Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 10. Jan. 2007 - 17 UF 190/06

bei uns veröffentlicht am10.01.2007

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird das Urteil des Amtsgerichts Schorndorf vom 14.06.2006 (7 F 119/05) in Ziff. 2 und Ziff. 3

aufgehoben

und zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht - Familiengericht - Schorndorf

zurückverwiesen .

Gründe

 
I.
Die Parteien sind seit dem 14.11.2006 rechtskräftig geschiedene Eheleute. Aus der Ehe hervorgegangen ist das gemeinschaftliche eheliche Kind M., geboren am ... .2003. Das Kind lebt seit der Trennung der Parteien am 07.02.2005 bei der Mutter.
Da sich die Eltern nicht über einen Umgang des Kindes mit dem Vater einig werden konnten, beantragte der Antragsgegner im Scheidungsverbundverfahren eine gerichtliche Regelung des Umgangs in der Hauptsache und im Wege der einstweiligen Anordnung. Im Anhörungstermin vom 30.06.2005 schlossen die Parteien folgende Vereinbarung:
1. Der Antragsgegner hat ein betreutes Umgangsrecht. Die Parteien unterschreiben beide den Antrag auf Übernahme der Kosten für den betreuten Umgang.
2. Dieser Umgang soll dann Samstags 14-tägig sein, soweit nicht vom Jugendamt oder dem Kinderschutzbund anderweitige Vorgaben gemacht werden.
Zu betreuten Umgangskontakten kam es danach nicht, vielmehr regte das Jugendamt am 05.10.2005 die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Beantwortung der Frage an, ob Kontakte zum Vater überhaupt dem Wohl des Kindes entsprechen.
Der gerichtliche Sachverständige kam in seinem Gutachten vom 05.05.2006 zu dem Ergebnis, dass keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass ein Umgang mit dem Vater dem Wohl des Kindes widersprechen könnte, insbesondere schloss er Traumatisierungen irgendwelcher Art aus.
Im abschließenden Verhandlungstermin im Scheidungsverbundverfahren am 30.05.2006 beantragte der Antragsgegner daraufhin die Anordnung eines betreuten Umgangs, die Antragstellerin beantragte, den Umgang des Vaters mit dem Kind auszuschließen.
Das Familiengericht traf in der angefochtenen Entscheidung folgende Umgangsregelung:
2. Der Antragsgegner hat das Recht, mit dem gemeinsamen minderjährigen Kind M., geb. ... 2003 Umgang zu haben. Es wird ein begleiteter Umgang angeordnet, der vom Kreisjugendamt zu vermitteln ist.
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Der weitergehende Antrag des Antragsgegners wird abgewiesen.
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3. Es wird angeordnet, dass beide Elternteile Kontakt zur Erziehungsberatungsstelle für Familien und Jugendliche, zum Zweck der Einzelberatung jedes Elternteils aufnehmen bzw. - die Antragstellerin - fortführen.
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Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin das Ziel des Umgangsausschlusses weiter und wendet sich darüber hinaus gegen die Anordnung zur Fortführung der Beratung bei der Erziehungsberatungsstelle.
II.
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Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und hat in der Sache vorläufig Erfolg, da das Familiengericht den Umgangsantrag des Antragsgegners bislang nicht abschließend und endgültig beschieden und darüber hinaus eine Anordnung getroffen hat, für welche eine gesetzliche Grundlage fehlt.
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Wenn das Gericht mit einem Umgangsstreit befasst wird, wobei es eines konkreten Antrags des antragstellenden Elternteils nicht bedarf (OLG Köln FamRZ 2002, 979), und eine gütliche Regelung nicht erreicht wird, darf es den Umgang nicht nur „dem Grunde nach“ regeln, sondern hat entweder nach Tagen, Uhrzeit und Ort, Häufigkeit, Abholung und ggf. weiterer konkreten Modalitäten nach Bedarf Regelungen zu treffen, oder aber den Umgang für einen gewissen Zeitraum auszuschließen. Dieses Konkretheitsgebot gilt auch für den betreuten Umgang (Palandt/Diederichsen, BGB, 66. Aufl., Rn. 32 zu § 1684), insbesondere darf das Gericht die Regelung des Umgangs nicht einem Dritten überlassen, da dieser keine eigene Entscheidungskompetenz vom Gesetz zugewiesen erhalten hat (OLG Zweibrücken KindPrax 2003, 108; Weisbrodt, KindPrax 2000, 9 ff.).
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Konkret bedeutet dies, dass das Familiengericht - möglichst im Zusammenwirken mit dem mitwirkungsbereiten Dritten - ein Konzept dahingehend erarbeiten muss, an welchen Tagen, zu welcher Uhrzeit und in welchen Abständen an welchem Ort der betreute Umgang ausgeübt werden kann und wie die Modalitäten dahingehend zu regeln sind, dass die Mutter das Kind zum Umgangsort bringt und es von dort wieder abholt, ohne dem umgangsberechtigten Vater begegnen zu müssen, vor dem sie - unter Berücksichtigung des Inhalts der beigezogenen Strafakten - nachvollziehbar Angst hat.
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Das Familiengericht wird dabei zu überdenken haben, ob das von ihm als mitwirkungsbereiten Dritten ausgewählte Jugendamt zur Vermittlung des betreuten Umgangs geeignet ist, nachdem es dem Jugendamt trotz der Umgangsvereinbarung der Parteien vom 30.06.2005 über 1 1/2 Jahre nicht gelungen ist, diese Vereinbarung auch mit Leben zu erfüllen, vielmehr das Jugendamt bereits 3 Monate nach der Vereinbarung seine Zweifel an der Richtigkeit der im gerichtlichen Verfahren getroffenen Vereinbarung angemeldet hat.
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Das Familiengericht wird weiterhin in eigener Verantwortung eine Entscheidung darüber treffen, ob es die Entscheidung über die Frage des Ausschlusses des Umgangs in eigener Sachkunde treffen will oder sich hierbei sachverständig beraten lassen möchte. Die Beschwerdeführerin greift mit wahrscheinlich durchgreifender Begründung die Ausführungen des eingeholten Sachverständigengutachtens an, wobei der Senat nicht ausschließen will, dass das Kind inzwischen ein Alter erreicht hat, in dem es richterlich angehört werden kann und sich das Familiengericht möglicherweise auch ohne sachverständige Unterstützung ein ausreichendes Bild über die Befindlichkeit und Gefährdung des Kindes bei einem Umgang mit dem Vater machen kann.
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Soweit das Familiengericht den Eltern die Teilnahme an Beratungsgesprächen bei der Erziehungsberatungsstelle für Familien und Jugendliche in ... aufgegeben hat, findet dies im Gesetz keine Grundlage, insbesondere kann eine solche Befugnis des Gerichts nicht aus § 1684 Abs. 2, Abs. 3 S. 2 BGB hergeleitet werden (OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 56; OLG Brandenburg Jugendamt 2002, 133; soweit der Senat früher, FamRZ 2001, 932, eine andere Auffassung vertreten hat, wird an dieser nicht festgehalten). § 1684 Abs. 3 S. 2 BGB gibt dem Gericht lediglich ein Instrument an die Hand, um unterhalb der Eingriffsschwelle des § 1666 BGB Handlungen eines Elternteils zu begegnen, die den Umgang erschweren oder verhindern, indem es insbesondere konkrete Gebote oder Verbote zur Einhaltung der Wohlverhaltenspflicht trifft, um dadurch der wechselseitigen Loyalität der Beteiligten Rechnung zu tragen, nicht aber kann hieraus die Befugnis hergeleitet werden, Eltern zu psychologischen oder therapeutischen Gesprächen zu zwingen, zumal die Entscheidung des Elternteils, sich dahingehend beraten zu lassen, einem besonderen Grundrechtsschutz unterliegt (BVerfG FamRZ 2004, 523). Das Fehlen einer gesetzlichen Anordnungsermächtigung ist jedenfalls so lange zu akzeptieren, bis möglicherweise in der angedachten Reform des Familienverfahrensgesetzes eine entsprechende Anordnungsbefugnis der Familiengerichte ausdrücklich gesetzlich geregelt werden könnte.
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Hinsichtlich der Anordnung von Beratungsgesprächen hätte der Senat selbst in der Sache abschließend entscheiden können, hinsichtlich der beantragten Umgangsregelung ist jedoch eine abschließende, vollstreckungsfähige, Regelung des Familiengerichts bislang noch nicht ergangen, was einen wesentlichen Verfahrensfehler darstellt, der zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht führt.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1666 Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls


(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1684 Umgang des Kindes mit den Eltern


(1) Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. (2) Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträ

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(1) Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt.

(2) Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. Entsprechendes gilt, wenn sich das Kind in der Obhut einer anderen Person befindet.

(3) Das Familiengericht kann über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln. Es kann die Beteiligten durch Anordnungen zur Erfüllung der in Absatz 2 geregelten Pflicht anhalten. Wird die Pflicht nach Absatz 2 dauerhaft oder wiederholt erheblich verletzt, kann das Familiengericht auch eine Pflegschaft für die Durchführung des Umgangs anordnen (Umgangspflegschaft). Die Umgangspflegschaft umfasst das Recht, die Herausgabe des Kindes zur Durchführung des Umgangs zu verlangen und für die Dauer des Umgangs dessen Aufenthalt zu bestimmen. Die Anordnung ist zu befristen. Für den Ersatz von Aufwendungen und die Vergütung des Umgangspflegers gilt § 277 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend.

(4) Das Familiengericht kann das Umgangsrecht oder den Vollzug früherer Entscheidungen über das Umgangsrecht einschränken oder ausschließen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Eine Entscheidung, die das Umgangsrecht oder seinen Vollzug für längere Zeit oder auf Dauer einschränkt oder ausschließt, kann nur ergehen, wenn andernfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre. Das Familiengericht kann insbesondere anordnen, dass der Umgang nur stattfinden darf, wenn ein mitwirkungsbereiter Dritter anwesend ist. Dritter kann auch ein Träger der Jugendhilfe oder ein Verein sein; dieser bestimmt dann jeweils, welche Einzelperson die Aufgabe wahrnimmt.

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.