Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 19. Juni 2012 - 1 W 30/12

Gericht
Tenor
Auf die Beschwerde des Sachverständigen wird der Beschluss des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 30.05.2012 - unter Aufrechterhaltung im Übrigen - insoweit abgeändert, als die Vergütung des Sachverständigen antragsgemäß vorläufig auf 5.920,95 € festgesetzt wird.
Bei Fortsetzung der Begutachtung entfällt die Beschränkung.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I.
- 1
Mit der angefochtenen Entscheidung vom 18.04.2012 hat das Landgericht den Vergütungsantrag des Beschwerdeführers vom 16.04.2012 zurückgewiesen, soweit damit eine Vergütungssumme von mehr als 3.750,00 € brutto geltend gemacht wurde. Zur Begründung hat der Einzelrichter darauf verwiesen, dass es der Beschwerdeführer versäumt habe, rechtzeitig gemäß § 407 a Abs. 3 ZPO auf eine Überschreitung des zuvor eingezahlten Kostenvorschusses von 3.000,00 Euro hinzuweisen. In diesem Fall sei eine Überschreitung des Vorschusses um mehr als 25% nur zulässig, wenn die Begutachtung auch im Fall der Anzeige durchgeführt worden wäre. Davon könne aber nur ausgegangen werden, wenn die Begutachtung bei entsprechenden weiteren Kosten fortgesetzt werde.
- 2
Der Beschwerdeführer hat mit seinem Vergütungsantrag Kosten in Höhe von 5.920,95 € dargelegt, die als solche vom Gericht nicht beanstandet wurden. Auch die Bezirksrevisorin hat in ihrer Stellungnahme vom 14.05.2012 keinerlei sachliche oder rechnerische Einwände gegen die Berechnung der Entschädigung erhoben, sondern nur die Kürzung wegen Verstoßes gegen § 407 a Abs. 3 ZPO verteidigt.
- 3
Mit seinem Rechtsmittel begehrt der Beschwerdeführer die Festsetzung der ungekürzten Vergütung, mithin weiterer 2.170,95 €.
- 4
Mit Schriftsatz vom 22.05.2012 hat die Antragstellerin die Fortsetzung der Begutachtung im Wege eines Ergänzungsgutachtens desselben Sachverständigen beantragt und hierfür einen weiteren Kostenvorschuss von 2.000 € bei Gericht eingezahlt.
- 5
Dessen ungeachtet hat der Einzelrichter der Beschwerde mit Beschluss vom 30.05.2012 nicht abgeholfen. Zur Begründung hat das Landgericht auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.
II.
- 6
Das gemäß § 4 Abs. 3 JVEG unbefristete und hier nicht verwirkte Rechtsmittel ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
- 7
1. Ein Überziehen des Auslagenvorschusses (§ 379 ZPO) berührt den Entschädigungsanspruch grundsätzlich nicht, wenn die Mehrleistung für ein sachgerechtes Gutachten nötig war (st. Rspr. seit KG, MDR 1983, 678; OLG Hamburg, MDR 1981, 327). Dass diese Voraussetzung gegeben ist, wurde von dem Sachverständigen ausführlich dargelegt und vom Landgericht und den Beteiligten auch nicht in Abrede gestellt. Ebenso wurde die sachliche und rechnerische Richtigkeit des Vergütungsanspruchs als solche weder vom Landgericht noch von der Bezirksrevisorin oder den Verfahrensbeteiligten beanstandet, so dass hierzu im Beschwerdeverfahren keine weiteren Ausführungen veranlasst sind.
- 8
2. Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, kommt aber eine Kürzung der Entschädigung in Betracht, wenn der Sachverständige seine Hinweispflicht gemäß § 407 a Abs. 3 ZPO verletzt hat. Eine solche Pflichtverletzung liegt hier vor, was der Sachverständige auch nicht bestreitet. Die in § 407 a Abs. 3 ZPO normierte Pflicht des Sachverständigen, frühzeitig auf höhere Kosten hinzuweisen, soll den Parteien Gelegenheit geben, die Fortführung des Verfahrens zu überdenken (Musielak/Huber, ZPO, 7. Aufl. 2009, § 407 a, Rdn. 4). Die Hinweispflicht dient der möglichen Reduzierung der Verfahrenskosten und der wirtschaftlichen Risiken der Parteien.
- 9
Hat der Sachverständige gegen diese Hinweispflicht verstoßen, so kann dies im Einzelfall eine Kürzung seiner Vergütungsansprüche zur Folge haben (vgl. OLG Stuttgart, MDR 2008, 625; OLG Koblenz, JurBüro 2010, 214; BayObLG, NJW-RR 1998, 1294 f.; OLG Düsseldorf, OLGR 2003, 263 ff.; offen gelassen in BGH, NJW-RR 2012, 311-313).
- 10
Ob auf Grund der Pflichtverletzung eine Kürzung gerechtfertigt ist, hängt aber von den Umständen des Einzelfalls ab, wie auch die Bezirksrevisorin zutreffend angenommen hat. Sie unterbleibt insbesondere in den Fällen, in denen davon ausgegangen werden kann, dass auch bei erfolgter Anzeige die Tätigkeit des Sachverständigen nicht eingeschränkt, oder ihre Fortsetzung nicht unterbunden worden wäre (vgl. OLG Nürnberg, NJW-RR 2003, 791; Zöller-Greger, 29. Aufl. 2012, § 413 Rdn. 6). Davon muss in der Regel ausgegangen werden, wenn Beweiserheblichkeit besteht und die vorschusspflichtige Partei selbst nach Kenntnis von der Vorschussüberschreitung eine kostenpflichtige Fortsetzung der Beweisaufnahme beantragt und einen weiteren Vorschuss einzahlt. Diese Rechtslage hat wohl auch das Landgericht seiner Entscheidung vom 18.04.2012 zu Grunde gelegt.
- 11
3. Der Einzelrichter hat hier jedoch im Rahmen seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 30.05.2012 offenbar den Inhalt des Schriftsatzes der Antragstellerin vom 22.05.2012 (Bl. 129 d.A.), der am 24.05.2012 eingegangen war, nicht berücksichtigt. Denn in diesem Schriftsatz wird die Fortsetzung der Beweisaufnahme beantragt und auch die Einzahlung eines weiteren Kostenvorschusses von 2.000,00 € nachgewiesen. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin auch schon zuvor die Fortsetzung der von ihr beantragten Beweisaufnahme nicht unterbunden, sondern den weiteren Vorschuss gezahlt hätte, wenn der Sachverständige auf die höheren Kosten rechtzeitig aufmerksam gemacht hätte. Etwas anderes hat die vorschusspflichtige Antragstellerin auch zu keinem Zeitpunkt behauptet. Eine Kürzung ist daher im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt.
- 12
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 Abs. 8 JVEG.

Annotations
(1) Die Festsetzung der Vergütung, der Entschädigung oder des Vorschusses erfolgt durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält. Eine Festsetzung der Vergütung ist in der Regel insbesondere dann als angemessen anzusehen, wenn ein Wegfall oder eine Beschränkung des Vergütungsanspruchs nach § 8a Absatz 1 oder 2 Satz 1 in Betracht kommt. Zuständig ist
- 1.
das Gericht, von dem der Berechtigte herangezogen worden ist, bei dem er als ehrenamtlicher Richter mitgewirkt hat oder bei dem der Ausschuss im Sinne des § 1 Abs. 4 gebildet ist; - 2.
das Gericht, bei dem die Staatsanwaltschaft besteht, wenn die Heranziehung durch die Staatsanwaltschaft oder in deren Auftrag oder mit deren vorheriger Billigung durch die Polizei oder eine andere Strafverfolgungsbehörde erfolgt ist, nach Erhebung der öffentlichen Klage jedoch das für die Durchführung des Verfahrens zuständige Gericht; - 3.
das Landgericht, bei dem die Staatsanwaltschaft besteht, die für das Ermittlungsverfahren zuständig wäre, wenn die Heranziehung in den Fällen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 durch die Finanzbehörde oder in deren Auftrag oder mit deren vorheriger Billigung durch die Polizei oder eine andere Strafverfolgungsbehörde erfolgt ist, nach Erhebung der öffentlichen Klage jedoch das für die Durchführung des Verfahrens zuständige Gericht; - 4.
das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Gerichtsvollzieher seinen Amtssitz hat, wenn die Heranziehung durch den Gerichtsvollzieher erfolgt ist, abweichend davon im Verfahren der Zwangsvollstreckung das Vollstreckungsgericht.
(2) Ist die Heranziehung durch die Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren erfolgt, werden die zu gewährende Vergütung oder Entschädigung und der Vorschuss durch gerichtlichen Beschluss festgesetzt, wenn der Berechtigte gerichtliche Entscheidung gegen die Festsetzung durch die Verwaltungsbehörde beantragt. Für das Verfahren gilt § 62 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 1 können der Berechtige und die Staatskasse Beschwerde einlegen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.
(4) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.
(5) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 4 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.
(6) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.
(7) Das Gericht entscheidet über den Antrag durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.
(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
(9) Die Beschlüsse nach den Absätzen 1, 2, 4 und 5 wirken nicht zu Lasten des Kostenschuldners.
Das Gericht kann die Ladung des Zeugen davon abhängig machen, dass der Beweisführer einen hinreichenden Vorschuss zur Deckung der Auslagen zahlt, die der Staatskasse durch die Vernehmung des Zeugen erwachsen. Wird der Vorschuss nicht innerhalb der bestimmten Frist gezahlt, so unterbleibt die Ladung, wenn die Zahlung nicht so zeitig nachgeholt wird, dass die Vernehmung durchgeführt werden kann, ohne dass dadurch nach der freien Überzeugung des Gerichts das Verfahren verzögert wird.
(1) Die Festsetzung der Vergütung, der Entschädigung oder des Vorschusses erfolgt durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält. Eine Festsetzung der Vergütung ist in der Regel insbesondere dann als angemessen anzusehen, wenn ein Wegfall oder eine Beschränkung des Vergütungsanspruchs nach § 8a Absatz 1 oder 2 Satz 1 in Betracht kommt. Zuständig ist
- 1.
das Gericht, von dem der Berechtigte herangezogen worden ist, bei dem er als ehrenamtlicher Richter mitgewirkt hat oder bei dem der Ausschuss im Sinne des § 1 Abs. 4 gebildet ist; - 2.
das Gericht, bei dem die Staatsanwaltschaft besteht, wenn die Heranziehung durch die Staatsanwaltschaft oder in deren Auftrag oder mit deren vorheriger Billigung durch die Polizei oder eine andere Strafverfolgungsbehörde erfolgt ist, nach Erhebung der öffentlichen Klage jedoch das für die Durchführung des Verfahrens zuständige Gericht; - 3.
das Landgericht, bei dem die Staatsanwaltschaft besteht, die für das Ermittlungsverfahren zuständig wäre, wenn die Heranziehung in den Fällen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 durch die Finanzbehörde oder in deren Auftrag oder mit deren vorheriger Billigung durch die Polizei oder eine andere Strafverfolgungsbehörde erfolgt ist, nach Erhebung der öffentlichen Klage jedoch das für die Durchführung des Verfahrens zuständige Gericht; - 4.
das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Gerichtsvollzieher seinen Amtssitz hat, wenn die Heranziehung durch den Gerichtsvollzieher erfolgt ist, abweichend davon im Verfahren der Zwangsvollstreckung das Vollstreckungsgericht.
(2) Ist die Heranziehung durch die Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren erfolgt, werden die zu gewährende Vergütung oder Entschädigung und der Vorschuss durch gerichtlichen Beschluss festgesetzt, wenn der Berechtigte gerichtliche Entscheidung gegen die Festsetzung durch die Verwaltungsbehörde beantragt. Für das Verfahren gilt § 62 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 1 können der Berechtige und die Staatskasse Beschwerde einlegen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.
(4) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.
(5) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 4 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.
(6) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.
(7) Das Gericht entscheidet über den Antrag durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.
(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
(9) Die Beschlüsse nach den Absätzen 1, 2, 4 und 5 wirken nicht zu Lasten des Kostenschuldners.