Gericht

Oberlandesgericht Nürnberg

Tenor

1. Die weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen den Beschluss der 12. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 11. Dezember 2015 wird als unbegründet verworfen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe

I. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth beantragte am 15.10.2015 die Aufhebung des vom Amtsgericht Hersbruck am 24./26.06.2015 im vorliegenden Verfahren erlassenen Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO, der wegen des Fernbleibens des Angeklagten im Termin vom 24.06.2015 ergangen ist. Die Staatsanwaltschaft ist der Auffassung, der Haftbefehl sei im Blick auf die am 24.06.2015 erfolgte Verfahrenseinstellung nach § 205 StPO unwirksam und daher (deklaratorisch) aufzuheben.

Das Amtsgericht Hersbruck hat am 22.10.2015 die Aufhebung abgelehnt und der Beschwerde der Staatsanwaltschaft vom 30.10.2015 hiergegen am 09.11.2015 nicht abgeholfen.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat die Beschwerde der Staatsanwaltschaft mit Beschluss vom 11.12.2015 als unbegründet zurückgewiesen.

Dagegen legte die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth am 18.12.2015 weitere Beschwerde ein, welcher das Landgericht Nürnberg-Fürth nicht abgeholfen hat.

Auf die Ausführungen von Amtsgericht, Landgericht und Staatsanwaltschaft wird Bezug genommen.

II. Die weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth ist zulässig (§§ 310 Abs. 1 Nr. 1, 304 StPO), hat in der Sache aber keinen Erfolg, da die zeitgleich mit dem Haftbefehl getroffene Entscheidung des Amtsgerichts Hersbruck vom 24.06.2015, das Verfahren vorläufig nach § 205 StPO einzustellen, keinen Einfluss auf den am 24.06.2015 erlassenen und am 26.06.2015 ausgefertigten Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO hat. Der Haftbefehl ist wirksam und nicht (deklaratorisch) aufzuheben.

Ein zeitlich mit oder nach Erlass eines Haftbefehls nach § 230 StPO ergangener Einstellungsbeschluss nach § 205 StPO macht den Haftbefehl nicht unwirksam (so auch der 2. Strafsenat im Beschluss vom 04.02.2016, Az. 2 Ws 824/15).

Der Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO dient der Absicherung der Anwesenheit des Angeklagten in einer zukünftigen Hauptverhandlung und verliert seine Wirkung erst mit Durchführung dieser Hauptverhandlung durch Urteil oder Aussetzung der Hauptverhandlung. Die vorläufige Einstellung nach § 205 StPO hat dagegen im Wesentlichen nur verfahrensklarstellende Bedeutung. Sie ist entgegen der Auffassung des OLG Hamm (NStZ-RR 2009, 89, 90 und dem folgend Becker in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 230 Rn. 37; Paeffgen in: SK-StPO, 5. Aufl., § 205 Rn. 17 a; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 230 Rn. 23) nicht der Verfahrensaussetzung gleichzusetzen und tangiert die Wirksamkeit des Haftbefehls nicht.

1. Mit Durchführung und Ende bzw. Abbruch der Hauptverhandlung nach Festnahme eines Angeklagten aufgrund Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO erschöpft sich die Wirkung dieses Haftbefehls. Denn er war wegen des unentschuldigten Fernbleibens des Angeklagten im vorangegangenen Termin erlassen worden und diente dem Zweck, dessen Anwesenheit in der anstehenden Hauptverhandlung zu sichern. Erfolgt nun die Aussetzung des Verfahrens, weil dem Fortgang der Verhandlung ein Hindernis entgegensteht, das nicht innerhalb der Unterbrechungsfrist beseitigt werden kann, hat der Haftbefehl dennoch seinen Zweck erfüllt. Er hat die Anwesenheit in der (gesamten) Sitzung erzwungen, welche dem unentschuldigten Ausbleiben im vorangegangenen Termin folgte. Es ist hingegen nicht Zweck des Haftbefehls nach § 230 StPO, jede erst unter Umständen in (unbestimmter) Zukunft stattfindende neue (dritte) Hauptverhandlung zu sichern.

2. Völlig anders ist die Sachlage im Fall der vorläufigen Einstellung des Verfahrens nach § 205 StPO wegen Abwesenheit des Angeklagten. Der Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO soll in diesem Fall nach wie vor die kommende, nach Festnahme des Angeklagten erst noch anzuberaumende Hauptverhandlung absichern. Die ganz überwiegend der Verfahrensklarheit dienende Einstellungsvorschrift des § 205 StPO hindert daher weder den Erlass eines Haftbefehls (vgl. BGH NStZ-RR 13, 251 Rn. 17 nach juris) noch hat sie Einfluss auf den Bestand eines Haftbefehls, der die Anwesenheit des Angeklagten in der kommenden Hauptverhandlung gewährleisten soll.

Dies gilt auch für den vorliegenden Fall, in dem die Einstellungsentscheidung nach § 205 StPO und der Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO zeitgleich erlassen wurden.

Der Haftbefehl vom 24./26.06.2015 war hier zu Recht ergangen, weil der Angeklagte vom Termin am 24.06.2015 Kenntnis hatte und sein Ausbleiben nicht genügend entschuldigt hat. Die Einstellungsentscheidung vom 24.06.2015 konnte ebenfalls getroffen werden, weil der Angeklagte seinen Wohnsitz verloren hatte und sein weiterer Aufenthalt nach der Entlassung aus der Klinik unbekannt war. So konnte der Angeklagte auch in der Folgezeit nicht mehr erreicht werden.

Aus den oben dargelegten Erwägungen beeinträchtigt die Einstellung des Verfahrens vom 24.06.2015 den am 24./26.06.2015 erlassenen Haftbefehl nicht. Dieser dient dem Zweck, die Anwesenheit des Angeklagten in der nach seiner Festnahme anzuberaumenden zukünftigen Hauptverhandlung sicherzustellen, und hat dieses Ziel bislang nicht erreicht.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.

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Strafprozeßordnung - StPO | § 467 Kosten und notwendige Auslagen bei Freispruch, Nichteröffnung und Einstellung


(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zu

Strafprozeßordnung - StPO | § 310 Weitere Beschwerde


(1) Beschlüsse, die von dem Landgericht oder von dem nach § 120 Abs. 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständigen Oberlandesgericht auf die Beschwerde hin erlassen worden sind, können durch weitere Beschwerde angefochten werden, wenn sie 1. eine Ver

Strafprozeßordnung - StPO | § 230 Ausbleiben des Angeklagten


(1) Gegen einen ausgebliebenen Angeklagten findet eine Hauptverhandlung nicht statt. (2) Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt, so ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, soweit dies zur Durchführun

Strafprozeßordnung - StPO | § 205 Einstellung des Verfahrens bei vorübergehenden Hindernissen


Steht der Hauptverhandlung für längere Zeit die Abwesenheit des Angeschuldigten oder ein anderes in seiner Person liegendes Hindernis entgegen, so kann das Gericht das Verfahren durch Beschluß vorläufig einstellen. Der Vorsitzende sichert, soweit nöt

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Oberlandesgericht Nürnberg Beschluss, 04. Feb. 2016 - 2 Ws 824/15

bei uns veröffentlicht am 04.02.2016

Gründe Oberlandesgericht Nürnberg 2 Ws 824/15 Beschluss vom 04.02.2016 2 Ws 785/15 Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg JKIV Ns 606 Js 49400/14 jug. Landgericht Nürnberg-Fürth 606 Js 49400/14 Staatsanwaltsch
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Oberlandesgericht Nürnberg Beschluss, 04. Feb. 2016 - 2 Ws 824/15

bei uns veröffentlicht am 04.02.2016

Gründe Oberlandesgericht Nürnberg 2 Ws 824/15 Beschluss vom 04.02.2016 2 Ws 785/15 Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg JKIV Ns 606 Js 49400/14 jug. Landgericht Nürnberg-Fürth 606 Js 49400/14 Staatsanwaltsch

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(1) Gegen einen ausgebliebenen Angeklagten findet eine Hauptverhandlung nicht statt.

(2) Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt, so ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist.

Steht der Hauptverhandlung für längere Zeit die Abwesenheit des Angeschuldigten oder ein anderes in seiner Person liegendes Hindernis entgegen, so kann das Gericht das Verfahren durch Beschluß vorläufig einstellen. Der Vorsitzende sichert, soweit nötig, die Beweise.

(1) Beschlüsse, die von dem Landgericht oder von dem nach § 120 Abs. 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständigen Oberlandesgericht auf die Beschwerde hin erlassen worden sind, können durch weitere Beschwerde angefochten werden, wenn sie

1.
eine Verhaftung,
2.
eine einstweilige Unterbringung oder
3.
einen Vermögensarrest nach § 111e über einen Betrag von mehr als 20 000 Euro
betreffen.

(2) Im übrigen findet eine weitere Anfechtung der auf eine Beschwerde ergangenen Entscheidungen nicht statt.

Steht der Hauptverhandlung für längere Zeit die Abwesenheit des Angeschuldigten oder ein anderes in seiner Person liegendes Hindernis entgegen, so kann das Gericht das Verfahren durch Beschluß vorläufig einstellen. Der Vorsitzende sichert, soweit nötig, die Beweise.

(1) Gegen einen ausgebliebenen Angeklagten findet eine Hauptverhandlung nicht statt.

(2) Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt, so ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist.

Steht der Hauptverhandlung für längere Zeit die Abwesenheit des Angeschuldigten oder ein anderes in seiner Person liegendes Hindernis entgegen, so kann das Gericht das Verfahren durch Beschluß vorläufig einstellen. Der Vorsitzende sichert, soweit nötig, die Beweise.

Gründe

Oberlandesgericht Nürnberg

2 Ws 824/15

Beschluss

vom 04.02.2016

2 Ws 785/15 Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg

JKIV Ns 606 Js 49400/14 jug. Landgericht Nürnberg-Fürth

606 Js 49400/14 Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth

2. Strafsenat

In dem Strafverfahren

gegen

Ö. Z., geboren am ... in E., Staatsangehörigkeit: ..., wohnhaft: ...

Verteidiger: Rechtsanwalt G. Rechtsanwalt V. Rechtsanwalt P.

wegen vorsätzlicher Körperverletzung

hier: Beschwerde der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth

erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg - 2. Strafsenat - durch die unterzeichnenden Richter am 04.02.2016 folgenden Beschluss

I.

Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 26.11.2015 wird als unbegründet verworfen.

II.

Die Staatskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten im Beschwerdeverfahren.

Gründe:

I. Der Angeklagte wurde mit Urteil des Amtsgerichts Erlangen vom 24.02.2015 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr neun Monaten verurteilt. Auf die von der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten eingelegten Berufungen hat das Landgericht Nürnberg-Fürth Termin für die Berufungshauptverhandlung auf den 06.10.2015 bestimmt. Mit der ihm am 03.09.2015 zugestellten Ladung zu diesem Termin wurde der Angeklagte auf die Folgen seines nicht genügend entschuldigten Ausbleibens hingewiesen.

Da der Angeklagte zum Berufungshauptverhandlungstermin am 06.10.2015 unentschuldigt nicht erschienen ist und der anwesende Verteidiger keine schriftliche Vertretungsvollmacht gemäß § 329 Abs. 1 StPO besaß, verwarf das Landgericht durch im Termin verkündetes Urteil die Berufung des Angeklagten, erließ gegen den Angeklagten Haftbefehl gemäß § 329 Abs. 3 StPO und stellte das Verfahren auf die Berufung der Staatsanwaltschaft wegen der Abwesenheit des Angeklagten vorläufig gemäß § 205 StPO ein.

Mit Verfügung vom 26.10.2015 beantragte die Staatsanwaltschaft unter Verweis auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm (NStZ-RR 2009, 89), den Haftbefehl (deklaratorisch) aufzuheben und Haftbefehl nach § 112 StPO zu erlassen. Das Landgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 26.11.2015 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Anordnung der Verhaftung des Angeklagten nach § 329 Abs. 3 StPO - ebenso wie der Erlass eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO - das Ziel habe, die Durchführung der Hauptverhandlung zu sichern. Gesichert werden solle damit das Erscheinen des Angeklagten bei der für das Verfahren erforderlichen Hauptverhandlung. Wenn in § 329 Abs. 3 StPO auf die „Hauptverhandlung“ abgestellt werde, sei darunter nicht nur die konkrete, bereits begonnene Hauptverhandlung zu verstehen, sondern die Hauptverhandlung, die erforderlich ist, um das Verfahren durchzuführen und die ggf. neu angesetzt werden muss. Ansonsten würde ein Sicherungshaftbefehl immer dann gegenstandslos, wenn der Angeklagte nicht innerhalb der zulässigen Unterbrechungsfrist des § 229 StPO verhaftet werden könne.

Gegen diesen Beschluss hat die Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 09.12.2015 Beschwerde eingelegt. Aus der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm ergebe sich, dass die Einstellung des Verfahrens gemäß § 205 StPO einer Aussetzung des Verfahrens gleichzustellen sei, mit der Folge, dass der Haftbefehl nach § 230 StPO gegenstandslos werde und deklaratorisch aufzuheben sei. Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 14.12.2015 nicht abgeholfen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg beantragt, auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 26.11.2015 sowie den Haftbefehl vom 06.10.2015 (letzteren deklaratorisch) aufzuheben. Der Verteidiger des Angeklagten schließt sich in seiner Stellungnahme vom 13.01.2015 der Auffassung des Landgerichts an.

II. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist gemäß § 304 Abs. 1 StPO zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts, das Verfahren vorläufig nach § 205 StPO einzustellen, hat keinen Einfluss auf den zeitgleich erlassenen Haftbefehl nach § 329 Abs. 3 StPO. Der Haftbefehl ist wirksam und nicht (deklaratorisch) aufzuheben.

1. Die Wirkung des Haftbefehls des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 06.10.2015 endete nicht mit der vorläufigen Einstellung des Verfahrens nach § 205 StPO sondern besteht weiter fort (so auch der erste Strafsenat imBeschluss vom 04.02.2016, 1 Ws 12/16). Der Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 26.11.2015 und der Haftbefehl sind daher nicht aufzuheben.

a. Der Sicherungshaftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO bzw. § 329 Abs. 3 StPO hat die Aufgabe, die Hauptverhandlung zu sichern, zu deren Durchführung er erlassen ist. Mit dem Ende dieser Hauptverhandlung wird er von selbst gegenstandslos. Dies ist etwa der Fall, wenn die Hauptverhandlung ausgesetzt wird (Löwe-Rosenberg/Becker, StPO, 26. Auflage, § 230 Rn. 37; SK-StPO/Deiters 5. Auflage, § 230 Rn. 30; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Auflage, § 230 Rn. 23; OLG Hamm, Beschluss vom 12.03.1992 - 3 Ws 118/92 -, juris). Die vorläufige Einstellung des Verfahrens gemäß § 205 StPO entspricht dem nicht, so dass damit auch nicht die Wirkung eines Sicherungshaftbefehls entfällt.

aa. Die entgegenstehende Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm (Beschluss vom 14.10.2008, NStZ-RR 2009, 89), die vorläufige Einstellung des Verfahrens nach § 205 StPO sei der Aussetzung der Hauptverhandlung gleichzusetzen, da in beiden Fällen regelmäßig die Durchführung einer neuen Hauptverhandlung erforderlich sei, so dass der Sicherungshaftbefehl auch bei einer vorläufigen Einstellung des Verfahrens nach § 205 StPO gegenstandslos werde, vermag nicht zu überzeugen. Diese Argumentation übersieht, dass bei einer vorläufigen Einstellung des Verfahrens die mit dem Haftbefehl zu sichernde Hauptverhandlung noch nicht begonnen hat und daher auch nicht beendet werden kann.

bb. Der vorläufigen Einstellung des Verfahrens gemäß § 205 Satz 1 StPO nach dem Erlass eines Sicherungshaftbefehls liegt in der Regel zugrunde, dass der Angeklagte zur Hauptverhandlung nicht erschienen ist und deshalb gegen ihn ein Sicherungshaftbefehl erlassen wurde. Dieser dient zur Sicherstellung der reibungslosen Durchführung der neu anberaumten „zweiten“ Hauptverhandlung (vgl. etwa SK-StPO/Deiters a. a. O.. § 230 Rn. 30; Meyer-Goßner/Schmitt StPO a. a. O.. § 230 Rn. 21). Mit deren Beendigung wird er gegenstandslos.

Ist der Angeklagte aufgrund des Sicherungshaftbefehls in dieser neu anberaumten Hauptverhandlung anwesend und wird diese gemäß § 228 Abs.1 Satz 1 StPO ausgesetzt (ein derartiger Sachverhalt lag auch dem Beschluss des OLG Hamm vom 12.03.1992 zugrunde mit der Besonderheit, dass der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt worden war), entfällt nach zutreffender herrschender Auffassung die Wirkung des Sicherungshaftbefehls, da er seine Funktion, die „zweite“ Hauptverhandlung zu sichern, erfüllt hat und diese Hauptverhandlung beendet ist. Für die gemäß § 229 Abs. 4 Satz 1 StPO neu anzusetzende „dritte“ Hauptverhandlung besteht die Wirkung des zur Sicherung der „zweiten“ Hauptverhandlung erlassenen Sicherungshaftbefehls nicht fort. Ein neuer Sicherungshaftbefehl kommt erst in Betracht, wenn der Angeklagte auch zur „dritten“ Hauptverhandlung nicht erscheint. Dies erscheint auch sachgerecht, da der Angeklagte mit seiner Festnahme und Inhaftierung die Folgen seines unentschuldigten Ausbleibens nachdrücklich erfahren hat und in der ausgesetzten Hauptverhandlung darauf hingewiesen werden kann, dass er mit denselben Folgen auch bei einem erneuten Ausbleiben in einer neuen Hauptverhandlung zu rechnen haben wird.

cc. Der in der „ersten“ Hauptverhandlung, zu der der Angeklagte nicht erschienen ist, ergangene Sicherungshaftbefehl dient somit nicht der Sicherstellung der Durchführung dieser „ersten“ Hauptverhandlung, so dass die vorläufige Einstellung des Verfahrens nach § 205 StPO keine Beendigung der Hauptverhandlung zur Folge hat, zu deren Sicherung er ergangen ist. Das unter anderem vom Oberlandesgericht Hamm angenommene Entfallen der Wirkung des Sicherungshaftbefehls mit der vorläufigen Einstellung des Verfahrens nach § 205 StPO widerspricht damit dem gesetzlichen Zweck, mit dem Sicherungshaftbefehl die Durchführung der nächsten Hauptverhandlung zu sichern.

dd. Sicherungshaftbefehl und vorläufige Einstellung des Verfahrens haben zudem ähnliche Tatbestandsvoraussetzungen: Voraussetzung für einen Sicherungshaftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO bzw. § 329 Abs. 3 StPO ist, dass der Angeklagte zur Hauptverhandlung nicht erscheint. Voraussetzung für die vorläufige Einstellung nach § 205 StPO, dass der Angeklagte über längere Zeit abwesend ist. Es ist nicht nachvollziehbar und stünde in Widerspruch zum genannten Regelungszweck des § 230 Abs. 2 und des § 329 Abs. 3 StPO dass gerade dann der Sicherungshaftbefehl gegenstandslos werden soll, wenn der Angeklagte aufgrund des Sicherungshaftbefehls nicht ergriffen werden kann, weil er über längere Zeit untergetaucht ist, sich so der Hauptverhandlung nachhaltig entzieht und das Verfahren deshalb vorläufig einzustellen ist.

Die Gegenansicht würde jedenfalls in den Fällen, in denen der Erlass eines Haftbefehls gemäß § 112 StPO wegen Unverhältnismäßigkeit nicht in Betracht käme oder ein zuvor erlassener Haftbefehl nach § 112 StPO wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots aufzuheben wäre, dazu führen, dass sich der Angeklagte erfolgreich dem Verfahren insgesamt entziehen könnte.

b. Die vorläufige Einstellung des Verfahrens durch das Landgericht Nürnberg-Fürth hat somit - unabhängig vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 205 StPO - nicht zur Folge, dass der nach § 329 Abs. 3 StPO erlassene Haftbefehl gegenstandslos wird. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat es deshalb zu Recht abgelehnt, den Haftbefehl vom 06.10.2015 (deklaratorisch) aufzuheben. Seine Wirkung dauert an.

2. Soweit mit dem angefochtenen Beschluss auch der Erlass eines Haftbefehls nach § 112 StPO abgelehnt worden ist, hat die Staatsanwaltschaft dies mit ihrer Beschwerde nicht angefochten.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1, 2 StPO.

(1) Gegen einen ausgebliebenen Angeklagten findet eine Hauptverhandlung nicht statt.

(2) Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt, so ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist.

Steht der Hauptverhandlung für längere Zeit die Abwesenheit des Angeschuldigten oder ein anderes in seiner Person liegendes Hindernis entgegen, so kann das Gericht das Verfahren durch Beschluß vorläufig einstellen. Der Vorsitzende sichert, soweit nötig, die Beweise.

(1) Gegen einen ausgebliebenen Angeklagten findet eine Hauptverhandlung nicht statt.

(2) Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt, so ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist.

Steht der Hauptverhandlung für längere Zeit die Abwesenheit des Angeschuldigten oder ein anderes in seiner Person liegendes Hindernis entgegen, so kann das Gericht das Verfahren durch Beschluß vorläufig einstellen. Der Vorsitzende sichert, soweit nötig, die Beweise.

(1) Gegen einen ausgebliebenen Angeklagten findet eine Hauptverhandlung nicht statt.

(2) Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt, so ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist.

Steht der Hauptverhandlung für längere Zeit die Abwesenheit des Angeschuldigten oder ein anderes in seiner Person liegendes Hindernis entgegen, so kann das Gericht das Verfahren durch Beschluß vorläufig einstellen. Der Vorsitzende sichert, soweit nötig, die Beweise.

(1) Gegen einen ausgebliebenen Angeklagten findet eine Hauptverhandlung nicht statt.

(2) Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt, so ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.