Sozialgericht Koblenz Urteil, 12. Feb. 2014 - S 2 U 54/13

ECLI:ECLI:DE:SGKOBLE:2014:0212.S2U54.13.0A
bei uns veröffentlicht am12.02.2014

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind dem Kläger nicht zu erstatten.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten darüber, ob der Unfall, von dem der Kläger am 24.08.2012 betroffen wurde, als Arbeitsunfall anzuerkennen ist.

2

Der 1973 geborene Kläger ist bei einer Wohn- und Dienstleistungseinrichtung als Heilerziehungspfleger beschäftigt. Insgesamt verfügt der Betrieb über 300 Mitarbeiter. Ein Kollege des Klägers organisiert seit einigen Jahren ein einmal pro Jahr stattfindendes Fußballturnier, an dem jeder Beschäftige teilnehmen kann. Das Turnier wird nach dem Prinzip jeder gegen jeden gespielt. Es werden sechs Mannschaften à 5 Spielern gebildet, und zwar auf der Ebene verschiedener Abteilungen/Arbeitsbereiche. Pro Spiel wird ein Spielzeit von 8 Minuten angesetzt. Es gibt kalte Getränke und Würstchen zu günstigen Preisen. Gespielt wird auf einem Kleinfeld, das zur Einrichtung gehört. Außer den aktiv Fußballspielenden sind auch noch andere Mitarbeiter der Einrichtung anwesend. Nach dem Turnier wird der Siegerpokal übergeben und die Spieler trinken noch etwas zusammen. Eine Abschlussfeier findet hingegen nicht statt.

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Am 24.08.2012 gegen 15.30 Uhr knickte der Kläger beim Fußballspielen ohne Fremdeinwirkung um. Bei ihm wurde ein Bänderriss im Bereich des linken Fußes diagnostiziert.

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Mit Bescheid vom 22.11.2012 lehnte die Beklagte es ab, das Ereignis vom 24.08.2012 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen. Zur Begründung führte sie aus, die Veranstaltung vom 24.08.2012 habe nicht der Förderung der gesamten Betriebsgemeinschaft gedient, sondern nur einen begrenzten Interessenkreis der Beschäftigen (Sportinteressierte) angesprochen. Deshalb habe es sich bei dem Fußballturnier um eine reine Sportveranstaltung und nicht um eine Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt. Das fragliche Fußballturnier sei auch nicht dem versicherten Betriebssport zuzuordnen, weil durch das Spielen um den Pokal der Wettkampfcharakter im Vordergrund gestanden habe.

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Der gegen diesen Bescheid eingelegte Widerspruch wurde von der Beklagten als unbegründet zurückgewiesen.

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Mit der am 18.03.2013 erhobenen Klage macht der Kläger geltend, die Einladung zu dem Fußballturnier habe sich an alle Mitarbeiter des Hauses gerichtet. Sie seien sowohl als Sportler als auch als Zuschauer angesprochen worden. Außerdem seien auch Speisen und Getränke angeboten worden, so dass es ein Rahmenprogramm gegeben habe.

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Der Kläger beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, den Unfall des Klägers vom 24.08.2012 unter Aufhebung des Bescheides vom 22.11.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2013, als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung anzuerkennen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie hält ihre Verwaltungsentscheidung nach wie vor für rechtmäßig.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, den übrigen Akteninhalt sowie die Leistungsakte der Beklagten verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe

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Die gemäß §§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene und auch sonst zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 22.11.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, denn bei dem Unfall vom 24.08.2012 handelt es sich nicht um einen Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).

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Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Unfall nicht als Unfall bei der Teilnahme an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung zu werten. Ebenso wenig ist er als Unfall im Rahmen des Betriebssportes zu sehen.

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Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalles ist erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignete, der Versichertentätigkeit zuzurechnen ist. Dieser innere bzw. sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der Versichertentätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSG, Urteil vom 07.12.2004, Az.: B 2 U 47/03 R).

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Die versicherte Tätigkeit des Klägers ist die eines Heilerziehungspflegers in der Wohn- und Dienstleistungseinrichtung. Der fragliche Vorfall hat sich nicht zugetragen, während der Kläger seiner eigentlichen beruflichen Tätigkeit nachging, sondern vielmehr im Rahmen eines Fußballturniers, zu dem die Mitarbeiter der Einrichtung eingeladen worden waren. Zwar stehen auch betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und damit unter Versicherungsschutz, selbst wenn diese überwiegend sportlicher Natur sind. Jedoch ist Voraussetzung für die Annahme einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung, dass die betreffende Veranstaltung im Interesse des Unternehmens liegt und wie die eigentliche Arbeitstätigkeit selbst betrieblichen Zwecken dient. Veranstaltungen zur Freizeitgestaltung oder zur Befriedigung sportlicher oder kultureller Interessen der Beschäftigen stehen nicht unter Versicherungsschutz, selbst wenn sie im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebstätigkeit erfolgen und von dem Unternehmen gebilligt und unterstützt werden. Dies folgt daraus, dass die Begründung des Versicherungsschutzes bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen in der personalen Grundbeziehung zwischen Dienstverpflichteten und Dienstherren sowie dem für den Unternehmenserfolg in der Regel erforderlichen arbeitsteiligen Zusammenwirken der Beschäftigten liegt (Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 04.11.2005, Az.: 4 L U 109/04 m. w. N.).

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Voraussetzung für die Annahme einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung ist, dass die Zusammenkunft der Pflege der Verbundenheit zwischen der Unternehmensleitung und den Beschäftigten sowie der Beschäftigten untereinander dient. Die Veranstaltung muss deshalb allen Beschäftigen des Unternehmens offenstehen und von der Unternehmensleitung selbst veranstaltet oder zumindest gebilligt oder gefördert und von ihrer Autorität als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung getragen werden. Für die Beurteilung, ob eine Veranstaltung diese Voraussetzungen erfüllt, ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich (Urteil des BSG a. a. O.).

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Die Veranstaltung am 24.08.2012 gliederte sich in ein Fußballturnier in der Zeit ab 15.00 Uhr, einer der anschließenden Pokalübergabe an den Sieger und einen Umtrunk unter den Spielern. Sie richtete sich an alle Mitarbeiter, die entweder über sportliche/fußballerische Erfahrung verfügten oder bereit waren, sich diese für diese Veranstaltung noch anzueignen. Daneben stand die Veranstaltung anderen Beschäftigten als Zuschauer offen. Bei dem Fußballturnier handelte es sich somit um eine sportliche Betätigung mit spielerischem Charakter. Diese sind nur dann versichert, wenn sie in eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung eingebettet sind und damit der Förderung des Gemeinsinnes oder des Zusammengehörigkeitsgefühls aller Beschäftigten und nicht allein dem persönlichen Interesse der Mitspielenden dienen. Insgesamt muss eine Veranstaltung daher von ihrer Programmgestaltung her geeignet sein, zur Förderung des Gemeinschaftsgedankens im Unternehmen beizutragen, in dem sie die Gesamtheit der Belegschaft und nicht nur einen begrenzten Kreis der Beschäftigten anspricht. Die Teilhabe an Freizeit- und Erholungsveranstaltungen ist nicht schon allein deshalb versichert, weil diese womöglich vom Unternehmen organisiert oder finanziert werden. Stehen wie im vorliegenden Fall Freizeit oder Erholung im Vordergrund, fehlt es an einem wesentlichen betrieblichen Zusammenhang.

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Bei der Veranstaltung am 24.08.2012 stand zudem nicht der spielerische Charakter der sportlichen Betätigung im Vordergrund, sondern der Wettkampfcharakter. Die Anmeldung erfolgte nämlich teamweise nach Arbeitsbereichen. Nur bei Spielermangel sollten auch Kooperationen gebildet werden. Für die Teams sollten Trainingseinheiten ermöglicht werden, so dass die Mannschaften weder für das Turnier ad hoc gebildet wurden noch ohne „Teamtraining“ antraten. An das Turnier schloss sich nach Auskunft vom Personalbüro der Einrichtung kein offizieller Teil z. B. ein Abendessen an, sondern nach der Pokalübergabe tranken lediglich die Spieler noch etwas miteinander. Es fehlte daher im Anschluss an das Turnier an einem geselligen Beisammensein von Spielern und Zuschauern.

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Zuletzt spricht die relativ geringe Teilnehmerzahl die Annahme einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung der Gesamteinrichtung aus. Insgesamt hat die Einrichtung 300 Mitarbeiter. Teil nahmen am Turnier in verschiedenen Teams 32 Mitarbeiter. Eine niedrige Beteiligung schließt zwar eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung nicht von vorne herein aus, spricht aber eher dagegen, was erforderlich macht, dass andere Gesichtspunkte der Veranstaltung stärker für eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung sprechen, z.B. weitere Programmpunkte für alle, was vorliegend jedoch nicht der Fall ist.

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Es lagen auch nicht die Voraussetzungen einer versicherten betriebssportlichen Tätigkeit vor. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil des BSG vom 02.07.1996, Az.: 2 RU 32/95 m. w. N.) ist eine sportliche Betätigung von Betriebsangehörigen der Versichertentätigkeit gleichzuachten, wenn sie

22

1. geeignet ist, durch die Tätigkeit bedingte körperliche Belastungen auszugleichen,
2. mit einer gewissen Regelmäßigkeit stattfindet und
3. in eine dem Ausgleichszweck entsprechenden Zusammenhang mit der Betriebsarbeit steht.

23

Zwar ist der Versicherungsschutz auch bei der Ausübung von Sportarten nicht ausgeschlossen, denen es eigentümlich ist, dass sie einen Gegner voraussetzen und meist zwischen verschiedenen Mannschaften ausgetragen werden, wenn und solange die maßgebenden allgemeinen Voraussetzungen für den Betriebssport gegeben sind. Deshalb kann auch das Fußballspielen dem erforderlichen Ausgleichszweck dienen. Im vorliegenden Fall handelte es sich jedoch nicht um den regelmäßig stattfindenden Übungsbetrieb einer Betriebssportgemeinschaft des Arbeitgebers des Klägers, der hinsichtlich der Regelmäßigkeit der Übungen, der jeweiligen Übungszeit und Dauer, dem Teilnehmerkreis sowie der unternehmensbezogenen Organisation die allgemeinen Voraussetzungen für den Betriebssport erfüllt, sondern um eine einmal jährlich stattfindende Veranstaltung sporadisch zusammenfindender Mannschaften.

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Aus alledem folgt, dass die Klage abzuweisen war.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG)

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Referenzen - Gesetze

Sozialgericht Koblenz Urteil, 12. Feb. 2014 - S 2 U 54/13 zitiert 4 §§.

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 8 Arbeitsunfall


(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem G

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 8 Beteiligung von Kindern und Jugendlichen


(1) Kinder und Jugendliche sind entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen. Sie sind in geeigneter Weise auf ihre Rechte im Verwaltungsverfahren sowie im Verfahren vor dem

Referenzen

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

(1) Kinder und Jugendliche sind entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen. Sie sind in geeigneter Weise auf ihre Rechte im Verwaltungsverfahren sowie im Verfahren vor dem Familiengericht und dem Verwaltungsgericht hinzuweisen.

(2) Kinder und Jugendliche haben das Recht, sich in allen Angelegenheiten der Erziehung und Entwicklung an das Jugendamt zu wenden.

(3) Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf Beratung ohne Kenntnis des Personensorgeberechtigten, solange durch die Mitteilung an den Personensorgeberechtigten der Beratungszweck vereitelt würde. § 36 des Ersten Buches bleibt unberührt. Die Beratung kann auch durch einen Träger der freien Jugendhilfe erbracht werden; § 36a Absatz 2 Satz 1 bis 3 gilt entsprechend.

(4) Beteiligung und Beratung von Kindern und Jugendlichen nach diesem Buch erfolgen in einer für sie verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form.