Sozialgericht Nürnberg Urteil, 12. Juli 2017 - S 13 AS 573/17

bei uns veröffentlicht am12.07.2017

Gericht

Sozialgericht Nürnberg

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Streitig ist die Minderung des Anspruches auf Alg II um 10% wegen Meldepflichtverletzung sowie die Feststellung, dass für die Entschuldigung einer Meldepflicht eine allgemeine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausreicht.

Während des Bezuges von Leistungen war der Kläger mit Schreiben vom 13.04.2017 zu einem Meldetermin am 03.05.2017 eingeladen worden. Er wurde darauf hingewiesen, dass eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Entschuldigung eines Nichterscheinens zum Termin nicht ausreichend wäre. Vielmehr müsse der Arzt bescheinigen, dass der Kläger nicht in der Lage wäre, den Weg zum Jobcenter zurückzulegen.

Zum vorgesehenen Termin erschien der Kläger nicht, worauf er mit Schreiben vom 05.05.2017 wegen der geplanten Minderung des Leistungsanspruches um 10% der Regelleistung wegen Meldepflichtsverletzung angehört wurde.

Mit Bescheid vom 12.05.2017 erfolgte schließlich die Minderung der Regelleistung um 10%, d.h. 40,90 € für die Dauer von drei Monaten vom 01.06.2017 bis 31.08.2017.

Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 26.05.2017 Widerspruch, der allerdings nicht mit einer Unterschrift versehen war. Am gleichen Tage wandte er sich an das Sozialgericht Nürnberg und erhob gegen den Bescheid vom 12.05.2017 Klage. Das Klageverfahren wurde unter dem Az. S 13 AS 573/17 registriert. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.06.2017 wies die Beklagte den Widerspruch wegen fehlender Unterschrift als unzulässig zurück. Am 03.06.2017 erhob der Kläger eine weitere Klage mit der er die Feststellung begehrte, dass die allgemeine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausreiche, um Meldepflichten zu entschuldigen. Diese Klage wurde unter dem Az. S 13 AS 609/17 registriert. In der mündlichen Verhandlung wurden die Streitsachen S 13 AS 573/17 und S 13 AS 609/17 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und führen nunmehr das Az. S 13 AS 573/17 Auf den Hinweis des Gerichts, dass sich aus dem Widerspruch des Klägers ergeben hätte, dass der Widerspruch vom Kläger stammt und dieses die Beklagte auch hätte erkennen müssen, war die Beklagte in der mündlichen Verhandlung bereit, den Widerspruchsbescheid vom 26.05.2017 aufzuheben und erneut das Widerspruchsverfahren durchzuführen. Der Kläger war jedoch nicht bereit abzuwarten, sondern bestand vielmehr auf einem Endurteil.

Er beantragt,

den Bescheid vom 12.05.2017 aufzuheben und festzustellen, dass die allgemeine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausreicht um Meldepflichten zu entschuldigen.

Die Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist insoweit zulässig, als sie sich gegen den Minderungsbescheid vom 12.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2017 wendet.

Zwar hat die Beklagte zu Unrecht durch den Widerspruchsbescheid vom 19.06.2017 den Widerspruch des Klägers als unzulässig verworfen, da sich aus dem Widerspruch eindeutig ergeben hatte, dass er vom Kläger stammt und die Beklagte dies auch erkannt hatte. Nach herrschender Meinung genügt in einem derartigen Fall trotz der Vorschrift des § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG ein schriftlicher Widerspruch ohne Unterschrift.

Der Minderungsbescheid vom 12.05.2017 ist jedoch rechtlich nicht zu beanstanden. Unstreitig war der Kläger durch Schreiben vom 13.04.2017 zu einem Meldetermin am 03.05.2017 eingeladen und darauf hingewiesen worden, dass eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Entschuldigung eines Nichterscheinens zum Termin nicht ausreicht, vielmehr eine Wegeunfähigkeitsbescheinigung erforderlich wäre. Nachdem der Kläger in der Vergangenheit mehrfach Meldetermine unter Hinweis auf eine bescheinigte Arbeitsunfähigkeit nicht einhielt, war ein derartiges Vorgehen erforderlich. Das Handeln der Beklagten ist von der Sanktionsvorschrift des § 32 SGB II gedeckt.

Dennoch legte der Kläger wiederum nur eine schlichte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Dieser ist nicht zu entnehmen, dass der Kläger gesundheitlich gehindert gewesen wäre, das Jobcenter aufzusuchen. Insofern ist der Kläger seiner Verpflichtung zur Meldung nicht nachgekommen. Der Tatbestand des § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist daher erfüllt. Der Kläger konnte auch keinen wichtigen Grund für sein Verhalten darlegen und nachweisen. Zwar hat er in der mündlichen Verhandlung erklärt, er hätte im Zeitpunkt des Meldetermins tatsächlich nicht laufen können.

Eine entsprechende ärztliche Bescheinigung hat er aber nicht vorgelegt, so dass es am Nachweis des wichtigen Grundes fehlt.

Sollte der Kläger noch eine entsprechende Bescheinigung erhalten, bleibt es ihm unbenommen innerhalb eines Jahres ab Erlass des angefochtenen Bescheides einen Antrag nach § 44 SGB Xauf Rücknahme des Minderungsbescheides zu stellen.

Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die allgemeine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausreicht Meldepflichten zu entschuldigen, ist diese Klage unzulässig, da es an einem Feststellungsinteresse fehlt. Eine Feststellungsklage gemäß § 55 SGG ist subsidiär zu einer Anfechtungsklage. Da im vorliegenden Fall die vom Kläger begehrte Feststellung im Rahmen der Anfechtungsklage gegen den Minderungsbescheid vom 12.05.2017 getroffen werden kann, fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis für die Erhebung einer Feststellungsklage.

Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

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(1) Mit der Klage kann begehrt werden 1. die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses,2. die Feststellung, welcher Versicherungsträger der Sozialversicherung zuständig ist,3. die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörun

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 84


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(1) Kommen Leistungsberechtigte trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden oder bei einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheine

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(1) Der Widerspruch ist binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 36a Absatz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist beträgt bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate.

(2) Die Frist zur Erhebung des Widerspruchs gilt auch dann als gewahrt, wenn die Widerspruchsschrift bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger oder bei einer deutschen Konsularbehörde oder, soweit es sich um die Versicherung von Seeleuten handelt, auch bei einem deutschen Seemannsamt eingegangen ist. Die Widerspruchsschrift ist unverzüglich der zuständigen Behörde oder dem zuständigen Versicherungsträger zuzuleiten, der sie der für die Entscheidung zuständigen Stelle vorzulegen hat. Im übrigen gelten die §§ 66 und 67 entsprechend.

(1) Kommen Leistungsberechtigte trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden oder bei einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nach, mindert sich das Bürgergeld jeweils um 10 Prozent des für sie nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs. Dies gilt nicht, wenn Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) § 31a Absatz 2 bis 5 und § 31b Absatz 1 und 3 gelten entsprechend. Der Minderungszeitraum beträgt einen Monat.

(1) Mit der Klage kann begehrt werden

1.
die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses,
2.
die Feststellung, welcher Versicherungsträger der Sozialversicherung zuständig ist,
3.
die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls, einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes ist,
4.
die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts,
wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

(2) Unter Absatz 1 Nr. 1 fällt auch die Feststellung, in welchem Umfang Beiträge zu berechnen oder anzurechnen sind.

(3) Mit Klagen, die sich gegen Verwaltungsakte der Deutschen Rentenversicherung Bund nach § 7a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch richten, kann die Feststellung begehrt werden, ob eine Erwerbstätigkeit als Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausgeübt wird.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.