Sozialgericht Augsburg Urteil, 27. Jan. 2016 - S 14 AS 335/15

published on 27/01/2016 00:00
Sozialgericht Augsburg Urteil, 27. Jan. 2016 - S 14 AS 335/15
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Gericht

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Tenor

I. Die Klage gegen den Bescheid vom 16. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2015 wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Kläger begehren sinngemäß die Nachzahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.01.2000 bis 31.12.2008 und die Nachzahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeiten vom 01.01.2000 bis 31.12.2008 und vom 01.01.2014 bis 31.12.2014.

Die Kläger, geboren 1981 bzw. 1983, sind verheiratet und leben zusammen. Sie stehen seit Januar 2009 im laufenden Bezug von Arbeitslosengeld II beim Beklagten.

Mit Schreiben vom 06.02.2015, beim Beklagten eingegangen am 09.02.2015, stellten die Kläger unter anderem

„Antrag auf Akzeptanz der mehrfach eingereichten Arbeitslosmeldungen von mir und meiner heutigen Ehefrau für den Zeitraum 2000-2008“ und

„Antrag auf Nachzahlung der unterschlagenen Rentenzeiten und ALG Leistungen 2000-2008 bzw. 2014“.

Mit Schreiben vom 08.02.2015, beim Beklagten eingegangen am 09.02.2015, stellten die Kläger zudem

„Antrag auf Nachholung des Verwaltungsverfahrens unserer Arbeitslosmeldungen 2000-2008“.

Der Beklagte übersandte den Klägern daraufhin unter dem 16.03.2015 ein Schreiben folgenden Inhalts:

„(…) Sie haben mit Anträgen vom 06.02.2015 und 08.02.2015 die Nachholung der Meldung zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung beantragt.

Anbei teile ich Ihnen mit, dass für Zeiten des Bezuges von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts automatisch Meldungen zur Erfüllung der Anwartschaftszeiten für eventuelle Rentenansprüche erzeugt werden.

Der Bezug von Arbeitslosengeld II löst keine Pflichtversicherung in der Arbeitslosenversicherung aus, daher können für Zeiten des Bezuges von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auch keine Meldungen hierfür erfolgen.

Zudem teilen wir Ihnen mit, dass der Zeitraum von 2000 bis einschließlich 31.12.2004 nicht in die Zuständigkeit des Jobcenters fällt. Zeiten der Meldung können frühestens ab Beginn des Leistungsbezuges erfolgen. In Ihrem Fall entspricht dies Januar 2009. (…).“

Hiergegen erhoben die Kläger am 23.03.2015 Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2015 als unzulässig verwarf. Das Schreiben vom 16.03.2015 stelle keinen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) dar, da es Rechte der Kläger weder begründet noch ändert, entzieht oder feststellt. Ergänzend führte der Beklagte aus, dass er für Zeiten vor der erstmaligen Beantragung von Leistungen nach SGB II im Januar 2009 nicht zuständig sei und keine Entscheidungen treffen könne.

Am 02.04.2015 erhoben die Kläger Klage zum Sozialgericht Augsburg.

Die in der mündlichen Verhandlung nicht anwesenden und auch nicht vertretenen Kläger beantragen schriftsätzlich, den Bescheid vom 16.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen zur

„Akzeptanz der mehrfach eingereichten Arbeitslosmeldungen von mir und meiner heutigen Ehefrau für den Zeitraum 2000-2008“,

„Nachzahlung der unterschlagenen Rentenzeiten und ALG Leistungen 2000-2008 bzw. 2014“ und zur

„Nachholung des Verwaltungsverfahrens unserer Arbeitslosmeldungen 2000- 2008“.

Der in der mündlichen Verhandlung ebenfalls nicht vertretene Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die Kammer konnte den Rechtsstreit auch in Abwesenheit der Beteiligten verhandeln und entscheiden. Die Beteiligten waren ordnungsgemäß geladen und wurden in der Ladung jeweils auf die Möglichkeit der Entscheidung auch im Falle des Ausbleibens hingewiesen (§§ 110, 126, 132 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Klage ist unzulässig. Eine Beschwer der Kläger ist nicht ersichtlich. Eine solche ist nur anzunehmen, wenn eine Rechtsverletzung der Kläger zumindest möglich erscheint. Vorliegend können den Klägern die geltend gemachten Rechte offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise zustehen. Im Einzelnen gilt Folgendes:

Die Kläger können keinen Anspruch auf Nachzahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2000 bis 31.12.2008 haben. Für die Zeit vom 01.01.2000 bis zum 31.12.2004 ist ein dahingehender Anspruch der Kläger bereits deshalb ausgeschlossen, weil das SGB II erst zum 01.01.2005 in Kraft getreten ist. Für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2008 ist ein Anspruch der Kläger ausgeschlossen, weil Leistungen nach dem SGB II gemäß § 37 SGB II nur auf Antrag und nicht für Zeiten vor Antragstellung erbracht werden. Der erste Antrag der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II datiert vom 09.01.2009 (vgl. Bl. 1 der Beklagtenakte).

Aus denselben Gründen können die Kläger für die Zeit vom 01.01.2000 bis 31.12.2008 auch keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Nachzahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung haben. Auch für die Zeit vom 01.01.2014 bis 31.12.2014 können die Kläger gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Nachzahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung haben. Die Bundesagentur für Arbeit zahlt ab 01.01.2011 für ALG II-Bezieher keine Pflichtbeiträge oder Zuschüsse mehr zur Rentenversicherung. Der ALG II-Bezug löst keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung mehr aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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Annotations

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Leistungen nach diesem Buch werden auf Antrag erbracht. Leistungen nach § 24 Absatz 1 und 3 und Leistungen für die Bedarfe nach § 28 Absatz 5 sind gesondert zu beantragen.

(2) Leistungen nach diesem Buch werden nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt auf den Ersten des Monats zurück. Wird ein Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für einen einzelnen Monat gestellt, in dem aus Jahresabrechnungen von Heizenergiekosten oder aus der angemessenen Bevorratung mit Heizmitteln resultierende Aufwendungen für die Heizung fällig sind, wirkt dieser Antrag, wenn er bis zum Ablauf des dritten Monats nach dem Fälligkeitsmonat gestellt wird, auf den Ersten des Fälligkeitsmonats zurück. Satz 3 gilt nur für Anträge, die bis zum 31. Dezember 2023 gestellt werden.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.