Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 26. Apr. 2005 - 16 UF 65/05

published on 26.04.2005 00:00
Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 26. Apr. 2005 - 16 UF 65/05
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Tenor

1. Auf die Beschwerde des Beteiligten Ziff. 3 (Vater) wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Biberach vom 11.02.2005 in seinen Ziff. 1 und 3

a u f g e h o b e n.

Für die gesetzliche Vertretung des Kindes T. E. bei der Geltendmachung gesetzlicher Unterhaltsansprüche wird Pflegschaft angeordnet und das Landratsamt - Kreisjugendamt - Biberach zum Pfleger bestimmt.

2. Gerichtskosten werden in beiden Instanzen nicht erhoben, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

 
I.
Der am 01.03.1988 geborene T. ist das Kind der getrennt lebenden Eheleute E. (Beteiligte Ziff. 2 und 3), zwischen denen seit dem 05.04.2005 ein Scheidungsverfahren vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Biberach unter dem Aktenzeichen ... rechtshängig ist. Aufgrund einer in einem einstweiligen Anordnungsverfahren vor dem Familiengericht Biberach am 27.08.2004 getroffenen Einigung der Eltern lebt T. bei keinem Elternteil, sondern bei seinem Onkel J. H. Zur Mutter bestehen Besuchskontakte, mit dem Vater hat er keinen Kontakt.
Im vorliegenden Verfahren hat das Familiengericht Biberach durch den angefochtenen Beschluss der Mutter auf deren Antrag hin die Vermögenssorge für T. insoweit übertragen, als dies zur Geltendmachung von Kindesunterhalt gegenüber dem Antragsgegner (Vater) notwendig ist, und letzterem die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Gegen diesen Beschluss hat der Vater rechtzeitig Beschwerde eingelegt und sie sogleich begründet. Er beantragt den Antrag der Mutter zurückzuweisen, hilfsweise, die Vermögenssorge auf einen Pfleger zu übertragen.
T., den der Senat schriftlich angehört hat, sowie die Mutter treten der Beschwerde entgegen.
II.
Die Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Anordnung einer Ergänzungspflegschaft mit dem Aufgabenkreis der Geltendmachung gesetzlicher Unterhaltsansprüche.
T. ist noch minderjährig und bedarf zur Wahrnehmung seine Rechte eines gesetzlichen Vertreters. Die Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, sind noch miteinander verheiratet. Nach § 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB können der Vater und die Mutter das Kind insoweit nicht vertreten, als nach § 1795 ein Vormund von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen ist. Dies ist der Fall, soweit es um die Vertretung des Kindes bei einem Rechtsgeschäft (z. B. Vergleich über Unterhaltsansprüche) oder in einem Rechtsstreit gegen den Ehegatten des Vertreters geht (§ 1795 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BGB). Eine Ausnahme von diesem Vertretungsverbot macht das Gesetz in § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB (nur) für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen durch den Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, gegen den anderen. Da vorliegend jedoch kein Elternteil die tatsächliche Obhut für T. innehat, dieser vielmehr mit Zustimmung der Eltern bei seinem Onkel lebt und betreut wird, greift die „Ausnahme von der Ausnahme“ nicht ein. Da somit beide Eltern von Gesetzes wegen an der Vertretung des Kindes bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen verhindert sind, bedarf es der Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft nach § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Entscheidung hierüber obliegt gemäß § 1693 BGB dem Familiengericht (hier: 2. Instanz), das gemäß § 1697 BGB auch den Pfleger auswählen kann.
Hiervon macht der Senat Gebrauch. Da es wegen möglicher Interessenkonflikte nicht sinnvoll ist, eine Person aus dem engeren Verwandtenkreis des Jungen, etwa den Onkel, bei dem er lebt, in die Unterhaltsstreitigkeiten hineinzuziehen, erscheint es allein sachgerecht, das - in Unterhaltsangelegenheiten sachkundige und zudem neutrale - zuständige Jugendamt mit dieser Aufgabe zu betrauen. Die förmliche Bestellung obliegt dem Vormundschaftsgericht.
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III.
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Da T. ersichtlich kein größeres Vermögen hat, ist das Verfahren erster Instanz gerichtsgebührenfrei nach §§ 95, Abs. 1 Satz 2, 92 Abs. 1 Satz 1 KostO. Das Beschwerdeverfahren ist ebenfalls gerichtsgebührenfrei nach § 131 Abs. 3 KostO. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 13a FGG.
12 
Anlass für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht.
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(1) Die elterliche Sorge umfasst die Vertretung des Kindes. Die Eltern vertreten das Kind gemeinschaftlich; ist eine Willenserklärung gegenüber dem Kind abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Elternteil. Ein Elternteil vertritt das Kind alle

Sind die Eltern verhindert, die elterliche Sorge auszuüben, so hat das Familiengericht die im Interesse des Kindes erforderlichen Maßregeln zu treffen.

Annotations

(1) Die elterliche Sorge umfasst die Vertretung des Kindes. Die Eltern vertreten das Kind gemeinschaftlich; ist eine Willenserklärung gegenüber dem Kind abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Elternteil. Ein Elternteil vertritt das Kind allein, soweit er die elterliche Sorge allein ausübt oder ihm die Entscheidung nach § 1628 übertragen ist. Bei Gefahr im Verzug ist jeder Elternteil dazu berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes notwendig sind; der andere Elternteil ist unverzüglich zu unterrichten.

(2) Der Vater und die Mutter können das Kind insoweit nicht vertreten, als nach § 1824 ein Betreuer von der Vertretung des Betreuten ausgeschlossen ist. Steht die elterliche Sorge für ein Kind den Eltern gemeinsam zu, so kann der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil geltend machen. Das Familiengericht kann dem Vater und der Mutter nach § 1789 Absatz 2 Satz 3 und 4 die Vertretung entziehen; dies gilt nicht für die Feststellung der Vaterschaft.

(2a) Der Vater und die Mutter können das Kind in einem gerichtlichen Verfahren nach § 1598a Abs. 2 nicht vertreten.

(3) Sind die Eltern des Kindes miteinander verheiratet oder besteht zwischen ihnen eine Lebenspartnerschaft, so kann ein Elternteil Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil nur im eigenen Namen geltend machen, solange

1.
die Eltern getrennt leben oder
2.
eine Ehesache oder eine Lebenspartnerschaftssache im Sinne von § 269 Absatz 1 Nummer 1 oder 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zwischen ihnen anhängig ist.
Eine von einem Elternteil erwirkte gerichtliche Entscheidung und ein zwischen den Eltern geschlossener gerichtlicher Vergleich wirken auch für und gegen das Kind.

Sind die Eltern verhindert, die elterliche Sorge auszuüben, so hat das Familiengericht die im Interesse des Kindes erforderlichen Maßregeln zu treffen.