. die Pflicht zur ergänzenden Sachverhaltsermittlung auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu stützen sucht (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1992 – 2 BvR 470/90 u.a. –, BVerfGE 86, 90 [110 ff.]), lässt sie außer Acht, dass die dieser Entscheidung zugrunde liegende Konstellation einer Rückneugliederung mit der vorliegenden Fallgestaltung insoweit nicht vergleichbar ist (vgl. dazu VerfGH RP, Urteil vom 26. Oktober 2015 – VGH N 8/14 –, UA S. 27 f.).

115

Schließlich begründet es auch kein Ermittlungsdefizit, dass die – nach Vortrag der Antragstellerin zu 1. – von der Antragstellerin zu 2. nicht in den Jahresabschluss 2011 eingestellten Rückstellungen für Pensions- und Beihilfeverpflichtungen im Gesetzgebungsverfahren keine Berücksichtigung gefunden haben. Denn der Gesetzgeber hat sich in Ausübung der ihm zustehenden Typisierungsbefugnis dazu entschieden, die fiskalische Situation der verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden über die Indikatoren Steuerkraft und Kassenkredite abzubilden (vgl. LT-Drucks. 16/2795, S. 87; Gutachten Junkernheinrich Teil B, S. 27). Demgegenüber hat er davon abgesehen, die fiskalische Situation der jeweiligen Gebietskörperschaften in einer dann erforderlichen und inhaltlich aufwendigen Einzelauswertung der bilanzierenden Jahresabschlüsse zu bewerten. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass die Kriterien des Gesetzgebers zur Abbildung der fiskalischen Situation offensichtlich ungeeignet wären. Kommt es danach auf Grundlage der gesetzgeberseits festgelegten Kriterien auf die bilanzrechtliche Erfassung der Aktiva und Passiva der verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden nicht an, gehen daran anknüpfende Einwände zur Begründung eines etwaigen Ermittlungsdefizits ins Leere. Ungeachtet des Umstandes, dass auch bilanziell Rückstellungen nicht mit Verbindlichkeiten gleichzusetzen und dementsprechend auch getrennt voneinander auszuweisen sind (vgl. § 47 Abs. 5 Gemeindehaushaltsordnung – GemHVO –), werden bei den zur Beurteilung der fiskalischen Situation herangezogenen Schuldenständen, wie sie sich nach den Daten des Statistischen Landesamtes ergeben und wie sie der Gesetzgeber seiner abwägenden Betrachtung zugrunde gelegt hat (vgl. LT-Drucks. 16/2795, S. 88 ff.), Rückstellungen nicht einbezogen (vgl. dazu auch § 5 des Finanz- und Personalstatistikgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Februar 2006 [BGBl. I S. 438], zuletzt geändert Gesetz vom 22. Mai 2013 [BGBl. I S. 1312]). Bedurfte es danach keiner Sachverhaltsermittlung zur bilanziellen Erfassung von Rückstellungen, scheiden Ermittlungsdefizite infolge einer fehlerhaften Bilanzierung dieser von vorneherein aus und vermögen aus diesem Grund gleichzeitig auch nicht einen darauf aufbauenden Abwägungsfehler zu begründen.

116

(b) Die gesetzgeberische Abwägung und Entscheidung der für und gegen die Eingliederung der Antragstellerin zu 2. in die Antragstellerin zu 1. sprechenden Belange lässt keine verfassungsrechtlich zu beanstandenden Fehler erkennen. Abwägungsfehler ergeben sich insbesondere nicht im Zusammenhang mit der Prüfung des Gebietsänderungsbedarfs der Antragstellerin zu 2. (aa) oder der Wahl der Antragstellerin zu 1. als passivem Fusionspartner (bb). Der Gesetzgeber hat zudem im Rahmen seiner Abwägung weder gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit (cc) oder der interkommunalen Gleichbehandlung (dd) noch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen (ee).

117

(aa) Ein Abwägungsfehler liegt zunächst nicht darin begründet, dass der Gesetzgeber für die Antragstellerin zu 2. einen eigenen Gebietsänderungsbedarf festgestellt und dabei insbesondere das Vorliegen einer Ausnahme nach § 2 Abs. 3 Satz 2 KomVwRGrG abgelehnt hat. Der Einwand der Antragstellerin zu 2., es liege eine unzureichende Berücksichtigung geschriebener und ungeschriebener besonderer Gründe im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KomVwRGrG und deren gesamtheitlicher Würdigung vor, greift nicht durch. Abgesehen davon, dass die Antragstellerin zu 2. – wie dargelegt – hier zum Teil Kriterien einzuführen sucht, die nach dem nicht zu beanstandenden Leitbild und den Leitlinien des Grundsätzegesetzes nicht relevant sind, ist des Weiteren festzustellen, dass der Gesetzgeber die gerügten Belange – soweit sie nach dem Leitbild und den Leitlinien des Grundsätzegesetzes maßgeblich sind – ausweislich der Gesetzesbegründung auch eingestellt und bei seiner Entscheidung abwägend berücksichtigt hat (vgl. LT-Drucks. 16/2795, S. 68 ff., 74 ff.). Dabei begründen auch schlichte Feststellungen, solche seien nicht ersichtlich, kein Abwägungsdefizit, wenn sich der Gesetzgeber – wie hier insbesondere in Bezug auf landschaftliche und topografische Besonderheiten oder Belange der Raumordnung – die korrespondierende Würdigung des Gutachtens Junkernheinrich Teil A mit der dort ebenfalls vorgenommenen Gesamtschau zu Eigen macht.

118

Ungeachtet dessen hat der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auch eine dauerhafte Leistungsfähigkeit der Antragstellerin zu 2. verneint. Aufgrund der gebotenen verfassungskonformen Auslegung des § 2 Abs. 3 Satz 2 KomVwRGrG wäre das Vorliegen einer dauerhaften Leistungsfähigkeit – abweichend vom Ansatz des Gesetzgebers, demzufolge ein besonderer Grund kumulativ zur dauerhaften Leistungsfähigkeit vorliegen müsse (vgl. dazu bspw. LT-Drucks. 16/2800, S. 121) – auch beachtlich, wenn es – wie hier – an einem besonderen Grund fehlt (vgl. VerfGH RP, Urteile vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 56 f. und vom 26. Oktober 2015 – VGH N 8/14 –, UA S. 34). Dabei ist – wie der Verfassungsgerichtshof bereits entschieden hat (Urteil vom 26. Oktober 2015 – VGH N 8/14 –, UA S. 34 ff.) – allerdings zu beachten, dass es sich bei den im Gutachten Junkernheinrich Teil A zur Ermittlung einer dauerhaften Leistungsfähigkeit herangezogenen und vom Gesetzgeber übernommenen Kriterien lediglich um fiskalische Grundvoraussetzungen handelt, um langfristig die eigenen und die übertragenen Aufgaben in fachlich hoher Qualität, wirtschaftlich sowie bürger-, sach- und ortsnah wahrnehmen zu können. Dies hat zur Folge, dass der Gesetzgeber neben den fiskalischen Kriterien des Gutachtens, die lediglich eine notwendige, nicht jedoch eine hinreichende Bedingung für die Annahme einer dauerhaften Leistungsfähigkeit im Sinne des Gesetzes darstellen, weitere Aspekte zur Beurteilung einer dauerhaften Leistungsfähigkeit heranziehen darf, solange sie mit den Reformzielen bzw. dem Leitbild und den Leitlinien der Reform in Einklang stehen (vgl. dazu VerfGH RP, Urteil vom 26. Oktober 2015 – VGH N 8/14 –, UA S. 37 f. [zulässige Erwägungen] und Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 74 ff. [unzulässige Erwägungen]).

119

Dies zugrunde gelegt kann es letztlich dahinstehen, ob der Gesetzgeber die nach seinen Kriterien maßgeblichen Haushaltssalden der Jahre 2001 bis 2009 auf die Jahre ab 2009 erweitern musste und ob die seit 2009 positiven Haushaltssalden der Antragstellerin zu 2. – ihre Einbeziehung unterstellt – bei der herangezogenen Komponente der Langzeitbetrachtung zu einem positiven Ergebnis geführt hätten. Letzteres wird von der Antragstellerin zu 2. in ihrer Antragsschrift nicht einmal behauptet. Denn unabhängig davon, ob die Antragstellerin zu 2. für sich hätte in Anspruch nehmen können, die fiskalischen Grundvoraussetzungen für die Annahme einer dauerhaften Leistungsfähigkeit zu erfüllen, ist die weitere Aspekte einbeziehende Gesamtabwägung des Gesetzgebers im Ergebnis nicht zu beanstanden. Danach biete die Antragstellerin zu 2. nicht die Gewähr dafür, langfristig die eigenen und die übertragenen Aufgaben in fachlich hoher Qualität, wirtschaftlich sowie bürger-, sach- und ortsnah wahrzunehmen. Die entsprechende Gesamtwürdigung kann angesichts des zeitlichen Ablaufs, in dem die Antragstellerin zu 2. das Vorliegen positiver Haushaltssalden erst nach Einbringung des Gesetzentwurfs am 24. September 2013 konkret vorgebracht hatte und in ihrer vorangehenden Stellungnahme vom 16. August 2013 noch allgemein auf eine Verbesserung der finanziellen Situation und auf den – insoweit nicht maßgeblichen – Abbau von Schulden und die Senkung der Verbandsgemeindeumlage hingewiesen hatte, indes keinen Eingang in die Gesetzesbegründung gefunden haben. Allerdings ergibt sich aus der Gesetzesbegründung, dass der Gesetzgeber die erhebliche Unterschreitung der Einwohnerzahl (vgl. LT-Drucks. 16/2795, S. 74 f.), den Schuldenstand (vgl. LT-Drucks. 16/2795, S. 76) und die demografische Entwicklung (vgl. LT-Drucks. 16/2795, S. 77) – mithin Aspekte, die bei der Beurteilung einer dauerhaften Leistungsfähigkeit jenseits der fiskalischen Grundvoraussetzungen berücksichtigt werden können (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 26. Oktober 2015 – VGH N 8/14 –, UA S. 37 f.) – zur Ablehnung einer dauerhaften Leistungsfähigkeit und Begründung eines Gebietsänderungsbedarfs einbezogen hat. Auch nachdem der Bürgermeister der Antragstellerin zu 2. in der Anhörung vor dem Innenausschuss am 19. November 2013 ausdrücklich auf die seit Jahren ausgeglichenen Haushaltssalden hingewiesen hatte (vgl. APr Innenausschuss 16/33, S. 4), erfolgte im Gesetzgebungsverfahren eine Bekräftigung der bisherigen Position, wonach insbesondere unter Bezugnahme auf die deutliche Unterschreitung der Einwohnerzahl, die demografische Entwicklung und den Schuldenstand ein Gebietsänderungsbedarf der Antragstellerin zu 2. bestätigt wurde (vgl. Sitzung des Innenausschusses vom 28. November 2013, APr Innenausschuss 16/35, S. 22). Dies ist im Ergebnis verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

120

(bb) Die gesetzgeberische Abwägung der für und gegen die Eingliederung der Antragstellerin zu 2. in die Antragstellerin zu 1. sprechenden Belange lässt ebenfalls keine verfassungsrechtlich zu beanstandenden Fehler erkennen. Der Gesetzgeber hat seiner Fusionsentscheidung insbesondere keine im Grundsätzegesetz nicht angelegten Kriterien zugrunde gelegt, und auch die Orientierung an dem im Gutachten Junkernheinrich Teil B angewandten Punktesystem zur Bewertung verschiedener Neugliederungsvarianten begründet kein Abwägungsdefizit (α). Die Einbeziehung einer lediglich passiv fusionspflichtigen Gebietskörperschaft ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig (β) und die konkrete Entscheidung, die Antragstellerin zu 1. als Fusionspartnerin für die Antragstellerin zu 2. heranzuziehen, lässt Abwägungsfehler nicht erkennen (γ).

121

(α) Der Einwand der Antragstellerin zu 2., die territoriale Neugliederung habe aufgrund ihrer Orientierung an dem Gutachten Junkernheinrich in unzulässiger Weise das Ziel eines Ausgleichs von Disparitäten verfolgt und gleichzeitig eine gebotene Berücksichtigung der örtlichen Identifikation ausgelassen, greift – wie der Verfassungsgerichtshof bereits entschieden hat – nicht durch (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 26. Oktober 2015 – VGH N 36/14 –, UA S. 69 ff.). Gleiches gilt hinsichtlich der Rüge, die Orientierung an dem im Gutachten Junkernheinrich Teil B angewandten Punktesystem zur Bewertung verschiedener Neugliederungsvarianten begründe ein Abwägungsdefizit, die der Verfassungsgerichtshof ebenfalls schon als nicht beachtlich erachtet hat (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 26. Oktober 2015 – VGH N 36/14 –, UA S. 71 ff.).

122

(β) Die für kommunale Neugliederungsmaßnahmen verfassungsrechtlich vorgegebene Gemeinwohlbindung steht der Inanspruchnahme einer selbst leitliniengerechten Gebietskörperschaft nicht entgegen. In der Rechtsprechung der Verfassungsgerichte ist anerkannt, dass im Interesse einer großräumigen Verbesserung der kommunalen Selbstverwaltung auch Gebietskörperschaften einbezogen werden können, die ihren Aufgaben schon bisher gerecht wurden und auch die zukünftigen Aufgaben erfüllen können (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 14. Dezember 1970 – VGH 4/70 –, AS 12, 239 [251]; BayVerfGH, Entscheidung vom 15. Februar 1974 – Vf. 9-VII-72 –, DVBl. 1975, 28 [33]; NdsStGH, Urteil vom 14. Februar 1979 – StGH 2/77 –, juris, Rn. 620). Eine sogenannte passive Fusionspflicht kommt vor allem in Betracht, wenn benachbarte Kommunen den Anforderungen nicht entsprechen und wenn insoweit eine Verwirklichung der gemeinwohlbezogenen Leitideen die Einbeziehung auch einer Gebietskörperschaft ohne eigenen Gebietsänderungsbedarf in den Neuordnungsvorgang vertretbar erscheinen lässt (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 14. Dezember 1970 – VGH 4/70 –, AS 12, 239 [251]). Allerdings erlangen bei einer Einbeziehung einer bereits leitliniengerechten Kommune das Gebot des geringstmöglichen Eingriffs und das Übermaßverbot eine besondere Bedeutung (vgl. NdsStGH, Urteil vom 14. Februar 1979 – StGH 2/77 –, juris, Rn. 620). Vor diesem Hintergrund ist der maßstäbliche Ansatz des Gesetzgebers nicht zu beanstanden, demzufolge aus Gründen der Verhältnismäßigkeit möglichst Kommunen mit jeweils eigenem Gebietsänderungsbedarf fusioniert und solche ohne eigenen Gebietsänderungsbedarf als passiv fusionspflichtig nur dann herangezogen werden sollen, „wenn ansonsten keine sinnvolle Gebietsstruktur der neu zu bildenden bzw. umzubildenden Gebietskörperschaften erreicht werden oder sogar überhaupt kein potenzieller Partner für eine Kommune mit Gebietsänderungsbedarf gefunden werden kann“ (LT-Drucks. 16/2795, S. 79).

123

(γ) Schließlich lässt die konkrete Entscheidung des Gesetzgebers, die Antragstellerin zu 1. als Fusionspartnerin für die Antragstellerin zu 2. heranzuziehen, Abwägungsfehler nicht erkennen.

124

Der Gesetzgeber hat sich im Ausgangspunkt von der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Überlegung leiten lassen, zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit möglichst Gemeindeverbände mit jeweils eigenem Gebietsänderungsbedarf zusammenzuschließen (vgl. LT-Drucks. 16/2795, S. 79). Hinsichtlich der Antragstellerin zu 2., die einen eigenen Gebietsänderungsbedarf aufweise, hat der Gesetzgeber unter Aufzählung der an sie angrenzenden Verbandsgemeinden und der verbandsfreien Stadt Wittlich festgestellt, dass lediglich die Verbandsgemeinden Kröv-Bausendorf und Kyllburg ebenfalls einen eigenen Gebietsänderungsbedarf aufwiesen (vgl. LT-Drucks. 16/2795, S. 82).

125

Die Erwägung des Gesetzgebers, die Verbandsgemeinde Kyllburg scheide als Fusionspartner aus, weil diese sich bereits in der Freiwilligkeitsphase mit der Verbandsgemeinde Bitburg-Land zusammengeschlossen habe und die dadurch entstandene Verbandsgemeinde nicht mehr vergrößerbar sei (vgl. LT-Drucks. 16/2795, S. 82), ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Rüge der Antragstellerin zu 1., die Verbandsgemeinde Kyllburg sei zu Unrecht mit dem Hinweis auf bestehende Kreisgrenzen ausgeschlossen worden, geht an der Begründung des angegriffenen Gesetzes vorbei, in der es ausdrücklich heißt, die Verbandsgemeinde Kyllburg scheide „unabhängig von der Problematik einer landkreisüberschreitenden Fusion“ aufgrund des freiwilligen Zusammenschlusses aus. In diesem Zusammenhang dringt die Antragstellerin zu 1. – unabhängig von der Frage, inwieweit sie hierfür überhaupt eine rügefähige Position geltend machen kann – auch mit ihren Einwendungen gegen die genannte freiwillige Fusion nicht durch. Mit Blick auf die Anzahl der Ortsgemeinden der dort entstandenen Verbandsgemeinde ist der Antragstellerin zu 1. zwar zuzugestehen, dass dadurch hinsichtlich der Anzahl an Ortsgemeinden eine Verbandsgemeinde geschaffen wurde, die über die bisherigen Größenverhältnisse der bisher größten Gebietskörperschaft hinausgeht. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der zu § 2 Abs. 5 KomVwRGrG in der Gesetzesbegründung formulierten Vorgabe lediglich um eine „Soll“-Vorschrift handelt (vgl. LT-Drucks. 15/4488, S. 32) und der Gesetzgeber in Kenntnis der Größenverhältnisse und in Abwägung der konkreten Umstände zu dem verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Ergebnis gelangt ist, dass die dortigen Größenverhältnisse akzeptabel seien (vgl. LT-Drucks. 16/2749, S. 58 ff.). Mit dem weiteren Einwand, der Gesetzgeber hätte die freiwillige Fusion nicht durchführen dürfen, um die Verbandsgemeinde Kyllburg als Fusionspartner mit eigenem Gebietsänderungsbedarf für die Verbandsgemeinde Manderscheid zu erhalten und gleichzeitig die Inanspruchnahme einer Kommune ohne Gebietsänderungsbedarf zu verhindern, greift die Antragstellerin zu 1. in das allein dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsermessen ein und lässt insbesondere den in § 1 Abs. 1 Satz 3 KomVwRGrG ausdrücklich formulierten Vorrang freiwilliger Gebietsreformen außer Acht.

126

Auch die Ablehnung einer Fusion zwischen der Antragstellerin zu 2. und der Verbandsgemeinde Kröv-Bausendorf begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Gesetzesbegründung führt insoweit an, dass dieser Zusammenschluss die Ziele der Reform nicht in einem ausreichenden Maß erfüllen könne, weil insbesondere keine ausreichende räumliche Verflechtung zwischen den beiden Verbandsgemeinden bestehe und auch die Entfernung zwischen den beiden aktuellen Verwaltungssitzen mit etwa 40 km gegen eine Fusion spreche (LT-Drucks. 15/2795, S. 83). Als ergänzende Erwägung wird eingestellt, dass die Verbandsgemeinde Kröv-Bausendorf mit der ebenfalls einen eigenen Gebietsänderungsbedarf aufweisenden Verbandsgemeinde Traben-Trarbach zusammengeschlossen werden solle (LT-Drucks. 15/2795, S. 93). Unabhängig davon, dass es sich bei letzterem ausweislich der Gesetzbegründung lediglich um eine ergänzende Erwägung handelt, ist der Gesetzgeber entgegen der Ansicht der Antragstellerin zu 2. sowohl berechtigt als auch gehalten, bei der konkret vorzunehmenden Abwägungsentscheidung nicht allein die Situation der betroffenen Kommune zu bewerten, sondern die Lage in der Region bzw. im Land insgesamt in den Blick zu nehmen (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 26. Oktober 2015 – VGH N 36/14 –, UA S. 77) und dementsprechend auch die Möglichkeiten für die Verbandsgemeinde Traben-Trarbach mit einzustellen.

127

Dass der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang nicht auch gesondert eine Dreierfusion zwischen der Antragstellerin zu 2. und den Verbandsgemeinden Kröv-Bausendorf und Traben-Trarbach erörtert hat, stellt abweichend von der Auffassung der Antragstellerin zu 1. keinen Abwägungsausfall dar. Der Gesetzgeber hat – wie dargelegt – die Fusion der Antragstellerin zu 2. mit der Verbandsgemeinde Kröv-Bausendorf maßgeblich aufgrund fehlender Pendlerverflechtungen und der großen Distanz zwischen den beiden Verwaltungssitzen abgelehnt. Die Antragstellerin zu 1. wendet dazu ein, dass für den Dreierzusammenschluss eine eigenständige – indes nicht erfolgte – Betrachtung erforderlich gewesen sei und aus der mit Begründung erfolgten Ablehnung der Zweierfusion der Antragstellerin zu 2. mit der Verbandsgemeinde Kröv-Bausendorf keine Schlüsse auf eine fehlende Eignung der Dreierfusion gezogen werden könnten; denn die Dreierfusion habe insbesondere in dem Bewertungskriterium „Räumliche Verflechtung“ deutlich bessere Punktebewertungen erreicht als die abgelehnte Zweierfusion und sei nur unwesentlich schlechter als bei der hier angegriffenen Fusionsvariante. Damit lässt die Antragstellerin zu 1. die Relativität der herangezogenen Punktebewertung – insbesondere bei Betrachtung einer Dreierfusion – außer Acht. So ist es zwar richtig, dass die Zweierfusion zwischen der Antragstellerin zu 2. und der Verbandsgemeinde Kröv-Bausendorf im Kriterium „Räumliche Verflechtung“, die sich aus den Indikatoren Pendlerverflechtung und Distanz zusammensetzt, mit null Punkten bewertet wurde, während die Dreierfusion unter weiterer Einbeziehung der Verbandsgemeinde Traben-Trarbach hier drei Punkte erhält (vgl. Gutachten Junkernheinrich Teil B, S. 229 f.). Diese relative Bewertung vermag jedoch nichts daran zu ändern, dass zwischen der Antragstellerin zu 2. und der in der Mitte der Dreierfusion liegenden Verbandsgemeinde Kröv-Bausendorf lediglich minimale Pendlerverflechtungen bestehen und die bewertete und gewichtete Distanz zwischen den Verwaltungssitzen über 40 km beträgt. Diese Umstände bilden den Grund für den Ausschluss der Zweierfusion (vgl. LT-Drucks. 15/2795, S. 83) und stehen der Dreierfusion ebenso entgegen. Die Punkteverbesserung der Dreierfusion im Bereich „Räumliche Verflechtung“ geht letztlich allein auf die insoweit sehr gute Bewertung einer Fusion der beiden hier nicht beteiligten Verbandsgemeinden Kröv-Bausendorf und Traben-Trarbach zurück, die insbesondere aufgrund einer geringen Distanz (fünf Punkte, Maximalwert) und akzeptabler Pendlerverflechtung (drei Punkte) in diesem Segment acht Punkte erreicht (vgl. Gutachten Junkernheinrich Teil B, S. 77). Trotz der bei einer Fusion der Verbandsgemeinden Kröv-Bausendorf und Traben-Trarbach bestehenden räumlichen Nähe (6,4 km, fünf Punkte) wird die von der Antragstellerin zu 1. bevorzugte Dreierfusion mit einer hierfür ermittelten Distanz von 31,36 km immer noch mit null Punkten bewertet; vor allem die räumlichen Verflechtungen zwischen der Antragstellerin zu 2. und der Verbandsgemeinde Kröv-Bausendorf, die ihrerseits erst das räumliche Verbindungsglied zwischen der Antragstellerin zu 2. und der Verbandsgemeinde Traben-Trarbach bildete, bleiben unverändert. Daher sind die unterbliebenen Erwägungen des Gesetzgebers zur Dreierfusion im Anschluss an die Gründe für die Ablehnung der Fusion mit der Verbandsgemeinde Kröv-Bausendorf verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Trotz besserer Punktebewertung drängt sich in Anlehnung an das Vorstehende ein Erst-Recht-Schluss auf, der eine gesonderte Auseinandersetzung entbehrlich macht.

128

Sind danach die Ausschlüsse der benachbarten Verbandsgemeinden der Antragstellerin zu 2., die einen eigenen Gebietsänderungsbedarf aufweisen, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und kommt so der Gesetzgeber im Rahmen seiner Abwägung zu dem Ergebnis, eine Fusion der Antragstellerin zu 2. mit diesen führe nicht zu einer sinnvollen Gebietsstruktur, bestehen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit keine weitergehenden verfassungsrechtlichen Bedenken, aus den vom Gesetzgeber dargelegten Gründen des Gemeinwohls eine passiv fusionspflichtige Gebietskörperschaft in die Neugliederungsmaßnahme einzubeziehen (zur Systemgerechtigkeit einer passiven Fusionspflicht siehe unten). Zur Verbesserung der Gebietsstrukturen aus Gründen des Gemeinwohls sind insbesondere auch Belastungen durch die Aufnahme eines schwächeren Fusionspartners hinzunehmen, solange die Folgen nicht unzumutbar sind und etwaige Härten einem Ausgleich zugeführt werden. Der Gesetzgeber hat in diesem Kontext mit der in § 11 ManderEinglG geregelten Sonderumlage, die zeitlich begrenzt von den ehemaligen Ortsgemeinden der Antragstellerin zu 2. erhoben werden kann, einen Ausgleich für die auf die umgebildete Verbandsgemeinde Wittlich-Land übergehenden Verbindlichkeiten vorgesehen (vgl. LT-Drucks. 16/2795, S. 109). Dass das zusätzliche Aufkommen aus der Sonderumlage, das nach prognostischen Berechnungen des Gesetzgebers mit rund 312.000 Euro pro Jahr veranschlagt wird (vgl. LT-Drucks. 16/2795, S. 108 f.), der Höhe nach nicht ausreichend sei, um den angestrebten Belastungsausgleich herbeizuführen, macht die Antragstellerin zu 1. nicht geltend. Der ehemalige Bürgermeister der Antragstellerin zu 1. hat vielmehr auf die kommunalpolitischen Schwierigkeiten der tatsächlichen Erhebung der Sonderumlage hingewiesen. Allerdings ist die hinter der vorgesehenen Sonderumlage stehende Erwägung des Gesetzgebers, vorrangig diejenigen zum finanziellen Ausgleich heranzuziehen, die die auszugleichende Verschuldung (mit) zu verantworten haben, anstatt hierfür allgemeine Steuermittel einzusetzen, weder verfassungsrechtlich zu beanstanden noch stellt sich die tatsächliche Erhebung der Sonderumlage vor diesem Hintergrund als unzumutbar dar. Davon ausgehend bedurfte es zum Ausgleich für die Aufnahme der höher verschuldeten Antragstellerin zu 2. keiner weitergehenden finanziellen Zuwendung. Eine Pflicht, eine (zusätzliche) finanzielle Zuwendung allein deshalb vorzusehen, weil ein Fusionspartner lediglich passiv fusionspflichtig ist – mithin das „Ob“ der Fusion davon abhängig zu machen –, lässt sich der Verfassung auch mit Blick auf die im Besonderen zu beachtende Verhältnismäßigkeit bei der Inanspruchnahme einer passiv fusionspflichtigen Gebietskörperschaft nicht entnehmen. Soweit der Gesetzgeber im Rahmen einer anderen Neugliederungsentscheidung aufgrund der sehr hohen Verschuldung der dort aufzunehmenden Verbandsgemeinde neben einer Sonderumlage auch eine Sonderzuweisung vorgesehen hat, um die Zumutbarkeit des Zusammenschlusses – also des „Ob“ der Fusion – herzustellen (vgl. dazu LT-Drucks. 16/2801, S. 82 ff.), ist diese Konstellation mit der hier angegriffenen Neugliederungsmaßnahme nicht vergleichbar. Hier bedurfte es – wie oben zur Sonderumlage ausgeführt – gerade keines weitergehenden Ausgleichs aufgrund der Verschuldung der Antragstellerin zu 2. Mit den Ausführungen zu ihrer konkreten Situation, in der sie zum einen als lediglich passiv fusionspflichtige Gebietskörperschaft herangezogen worden sei und zum anderen ihrerseits alles Erforderliche für eine freiwillige Fusion mit der Antragstellerin zu 2. getan habe, zieht die Antragstellerin zu 1. nicht die Zumutbarkeit der Fusion selbst in Zweifel. Vielmehr zielt sie inhaltlich darauf ab, ihre besondere Situation zu honorieren und sie hinsichtlich der fusionsbegleitenden – in Abgrenzung zu fusionsermöglichenden – Umstände der Durchführung einer freiwilligen Fusion gleichzustellen. Ob ein hierauf gestützter Anspruch begründet wäre, kann vorliegend dahinstehen. Die Antragstellerin zu 1. hat nämlich nicht dargetan und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass Letzteres sich auf die Verfassungsmäßigkeit der Eingliederungsentscheidung selbst auswirken könnte.

129

Der nicht auf den Ausschluss konkreter Fusionsvarianten bezogene Einwand der Antragstellerin zu 1., es liege ein Abwägungsausfall vor, weil der Gesetzgeber die nach § 2 Abs. 4 Satz 2 KomVwRGrG als Ausnahme mögliche Abweichung von den bestehenden Kreisgrenzen gar nicht erwogen habe, vermag einen Abwägungsfehler nicht zu begründen. Die beiden außerhalb des eigenen Landkreises an die Antragstellerin zu 2. angrenzenden Verbandsgemeinden Kyllburg und Daun wurden ausweislich der Gesetzesbegründung jeweils „unabhängig von der Problematik einer landkreisüberschreitenden Fusion“ (LT-Drucks. 16/2795, S. 82 und S. 83) als Fusionspartner ausgeschlossen mit der Folge, dass es keiner Erwägungen zu einer Ausnahme nach § 2 Abs. 4 Satz 2 KomVwRGrG bedurfte. Im Übrigen ist mit Blick auf die von der Antragstellerin zu 1. hierzu zitierte Passage aus der Gesetzesbegründung, der zufolge bis 2019 auch die Gebietsänderungen von verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden erfolgen sollen, die derzeit mit Änderungen von Landkreisen verbunden wären (vgl. LT-Drucks. 16/2795, S. 27), festzustellen, dass der Gesetzgeber damit deutlich zum Ausdruck bringt, landkreisüberschreitende Neugliederungsmaßnahmen in seine Prüfung und Abwägung einbezogen zu haben, im Rahmen der Umsetzung jedoch davon absehe, solche Maßnahmen bereits jetzt auf Grundlage des § 2 Abs. 4 Satz 2 KomVwRGrG durchzuführen, sondern insoweit eine Durchführung zusammen mit der Reform der Landkreise bis zum Jahr 2019 anstrebe.

130

Soweit die Antragstellerin zu 2. die Begründung für einen Ausschluss der verbandsfreien Stadt Wittlich als nicht stichhaltig erachtet, teilt der Verfassungsgerichtshof diese Bewertung nicht. Die Gesetzesbegründung benennt als Vorteil des gewählten Fusionspartners (Antragstellerin zu 1.) gegenüber der verbandsfreien Stadt Wittlich den gleichen kommunalrechtlichen Status der Fusionspartner (LT-Drucks. 16/2795, S. 84). Diese für sich genommen kaum ein belastbares Argument bildende Aussage ist indes im Zusammenhang mit der weiteren Ausführung zu sehen, es entspräche nicht den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit, dass die verbandsfreie Stadt Wittlich bei einem Zusammenschluss mit der Antragstellerin zu 2. ihre Verbandsfreiheit verlieren würde (LT-Drucks. 16/2795, S. 84). Beides zusammen genommen erklärt, weshalb es im Vergleich zwischen der Verbandsgemeinde Wittlich-Land und der verbandsfreien Stadt Wittlich ein Vorteil zugunsten der Verbandsgemeinde darstellt, dass diese den gleichen kommunalrechtlichen Status wie die fusionspflichtige Antragstellerin zu 2. aufweist. Nach den am 26. Februar 2009 im Innenausschuss vorgestellten Eckpunkten der Landesregierung (vgl. dazu Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz [2009]: Kommunal- und Verwaltungsreform in Rheinland-Pfalz, Mainz, S. 4), die ihrerseits Basis des Gesetzentwurfs des Grundsätzegesetzes geworden sind (vgl. LT-Drucks. 15/4488, S. 22), sollen unter anderem keine Eingemeindungen in verbandsfreie Gemeinden erfolgen. Legt man dies zugrunde, scheidet eine Eingliederung der Antragstellerin zu 2. in die verbandsfreie Stadt Wittlich aus. Eine Einbeziehung der Stadt Wittlich in Form der Bildung einer neuen Verbandsgemeinde mit der Antragstellerin zu 2. hätte zur Folge gehabt, dass die Stadt Wittlich ihre Verbandsfreiheit verloren hätte, obwohl sie selbst keinen Gebietsänderungsbedarf aufweist. Demgegenüber ist bei einer Heranziehung der Antragstellerin zu 1. eine Eingliederung der Antragstellerin zu 2. möglich. Mithin unterscheidet sich die Eingriffsintensität im Vergleich der beiden potenziellen, selbst keinen Gebietsänderungsbedarf aufweisenden Fusionspartner. Beide blieben mangels Auflösung zwar in ihrer Existenz erhalten. Doch während die Stadt Wittlich eine Statusänderung durch den Verlust ihrer Verbandsfreiheit hinnehmen müsste, bedeutete die Eingliederung der Antragstellerin zu 2. für die Antragstellerin zu 1. allein eine Bestandsänderung in Form der Gebietserweiterung. Die Verhältnismäßigkeit spricht danach in diesem Vergleich gerade für die Auswahl der Antragstellerin zu 1. als Fusionspartner.

131

Soweit beide Antragstellerinnen gegen die getroffene Auswahl der Fusionspartner mit unterschiedlicher Begründung einen Verstoß gegen die Vorgaben aus § 2 Abs. 5 KomVwRGrG rügen, setzen sie im Ergebnis lediglich ihre eigene Gewichtung der abwägungsrelevanten Belange an die Stelle des hierzu allein berufenen Gesetzgebers. Dies gilt zum einen hinsichtlich der durch die Antragstellerin zu 1. gerügten flächenmäßigen Größe der umgebildeten Verbandsgemeinde. Der Gesetzgeber hat insoweit ausweislich der Gesetzesbegründung das Spannungsverhältnis zur Bürgernähe erkannt, in seine Abwägung eingestellt und die zu gewährleistende Bürgernähe als ausreichend gewährleistet eingestuft (vgl. LT-Drucks. 16/2795, S. 84 ff.). Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Hinzu kommt der im Sinne einer Vorbelastung zu berücksichtigende Umstand, dass beide Fusionspartner bereits vor der Eingliederung überdurchschnittliche Flächengrößen aufwiesen und damit jede Neugliederungsmaßnahme unter Beteiligung der fusionspflichtigen Antragstellerin zu 2. eine entsprechende Größenüberschreitung mit sich bringen würde. Auch die von der Antragstellerin zu 2. im Zusammenhang mit § 2 Abs. 5 KomVwRGrG gerügte Fehlgewichtung stellt sich lediglich als abweichende Gewichtung der abwägungsrelevanten Belange dar, ohne die vorgenommene Abwägung durch den Gesetzgeber in verfassungsrechtlich relevanter Weise in Frage zu stellen. Dies gilt für landschaftliche und topografische Gegebenheiten ebenso wie für Belange der Raumordnung und der allein im Gebiet der Antragstellerin zu 2. vorzufindenden touristischen Prägung. Der Gesetzgeber hat den korrespondierenden Vortrag der Antragstellerin zu 2. zur Kenntnis genommen (LT-Drucks. 16/2795, S. 64 ff.), inhaltlich bewertet (LT-Drucks. 16/2795, S. 69 f., 75 f.) und im Rahmen der Abwägung mit dem Ergebnis berücksichtigt, dass diese Belange dem Zusammenschluss nicht entgegenstünden (LT-Drucks. 16/2795, S. 94 f.).

132

Soweit die Antragstellerin zu 2. schließlich rügt, die geäußerten Begehren einiger ihrer Ortsgemeinden zur Einzelausgliederung seien nicht ausreichend in die Abwägung einbezogen worden, fehlt es bereits an der erforderlichen Antragsbefugnis. Auch wenn in Einzelfällen nicht ausgeschlossen werden kann, dass begehrte Einzelausgliederungen von Ortsgemeinden auf Bestand oder Fusionsalternativen der Verbandsgemeinde Auswirkungen haben könnten, führt die Antragstellerin zu 2. in ihrer Antragsschrift letztlich selbst aus, dass durch eine „Umgliederung“ einzelner Ortsgemeinden die Ziele der Eingliederung der antragstellenden Verbandsgemeinde, der Antragstellerin zu 2., in die Antragstellerin zu 1. ungefährdet geblieben wären. Berücksichtigt man darüber hinaus, dass es bei den geäußerten Wünschen der Ortsgemeinden mehrfach um eine Eingliederung in die ausgewählte Antragstellerin zu 1. ging und nur hinsichtlich der Stadt Manderscheid eine anderweitige Orientierung bei einer Einzelausgliederung vorlag, wird deutlich, dass die Antragstellerin zu 2. – trotz ihrer allgemeinen Ausführungen zur Integrationsfunktion der Verbandsgemeinden – ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend zu machen inhaltlich als Sachwalterin für die Rechte der einzelnen Ortsgemeinde auftritt (zur insoweit bereits fehlenden Antragsbefugnis vgl. VerfGH RP, Urteil vom 17. Dezember 1969 – VGH 10/69 –, AS 11, 271 [272]; Urteil vom 26. Oktober 2015 – VGH N 36/14 –, UA S. 29).

133

(cc) Entgegen der Annahme der Antragstellerinnen liegt auch kein Verstoß gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit vor (zu Herleitung, Inhalt und Grenzen des Gebots vgl. VerfGH RP, Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 68 f., m.w.N.). Weder die Annahme einer passiven Fusionspflicht der Antragstellerin zu 1. (α) oder das der Entscheidung zugrunde gelegte Gutachten Junkernheinrich (β) noch die zeitliche und territoriale Umsetzung der Gebietsreform (γ) begründen eine Abweichung von den Vorgaben des Grundsätzegesetzes.

134

(α) Die Annahme einer passiven Fusionspflicht steht nicht in Widerspruch zum Leitbild und den Leitlinien des Grundsätzegesetzes. Der Verfassungsgerichtshof folgt insoweit nicht der anderslautenden Auslegung des Grundsätzegesetzes durch die Antragstellerinnen. Vor diesem Hintergrund stellt es keinen Systemverstoß dar, dass auch das Gutachten Junkernheinrich vom Bestehen einer passiven Fusionspflicht ausgeht.

135

Hinsichtlich des Wortlautes des Grundsätzegesetzes ist zwar festzustellen, dass dieser – insoweit ist der Antragstellerin zu 2. zuzustimmen – eine passive Fusionspflicht nicht ausdrücklich benennt. Allerdings richtet sich das Grundsätzegesetz an alle verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden des Landes und nicht nur allein an diejenigen, für die – in Anwendung des Gesetzes auf alle verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden – gemäß § 2 Abs. 2 und Abs. 3 KomVwRGrG ein eigener Gebietsänderungsbedarf ermittelt wurde. Soweit danach das Grundsätzegesetz inhaltliche Vorgaben für die vorzunehmenden Neugliederungsmaßnahmen enthält – insbesondere § 3 Abs. 5 sowie § 2 Abs. 4 und Abs. 5 KomVwRGrG –, die im Wortlaut ihrerseits in keine Verbindung zu einem eigenen Gebietsänderungsbedarf gesetzt werden, erfassen diese Regelungen ebenfalls alle verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden des Landes. Die demgegenüber seitens der Antragstellerin zu 2. abgeleitete Beschränkung auf Neugliederungsmaßnahmen unter ausschließlicher Beteiligung von Kommunen mit eigenem Gebietsänderungsbedarf lässt sich dem Wortlaut des Grundsätzegesetzes nicht entnehmen.

136

Vor allem auch unter Einbeziehung des primären Reformziels nach § 1 Abs. 1 Satz 1 KomVwRGrG, zu dessen Erreichung die Leistungsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Verwaltungskraft der verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden durch Gebietsänderungen „verbessert“ werden sollen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2, § 2 Abs. 1 KomVwRGrG), ergeben sich aus dem Gesetzeszweck gerade keine Beschränkungen bezüglich einer Einbeziehung von passiv fusionspflichtigen Gebietskörperschaften. Dem Einwand der Antragstellerin zu 2., die Heranziehung einer lediglich passiv fusionspflichtigen Kommune widerspreche dieser Zielsetzung, da durch einen Zusammenschluss mit einer schwächeren, einen Gebietsänderungsbedarf aufweisenden Kommune die Strukturen des passiv fusionspflichtigen Partners eher geschwächt als verbessert würden, liegt ein unzutreffender Blickwinkel der angestrebten Verbesserung der Strukturen zugrunde. Ausweislich der Gesetzesbegründung ist die „Verbesserung der Gebietsstrukturen der verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden […] ein Vorhaben, das außer den Belangen der kommunalen Gebietskörperschaften die Gesamtstruktur des Landes und deren Entwicklung berücksichtigen muss“ (LT-Drucks. 15/4488, S. 30).. Daran anknüpfend kann aus der formulierten und verfassungsrechtlich determinierten Gemeinwohlbindung ebenfalls kein Anhaltspunkt gegen die Annahme einer passiven Fusionspflicht hergeleitet werden (vgl. dazu VerfGH RP, Urteil vom 14. Dezember 1970 – VGH 4/70 –, AS 12, 239 [251]), weil die angestrebte Verbesserung der Leistungsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Verwaltungskraft nach dem Grundsätzegesetz eben nicht nur mit Blick auf die einzelnen Gebietskörperschaften, sondern auch gesamtstaatlich zu bestimmen ist.

137

Diese erste Ebene, in der das Reformziel unter Konkretisierung des Gemeinwohls bestimmt wird, ist indes zu trennen von der auf einer zweiten Ebene zu verortenden Frage, ob und, wenn ja, wo innerhalb dieses gesamtstaatlichen Ansatzes überhaupt Reformbedarf besteht. Es geht auf der zweiten Ebene mithin darum – nunmehr aus einzel(verbands)gemeindlicher Perspektive – zu bestimmen, welche verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden mit Blick auf die Reformziele einen Gebietsänderungsbedarf aufweisen. Auf dieser Ebene gelangt das ausdifferenzierte, an Mindesteinwohnerzahlen orientierte System nach § 2 Abs. 2 KomVwRGrG zur Anwendung, das um die Ausnahmesystematik nach § 2 Abs. 3 KomVwRGrG ergänzt wird. Die auf diese Weise identifizierten Kommunen mit Gebietsänderungsbedarf lösen – auf einer dritten Ebene – sodann die Prüfung vorhandener Neugliederungsoptionen aus. Allerdings hat sich die auf dritter Ebene aus Anlass eines festgestellten Gebietsänderungsbedarfs erfolgende Ermittlung und Abwägung verschiedener Neugliederungsvarianten ihrerseits wiederum an den Reformzielen der ersten Ebene zu orientieren, die – wie bereits dargelegt – eben auch die Gesamtstruktur des Landes und deren Entwicklung berücksichtigen muss. Aus diesem Grund kommt auf der dritten Ebene auch die Einbeziehung einer lediglich passiv fusionspflichtigen Kommune in Betracht, wenn ausgehend von einem für eine andere Kommune ermittelten Gebietsänderungsbedarf ansonsten – wie es der Gesetzgeber mit Blick auf die dabei zu beachtende Verhältnismäßigkeit formuliert – keine sinnvolle Gebietsstruktur der neu zu bildenden Gebietskörperschaft erreicht werden könne oder sogar überhaupt kein potenzieller Partner für eine Kommune mit Gebietsänderungsbedarf zu finden sei (vgl. LT-Drucks. 16/2795, S. 79).

138

Ausgehend von dieser Ebenen differenzierenden Betrachtungsweise, die die Landesregierung in ihrer Stellungnahme anhand der Begriffe Tatbestand und Rechtsfolge abzubilden sucht, wird deutlich, dass die auf eine systematische Auslegung gestützte Einwendung der Antragstellerin zu 2., die Annahme einer passiven Fusionspflicht konterkariere das zur Ermittlung eines Gebietsänderungsbedarfs vorgesehene System nach § 2 Abs. 2 und Abs. 3 KomVwRGrG, nicht durchgreift. Der dort vertretene Argumentationsansatz blendet nämlich den strukturellen Unterschied zwischen der zweiten Ebene (Ermittlung eines Gebietsänderungsbedarfs als Anlass und Auslöser einer Neugliederungsmaßnahme) und der dritten Ebene (auch die Gesamtstruktur des Landes und deren Entwicklung berücksichtigende Auswahl eines geeigneten Fusionspartners) aus und bildet damit die Struktur des Grundsätzegesetzes verkürzend ab.

139

(β) Auch das Gutachten Junkernheinrich, an dem sich der Gesetzgeber bei seiner Entscheidung orientiert hat, begründet – wie bereits unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ausgeführt – durch den dort formulierten Ausgleich von Disparitäten keine Abweichung von den Vorgaben des Grundsätzegesetzes (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 26. Oktober 2015 – VGH N 36/14 –, UA S. 69 ff.), soweit nicht allein damit positiv ein eigener Gebietsänderungsbedarf begründet werden soll (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 79 f.). Ebenso wird im Gutachten kein rein ökonomischer Ansatz verfolgt, der in Widerspruch zu dem Leitbild und den Leitlinien des Grundsätzegesetzes stünde (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 26. Oktober 2015 – VGH N 36/14 –, UA S. 45 f., 58 f.). Die angestrebte Kongruenz von Verflechtungs- und Verwaltungsraum wird auch als Bestandteil der im Grundsätzegesetz vorgesehenen Bürgernähe eingeordnet (vgl. Gutachten Junkernheinrich Teil B, S. 18) und stellt damit ebenfalls keine Abweichung dar.

140

(γ) Auch unter den Gesichtspunkten der zeitlichen Umsetzung und des Erfordernisses eines vor Durchführung bzw. sogar vor Ende der Freiwilligkeitsphase abgeschlossenen Gesamtkonzepts sowie hinsichtlich des Umstandes, dass durch den anderen Gebietskörperschaften bis 2019 gewährten Aufschub die dortigen Entscheidungen letztendlich von einem anderen Parlament zu treffen sein werden, liegt kein Verstoß gegen die Systemgerechtigkeit vor. Dies hat der Verfassungsgerichtshof bereits entschieden (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 29. Juni 2015 – VGH N 7/14 –, UA S. 37 ff. [zum inhaltlich im Wesentlichen gleichlautenden Vortrag der Antragstellerin zu 1.], und Urteil vom 26. Oktober 2015 – VGH N 36/14 –, UA S. 79 ff. [zum inhaltlich im Wesentlichen gleichlautenden Vortrag der Antragstellerin zu 2.]).

141

(dd) Ein Verstoß gegen das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung oder das Willkürverbot lässt sich ebenfalls nicht feststellen. Soweit die Antragstellerin zu 2. rügt, die Neugliederungsmaßnahme bereits im Jahr 2014 begründe angesichts der auch anderenorts zeitlich nach hinten verschobenen Neugliederungsmaßnahmen und des für den Fall der Freiwilligkeit angebotenen Aufschubs eine sachlich nicht vertretbare Differenzierung, kann abermals auf die bereits im Rahmen der Systemgerechtigkeit in Bezug genommene Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshof und die dort – entgegen der Ansicht der Antragstellerin zu 2. – tragenden Gründen für die Ungleichbehandlung verwiesen werden (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 26. Oktober 2015 – VGH N 36/14 –, UA S. 79 ff.). Es bestehen danach insbesondere keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber seine im Jahr 2014 durchgeführten Reformmaßnahmen auf einzelne, beliebig herausgegriffene verbandsfreie Gemeinden bzw. Verbandsgemeinden beschränkt hätte (zu einer ähnlichen Problematik im Baurecht vgl. OVG RP, Urteil vom 17. Dezember 1999 – 1 A 10091/99.OVG –, ESOVGRP; zum Wehrrecht vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1993 – 8 C 20/92 –, juris, Rn. 16; vgl. ferner BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 1979 – 1 BvL 25/77 –, BVerfGE 50, 142 [166]) und die Antragstellerin zu 2. hierdurch in willkürlicher Weise benachteiligen würde. Auch die konkret gerügte Ungleichbehandlung mit der Verbandsgemeinde Thalfang greift insoweit nicht durch, weil ausweislich der Gesetzesbegründung der sachliche Grund für die Ungleichbehandlung darin besteht, dass für die Verbandsgemeinde Thalfang als Ganzes – anders als bei der Antragstellerin zu 2. – keine sachgerechte, landkreisinterne Lösung gefunden wurde (vgl. LT-Drucks. 16/2797, S. 71).

142

(ee) Schließlich genügt das angegriffene Fusionsgesetz auch den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit. Die gegen die Erforderlichkeit der durchgeführten Neugliederungsmaßnahme erhobenen Einwände der Antragstellerin zu 2. greifen nicht durch. Soweit die Antragstellerin zu 2. in anderen Neugliederungsvarianten – insbesondere auch durch Einzelausgliederungen von Ortsgemeinden – eine weniger intensive Maßnahme erblickt, weil dadurch dem in einigen Ortsgemeinden geäußerten Willen Rechnung getragen worden wäre, lässt sie zum einen die Mehrpoligkeit der gesetzgeberseits vorzunehmenden Abwägung außer Acht. Zum anderen versucht die Antragstellerin zu 2., den einzelnen Abwägungsbelangen – nunmehr unter dem Prüfungspunkt der Erforderlichkeit – ein Gewicht für die vorzunehmende Abwägung der Fusionsvarianten zu verschaffen, das der hierüber an sich zur Bewertung berufene Gesetzgeber diesen nicht beigemessen hat. Dieser hat vielmehr anderen Gemeinwohlbelangen den Vorrang gegeben. Als widersprüchlich stellen sich die Ausführungen der Antragstellerin zu 2. dar, soweit sie im Rahmen der Erforderlichkeit die Nichtberücksichtigung begehrter Einzelausgliederungen der Ortsgemeinden rügt, gleichzeitig jedoch die identitätsstiftende Funktion der dadurch letztlich zerfallenden Verbandsgemeinde hervorhebt, deren Eingliederung in die Antragstellerin zu 1. – den eigenen Ausführungen der Antragstellerin zu 2. folgend – durch die begehrten Einzelausgliederungen ungefährdet geblieben wäre. Hinzu kommt, dass eine Einzelausgliederungswünsche berücksichtigende Eingliederung der Antragstellerin zu 2. in die Antragstellerin zu 1. nicht für die – in jedem Fall aufgelöste – Antragstellerin zu 2., sondern allenfalls für die ihren Wünschen entsprechend ausgegliederten Ortsgemeinden – ungeachtet der Frage einer gleichen Eignung – weniger eingriffsintensiv gewesen wäre. Hierauf kann sich die Antragstellerin zu 2. jedoch nicht berufen (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 17. Dezember 1969 – VGH 10/69 –, AS 11, 271 [272]).

E.

143

Das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist kostenfrei (§ 21 Abs. 1 VerfGHG). Gründe dafür, die volle oder teilweise Erstattung der Auslagen gemäß § 21a Abs. 3 VerfGHG anzuordnen, liegen nicht vor.

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(1) Beamtinnen und Beamten, die nach § 16 in den Dienst einer anderen Körperschaft kraft Gesetzes übertreten oder übernommen werden, soll ein gleich zu bewertendes Amt übertragen werden, das ihrem bisherigen Amt nach Bedeutung und Inhalt ohne Rücksic

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(1) Beamtinnen und Beamten, die nach § 16 in den Dienst einer anderen Körperschaft kraft Gesetzes übertreten oder übernommen werden, soll ein gleich zu bewertendes Amt übertragen werden, das ihrem bisherigen Amt nach Bedeutung und Inhalt ohne Rücksicht auf Dienststellung und Dienstalter entspricht. Wenn eine dem bisherigen Amt entsprechende Verwendung nicht möglich ist, kann ihnen auch ein anderes Amt mit geringerem Grundgehalt übertragen werden. Das Grundgehalt muss mindestens dem des Amtes entsprechen, das die Beamtinnen und Beamten vor dem bisherigen Amt innehatten. In diesem Fall dürfen sie neben der neuen Amtsbezeichnung die des früheren Amtes mit dem Zusatz „außer Dienst“ („a. D.“) führen.

(2) Die aufnehmende oder neue Körperschaft kann, wenn die Zahl der bei ihr nach der Umbildung vorhandenen Beamtinnen und Beamten den tatsächlichen Bedarf übersteigt, innerhalb einer Frist, deren Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, Beamtinnen und Beamte im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit oder auf Zeit in den einstweiligen Ruhestand versetzen, wenn deren Aufgabengebiet von der Umbildung berührt wurde. Bei Beamtinnen auf Zeit und Beamten auf Zeit, die nach Satz 1 in den einstweiligen Ruhestand versetzt sind, endet der einstweilige Ruhestand mit Ablauf der Amtszeit; sie gelten in diesem Zeitpunkt als dauernd in den Ruhestand versetzt, wenn sie bei Verbleiben im Amt mit Ablauf der Amtszeit in den Ruhestand getreten wären.