Oberlandesgericht München Urteil, 17. Sept. 2015 - U 3886/14 Kart

bei uns veröffentlicht am17.09.2015
vorgehend
Landgericht München I, 1 HK O 7249/13, 09.09.2014

Gericht

Oberlandesgericht München

Gründe

OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN

Aktenzeichen: U 3886/14 Kart

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

Verkündet am: 17. September 2015

1 HK O 7249/13 Landgericht München I

Leitsätze:

In dem Rechtsstreit

H. GmbH,

- Klägerin und Berufungsklägerin

gegen

R. GmbH,

- Beklagte und Berufungsbeklagte -

wegen Belieferung

- erlässt der Kartellsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Zwirlein, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Holzinger und den Richter am Oberlandesgericht Pichlmaier aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. Juni 2015 folgendes Urteil

I.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts München l vom 9. September 2014 (Az.: 1 HK 0 7249/13) aufgehoben.

II.

Die Beklagte wird verurteilt, den als Anlage K 1 der Klageschrift beigefügten und von der Klägerin rechtsverbindlich zum Abschluss angebotenen „Händlervertrag zum selektiven Vertriebssystem 2011“ nebst dazugehöriger Anlagen A bis F mit der Vertriebsberechtigung für alle sechs nachfolgend aufgeführten Filialen der Klägerin,

• K.-platz, 80335 München,

• T., 80331 München,

• N.-Straße, 80331 München,

• S.-Straße, 80331 München,

• H.-Straße, 80801 München, und

• S.-Straße, 93047 Regensburg

rechtverbindlich anzunehmen.

III.

Die Beklagte wird verurteilt, die sechs in Ziffer II. aufgelisteten Filialen zu den Konditionen des als Anlage K 1 beigefügten „Händlervertrages zum selektiven Vertriebssystem 2011“ mit den Waren ihres jeweils aktuellen Produktsortiments zu den Preisen der jeweils aktuellen Händlerpreisliste und den für alle Vertragshändler der Beklagten geltenden Geschäftsbedingungen zu beliefern.

IV.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.

V.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung aus Ziffer III. durch Sicherheitsleistung in Höhe von € 1.000.000,00 abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

I. Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten einen kartellrechtlichen Belieferungsanspruch geltend.

Die Klägerin vertreibt in ihren Filialen in München und Regensburg unter anderem Koffer und Taschen. Die Beklagte stellt hochwertiges Reisegepäck her, insbesondere Koffer aus Aluminium und Kunststoff. Sie stand mit der Klägerin über etwa vierzig Jahre lang in Geschäftsbeziehungen.

Der zuletzt zwischen den Parteien bestehende Händlervertrag wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 4. Juni 2012 zum 30. September 2012 gekündigt. Auf den Abschluss eines neuen Händlervertrages („Händlervertrag zum selektiven Vertriebssystem 2011“, Anlage K 1) für die Filialen der Klägerin in München (K.-platz, T., N. Straße, S. Straße, H.-straße) und Regensburg (S.-straße) konnten sich die Parteien nicht einigen, da der Auftritt der Klägerin nach außen aus Sicht der Beklagten nicht dem Geschäftskonzept und der Marketingstrategie der Beklagten entspricht.

Die Klägerin sieht die Beklagte in der Pflicht, die genannten Filialen mit den von der Beklagten hergestellten Koffern zu beliefern und den als Anlage K 1 vorgelegten „Händlervertrag zum selektiven Vertriebssystem 2011“ abzuschließen. Die Klägerin hat ihre Ansprüche in erster Linie auf den Gesichtspunkt der Spitzenstellungsabhängigkeit, in zweiter Linie auf den Gesichtspunkt der Oligopolmarktbeherrschung und in dritter Linie auf den Gesichtspunkt der Einzelmarktbeherrschung gestützt.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,

I.

die Beklagte zu verurteilen, den als Anlage K 1 der Klageschrift beigefügten und von der Klägerin rechtsverbindlich zum Abschluss angebotenen „Händlervertrag zum selektiven Vertriebssystem 2011“ nebst dazugehöriger Anlagen A bis F mit der Vertriebsberechtigung für alle sechs nachfolgend aufgeführten Filialen der Klägerin,

• K.-platz 8, 80335 München,

• T., 80331 München,

• N. Straße, 80331 München,

• S. Straße, 80331 München,

• H. Straße, 80801 München, und

• S.-straße, 93047 Regensburg

rechtverbindlich anzunehmen.

II. die Beklagte zu verurteilen, die sechs in Klageantrag zu Ziffer I. aufgelisteten Filialen der Klägerin zu den Konditionen des als Anlage K 1 beigefügten „Händlervertrages zum selektiven Vertriebssystem 2011“ mit den Waren ihres jeweils aktuellen Produktsortiments zu den Preisen der jeweils aktuellen Händlerpreisliste und den für alle Vertragshändler der Beklagten geltenden Geschäftsbedingungen zu beliefern.

Hilfsweise hat sie ergänzend zu Klageantrag Ziffer I. beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den „Händlervertrag zum selektiven Vertriebssystem 2011“ nebst dazugehöriger Anlagen A bis F mit der Vertriebsberechtigung für alle sechs in Klageantrag Ziff. I. genannten Filialen der Klägerin rechtsverbindlich anzunehmen mit der Maßgabe, dass die Warenpräsentation im Schaufenster gemäß dem Händlervertrag in der Art erfolgt, wie sie sich aus den Anlagen K 18 und K 19 ergibt.

Höchsthilfsweise hat sie ergänzend zum ersten Hilfsantrag beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den „Händlervertrag zum selektiven Vertriebssystem 2011“ nebst dazugehöriger Anlagen A bis F mit der Vertriebsberechtigung für alle sechs in Klageantrag Ziff. I. genannten Filialen der Klägerin rechtsverbindlich anzunehmen mit der Maßgabe, dass die Präsentation der Waren der Beklagten im Schaufenster gemäß dem Händlervertrag in der Art erfolgt, wie es sich aus den Anlagen K 18 und K 19 ergibt, und mit der zusätzlichen Maßgabe, dass die Innenraumgestaltung in den Geschäftsstellen der Klägerin so erfolgt, wie es sich aus den Fotos der Innenräume in der Anlage K 19 ergibt.

Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 9. September 2014 abgewiesen. Auf dieses Urteil wird einschließlich der darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin.

Die Klägerin hat in der Berufungsinstanz beantragt,

I.

das Urteil des Landgerichts München l vom 09. September 2014 (Az.: 1 HK O 7249/13) abzuändern;

II.

die Beklagte zu verurteilen, den als Anlage K 1 der Klageschrift beigefügten und von der Klägerin rechtsverbindlich zum Abschluss angebotenen „Händlervertrag zum selektiven Vertriebssystem 2011“ nebst dazugehöriger Anlagen A bis F mit der Vertriebsberechtigung für alle sechs nachfolgend aufgeführten Filialen der Klägerin,

• K.platz, 80335 München,

• T., 80331 München,

• N. Straße, 80331 München,

• S. Straße, 80331 München,

• H.-straße, 80801 München, und

• S.-straße, 93047 Regensburg rechtverbindlich anzunehmen;

III. die Beklagte zu verurteilen, die sechs in Klageantrag zu Ziff. II. aufgelisteten Filialen der Klägerin zu den Konditionen des „Händlervertrages zum selektiven Vertriebssystem 2011“ mit den Waren ihres jeweils aktuellen Produktsortiments zu den Preisen der jeweils aktuellen Händlerpreisliste und den für alle Vertragshändler der Beklagten geltenden Geschäftsbedingungen zu beliefern;

hilfsweise ergänzend zu Klageantrag Ziff. II.,

die Beklagte zu verurteilen, den „Händlervertrag zum selektiven Vertriebssystem 2011“ nebst dazugehöriger Anlagen A bis F mit der Vertriebsberechtigung für alle sechs in Klageantrag Ziff. II. genannten Filialen der Klägerin rechtsverbindlich anzunehmen mit der Maßgabe, dass die Präsentation der Waren der Beklagten im Schaufenster gemäß dem Händlervertrag in der Art erfolgt, wie sie sich aus den Anlagen K 18 und K 19 ergibt;

höchsthilfsweise ergänzend zum ersten Hilfsantrag, die Beklagte zu verurteilen, den „Händlervertrag zum selektiven Vertriebssystem 2011“ nebst dazugehöriger Anlagen A bis F mit der Vertriebsberechtigung für alle sechs in Klageantrag Ziff. II. genannten Filialen der Klägerin rechtsverbindlich anzunehmen mit der zusätzlichen Maßgabe, dass die Präsentation der Waren der Beklagten im Schaufenster gemäß dem Händlervertrag in der Art erfolgt, wie es sich aus den Anlagen K 18 und K 19 ergibt, und mit der zusätzlichen Maßgabe, dass die Innenraumgestaltung in den Filialen der Klägerin so erfolgt, wie es sich aus den Fotos der Innenräume in der Anlage K 19 ergibt.

Die Beklagte hat in der Berufungsinstanz b e a n t r a g t, die Berufung zurückzuweisen.

Ergänzend wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll des Termins der mündlichen Verhandlung vom 11. Juni 2015 Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung hat Erfolg.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten aus § 33 Abs. 1 S. 1 i. V. mit §§ 20 Abs. 1 S. 1, 19 Abs. 1 und 2 Nr. 1 GWB einen Anspruch auf Abschluss des „Händlervertrages 2011“ und Belieferung, da sie zur Erhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit als Facheinzelhändlerin für Reisegepäck auf die Belieferung der Beklagten mit den Produkten aus deren Sortiment angewiesen ist, um gegenüber ihren Konkurrenten wettbewerbsfähig zu bleiben.

Nach § 20 Abs. 1 S. 1 GWB gilt das Behinderungs- und Diskriminierungsverbot nach § 19 Abs. 1 und 2 Nr. 1 GWB auch für Unternehmen, soweit von ihnen kleine oder mittlere Unternehmen als Nachfrager einer bestimmten Art von Waren in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf andere Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen.

1. Bei der Klägerin handelt es sich um ein kleines bis mittleres Unternehmen im Sinne des nach § 20 Abs. 1 S. 1 GWB.

Üblicherweise werden Unternehmen mit bis zu 25 Mio. Euro Umsatz zu den kleinen Unternehmen gerechnet (vgl. Bechtold, GWB, 7. Auflage 2013, § 20 Rn. 10 unter Hinweis auf § 35 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 GWB).

Die Nettojahresumsätze der Klägerin in den Jahren 2011 bis Oktober 2014 liegen deutlich unter diesem Umsatzschwelle.

2. Der für den streitgegenständlichen Belieferungsanspruch sachlich relevante Markt ist der Markt für hochpreisige und hochwertige Koffer.

Für die Abgrenzung des sachlich relevanten Markts kommt es auf die Sicht der Marktgegenseite an (BGH NZKart 2015, 353). Demnach ist hier die Marktabgrenzung aus der Sicht des anbietenden Einzelhandels vorzunehmen. Nach ständiger Rechtsprechung (siehe dazu Wolf in: MüKoGWB, 2. Auflage 2015, § 18 Rn. 5 m. w. N.) ist für die Bestimmung des sachlichen Marktes das so genannte Bedarfsmarktkonzept maßgebend. Danach sind einem (Angebots-) Markt alle Produkte zuzurechnen, die aus der Sicht der Nachfrager nach Verwendungszweck, Eigenschaft und Preislage zur Deckung eines bestimmten Bedarfs austauschbar sind.

Zutreffend hat das Landgericht zwar festgestellt, dass Koffer nach ihrem Verwendungszweck - also unabhängig von ihren Eigenschaften und der Preisgestaltung - ohne weiteres austauschbar sind, denn funktionell dient ein Koffer unabhängig von Qualität und Preis dem Transport und Schutz von Gepäck. Hiergegen wendet sich auch die Berufung der Klägerin nicht.

Anders stellt sich die Abgrenzung des sachlich relevanten Markts allerdings bei Berücksichtigung der Eigenschaften von Koffern und insbesondere deren Preislage dar:

Mit Blick auf die Preislage eines Koffers deckt ein bei einem Discountgeschäft angebotenes Billigprodukt entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht dieselben Verbraucherbedürfnisse wie ein Koffer der Beklagten. Insbesondere bei Luxus- und Prestigeartikeln indizieren Preisunterschiede getrennte Märkte (wie hier Fuchs/Möschel in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 5. Auflage 2014, § 18 Rn. 35). Der Verbraucher unterscheidet bei Reisegepäck - wie auch bei vielen anderen Konsumgütern (siehe hierzu die zahlreichen Beispiele aus der Rechtsprechung bei Fuchs/Möschel, a. a. O., § 18 Rn. 35) - zwischen verschiedenen Preissegmenten. Dabei erwartet der Verbraucher im Hochpreissegment besondere Qualität und gehobene Ausstattung des Produktes. Ausschlaggebend und kaufentscheidend ist in diesem Preissegment neben der Qualität aber insbesondere der mit einer bestimmten Marke bzw. einem bestimmten Hersteller verbundene und gewünschte Prestige- und Statuseffekt, der mit Produkten aus darunter liegenden Preissegmenten regelmäßig nicht zu erzielen ist. Für potentielle Käufer eines hochpreisigen Koffers stehen Marken- und Prestigebewusstsein klar im Vordergrund. Von einer solchen Preissegmentierung geht mit Blick auf ihre eigenen Produkte offenbar auch die Beklagte aus, wenn sie in ihrem Jahresabschluss 2012 davon spricht,

„... den Weg zum Aufbau einer Weltmarke im Hochpreissegment fortgesetzt zu haben“

und dementsprechend über den „Händlervertrag 2011“ eine dem Premiumstatus ihrer Koffer gebührende Präsentation bei den Händlern durchzusetzen sucht. Die Beklagte ist sich auch durchaus bewusst, dass ihre Koffer aus Verbrauchersicht ein hohes Prestige bedeuten, welches sie klar aus der Masse der Anbieter funktionell vergleichbarer Produkte heraushebt; im § 4 des „Händlervertrages 2011“ ist deshalb nicht nur vom

„Prestige und Image der R.-Produkte“

die Rede, sondern auch von der Pflicht der Händler, die R.-Produkte

„... ihrem Prestige und Image entsprechend ... zu positionieren und ... zu separieren“.

Die Beklagte grenzt ihre Produkte demnach selbst sowohl in der Preisgestaltung als auch in der Präsentation deutlich von anderen Anbietern von Koffern ab, da es sich bei diesen aus Sicht der Beklagten eben gerade nicht um Allerwelterzeugnisse oder Dutzendware aus dem unteren oder mittleren Preissegment handelt.

Das Bestehen verschiedener Preissegmente wird zuletzt auch durch die von der Klägerin vorgelegten GfK-Studien (Anlage K 5, Seite 4; Anlage K 72, Seite 22 f.) bestätigt. In dieser wird die Verkaufsmenge von Koffern in verschiedenen Preissegmenten separat erhoben und ausgewiesen. Dass die Grenzen der Preissegmente - wie dies die Beklagte unter Hinweis auf den Vortrag der Klägerin moniert - möglicherweise nicht scharf voneinander zu scheiden sind und im einzelnen Übergangsbereiche aufweisen, hat auf die grundsätzliche Unterscheidung verschiedener Preissegmente keinen Einfluss (so auch OLG Stuttgart WuW/EOLG 1889 - Ferngläser), zumal insoweit auch die sich im Fluss befindliche Preisentwicklung in Rechnung zu stellen ist.

3. Die Beklagte verfügt auf dem relevanten Markt über eine Spitzenstellung in dem Sinne, dass ihre Ware generell durch gleichartige Waren anderer Hersteller im Sortiment eines Händlers nicht ersetzbar ist.

Eine solche Abhängigkeit ist anzunehmen, wenn ein Hersteller aufgrund der Qualität und Exklusivität seines Produkts ein solches Ansehen genießt und eine solche Bedeutung erlangt hat, dass der nachfragende Händler in seiner Stellung als Anbieter darauf angewiesen ist, gerade (auch) dieses Produkt in seinem Sortiment zu führen und sich daher vorhandene Möglichkeiten, auf andere Hersteller auszuweichen, nicht als ausreichend und zumutbar erweisen (BGH GRUR 2000, 1108 - Designer-Polstermöbel m. w. N.). Hinweise für eine solche Stellung im Markt können sich aufgrund der hervorragenden Qualität, der einmaligen technischen Gestaltung oder der exponierten Werbung ergeben. Verhält es sich aber so, dass der Verkehr das Angebot eines betreffenden Produkts bei einem Händler als selbstverständlich voraussetzt, und führt das Fehlen dieser Ware im Angebot zu einem Verlust an Ansehen und zu einer gewichtigen Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit des Händlers, so wird sich diese Stellung - zumindest bei einer Ware, die nicht über ein selektives Vertriebssystem abgesetzt wird - auch in einer entsprechenden Distributionsrate niederschlagen: Die Ware wird sich in diesem Fall im Sortiment fast aller vergleichbaren Händler finden (BGH a. a. O. - Designer-Polstermöbel), so dass eine hohe Distributionsrate ein deutliches Indiz für eine Spitzenstellungsabhängigkeit darstellt.

Die Beklagte genießt aufgrund der Qualität und Exklusivität ihrer Produkte eine solche Spitzenstellung. An der hervorragenden Qualität der Produkte der Beklagten bestehen keine Zweifel. Die Koffer der Beklagten weisen aber auch -im Gegensatz etwa zu hochpreisigen Produkten des Herstellers S. - ein einmaliges Design mit hohem Wiedererkennungswert auf: Die Beklagte selbst hat in anderem Zusammenhang (OLG Karlsruhe GRUR-RR 2013, 518) darauf hingewiesen, dass das von ihr verwendete Rillen-Design einmalig ist, es also auf dem Markt kein vergleichbares Wettbewerbsprodukt gibt. Die Beklagte war bislang selbst der Überzeugung, dass sich ihr Rillen-Design innerhalb der beteiligten Verkehrskreise als Hinweis auf ihr Unternehmen durchgesetzt hat und ihre Aluminiumkoffer bekannte Marken sind (so der Vortrag der Beklagten laut dem Urteil des BGH in GRUR 2008, 793 - Rillenkoffer); sofern die Beklagte nunmehr unter Hinweis auf eine in ihrem Auftrag in 17 Ländern durchgeführte Online-Befragung zur Ermittlung der R.-Bekanntheit vorträgt, ihre Bekanntheit nehme sich sowohl weltweit (6%) als auch in Deutschland (19%) doch eher bescheiden aus, ist dies mit ihrem Vortrag in Verfahren, in denen es um den Schutz ihrer Koffer in marken- bzw. wettbewerbsrechtlicher Sicht ging, kaum vereinbar.

Die Beklagte bewirbt ihre Produkte nach eigenen Angaben (vgl. BGH a. a. O. -Rillenkoffer) umfangreich. Diese Werbung erfolgt auch exponiert und gezielt mit Blick auf das zahlungskräftige Publikum, an welches sich die Beklagte mit ihren ebenso hochwertigen wie hochpreisigen Koffern etwa im Herbst/Winter-Katalog des Lufthansa-Worldshop (Anlage BB 1) wendet; in Art und Umfang der Darstellung von R.-Produkten im Katalog des Lufthansa-Worldshop kommt die herausgehobene Stellung dieser Produkte klar zum Ausdruck.

Mit Blick auf die Distributionsrate der Beklagten ist zunächst entsprechend ihrem Vortrag zum Markenschutz ihrer Koffer (BGH a. a. O. - Rillenkoffer) davon auszugehen, dass die Koffer der Beklagten jedenfalls bis zum Jahr 2008 in beinahe jedem Fachgeschäft in Deutschland angeboten wurden. Davon ist auch das OLG Karlsruhe (GRUR-RR 2013, 518) entsprechend dem Vortrag der hiesigen Beklagten in dem genannten Verfahren noch im Jahr 2013 ausgegangen. Dem entsprechend führen auch die zahlreichen Wettbewerber der Klägerin in der Münchner Innenstadt noch immer R.-Produkte in ihrem Sortiment. Zwar verkennt der Senat nicht, dass die Beklagte mittlerweile bemüht ist, ihr Händlernetz auszudünnen, um dem Premium-Anspruch ihrer Koffer noch besser Geltung zu verschaffen. Unabhängig von diesem Bemühen setzt der Verkehr das Angebot von R.-Koffern bei einem Händler wie der Klägerin allerdings weiterhin als selbstverständlich voraus. Dies zeigt gerade der von der Beklagten vorgelegte Artikel aus dem „Lederwaren Report 12/2012“ (Anlage B 64), dem sich eindeutig entnehmen lässt, dass Kunden bei einem Händler vom Zuschnitt der Klägerin „gezielt R. suchen“. Es zeigt sich auch, dass das Fehlen dieser Ware im Angebot zu einem Verlust an Ansehen führt, denn aus dem von der Beklagten vorgelegten Artikel ergibt sich gerade, dass eben nicht jeder Kunde, der gezielt nach R. fragt, auf einen anderen Hersteller umgelenkt werden kann.

Nach allem steht fest, dass R.-Koffer aufgrund ihrer Qualität und Exklusivität beim Verbraucher hohes Ansehen genießen; die Bedeutung der Produkte der Beklagten für den nachfragenden Händler in seiner Stellung als Anbieter lässt sich aber mit Blick auf die tatsächliche Verbrauchernachfrage auch zahlenmäßig darstellen: Die Beklagte dominiert mit ihren Produkten ausweislich der von der Klägerin vorgelegten GfK-Studie (Anlage K 5) im Hochpreissegment für Hartschalenkoffer gegenüber dem Hersteller S. deutlich, bei Koffern über 400,00 € gar mit einem Marktanteil über 95%. Nach der GfK-Studie sind relevante Umsätze anderer Hersteller als der Beklagten und S. in diesem Preissegment nicht zu verzeichnen; auch in dem von der Beklagten vorgelegten Katalog „Lufthansa-WorldShop“ finden sich kaum Produkte anderer Hersteller in diesem Preisbereich . Die darin zum Ausdruck kommende Geltung und das Ansehen von R.-Koffern beim Verbraucher im Hochpreissegment führt dazu, dass Händler wie die Klägerin darauf angewiesen sind, gerade (auch) R.-Koffer in ihrem Sortiment zu führen und sich daher etwaige Möglichkeiten, auf andere Hersteller wie etwa S., auszuweichen, nicht als ausreichend und zumutbar erweisen.

4. Die Weigerung der Beklagten, mit der Klägerin einen Vertrag zu den Konditionen des „Händlervertrages zum selektiven Vertriebssystem 2011“ abzuschließen, stellt einen Missbrauch ihrer relativen Marktmacht im Sinne von §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB dar.

Nach §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB liegt ein Missbrauch insbesondere dann vor, wenn ein Unternehmen mit relativer Marktmacht als Anbieter ein anderes Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders behandelt als gleichartige Unternehmen.

Der Beklagte behandelt die Klägerin anders als andere Reisegepäck-Einzelhändler, mit denen seit August 2012 ein „Händlervertrag zum selektiven Vertriebssystem 2011“ abgeschlossen wurde. Ein sachlich gerechtfertigter Grund hierfür besteht nicht. Insbesondere das Vorbringen der Beklagten, das auf Schnäppchenjäger abzielende Geschäftsmodell der Klägerin sei mit den qualitativen Anforderungen des Selektivvertriebs der Beklagten nicht vereinbar, verfängt nicht. Das von der Beklagten als inadäquat bezeichnete Erscheinungsbild der Filialen der Beklagten ist schon deshalb kein sachlich gerechtfertigter Grund zur Verweigerung des Vertragsschlusses, da die Zulassung eines Händlers zum selektiven Vertriebssystem der Beklagten ausweislich von § 4 des „Händlervertrages zum selektiven Vertriebssystem 2011“ davon abhängt, dass die von der Beklagten in dem genannten Vertrag aufgestellten qualitativen Kriterien spätestens zwölf Monate nach Vertragsschluss erfüllt werden. Da sich die Klägerin nicht von vornherein geweigert hat, am Erscheinungsbild ihrer Filialen etwas ändern zu wollen, ist ihr wie allen anderen Händlern, mit denen die Beklagte den „Händlervertrages zum selektiven Vertriebssystem 2011“ geschlossen hat - vertragsgemäß - Gelegenheit zu geben, ihre Filialen im vertraglich bedungenen Zeitraum („spätestens zwölf Monate nach Vertragsschluss“) gegebenenfalls vertragskonform umzugestalten.

III.

1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO hat und im Übrigen auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen.

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Referenzen - Gesetze

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 19 Verbotenes Verhalten von marktbeherrschenden Unternehmen


(1) Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten. (2) Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 20 Verbotenes Verhalten von Unternehmen mit relativer oder überlegener Marktmacht


(1) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen andere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Wei

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(1) Die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle finden Anwendung, wenn im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss 1. die beteiligten Unternehmen insgesamt weltweit Umsatzerlöse von mehr als 500 Millionen Euro und2. im Inland mindestens e

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(1) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen andere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf dritte Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen und ein deutliches Ungleichgewicht zur Gegenmacht der anderen Unternehmen besteht (relative Marktmacht). § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt ferner auch für Unternehmen, die als Vermittler auf mehrseitigen Märkten tätig sind, soweit andere Unternehmen mit Blick auf den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten von ihrer Vermittlungsleistung in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen. Es wird vermutet, dass ein Anbieter einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen von einem Nachfrager abhängig im Sinne des Satzes 1 ist, wenn dieser Nachfrager bei ihm zusätzlich zu den verkehrsüblichen Preisnachlässen oder sonstigen Leistungsentgelten regelmäßig besondere Vergünstigungen erlangt, die gleichartigen Nachfragern nicht gewährt werden.

(1a) Eine Abhängigkeit nach Absatz 1 kann sich auch daraus ergeben, dass ein Unternehmen für die eigene Tätigkeit auf den Zugang zu Daten angewiesen ist, die von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden. Die Verweigerung des Zugangs zu solchen Daten gegen angemessenes Entgelt kann eine unbillige Behinderung nach Absatz 1 in Verbindung mit § 19 Absatz 1, Absatz 2 Nummer 1 darstellen. Dies gilt auch dann, wenn ein Geschäftsverkehr für diese Daten bislang nicht eröffnet ist.

(2) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 5 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen im Verhältnis zu den von ihnen abhängigen Unternehmen.

(3) Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht dürfen ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, solche Wettbewerber unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern. Eine unbillige Behinderung im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere vor, wenn ein Unternehmen

1.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist, unter Einstandspreis oder
2.
andere Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis oder
3.
von kleinen oder mittleren Unternehmen, mit denen es auf dem nachgelagerten Markt beim Vertrieb von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb steht, für deren Lieferung einen höheren Preis fordert, als es selbst auf diesem Markt
anbietet, es sei denn, dies ist jeweils sachlich gerechtfertigt. Einstandspreis im Sinne des Satzes 2 ist der zwischen dem Unternehmen mit überlegener Marktmacht und seinem Lieferanten vereinbarte Preis für die Beschaffung der Ware oder Leistung, auf den allgemein gewährte und im Zeitpunkt des Angebots bereits mit hinreichender Sicherheit feststehende Bezugsvergünstigungen anteilig angerechnet werden, soweit nicht für bestimmte Waren oder Leistungen ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist. Das Anbieten von Lebensmitteln unter Einstandspreis ist sachlich gerechtfertigt, wenn es geeignet ist, den Verderb oder die drohende Unverkäuflichkeit der Waren beim Händler durch rechtzeitigen Verkauf zu verhindern sowie in vergleichbar schwerwiegenden Fällen. Werden Lebensmittel an gemeinnützige Einrichtungen zur Verwendung im Rahmen ihrer Aufgaben abgegeben, liegt keine unbillige Behinderung vor.

(3a) Eine unbillige Behinderung im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 liegt auch vor, wenn ein Unternehmen mit überlegener Marktmacht auf einem Markt im Sinne des § 18 Absatz 3a die eigenständige Erzielung von Netzwerkeffekten durch Wettbewerber behindert und hierdurch die ernstliche Gefahr begründet, dass der Leistungswettbewerb in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt wird.

(4) Ergibt sich auf Grund bestimmter Tatsachen nach allgemeiner Erfahrung der Anschein, dass ein Unternehmen seine Marktmacht im Sinne des Absatzes 3 ausgenutzt hat, so obliegt es diesem Unternehmen, den Anschein zu widerlegen und solche anspruchsbegründenden Umstände aus seinem Geschäftsbereich aufzuklären, deren Aufklärung dem betroffenen Wettbewerber oder einem Verband nach § 33 Absatz 4 nicht möglich, dem in Anspruch genommenen Unternehmen aber leicht möglich und zumutbar ist.

(5) Wirtschafts- und Berufsvereinigungen sowie Gütezeichengemeinschaften dürfen die Aufnahme eines Unternehmens nicht ablehnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellen und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führen würde.

(1) Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.

(2) Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen

1.
ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders behandelt als gleichartige Unternehmen;
2.
Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden; hierbei sind insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen;
3.
ungünstigere Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, als sie das marktbeherrschende Unternehmen selbst auf vergleichbaren Märkten von gleichartigen Abnehmern fordert, es sei denn, dass der Unterschied sachlich gerechtfertigt ist;
4.
sich weigert, ein anderes Unternehmen gegen angemessenes Entgelt mit einer solchen Ware oder gewerblichen Leistung zu beliefern, insbesondere ihm Zugang zu Daten, zu Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren, und die Belieferung oder die Gewährung des Zugangs objektiv notwendig ist, um auf einem vor- oder nachgelagerten Markt tätig zu sein und die Weigerung den wirksamen Wettbewerb auf diesem Markt auszuschalten droht, es sei denn, die Weigerung ist sachlich gerechtfertigt;
5.
andere Unternehmen dazu auffordert, ihm ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorteile zu gewähren; hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Aufforderung für das andere Unternehmen nachvollziehbar begründet ist und ob der geforderte Vorteil in einem angemessenen Verhältnis zum Grund der Forderung steht.

(3) Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 und Nummer 5 gilt auch für Vereinigungen von miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen im Sinne der §§ 2, 3 und 28 Absatz 1, § 30 Absatz 2a, 2b und § 31 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 4. Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen, die Preise nach § 28 Absatz 2 oder § 30 Absatz 1 Satz 1 oder § 31 Absatz 1 Nummer 3 binden.

(1) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen andere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf dritte Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen und ein deutliches Ungleichgewicht zur Gegenmacht der anderen Unternehmen besteht (relative Marktmacht). § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt ferner auch für Unternehmen, die als Vermittler auf mehrseitigen Märkten tätig sind, soweit andere Unternehmen mit Blick auf den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten von ihrer Vermittlungsleistung in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen. Es wird vermutet, dass ein Anbieter einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen von einem Nachfrager abhängig im Sinne des Satzes 1 ist, wenn dieser Nachfrager bei ihm zusätzlich zu den verkehrsüblichen Preisnachlässen oder sonstigen Leistungsentgelten regelmäßig besondere Vergünstigungen erlangt, die gleichartigen Nachfragern nicht gewährt werden.

(1a) Eine Abhängigkeit nach Absatz 1 kann sich auch daraus ergeben, dass ein Unternehmen für die eigene Tätigkeit auf den Zugang zu Daten angewiesen ist, die von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden. Die Verweigerung des Zugangs zu solchen Daten gegen angemessenes Entgelt kann eine unbillige Behinderung nach Absatz 1 in Verbindung mit § 19 Absatz 1, Absatz 2 Nummer 1 darstellen. Dies gilt auch dann, wenn ein Geschäftsverkehr für diese Daten bislang nicht eröffnet ist.

(2) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 5 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen im Verhältnis zu den von ihnen abhängigen Unternehmen.

(3) Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht dürfen ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, solche Wettbewerber unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern. Eine unbillige Behinderung im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere vor, wenn ein Unternehmen

1.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist, unter Einstandspreis oder
2.
andere Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis oder
3.
von kleinen oder mittleren Unternehmen, mit denen es auf dem nachgelagerten Markt beim Vertrieb von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb steht, für deren Lieferung einen höheren Preis fordert, als es selbst auf diesem Markt
anbietet, es sei denn, dies ist jeweils sachlich gerechtfertigt. Einstandspreis im Sinne des Satzes 2 ist der zwischen dem Unternehmen mit überlegener Marktmacht und seinem Lieferanten vereinbarte Preis für die Beschaffung der Ware oder Leistung, auf den allgemein gewährte und im Zeitpunkt des Angebots bereits mit hinreichender Sicherheit feststehende Bezugsvergünstigungen anteilig angerechnet werden, soweit nicht für bestimmte Waren oder Leistungen ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist. Das Anbieten von Lebensmitteln unter Einstandspreis ist sachlich gerechtfertigt, wenn es geeignet ist, den Verderb oder die drohende Unverkäuflichkeit der Waren beim Händler durch rechtzeitigen Verkauf zu verhindern sowie in vergleichbar schwerwiegenden Fällen. Werden Lebensmittel an gemeinnützige Einrichtungen zur Verwendung im Rahmen ihrer Aufgaben abgegeben, liegt keine unbillige Behinderung vor.

(3a) Eine unbillige Behinderung im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 liegt auch vor, wenn ein Unternehmen mit überlegener Marktmacht auf einem Markt im Sinne des § 18 Absatz 3a die eigenständige Erzielung von Netzwerkeffekten durch Wettbewerber behindert und hierdurch die ernstliche Gefahr begründet, dass der Leistungswettbewerb in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt wird.

(4) Ergibt sich auf Grund bestimmter Tatsachen nach allgemeiner Erfahrung der Anschein, dass ein Unternehmen seine Marktmacht im Sinne des Absatzes 3 ausgenutzt hat, so obliegt es diesem Unternehmen, den Anschein zu widerlegen und solche anspruchsbegründenden Umstände aus seinem Geschäftsbereich aufzuklären, deren Aufklärung dem betroffenen Wettbewerber oder einem Verband nach § 33 Absatz 4 nicht möglich, dem in Anspruch genommenen Unternehmen aber leicht möglich und zumutbar ist.

(5) Wirtschafts- und Berufsvereinigungen sowie Gütezeichengemeinschaften dürfen die Aufnahme eines Unternehmens nicht ablehnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellen und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führen würde.

(1) Die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle finden Anwendung, wenn im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss

1.
die beteiligten Unternehmen insgesamt weltweit Umsatzerlöse von mehr als 500 Millionen Euro und
2.
im Inland mindestens ein beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 50 Millionen Euro und ein anderes beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 17,5 Millionen Euro
erzielt haben.

(1a) Die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle finden auch Anwendung, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 erfüllt sind,
2.
im Inland im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss
a)
ein beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 50 Millionen Euro erzielt hat und
b)
weder das zu erwerbende Unternehmen noch ein anderes beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von jeweils mehr als 17,5 Millionen Euro erzielt haben,
3.
der Wert der Gegenleistung für den Zusammenschluss mehr als 400 Millionen Euro beträgt und
4.
das zu erwerbende Unternehmen nach Nummer 2 in erheblichem Umfang im Inland tätig ist.

(2) Absatz 1 gilt nicht für Zusammenschlüsse durch die Zusammenlegung öffentlicher Einrichtungen und Betriebe, die mit einer kommunalen Gebietsreform einhergehen. Die Absätze 1 und 1a gelten nicht, wenn alle am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen

1.
Mitglied einer kreditwirtschaftlichen Verbundgruppe im Sinne des § 8b Absatz 4 Satz 8 des Körperschaftsteuergesetzes sind,
2.
im Wesentlichen für die Unternehmen der kreditwirtschaftlichen Verbundgruppe, deren Mitglied sie sind, Dienstleistungen erbringen und
3.
bei der Tätigkeit nach Nummer 2 keine eigenen vertraglichen Endkundenbeziehungen unterhalten.
Satz 2 gilt nicht für Zusammenschlüsse von Zentralbanken und Girozentralen im Sinne des § 21 Absatz 2 Nummer 2 des Kreditwesengesetzes.

(3) Die Vorschriften dieses Gesetzes finden keine Anwendung, soweit die Europäische Kommission nach der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen in ihrer jeweils geltenden Fassung ausschließlich zuständig ist.

(1) Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.

(2) Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen

1.
ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders behandelt als gleichartige Unternehmen;
2.
Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden; hierbei sind insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen;
3.
ungünstigere Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, als sie das marktbeherrschende Unternehmen selbst auf vergleichbaren Märkten von gleichartigen Abnehmern fordert, es sei denn, dass der Unterschied sachlich gerechtfertigt ist;
4.
sich weigert, ein anderes Unternehmen gegen angemessenes Entgelt mit einer solchen Ware oder gewerblichen Leistung zu beliefern, insbesondere ihm Zugang zu Daten, zu Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren, und die Belieferung oder die Gewährung des Zugangs objektiv notwendig ist, um auf einem vor- oder nachgelagerten Markt tätig zu sein und die Weigerung den wirksamen Wettbewerb auf diesem Markt auszuschalten droht, es sei denn, die Weigerung ist sachlich gerechtfertigt;
5.
andere Unternehmen dazu auffordert, ihm ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorteile zu gewähren; hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Aufforderung für das andere Unternehmen nachvollziehbar begründet ist und ob der geforderte Vorteil in einem angemessenen Verhältnis zum Grund der Forderung steht.

(3) Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 und Nummer 5 gilt auch für Vereinigungen von miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen im Sinne der §§ 2, 3 und 28 Absatz 1, § 30 Absatz 2a, 2b und § 31 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 4. Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen, die Preise nach § 28 Absatz 2 oder § 30 Absatz 1 Satz 1 oder § 31 Absatz 1 Nummer 3 binden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.