Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 15. Sept. 2006 - 7 U 139/06

bei uns veröffentlicht am15.09.2006

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 18. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 4.8.2006 (18 O 203/06) durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO auf dessen Kosten zurückzuweisen.

2. Der Kläger kann hierzu bis zum 15.10.2006 Stellung nehmen.

Gründe

 
I.
Die Berufung des Klägers ist zwar zulässig, hat in der Sache jedoch keine Aussicht auf Erfolg. Seine Klage ist zwar zulässig, jedoch unbegründet, weshalb sie das Landgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen hat.
Das Landgericht hat die ober- und höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Beweisführung des Versicherungsnehmers für den Nachweis eines versicherten Kfz- Entwendungsfalles, insbesondere die Beweiserleichterungen, die ihm dabei zu Gute kommen, sowie die im Gegenzug dem Versicherer eingeräumten Beweiserleichterungen zur Erschütterung des dem Versicherungsnehmers gelungenen erleichterten Beweises richtig und umfassend referiert. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil Bezug.
Das Landgericht hat diese Beweis- Grundsätze fehlerfrei auf den vorliegenden Fall angewandt. Die Auffälligkeiten an einem der beiden Fahrzeugschlüssel, dass nämlich der darin enthaltene Transponder - Chip nicht zum angeblich entwendeten Fahrzeug, sondern zu einem in S. gestohlenen Fahrzeug der selben Marke gehört, sind als solche unstreitig. Zu Recht leitet das Landgericht hieraus eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür ab, dass der behauptete Fahrzeug- Diebstahl lediglich vorgetäuscht ist. Auf die diesbezüglichen zutreffenden Erwägungen des Landgerichts wird Bezug genommen.
Lediglich ergänzend ist Folgendes anzumerken:
Beim Diebstahl eines Fahrzeugs mit elektronischer Wegfahrsperre muss der Dieb diese überwinden, um das Fahrzeug in einen fahrbereiten Zustand versetzen zu können. Die einfachste Möglichkeit hierfür ist die Entwendung des Original- Fahrzeugschlüssels mit entsprechendem Transponder- Chip. Hat der Dieb Zugriff auf den Original- Schlüssel, so besteht für ihn typischerweise keine Notwendigkeit, aus diesem den Original- Transponder zu entfernen, den mechanischen Schlüsselteil zu kopieren, aus dem duplizierten mechanischen Schlüsselteil und dem entfernten Transponder- Chip einen funktionstüchtigen Nachschlüssel zu fertigen und den durch die Entfernung des Transponder- Chips funktionslos gewordenen Original- Schlüssel wieder (unbemerkt) dem Fahrzeugbesitzer zurückzuspielen. Durch eine solch komplizierte und aufwändige Vorgehensweise erreicht der Dieb kein anderes Ergebnis, als wenn er ohne Umwege den entwendeten Original- Fahrzeugschlüssel zum Diebstahl des Fahrzeugs selbst verwendet, erhöht jedoch sein Entdeckungsrisiko durch die unbemerkte Rückgabe des funktionslosen Original- Schlüssels beträchtlich. Erst Recht besteht für den Dieb im typischen Fall kein Anlass, den Original- Schlüssel mit einem anderen Transponder- Chip zu versehen, zumal er durch diese Manipulation die Entfernung des Original- Transponders nicht wirkungsvoll zu vertuschen vermag. Ob ein Transponder im Schlüssel eingesetzt ist oder nicht, lässt sich ohne Demontage des Schlüsselgriffstücks von außen nicht erkennen, so dass damit zur Vertuschung der Manipulation nichts gewonnen ist; andererseits vermag der fremde Transponder die Wegfahrsperre des Fahrzeugs nicht zu deaktivieren, so dass der Versuch, mit Hilfe eines solchen Schlüssels das Fahrzeug zu starten, scheitern muss und die Manipulation hierdurch unweigerlich zu Tage tritt. Da sich für den Dieb durch eine solche Vorgehensweise also nur zusätzlicher Aufwand und weiteres Entdeckungsrisiko ergibt, wird er typischerweise den weit einfacheren Weg der Fahrzeug- Entwendung mit Hilfe des Original- Schlüssels wählen.
Die Entfernung des Original- Transponders ergibt hingegen typischerweise für den Täter einen Sinn, der einen Diebstahl zum Zwecke eines Versicherungsbetrugs lediglich vortäuschen und gleichzeitig das Fahrzeug auf dem Schwarzmarkt veräußern will. Er kann dem Kaufinteressenten einen mit Hilfe des Original- Transponders gefertigten, voll funktionstüchtigen Nachschlüssel anbieten und das Fahrzeug hierdurch tatsächlich am (Schwarz-) Markt verkaufen. Der Einsatz eines fremden Transponder- Chips im funktionslos gewordenen Original- Schlüssel eröffnet immerhin die Chance, dass bei bloß oberflächlicher Untersuchung des Schlüssels die Manipulation unentdeckt bleibt. Sie tritt nämlich erst dann zu Tage, wenn der Transponder aufwändig ausgelesen wird; eine einfache Funktionsüberprüfung am Fahrzeug ist nicht zu befürchten, da dieses als gestohlen gemeldet ist und somit - aus der Sicht der zu täuschenden Fahrzeug- Versicherung - zwangsläufig nicht für eine solche Überprüfung zur Verfügung steht. Bei einem solchen Vorgehen ist der Fahrzeugbesitzer typischerweise Täter oder mindestens Tatbeteiligter. Ansonsten wäre er bloßes Opfer eines Diebstahls; in diesem Falle gälten die obigen Ausführungen zur Motivlage des Diebes.
Der Befund bezüglich der Fahrzeugschlüssel spricht deshalb tatsächlich und wie vom Landgericht richtig ausgeführt in ganz erheblichem Maße für die Vortäuschung eines Fahrzeugdiebstahls.
II.
Auch aus anderen Gründen ist eine Entscheidung durch Urteil nicht geboten. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Ungeklärte Rechtsfragen, die zu einer Fortbildung des Rechts Anlass gäben, sind nicht aufgeworfen. Die Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist nicht berührt, da weder das angefochtene Urteil noch der vorliegende Beschluss von anderen obergerichtlichen Entscheidungen abweicht.

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Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 15. Sept. 2006 - 7 U 139/06 zitiert 2 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.