Oberlandesgericht München Urteil, 06. März 2015 - 10 U 824/14

bei uns veröffentlicht am06.03.2015
vorgehend
Landgericht Deggendorf, 23 O 375/12, 27.01.2014

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin vom 28.02.2014 gegen das Endurteil des LG Deggendorf vom 27.01.2014 (Az. 23 O 375/12) wird zurückgewiesen.

2. Das Urteil des Landgerichts Deggendorf ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Die Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Ersatz von Behandlungskosten, Verdienstausfall, Haushaltsführungsschaden, Schmerzensgeld sowie Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige Schäden nach einem Verkehrsunfall vom 07.01.2012 auf der G. straße in D. geltend. Die Klägerin saß als angeschnallte Beifahrerin in dem von ihrem Ehemann gesteuerten Pkw. Als dieser an einer Rotlicht zeigenden Ampel anhielt, fuhr die Beklagte zu 2) mit dem bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten Pkw Skoda auf das Heck des Pkw Seat Altea des Ehemannes der Klägerin auf, wodurch Sachschaden an diesem Pkw in Höhe von 618,81 € entstand. Die Klägerin ging in der Folgewoche ihrer Tätigkeit als Kindergärtnerin (6 Stunden/tgl.) nach und begab sich wegen Beschwerden im Bereich der HWS und des Nackens sowie Verspannungen bis in den Kopf am Montag, dem 16.01.2012 in ärztliche Behandlung zu ihrem Hausarzt Dr. D., der ihr Arbeitsunfähigkeit bescheinigte und ein Rezept für Krankengymnastik ausstellte, worauf sich die Klägerin zum Sportmediziner Dr. O. begab. In der Folgezeit verschlimmerten sich die Beschwerden der Klägerin, sie war vom 16.01.2012 bis 10.06.2012 arbeitsunfähig krankgeschrieben, war bei mehreren weiteren Fachärzten für Unfallchirurgie, Chirurgie, Orthopädie, wurde über Monate hinweg mittels Injektionen in die Halswirbelsäule behandelt und nahm Schmerzmittel ein.

Die Klägerin trägt vor, die ziehenden Beschwerden im Bereich von HWS und Nacken seien erstmals am Folgetag aufgetreten und hätten sich in den Tagen nach dem Unfall und in der Folgewoche verschlimmert. Die ersten 6 Monate nach dem Unfall sei sie wie in einem Karussell gewesen, ständig sei sie gespritzt worden. Unfallbedingt würden bei der Klägerin, beginnend etwa 1 Jahr nach dem Unfall, nachts die Hände einschlafen, weshalb sie eine Handgelenksschiene benötige; bei Wetterumschwüngen habe sie Kopfdruck und sehe dementsprechend schlechter.

Die Beklagten bestreiten, dass die Klägerin bei dem Unfall verletzt wurde.

Hinsichtlich des weiteren Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 27.01.2014 (Bl. 126/138 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das LG Deggendorf hat nach Beweisaufnahme (insbesondere Erholung eines unfallanalytischen/verletzungsmechanischen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. R., Bl. 52/80 d. A.) sowie eines unfallchirurgischen Gutachtens der Sachverständigen Dr. med. B. (Bl. 95/111 d. A.) die Beklagten verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld von 300 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 46,41 € jeweils nebst Zinsen zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen.

Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 126/138 d.A).

Gegen dieses der Klägerin am 29.01.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem beim Oberlandesgericht München am 28.02.2014 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt (Bl. 144/155 d. A.) und diese mit einem beim Oberlandesgericht München am 28.03.2014 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 150/154 d. A.) begründet.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils werden die Berufungsbeklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Berufungsklägerin 11.021,64 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.219,03 € seit dem 13.04.2014, aus 1.313,32 € seit dem 24.04.2014, aus 301,38 € seit dem 26.05.2012 und aus 8.187,91 € seit dem 02.08.2012 zu zahlen, werden die Berufungsbeklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Berufungsklägerin ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, über den vom Landgericht Deggendorf zugesprochenen Betrag hinaus, mindestens jedoch 6.900 €, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.000 € seit dem 17.02.2012, aus 1.500 € seit dem 24.03.2012 und aus 5.000 € seit dem 02.08.2012 zu zahlen, wird festgestellt, dass die Berufungsbeklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Berufungsklägerin alle weiteren zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die der Berufungsklägerin aus dem Verkehrsunfall vom 07.01.2012 in Deggendorf noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden, werden die Berufungsbeklagten verurteilt, gesamtschuldnerisch an die Berufungsklägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.176,91 € abzüglich 46,41 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Klägerin angehört und ein nervenärztliches Gutachten nebst radiologischen Zusatzgutachten des Sachverständigen Dr. J. erholt sowie anschließend die Sachverständige Dr. B. zur Ergänzung und Erläuterung ihres schriftlichen Gutachtens angehört. Auf die Sitzungsniederschrift vom 13.06.2014 (Bl. 163/169 d. A.), den Beweisbeschluss vom 05.09.2014 (Bl. 177/182 d. A.), die Gutachten vom 10.11.2014 (Bl. 201/203, 204/206, 209/237 d. A.) und die Sitzungsniederschrift vom 16.01.2015 (Bl. 239/245 d. A.) wird Bezug genommen.

Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung vom 07.05.2014 (Bl. 159/161 d. A.), die weiteren im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze der Klägerin vom 23.10.2014, 10.11.2014 und 18.11.2014 (Bl. 196, 197, 207 d. A.) jeweils nebst Anlagen und der Beklagten vom 10.07.2014 (Bl. 170/171 d. A.), mit welchem ein im Termin vom 13.06.2014 geschlossener Vergleich widerrufen wurde, Bezug genommen.

B.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

I. Das Landgericht ging im Ergebnis zutreffend davon aus, dass die von der Klägerin geklagten Beschwerden jedenfalls ab 16.01.2012 nicht mehr mit der erforderlichen, aber auch ausreichenden Wahrscheinlichkeit gemäß § 287 ZPO dem Unfallereignis zuzuordnen sind. Die unfallbedingte Verletzung der Halswirbelsäule und die dadurch ausgelösten, dem Unfall zuzuordnenden Beschwerden für die Zeit vor dem 16.01.2012 sind durch das ausgeurteilte Schmerzensgeld ausreichend abgegolten. Da die Klägerin in der Woche nach dem Unfall trotz der vorhandenen Beschwerden ihrer Tätigkeit als Kindergärtnerin nachging, wies das Landgericht zutreffend darauf hin, dass es weiteren Vortrages bedurft hätte, inwieweit die Klägerin in diesem Zeitraum in ihrer Fähigkeit zur Haushaltsführung beeinträchtigt war. Ein solcher erfolgte auch im Berufungsverfahren nicht. Da Zukunftsschäden unfallbedingter Art nicht zu befürchten sind, ist für die Feststellung der Ersatzpflicht für Zukunftsschäden kein Raum.

1. Mit dem Nachweis, dass der Unfall zu einer HWS-Distorsionsverletzung und damit zu einer Körperverletzung der Klägerin geführt hat, steht der Haftungsgrund fest.

2. Ob über diese Primärverletzung hinaus der Unfall auch für weitere Beschwerden der Klägerin ursächlich ist, ist eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität, die sich gem. § 287 ZPO beurteilt (BGH VersR 2003, 474 = NJW 2003, 1116 = DAR 2003, 217; NJW 2004, 777 [778]; KG VersR 2004, 1193 = VRS 106 [2004] 260; Senat, Urt. v. 28.07.2006 - 10 U 1684/06 [Juris]; OLG Schleswig NZV 2007, 203; Müller VersR 2003, 137 [142 unter III 1, 2]). Bei der Ermittlung dieses Kausalzusammenhangs zwischen dem Haftungsgrund und dem eingetretenen Schaden unterliegt der Tatrichter also nicht den strengen Anforderungen des § 286 ZPO, vielmehr ist er nach Maßgabe des § 287 ZPO freier gestellt: Zwar kann der Tatrichter auch eine haftungsausfüllende Kausalität nur feststellen, wenn er von diesem Ursachenzusammenhang überzeugt ist; im Rahmen der Beweiswürdigung gem. § 287 ZPO werden aber geringere Anforderungen an seine Überzeugungsbildung gestellt - hier genügt, je nach Lage des Einzelfalls, eine höhere oder deutlich höhere Wahrscheinlichkeit für die Überzeugungsbildung (ausführlich BGH VersR 1970, 924 [926 f.]; NJW 1994, 3295 ff.; 2003, 1116 [1117]; 2004, 777 [778]; VersR 2005, 945 = NJW-RR 2005, 897 = DAR 2005, 441 = SP 2005, 259 = NZV 2005, 461 = MDR 2005, 1108 = VRS 109 [2005] 98 = r+s 2006, 38 = BGHReport 2005, 1107; Senat, Urt. v. 27.01.2006 - 10 U 4904/05 = NZV 2006, 261 [262], v. 28.07.2006 - 10 U 1684/06 [Juris] und v. 15.09.2006 - 10 U 3622/99 = r+s 2006, 474 546 m. zust. Anm. von Lemcke = NJW-Spezial 2006, 546 m. zust. Anm. von Heß/Burmann [Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH durch Beschluss v. 08.05.2007 - VI ZR 29/07 zurückgewiesen]; OLG Schleswig NZV 2007, 203 [204]).

§ 287 ZPO entbindet aber nicht vollständig von der grundsätzlichen Beweislastverteilung und erlaubt es nicht, zugunsten des Beweispflichtigen einen bestimmten Schadensverlauf zu bejahen, wenn nach den festgestellten Einzeltatsachen „alles offen“ bleibt oder sich gar eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Gegenteil ergibt (BGH VersR 1970, 924 [927]; Senat, Urt. v. 28.07.2006 - 10 U 1684/06 [Juris] und v. 15.09.2006 - 10 U 3622/99 = r+s 2006, 474 546 m. zust. Anm. von Lemcke = NJW-Spezial 2006, 546 m. zust. Anm. von Heß/Burmann [Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH durch Beschluss v. 08.05.2007 - VI ZR 29/07 zurückgewiesen]). Dies gilt insbesondere für neurologische Dauerfolgen, deren Eintritt oder Auslösung durch das Unfallgeschehen zunächst nicht zu erwarten war (BGH VersR 1970, 924 [927]; Senat a. a. O.).

Die bloße zeitliche Nähe zwischen einem Unfallereignis und der Entstehung der Beschwerden und die daran anknüpfende „gefühlsmäßige“ Wertung, beide Ereignisse müssten irgendwie miteinander in Zusammenhang stehen, reicht nicht aus (BGH NJW 2004, 777 [778] = NZV 2004, 27 = SP 2004, 40 = VersR 2004, 118 = DAR 2004, 81 = VRS [2004] 177 = zfs 2004, 159). Als Mindestmaß für die Beweisführung ist zu fordern, dass die unfallbedingte Entstehung und Fortdauer der behaupteten Beschwerden wahrscheinlicher ist als ihre unfallunabhängige Entstehung und Fortdauer (OLG Karlsruhe NZV 2001, 511; OLG Brandenburg VRS 107 [2004] 85; Senat, Urt. v. 21.05.2010 - 10 U 2853/06 [juris, Rz. 125]). Diese Beweisführung ist der Klägerin für die Beschwerden ab dem 16.01.2012 nicht gelungen.

a) Die Klägerin hat bei der Anhörung vor dem Landgericht (Bl. 43 d. A. Schmerzen im Brust- und Nackenbereich) und bei der Anamnese gegenüber der Sachverständigen Dr. B. (Bl. 100 d. A. ziehende Beschwerden an der Halswirbelsäule und im Nacken sowie Verspannungen bis in den Kopf) sowie gegenüber Dr. J. (Bl. 215 d. A. Schmerzen im Bereich beider Schultern, am Nacken, nach oben gehend zum Schädel; beginnende Kopfschmerzen in der Woche nach dem Unfall Bl. 216 d. A.) angegeben, dass die Beschwerden erstmals am nächsten Tag nach dem Aufstehen sowie im Lauf der Folgewoche auftraten, sie aber in dieser Woche zur Arbeit als Kindergärtnerin nachging; diese Tätigkeit ist auch mit dem Heben und Tragen von und dem Nachvornebeugen zu den Kindern verbunden.

Die beim Unfall selbst auftretende Belastung, der im Rahmen der Beweiswürdigung für die Frage der Verletzung und deren Folgen indizielle Bedeutung zukommt, war nach dem unfallanalytischen und biomechanischen Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. R. vom 03.05.2013 mit einer Geschwindigkeitsänderung am Pkw des Ehemannes der Klägerin mit 6 km/h bis 8 km/h und einer Fahrgastzellenbeschleunigung von 1,7 g bis 2,3 g gering. Einwände gegen das Gutachten wurden nicht erhoben, von der hervorragenden Sachkunde des Sachverständigen konnte sich der Senat aus einer Vielzahl erholter Gutachten und Anhörungen vor dem Senat überzeugen.

Die Klägerin erwähnte bei dem erstmaligen Arztbesuch am 16.01.2012, wie sich der Anlage K 1 (Stellungnahme des erstbehandelnden Arztes gegenüber der Versicherung vom 07.05.2012) entnehmen lässt, den Unfall nicht, brachte also selbst die seinerzeit von ihr geklagten und von der Sachverständigen Dr. B. als unspezifisch eingeordneten Beschwerden zunächst selbst nicht mit dem Unfall in Verbindung. Den im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen (Bericht von Dr. O. vom 03.02.2012 gegenüber dem erstbehandelnden Arzt; Bericht des Neurologen Dr. B. vom 30.01.2012 über die Behandlung am selben Tag) war zu entnehmen, dass die Klägerin bereits vor dem Unfall Schmerzen am Rippenbogen hatte und am 18.01.2012 beim Sportmediziner Dr. O. in Deggendorf zum Einrenken der Halswirbelsäule über einen Zeitraum von 30 min. war und es seitdem zu deutlichem Schwindel und wiederkehrenden Schwindelattacken kam. Erst in der Folgezeit erfolgten die permanenten Injektionen in die Halswirbelsäule und zunehmende Schmerzmittelgaben. Eine sog. out of position Sitzposition beim Unfall oder eine Kopfdrehung ist nicht vorgetragen (Bl. 43 d. A.). Die Klägerin war nicht bewusstlos, am Schädel waren keine äußerlich sichtbaren Verletzungsanzeichen, es bestehen keine Erinnerungslücken (Bl. 214 d. A.). Der Zustand der Klägerin nach dem Einrenken, das nach den Ausführungen der Sachverständigen Dr. B. zu einer Einwirkung auf die Halswirbelsäule führte, die um ein Vielfaches höher ist als die beim Unfall einwirkenden Kräfte, war dergestalt, dass sogar eine Verletzung der Halsgefäße befürchtet wurde und am 06.02.2012 eine MR-Untersuchung wegen „Schwindel nach Einrenken der Halswirbelsäule, Kopfschmerzen“ erfolgte (Anlage zum Gutachten Dr. B., Bl. 110 d. A.).

Eine relevant degenerativ vorgeschädigte Halswirbelsäule, was nach den Bekundungen der Sachverständigen Dr. B. die Annahme einer längeren Ausheilungszeit ermöglichen könnte, liegt, wie die Sachverständige dem erholten Zusatzgutachten (MRT der HWS Bl. 204/206 d. A.) entnehmen konnte, nicht vor.

Der Senat schließt sich daher dem Ergebnis der Sachverständigen an, wonach vorliegend, ausgehend von einer Ausheilungszeit von höchstens 5 bis 7 Tagen, unfallabhängige Beschwerden noch am 16.01.2012 nicht wahrscheinlich sind. Die von der Klägerin gegenüber dem Hausarzt erwähnten Beschwerden können ihre Ursache nach den Ausführungen der Sachverständigen auch in einem Verlegen haben. Eine Ausheilungszeitz von wenigen Tagen bis zu Wochen ist bei Verletzungen der Halswirbelsäule vom Schweregrad I nach Erdmann nach der Modifizierung von M. Keidel (Schleudertrauma der Halswirbelsäule, in: Brandt, T., H. C. Diener, J. Dichgans [Hrsg.], Therapie und Verlauf neurologischer Erkrankungen. 3. Aufl. Stuttgart 1998, S. 69-84) bzw. von 4 Tagen beim Schweregrad I nach QTF (Spitzer et al., Scientific Monograph of the Quebec Task Force on whiplash-associated disorders: Redefining „whiplash“ and its management, Spine 20, 1995, 1-73) auch in Betracht zu ziehen. Von der besonderen Sachkunde der Sachverständigen konnte sich der Senat aus einer Vielzahl erholter Gutachten und Anhörungen vor dem Senat bei Sachverhalten mit medizinisch vergleichbar gelagerten Problemen überzeugen.

Eine längere Ausheilungszeit ist vorliegend aufgrund der dargelegten Erwägungen aber nicht mit der für die Beweisführung erforderliche überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu bejahen.

b) Einer Anhörung der behandelnden Ärzte zum Kausalzusammenhang zwischen Unfall und Beschwerden bedurfte es vorliegend nicht. Die Feststellungen der behandelnden Ärzte sind zwar eine wichtige Erkenntnisquelle (BGH, Urt. v. VersR 2008, 1133 = NZV 2008, 502 [503]; OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.03.2002 - I - 1 U 142/01 [Juris]), genügen aber nicht zur Beweisführung für die regelmäßig entscheidende Frage des Kausalzusammenhangs (BGH NZV 2000, 121 unter II 1 a.E.; VersR 2008, 1133; OLG Hamm NZV 2001, 468; Senat, NZV 2003, 474 [475] - Revision vom BGH durch Beschl. v. 01.04.2003 - VI ZR 156/02 nicht angenommen; Urt. v. 28.07.2006 - 10 U 1684/06 [Juris] und v. 15.09.2006 - 10 U 3622/99 = r+s 2006, 474 m. zust. Anm. von Lemcke = NJW-Spezial 2006, 546 m. zust. Anm. von Heß/Burmann [Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH durch Beschluss v. 08.05.2007 - VI ZR 29/07 zurückgewiesen])

Der BGH führt in seinem Urteil vom 03.06.2008 (Az. VI ZR 235/07 = VersR 2008, 1133) insoweit aus: „Da der Arzt, der einen Unfallgeschädigten untersucht und behandelt, diesen nicht aus der Sicht eines Gutachters betrachtet, sondern ihn als Therapeut behandelt, steht für ihn die Notwendigkeit einer Therapie im Mittelpunkt, während die Benennung der Diagnose als solche für ihn zunächst von untergeordneter Bedeutung ist. Deshalb sind zeitnah nach einem Unfall erstellte ärztliche Atteste für den medizinischen Sachverständigen eher von untergeordneter Bedeutung (Mazzotti/Castro, NZV 2008, 113, 114). Eine ausschlaggebende Bedeutung wird solchen Diagnosen im Allgemeinen jedenfalls nicht beizumessen sein (so aber OLG Bamberg, a. a. O.). Im Regelfall wird das Ergebnis einer solchen Untersuchung nur als eines unter mehreren Indizien für den Zustand des Geschädigten nach dem Unfall Berücksichtigung finden können (Müller, VersR 2003, 137, 146; ebenso v. Hadeln, NZV 2001, 457, 458 f.). Eine Vernehmung der behandelnden Ärzte als Zeugen oder sachverständige Zeugen ist zudem entbehrlich, wenn das Ergebnis ihrer Befundung schriftlich niedergelegt, vom Sachverständigen gewürdigt und in die Beweiswürdigung einbezogen worden ist, denn bei der Frage nach einem Zusammenhang der geltend gemachten Beschwerden mit dem Unfallgeschehen kommt es allein auf die Beurteilung durch Sachverständige und nicht auf die Aussagen von Zeugen an (Senatsurteile vom 16. November 1999 - VI ZR 257/98 - VersR 2000, 372, 373 und vom 20. März 2007 - VI ZR 254/05 - VersR 2008, 235, 237 f.).“

Die Ergebnisse der Untersuchung und Befundung der behandelnden Ärzte wurden von der gerichtlichen Sachverständigen bei der Gutachtenerstattung berücksichtigt.

c) Zwar ist in Betracht zu ziehen, dass die Fortdauer der Beschwerden über den 18.01.2012 hinaus ihre Ursache in den durchgeführten Eingriffen hat, bestehend in dem zu Schwindel führenden Einrenken der Halswirbelsäule und den folgenden ständigen Injektionen.

(1) Es fehlt aber insoweit an einem haftungsrechtlichen Zusammenhang mit dem Unfall. Die Klägerin begab sich bereits nicht wegen des Unfalls zu Arzt. Überdies waren die medizinischen Eingriffe gegen die Halswirbelsäule ab 18.01.2012 nach den Bekundungen der Sachverständigen massiv, ohne Erholungsmöglichkeit für die Halswirbelsäule der Klägerin und aus medizinischer Sicht nicht nachvollziehbar. Für eine derartige Fehlbehandlung braucht der Unfallverursacher nicht einzustehen.

(2) Maßgeblich ist weiter ein objektivierter, fachärztlicher Standard (BGH NJW 2003, 2311). Die eingeleiteten Maßnahmen waren auf dem Hintergrund der Behandlungsleitlinien in Intensität und Häufung nach den Ausführungen der Sachverständigen völlig ungewöhnlich. Es liegt damit aber ein grober Behandlungsfehler vor, für dessen Folgen der Schädiger selbst dann nicht in Anspruch genommen werden kann, wenn sich der an Körper oder Gesundheit verletzte Geschädigte wegen unfallbedingter Befindlichkeitsstörungen mit Krankheitswert in Behandlung begibt.

d) Die Behauptung der Klagepartei, unfallbedingt würden bei der Klägerin, beginnend etwa 1 Jahr nach dem Unfall, nachts die Hände einschlafen, weshalb sie eine Handgelenksschiene benötige und bei Wetterumschwüngen habe sie unfallbedingt Kopfdruck und sehe schlechter, ist ebenfalls nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit gem. § 287 ZPO bewiesen. Nach dem Ergebnis des nervenärztlichen Gutachtens, gegen das nach Einräumung einer diesbezüglichen Schriftsatzfrist Einwände nicht erhoben wurden, kam es durch das Unfallereignis zu keiner Verletzung an den Strukturen des Nervensystems gleich welcher Lokalisation, so dass das Einschlafen der Hände, der Kopfdruck und die Sehverschlechterung sowie das beginnende Karpaltunnelsyndrom nicht auf das Unfallereignis zurückgeführt werden können. Von der Sachkunde des Sachverständigen konnte sich der Senat aus einer Vielzahl erholter Gutachten und Anhörungen vor dem Senat mit medizinisch ähnlichen Sachverhalten überzeugen.

e) Da die Sehverschlechterung nach dem Vorbringen der Klägerin (Bl. 165 d. A.) in Verbindung mit dem Kopfdruck bei Wetterumschwüngen auftritt, die die Sehverschlechterung auslösenden Beschwerden aber nach den erholten Gutachten nicht auf das Unfallereignis zurückgeführt werden können, bedurfte es vorliegend keines weiteren augenfachärztlichen Gutachtens.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht München Urteil, 06. März 2015 - 10 U 824/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht München Urteil, 06. März 2015 - 10 U 824/14

Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht München Urteil, 06. März 2015 - 10 U 824/14 zitiert 4 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung


(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit e

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Oberlandesgericht München Urteil, 06. März 2015 - 10 U 824/14 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Oberlandesgericht München Urteil, 06. März 2015 - 10 U 824/14 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 20. März 2007 - VI ZR 254/05

bei uns veröffentlicht am 20.03.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 254/05 Verkündet am: 20. März 2007 Böhringer-Mangold, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juni 2007 - VI ZR 29/07

bei uns veröffentlicht am 12.06.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZR 29/07 vom 12. Juni 2007 in dem Rechtsstreit Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Juni 2007 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pa

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Nov. 2002 - VI ZR 156/02

bei uns veröffentlicht am 08.11.2002

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZR 156/02 vom 8. November 2002 in dem Rechtsstreit Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen, die Richter Stöhr und Zoll a

Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juni 2008 - VI ZR 235/07

bei uns veröffentlicht am 03.06.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 235/07 Verkündet am: 3. Juni 2008 Holmes Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Oberlandesgericht München Urteil, 06. März 2015 - 10 U 824/14.

Oberlandesgericht München Endurteil, 19. Aug. 2016 - 10 U 1524/16

bei uns veröffentlicht am 19.08.2016

Tenor 1. Auf die Berufung der Beklagten vom 07.04.2016 wird das Endurteil des LG Ingolstadt vom 22.02.2016 (Az. 34 O 1006/15) samt dem ihm zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidun

Referenzen

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR 29/07
vom
12. Juni 2007
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Juni 2007 durch die Vizepräsidentin
Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und
die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Die Anhörungsrüge der Klägerin vom 29. Mai 2007 gegen den Senatsbeschluss vom 8. Mai 2007 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rügeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe:

1
Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Gehörsrüge ist nicht begründet.
2
Die Gerichte sind nach Art. 103 Abs. 1 GG nur verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hingegen ist es nicht erforderlich, alle Einzelpunkte des Parteivortrags auch ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 96, 205, 216 f.; BGH, Beschluss NJW 2005, 1432). Der Senat hat bei der Entscheidung über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde das mit der Anhörungsrüge der Klägerin wiederholte Vorbringen in vollem Umfang geprüft und für nicht durchgreifend erachtet.
3
Das Berufungsgericht hat verfahrensfehlerfrei festgestellt, dass die Unfallverletzung innerhalb von sieben Wochen ausgeheilt war und die Beschwerden der Klägerin erst spät nach dem Unfallereignis eingetreten sind. Im Hinblick darauf hat es gemäß § 287 ZPO keinen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Beschwerdebild feststellen können. Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 26.04.1999 - 17 O 6931/92 -
OLG München, Entscheidung vom 15.09.2006 - 10 U 3622/99 -

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR 29/07
vom
12. Juni 2007
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Juni 2007 durch die Vizepräsidentin
Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und
die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Die Anhörungsrüge der Klägerin vom 29. Mai 2007 gegen den Senatsbeschluss vom 8. Mai 2007 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rügeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe:

1
Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Gehörsrüge ist nicht begründet.
2
Die Gerichte sind nach Art. 103 Abs. 1 GG nur verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hingegen ist es nicht erforderlich, alle Einzelpunkte des Parteivortrags auch ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 96, 205, 216 f.; BGH, Beschluss NJW 2005, 1432). Der Senat hat bei der Entscheidung über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde das mit der Anhörungsrüge der Klägerin wiederholte Vorbringen in vollem Umfang geprüft und für nicht durchgreifend erachtet.
3
Das Berufungsgericht hat verfahrensfehlerfrei festgestellt, dass die Unfallverletzung innerhalb von sieben Wochen ausgeheilt war und die Beschwerden der Klägerin erst spät nach dem Unfallereignis eingetreten sind. Im Hinblick darauf hat es gemäß § 287 ZPO keinen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Beschwerdebild feststellen können. Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 26.04.1999 - 17 O 6931/92 -
OLG München, Entscheidung vom 15.09.2006 - 10 U 3622/99 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR 156/02
vom
8. November 2002
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin
Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen, die Richter Stöhr
und Zoll
am 8. November 2002

beschlossen:
Der Antrag der Klägerin, ihr einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wird abgelehnt.

Gründe:

Durch Beschluß vom 8. Oktober 2002 hat der erkennende Senat den Antrag der Klägerin auf Prozeßkostenhilfe abgelehnt, weil die beab-sichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Für die Beiordnung eines Rechtsanwalts als sogenannten „Notanwalt“ gemäß § 78 b ZPO ist zwar eine „hinreichende“ Aussicht auf Erfolg nicht erforderlich. Eine solche Beiordnung setzt jedoch voraus, daß die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Nach erneuter Prüfung sieht der erkennende Senat die Rechtsverfolgung jedoch auch als aussichtslos an, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Ursächlichkeit des Verkehrsunfalls vom 12. Januar 1996 für die geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin nicht nachgewiesen sind und ein für sie günstiges Ergebnis auch bei anwaltlicher Beratung ganz offenbar nicht erreicht werden kann. Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR 29/07
vom
12. Juni 2007
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Juni 2007 durch die Vizepräsidentin
Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und
die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Die Anhörungsrüge der Klägerin vom 29. Mai 2007 gegen den Senatsbeschluss vom 8. Mai 2007 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rügeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe:

1
Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Gehörsrüge ist nicht begründet.
2
Die Gerichte sind nach Art. 103 Abs. 1 GG nur verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hingegen ist es nicht erforderlich, alle Einzelpunkte des Parteivortrags auch ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 96, 205, 216 f.; BGH, Beschluss NJW 2005, 1432). Der Senat hat bei der Entscheidung über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde das mit der Anhörungsrüge der Klägerin wiederholte Vorbringen in vollem Umfang geprüft und für nicht durchgreifend erachtet.
3
Das Berufungsgericht hat verfahrensfehlerfrei festgestellt, dass die Unfallverletzung innerhalb von sieben Wochen ausgeheilt war und die Beschwerden der Klägerin erst spät nach dem Unfallereignis eingetreten sind. Im Hinblick darauf hat es gemäß § 287 ZPO keinen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Beschwerdebild feststellen können. Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 26.04.1999 - 17 O 6931/92 -
OLG München, Entscheidung vom 15.09.2006 - 10 U 3622/99 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 235/07 Verkündet am:
3. Juni 2008
Holmes
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die beantragte Einholung eines fachmedizinischen Gutachtens zum Beweis des Ursachenzusammenhangs
zwischen einem Unfall und vorhandenen Beschwerden ist
nur dann nicht erforderlich, wenn auszuschließen ist, dass die Partei damit den Beweis
der Unfallursächlichkeit führen kann.
BGH, Urteil vom 3. Juni 2008 - VI ZR 235/07 - LG München I
AG München
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Juni 2008 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 6. September 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten um restliche Schadensersatzansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich am 6. März 2003 gegen 9:30 Uhr ereignete. Als die Klägerin mit ihrem PKW VW Golf an einer Kreuzung vor einer Lichtzeichenanlage , die für sie Rotlicht zeigte, hielt, fuhr ein Mercedes Kombi, dessen Halterin die Beklagte zu 1 und dessen Haftpflichtversicherer die Beklagte zu 2 ist, von hinten auf ihr Fahrzeug auf. Die volle Haftung der Beklagten steht dem Grunde nach außer Streit. An dem PKW der Klägerin entstand ein Sachschaden von 786,04 €, an dem anderen Fahrzeug ein solcher von 1.810,35 €.
2
Die Klägerin behauptet, sie habe bei dem Unfall ein HWSSchleudertrauma und eine schwere Kniegelenksdistorsion rechts erlitten und sei deshalb vom 6. März bis 9. April 2003 arbeitsunfähig gewesen. Sie begehrt ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 2.000,00 €, Ersatz von Heilbehandlungskosten in Höhe von 646,19 € und Ausgleich eines Verdienstausfallschadens in Höhe von 2.208,64 €.
3
Das Amtsgericht hat ein biomechanisches Sachverständigengutachten des Diplom-Ingenieurs und Humanbiologen Dr. A. eingeholt und die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin nach Einholung eines Ergänzungsgutachtens und persönlicher Anhörung des Sachverständigen zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass die von der Klägerin geklagten Beschwerden nicht auf den Verkehrsunfall zurückzuführen seien. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei das Beklagtenfahrzeug mit einer Kollisionsgeschwindigkeit von etwa 5 bis 8 km/h aufgefahren. Dadurch sei der PKW der Klägerin um ca. 5 bis 6 km/h beschleunigt worden. 6 km/h sei aufgrund des Schadensbildes an beiden Fahrzeugen die maximal mögliche Geschwindigkeitsänderung des klägerischen Fahrzeugs. Dieses sei mit einer Spitzenbeschleunigung von gerundet ca. 2,4 bis 3,5 g nach vorne beschleunigt worden. Wenn die Klägerin, die zum Unfallzeitpunkt mit beiden Füßen das Kupplungs- und das Bremspedal bedient habe, aufgrund der unfallbedingten Beschleunigung mit ihrem rechten Knie in der vom Sachverständigen beschriebenen dritten Bewegungsphase (sog. Rebound) die Lenkradsäule berührt haben sollte, hätte dies allenfalls mit einer Relativgeschwindigkeit von 2 bis maximal 3 km/h erfolgen können. Ein derart leichter Anstoß reiche nicht aus, um eine Kontusion oder gar eine Kniegelenksdistorsion herbeizuführen. Auch ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und der HWS-Distorsion sei nicht mit hinreichender Sicherheit nachweisbar. Bei der von den behandelnden Ärzten gestellten Diagnose handele es sich um eine nicht objektivierbare Verdachtsdiagnose. Morphologisch fassbare Befunde lägen nicht vor. Die unfallbedingte Belastung der Halswirbelsäule habe für das Entstehen einer HWS-Distorsion nicht ausgereicht. Die im Bereich des Kopf-Hals-Systems aufgetretene maximale Spitzenbeschleunigung von 2,5 g habe dazu geführt, dass zwischen Kopf und Hals Spitzenkräfte der Größenordnung von 30 Newton und im Bereich zwischen Hals- und Brustwirbelsäule Spitzenkräfte von maximal 55 Newton eingewirkt hätten. Dies seien Belastungen des täglichen Lebens. Die Klägerin verfüge über eine normale Konstitution und eine normal ausgebildete Muskulatur im Halsbereich. Degenerative Vorschäden seien nicht vorhanden.
5
Der Sachverständige Dr. A. verfüge als Biomechaniker über die zur Beurteilung der maßgeblichen Fragen erforderliche Sachkunde. Wenn ein biomechanisches Gutachten - wie hier - zu dem Ergebnis komme, dass eine Kausalität zwischen den behaupteten Verletzungen und dem Unfallgeschehen nicht hinreichend nachweisbar oder gar auszuschließen sei, sei eine weitere Begutachtung nicht erforderlich. Insbesondere sei in einem solchen Fall kein fachmedizinisches Gutachten einzuholen. Ein solches könne im besten Fall vorhandene Beschwerden verifizieren, es könne aber nicht bewerten, ob diese auf dem Unfall beruhen. Die Unfallursächlichkeit könne vorliegend auch weder durch Vernehmung der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen noch durch Vernehmung des Ehemannes, von Arbeitskollegen und Freunden als Zeugen geklärt werden. Diesen Beweisanträgen der Klägerin sei deshalb ebenso wenig nachzugehen wie ihrem Antrag auf Parteivernehmung oder Anhörung.

II.

6
Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
7
1. Im Ansatz zutreffend legt das Berufungsgericht allerdings der von ihm vorgenommenen Prüfung, ob die von der Klägerin geklagten Beschwerden auf den Unfall zurückzuführen sind, die strengen Anforderungen des Vollbeweises gemäß § 286 ZPO zugrunde, denn die Frage, ob sich die Klägerin überhaupt eine Verletzung zugezogen hat, betrifft den nach dieser Vorschrift zu führenden Nachweis der haftungsbegründenden Kausalität (BGHZ 4, 192, 196; Senatsurteile vom 11. Juni 1968 - VI ZR 116/67 - VersR 1968, 850, 851; vom 20. Februar 1975 - VI ZR 129/73 - VersR 1975, 540, 541 und vom 21. Oktober 1986 - VI ZR 15/85 - VersR 1987, 310, jeweils m.w.N.).
8
Danach hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Die nach § 286 ZPO erforderliche Überzeugung des Richters erfordert keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine "an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit", sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (st. Rspr.; vgl. BGHZ 53, 245, 256; BGH, Urteil vom 18. April 1977 - VIII ZR 286/75 - VersR 1977, 721 und Senatsurteil vom 9. Mai 1989 - VI ZR 268/88 - VersR 1989, 758, 759). Die Würdigung von Sachverständigengutachten ist als Bestandteil der Beweiswürdigung grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß § 559 ZPO gebunden ist. Dieses kann lediglich nachprüfen, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr., vgl. z.B. BGHZ 160, 308, 317 m.w.N.; Senatsurteil vom 1. Oktober 1996 - VI ZR 10/96 - VersR 1997, 362, 364).
9
2. Diese Grundsätze zieht die Revision nicht in Zweifel. Sie rügt jedoch eine unzureichende Sachaufklärung durch das Berufungsgericht und beanstandet , dass dieses seine Beurteilung, die Ursächlichkeit des Unfalls für die von der Klägerin geklagten Beschwerden sei nicht nachgewiesen, allein auf die Bewertung des Sachverständigen Dr. A. gestützt und von einer weiteren Sachaufklärung abgesehen hat.
10
a) Dabei wendet sich die Revision nicht dagegen, dass eine Vernehmung der behandelnden Ärzte in den Tatsacheninstanzen unterblieben ist. Sie rügt vielmehr, das Berufungsgericht habe die in den von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Attesten dokumentierten Diagnosen nicht in ausreichendem Maße gewürdigt.
11
aa) Welche Bedeutung der medizinischen Erstuntersuchung nach einem Verkehrsunfall zukommt, ist umstritten. So wird in der Rechtsprechung die Frage , inwieweit aus dem Ergebnis einer Erstuntersuchung - wie z.B. der hiernach erfolgten ärztlichen Verordnung einer so genannten Schanz’schen Krawatte - Schlüsse auf den damaligen Befund gezogen werden können, unterschiedlich beurteilt (vgl. OLG Karlsruhe, NZV 2001, 511; OLG Hamm, VersR 2002, 992, 994; OLG München, r+s 2002, 370, 371; a.A. OLG Bamberg, NZV 2001, 470). Da der Arzt, der einen Unfallgeschädigten untersucht und behandelt, diesen nicht aus der Sicht eines Gutachters betrachtet, sondern ihn als Therapeut behandelt , steht für ihn die Notwendigkeit einer Therapie im Mittelpunkt, während die Benennung der Diagnose als solche für ihn zunächst von untergeordneter Bedeutung ist. Deshalb sind zeitnah nach einem Unfall erstellte ärztliche Atteste für den medizinischen Sachverständigen eher von untergeordneter Bedeutung (Mazzotti/Castro, NZV 2008, 113, 114). Eine ausschlaggebende Bedeutung wird solchen Diagnosen im Allgemeinen jedenfalls nicht beizumessen sein (so aber OLG Bamberg, aaO). Im Regelfall wird das Ergebnis einer solchen Untersuchung nur als eines unter mehreren Indizien für den Zustand des Geschädigten nach dem Unfall Berücksichtigung finden können (Müller, VersR 2003, 137, 146; ebenso v. Hadeln, NZV 2001, 457, 458 f.). Eine Vernehmung der behandelnden Ärzte als Zeugen oder sachverständige Zeugen ist zudem entbehrlich, wenn das Ergebnis ihrer Befundung schriftlich niedergelegt, vom Sachverständigen gewürdigt und in die Beweiswürdigung einbezogen worden ist, denn bei der Frage nach einem Zusammenhang der geltend gemachten Beschwerden mit dem Unfallgeschehen kommt es allein auf die Beurteilung durch Sachverständige und nicht auf die Aussagen von Zeugen an (Senatsurteile vom 16. November 1999 - VI ZR 257/98 - VersR 2000, 372, 373 und vom 20. März 2007 - VI ZR 254/05 - VersR 2008, 235, 237 f.).
12
bb) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht den Beweiswert der von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Atteste nicht verkannt. Dass es die dort dokumentierten Befunde wie Übelkeit, Kopfschmerzen, Bewegungseinschränkungen , Druckschmerzhaftigkeit und Muskelverhärtungen als wenig aussagekräftig gewürdigt hat, ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Die genannten Befunde, die teilweise allein auf Schilderungen der Klägerin beruhen, sind im Wesentlichen unspezifisch, da sie sowohl bei un- fallunabhängigen als auch bei unfallabhängigen Beschwerdebildern insbesondere der Halswirbelsäule vorliegen können. Sie sind, wie klinische Erfahrungen und Studien ergeben haben, ebenso wenig verletzungstypisch wie etwa auch ein röntgenologischer Befund einer Steilstellung der Halswirbelsäule (Mazzotti/Castro, aaO m.w.N.).
13
b) Die Revision beanstandet jedoch mit Erfolg, dass das Berufungsgericht den Beweis eines Ursachenzusammenhangs zwischen dem Verkehrsunfall der Klägerin und den von ihr danach beschriebenen Beschwerden, deren Vorhandensein es für sein Urteil als wahr unterstellt hat, auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Dr. A. als nicht geführt angesehen hat.
14
aa) Der gerichtliche Sachverständige verneint einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den geklagten Beschwerden im Halsbereich mit der Begründung, dass die im Streitfall anzunehmende kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung von 5 bis 6 km/h zu einer Relativbewegung der Fahrzeuginsassin gegenüber der Fahrgastzelle geführt habe, dieser Bewegungsbeginn aber noch kein verletzungsmechanisch relevantes Potenzial gehabt haben könne, es sei denn, es hätten gravierende degenerative Veränderungen vorgelegen, was nach den ärztlichen Feststellungen aufgrund der durchgeführten Röntgenuntersuchung bei der Klägerin aber gerade nicht der Fall gewesen sei. Die Belastungen, denen diese ausgesetzt gewesen sei, hätten sich lediglich in einem Bereich bewegt, wie er auch im täglichen Leben vorkomme , so beispielsweise, wenn man sich in einen Stuhl hineinfallen lasse oder wenn man bei sportlicher Betätigung angerempelt werde. Diese biomechanisch ausgerichtete Betrachtungsweise wird den an die Beurteilung des Kausalitätszusammenhangs zu stellenden Anforderungen nicht gerecht. Das gilt auch für die Bewertung, wonach ein Anstoß des Knies mit einer Relativgeschwindigkeit von 2 bis 3 km/h nicht ausreiche, um eine Kontusion oder gar eine schwere Kniegelenksdistorsion herbeizuführen.
15
bb) Wie der Sachverständige Dr. A. bei der mündlichen Erläuterung seiner Gutachten selbst eingeräumt hat, gibt es auch unter biomechanischen Gesichtspunkten keine starre Grenze hinsichtlich der kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung für die Verursachung einer Verletzung an der Halswirbelsäule. Bei der Prüfung, ob ein Unfall eine solche Verletzung verursacht hat, sind vielmehr stets die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Gegen die schematische Annahme einer "Harmlosigkeitsgrenze" spricht, dass die Beantwortung der Kausalitätsfrage nicht allein von der kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung , sondern daneben von einer Reihe anderer Faktoren abhängt, wobei u.a. auch der Sitzposition des betreffenden Fahrzeuginsassen Bedeutung beizumessen sein kann (Senatsurteil vom 28. Januar 2003 - VI ZR 139/02 - VersR 2003, 474, 475 m.w.N.). Die Klägerin hat zum Beweis der Ursächlichkeit des Unfalls für ihre Beschwerden die Einholung eines fachmedizinischen Sachverständigengutachtens beantragt. Diesem Beweisantrag hätte das Berufungsgericht unter den Umständen des Falles nachgehen müssen. Seine Erwägung , wonach ein medizinisches Gutachten im Streitfall keine weiteren Aufschlüsse liefern könne, beruht, wie die Revision mit Recht geltend macht, auf einer unzulässigen vorweggenommenen Beweiswürdigung.
16
cc) Die Einholung eines medizinischen Gutachtens wäre nur dann nicht erforderlich, wenn auszuschließen wäre, dass die Klägerin damit den Beweis der Unfallursächlichkeit führen könnte. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall und kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht im Hinblick auf die Beurteilung des Sachverständigen Dr. A. bejaht werden, denn nach den getroffenen Feststellungen verfügt dieser als Biomechaniker nicht über die erforderliche medizinische Fachkompetenz (vgl. hierzu Mazzotti/Castro, NZV 2008, 16 und 113, 114). Die Aussagekraft seiner Beurteilung leidet auch darunter , dass seine Begutachtung notgedrungen ohne eine eigene medizinische Untersuchung der Klägerin erfolgt ist, sodass sich seine Aussagen zur Konstitution der Klägerin und zur Belastbarkeit ihres Kopf-Hals-Bereichs als problematisch erweisen. Deshalb war die Einholung eines fachmedizinischen Gutachtens im Streitfall auch nicht etwa mit Rücksicht darauf entbehrlich, dass sich Dr. A. als Biomechaniker auf Verletzungen aufgrund von Verkehrsunfällen spezialisiert und an der medizinischen Fakultät einer Hochschule über Toleranzgrößen von Schädel-Hirn-Traumen promoviert hat. Seine auf diesem Gebiet erworbenen Spezialkenntnisse lassen, wie die Revision mit Recht geltend macht, keinen Rückschluss darauf zu, ob er für die hier zu beurteilenden Fragen über den Kenntnisstand eines Fachmediziners verfügt. Das Berufungsgericht legt auch nicht dar, dass es selbst über ausreichende eigene Sachkunde verfügt und deshalb die Einholung eines fachmedizinischen Gutachtens entbehrlich gewesen wäre.
17
3. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit dieses die erforderlichen Feststellungen nachholen kann. Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 09.02.2006 - 331 C 14009/04 -
LG München I, Entscheidung vom 06.09.2007 - 19 S 4629/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 254/05 Verkündet am:
20. März 2007
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Schweigen der Parteien auf die Anordnung des schriftlichen Verfahrens "im
vermuteten Einverständnis der Parteien" bedeutet grundsätzlich keine Zustimmung
Das Gericht darf die beweisbelastete Partei nicht allein wegen einer nach Nichtzahlung
eines Auslagenvorschusses (§ 379 ZPO) oder nach Versäumung einer
Ausschlussfrist (§ 356 ZPO) fehlenden Möglichkeit des Sachverständigenbeweises
als beweisfällig ansehen, sondern muss versuchen, vor Erlass einer
Entscheidung zunächst die beweiserhebliche Frage in anderer Weise auf Grund
des Parteivortrags und der verfügbaren Beweismittel zu klären.
Es ist nicht Aufgabe eines Zeugen, auf Grund von Erfahrungssätzen oder besonderen
Fachkenntnissen Schlussfolgerungen aus einem feststehenden
Sachverhalt zu ziehen oder dem Gericht allgemeine Erfahrungssätze oder be-
sondere Kenntnis in einem jeweiligen Wissensgebiet - wie hier in einem regionalen
Mietwagenmarkt - zu vermitteln (Anschluss an BGH, Urteil vom
23. November 1973 - I ZR 59/72 - MDR 1974, 382).
BGH, Urteil vom 20. März 2007 - VI ZR 254/05 - LG Bochum
AG Herne-Wan
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. März 2007 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter
Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 28. Oktober 2005 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin und ein Versicherungsnehmer der Beklagten waren an einem Verkehrsunfall vom 30. Juni 2001 beteiligt. Die Beklagte ist für die entstandenen Schäden in voller Höhe eintrittspflichtig. Die Parteien streiten ausschließlich noch um die Erstattung der Kosten für einen Mietwagen, den die Klägerin am Unfalltag, einem Samstag, um 12.15 Uhr zu einem so genannten Unfallersatztarif für elf Tage bei der B. Autovermietung GmbH angemietet hatte. Die Beklagte hat auf den ursprünglich verlangten Betrag von 1.789,52 € abzüglich ersparter Eigenaufwendungen in Höhe von 10 % des reinen Mietzinses abzüglich hälftiger Vollkaskokosten in Höhe von 66,47 € insgesamt 848,74 € gezahlt. Mit der Klage hat die Klägerin die Zahlung des Restbetrages von 695,36 € nebst Zinsen geltend gemacht.
2
Das Amtsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zunächst am 8. Juli 2005 einen Beweisbeschluss erlassen, nach welchem ein Sachverständigengutachten zur betriebswirtschaftlichen Kalkulation des Unfallersatztarifs sowie zu den auf dem regionalen Markt im Unfallzeitpunkt angebotenen Normaltarifen eingeholt werden sollte. Die Einholung des Gutachtens hat es davon abhängig gemacht, dass die Klägerin binnen vier Wochen einen Auslagenvorschuss von vorläufig 7.000 € einzahle. Trotz nochmaliger Fristsetzung mit Beschluss vom 30. August 2005, mit dem zugleich im vermuteten Einverständnis der Parteien das schriftliche Verfahren angeordnet, eine Frist für die Einreichung von Schriftsätzen bestimmt und ein Termin zur Verkündung einer Entscheidung anberaumt worden ist, hat die Klägerin den verlangten Vorschuss nicht bezahlt. Darauf hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, dass es sich bei den über den bereits bezahlten Betrag hinaus begehrten Mietwagenkosten um objektiv erforderliche Kosten und damit um einen erstattungsfähigen Schaden handele. Die Beklagte habe der Verwertung der von der Klägerin hierzu vorgelegten Privatgutachten widersprochen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei mit Beweisbeschluss von der Einzahlung eines Kostenvorschusses von 7.000 € abhängig gemacht worden. Diesen Vorschuss habe die Klägerin aber nicht innerhalb der mit Beschluss vom 30. August 2005 gesetzten Frist bezahlt und sei daher beweisfällig geblieben.
4
Es sei davon auszugehen, dass der Klägerin ein günstigerer Normaltarif ohne weiteres zugänglich gewesen sei. Der Klägerin sei durch die Erwähnung eines "Bartarifs" ihres Vermieters im Mietvertrag bekannt gewesen, dass es neben dem Unfallersatztarif noch andere Tarife gegeben habe. Der Klägerin habe sich die Frage nach einem günstigeren Tarif aufdrängen müssen. Der "Bartarif" sei, wie zugunsten der Klägerin zu unterstellen sei, bei der B. Autovermietung GmbH nur gegen Vorlage einer Kreditkarte oder gegen Vorauszahlung eines erheblichen, nahezu die gesamte Mietzeit umfassenden Betrages zu erhalten gewesen. Die Klägerin habe nach ihrem Vortrag nicht über eine Kreditkarte verfügt. Ob der Klägerin eine erhebliche Vorschusszahlung möglich oder zumutbar gewesen sei, könne offen bleiben. Ihr sei nämlich zumutbar gewesen, ein bis zwei Vergleichsangebote einzuholen. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Klägerin bei anderen Vermietern eine Anmietung nur zu den genannten Bedingungen möglich gewesen wäre. Auch insoweit habe die Klägerin den ihr obliegenden Beweis nicht erbracht, weil sie den insgesamt angeforderten Vorschuss nicht gezahlt habe. Hiernach könne nur eine Abrechnung auf der Grundlage eines Normaltarifs erfolgen. Dann aber sei davon auszugehen, dass die Beklagte mit ihrer Zahlung den erforderlichen Herstellungsaufwand ausgeglichen habe. Auf der Grundlage der SchwackeListe 2000 sei eine Anmietung zu dem gezahlten Gesamtbetrag möglich gewesen.

II.

5
Die angefochtene Entscheidung hält den Angriffen der Revision nicht stand.
6
1. Das Berufungsurteil ist nicht aufgrund mündlicher Verhandlung, sondern im schriftlichen Verfahren (vgl. § 128 Abs. 2 ZPO) ergangen. Auf Verfahrensfehler in diesem Zusammenhang kann sich die Revision jedoch nicht mit Erfolg stützen.
7
Die Zustimmung zum schriftlichen Verfahren muss als einseitige, prozessgestaltende Erklärung klar, eindeutig und vorbehaltlos erfolgen (vgl. BAG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 5 AZR 248/92 - NZA 1994, 381, 382; BVerwGE 62, 6, 8 f.; BFH, BFHE 160, 405, 408; 166, 415, 417), unterliegt aber nicht der Schriftform (vgl. BAG aaO; BSG, Urteil vom 27. Oktober 1967 - 2 RU 54/64 - Die Kriegsopferversorgung 1968, 179; a.A. Musielak/Stadler, ZPO, 5. Aufl., § 128 Rn. 12; MünchKomm-ZPO/Peters, 2. Aufl., § 128 Rn. 24 f.).
8
Das Schweigen der Klägerin auf die Anordnung des schriftlichen Verfahrens im Beschluss vom 30. August 2005 durfte das Berufungsgericht dennoch nicht als Zustimmung deuten. Das Abweichen von dem Grundsatz, dass die Verhandlung mündlich ist (§ 128 Abs. 1 ZPO), kann nur durch eine zweifelsfreie Erklärung der Parteien gerechtfertigt werden, die in einem Schweigen dann nicht gesehen werden kann, wenn nicht besondere Umstände hierzu Anlass geben. Die Nichtbeantwortung einer gerichtlichen Anfrage kann nicht als solcher Umstand gewertet werden (vgl. BGH, Urteil vom 9. Januar 1961 - III ZR 174/59 - BB 1961, 494; OLG München NJW 1955, 995, 996¸ Wieczorek, ZPO, 2. Aufl., § 128 Anm. J II c 2; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 128 Rn. 57; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 128 Rn. 4; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann , ZPO, 65. Aufl., § 128 Rn. 19; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 27. Aufl., § 128 Rn. 26). Die Klägerin hat zwar in ihrem Schriftsatz vom 6. Oktober 2005 der Anordnung des schriftlichen Verfahrens nicht widersprochen, sondern sich sogar an die im Beschluss vom 30. August gesetzte Frist gehalten. Schweigen kann aber nur dann als Zustimmung gemäß § 128 Abs. 2 Satz 1 ZPO gewertet werden, wenn eine Pflicht zur Erklärung besteht. Eine solche Pflicht kann das Gericht den Parteien nicht dadurch auferlegen, dass es gegen ihren Willen eine Abweichung von dem Grundsatz mündlicher Verhandlung ankündigt, falls dem nicht binnen gesetzter Frist widersprochen werde. Das Gericht steht den Parteien auch nicht in einem Vertragsverhältnis gegenüber, das den Parteien nach Treu und Glauben eine Pflicht zur ausdrücklichen Ablehnung des gerichtlichen Vorschlags schriftlicher Entscheidung auferlegen könnte.
9
Das angefochtene Urteil beruht jedoch nicht auf diesem Verfahrensfehler. Die Klägerin hat mit ihrem Schriftsatz vom 6. Oktober 2005 den in der Anordnung des schriftlichen Verfahrens ohne Zustimmung der Parteien liegenden Verfahrensfehler nicht gerügt, obwohl ihr die fehlende Zustimmung beider Parteien bekannt war (vgl. auch BGH, BGHZ 102, 338, 340 f.). Angesichts der Einlassung der Klägerin zur Sache kann sich die Revision nicht mit Erfolg auf eine fehlende Zustimmung berufen und den Verfahrensfehler nicht mehr rügen (vgl.
§ 295 ZOP). Eine Verletzung des Verfahrensgrundrechts der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ist nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht hat insbesondere den genannten Schriftsatz der Klägerin nicht übergangen. Ein Verfahrensfehler wäre zudem nur beachtlich, wenn das Urteil auf ihm beruhen könnte (vgl. BGH, Urteil vom 9. Januar 1991 - III ZR 174/59 - aaO). Dass die Klägerin bei mündlicher Verhandlung weiteren Vortrag gehalten hätte, ist nicht ersichtlich und nicht vorgetragen.
10
2. Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgerichts davon aus, dass der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand nur den Ersatz der erforderlichen Mietwagenkosten verlangen kann, die ein verständiger , wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf und dass der Geschädigte dabei nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten ist, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen (vgl. Senat, BGHZ 160, 377, 383; 163, 19, 22; Urteile vom 26. Oktober 2004 - VI ZR 300/03 - VersR 2005, 241, 242; vom 15. Februar 2005 - VI ZR 160/04 - VersR 2005, 569 und VI ZR 74/04 - VersR 2005, 568; vom 25. Oktober 2005 - VI ZR 9/05 - VersR 2006, 133; vom 14. Februar 2006 - VI ZR 126/05 - VersR 2006, 669, 670; und - VI ZR 32/05 - VersR 2006, 564, 565; vom 9. Mai 2006 - VI ZR 117/05 - VersR 2006, 986; vom 13. Juni 2006 - VI ZR 161/05 - VersR 2006, 1273; vom 4. Juli 2006 - VI ZR 237/05 - VersR 2006, 1425; vom 23. Januar 2007 - VI ZR 243/05 - und - VI ZR 18/06 -; vom 30. Januar 2007 - VI ZR 99/06 -; vom 13. Februar 2007 - VI ZR 105/06 -, jeweils zur Veröffentlichung bestimmt). Die nach einem so genannten Unfallersatztarif geschuldeten Kosten sind grundsätzlich nur insoweit zu ersetzen, als sie tatsächlich zur Herstellung des Zustandes erforderlich sind, der ohne die Schädigung bestehen würde.
11
Die Frage, ob ein Unfallersatztarif aufgrund unfallspezifischer Kostenfaktoren erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB ist, kann dann offen bleiben, wenn feststeht, dass dem Geschädigten jedenfalls ein günstigerer "Normaltarif" bekannt und in der konkreten Situation ohne weiteres zugänglich war, so dass ihm eine solche (kostengünstigere) Anmietung eines entsprechenden Fahrzeugs unter dem Blickwinkel der ihm gemäß § 254 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht zugemutet werden konnte (vgl. Senat Urteile vom 14. Februar 2006 - VI ZR 32/05 -; vom 6. März 2007 - VI ZR 36/06 -, jeweils aaO m.w.N.). Ebenso kann diese Frage offen bleiben, wenn zur Überzeugung des Tatrichters feststeht, dass dem Geschädigten die Anmietung zum "Normaltarif" nach den konkreten Umständen nicht zugänglich gewesen ist, denn der Geschädigte kann in einem solchen Fall einen den "Normaltarif" übersteigenden Betrag im Hinblick auf die gebotene subjektbezogene Schadensbetrachtung (vgl. hierzu Senat BGHZ 132, 373, 376) auch dann verlangen, wenn die Erhöhung nicht durch unfallspezifische Kostenfaktoren gerechtfertigt wäre (vgl. Senat, Urteile vom 15. Februar 2005 - VI ZR 160/04 -; vom 19. April 2005 - VI ZR 37/04 -; vom 13. Juni 2006 - VI ZR 161/05 -; vom 4. Juli 2006 - VI ZR 237/05 -, jeweils aaO).
12
a) Für die Frage, ob dem Geschädigten ein wesentlich günstigerer Tarif ohne weiteres zugänglich war, ist auf die konkreten Umstände des einzelfalles abzustellen. Nach den vom erkennenden Senat entwickelten Grundsätzen (vgl. BGHZ 163, 19, 24 f.; Urteile vom 25. Oktober 2005 - VI ZR 9/05 - aaO; vom 14. Februar 2006 - VI ZR 126/05 - aaO; vom 9. Mai 2006 - VI ZR 117/05 - aaO; vom 13. Juni 2006 - VI ZR 161/05 - aaO; vom 23. Januar 2007 - VI ZR 243/05 -; vom 30. Januar 2007 - VI ZR 99/96 - je zur Veröffentlichung bestimmt) kommt es insbesondere zur Frage der Erkennbarkeit der Tarifunterschiede für den Geschädigten darauf an, ob ein vernünftiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einer Nachfrage nach einem günstigeren Tarif gehalten gewesen wäre. Dies ist der Fall, wenn er Bedenken gegen die Angemessenheit des ihm angebotenen Unfallersatztarifs haben muss, die sich insbesondere aus dessen Höhe ergeben können. Dabei kann es je nach Lage des Einzelfalls auch erforderlich sein, sich nach anderen Tarifen zu erkundigen und gegebenenfalls ein oder zwei Konkurrenzangebote einzuholen. In diesem Zusammenhang kann es eine Rolle spielen, wie schnell der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug benötigt. Eine besondere Eilbedürftigkeit kann jedoch auch bei einer Anmietung noch am Unfalltag fehlen. Allein das allgemeine Vertrauen darauf, der ihm vom Autovermieter angebotene Tarif sei "auf seine speziellen Bedürfnisse zugeschnitten", rechtfertigt es dagegen nicht, zu Lasten des Schädigers und seines Haftpflichtversicherers ungerechtfertigt überhöhte und nicht durch unfallbedingte Mehrleistungen des Vermieters gedeckte Unfallersatztarife zu akzeptieren.
13
b) Die Revision macht insoweit geltend, die Klägerin habe vorgetragen, dass ihr am Unfalltag eine anderweitige Anmietung am Samstagnachmittag nicht möglich gewesen wäre, weil sie keine Kreditkarte besessen habe. Dem angefochtenen Urteil ist nicht zu entnehmen, dass das Berufungsgericht diesen Vortrag umfassend in Betracht gezogen hat. Zum Vortrag vor dem Tatrichter wird lediglich ausgeführt, die Klägerin sei beweisfällig geblieben, weil sie den geforderten Auslagenvorschuss nicht entrichtet habe; sie habe den ihr obliegenden Beweis nicht erbracht, dass alle anderen Autovermieter damals ein Ersatzfahrzeug zum Normaltarif nur gegen Vorlage einer Kreditkarte oder gegen eine erhebliche Vorschusszahlung vermietet hätten.
14
aa) Die Bedenken der Revision gegen die Höhe des im Beweisbeschluss verlangten Vorschusses (vgl. Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3; 103 Abs. 1 GG; BVerfGK 5, 60, 63) bedürfen im Hinblick auf die Entwicklung der Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit von so genannten Unfallersatztarifen (vgl. Senat, Urteil vom 30. Januar 2007 - VI ZR 99/06 - zur Veröffentlichung bestimmt) keiner abschließenden Entscheidung.
15
Das Berufungsgericht durfte nämlich die Klägerin nicht allein wegen der nach Nichtzahlung des Auslagenvorschusses (§ 379 ZPO) oder nach Versäumung einer Ausschlussfrist (§ 356 ZPO) fehlenden Möglichkeit des Sachverständigenbeweises als beweisfällig ansehen. Vielmehr hätte es versuchen müssen, in anderer Weise auf Grund des bereits vorhandenen oder anzuregenden Parteivortrags und der verfügbaren Beweismittel zu klären (vgl. Senat, Urteil vom 30. Januar 2007 - VI ZR 99/06 - zur Veröffentlichung bestimmt; HkZPO /Saenger, § 286 Rn. 55; MünchKomm-ZPO/Prütting, 2. Aufl., § 286 Rn. 91; Gottwald, Jura 1990, 225, 226), ob der Klägerin tatsächlich kein wesentlich günstigerer Tarif auf dem in ihrer Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt ohne weiteres zugänglich war.
16
bb) Soweit das Berufungsgericht meint, der Klägerin sei ein wesentlich günstigerer Tarif ohne weiteres zugänglich gewesen, beruht das auf unzureichenden tatsächlichen Feststellungen.
17
Die Klägerin hat nicht in Abrede gestellt, dass im damaligen Zeitpunkt wesentlich günstigere Tarife existiert hätten, wie sich im Übrigen aus dem im Mietvertrag abgelehnten Angebot eines Bartarifs für dasselbe Ersatzfahrzeug und aus der von der Klägerin für ihren Postleitzahlenbereich vorgelegten Schwacke-Auto-Mietpreisliste 2000 ergibt. Sie hat aber geltend gemacht, dass diese wesentlich günstigeren Tarife ihr nicht ohne weiteres zugänglich gewesen seien. Letzteres unterliegt der Prüfung nach § 254 Abs. 2 BGB, wobei die Klägerin jedoch eine sekundäre Darlegungslast trifft (vgl. Senat, BGHZ 163, 19, 26; Urteil vom 6. März 2007 - VI ZR 36/06 - zur Veröffentlichung bestimmt).
18
Soweit die Klägerin vorgetragen hat, sie sei nicht im Besitz einer Kreditkarte gewesen, wäre es Sache der Beklagten gewesen, dies zu widerlegen (vgl. Senat, BGHZ 163, 19, 26; Urteile vom 9. Oktober 1991 - VI ZR 291/89 - VersR 1991, 437, 438; vom 29. September 1998 - VI ZR 296/97 - VersR 1998, 1428; vom 14. Februar 2006 - VI ZR 32/05 - VersR 2006, 564, 565). Ob der Klägerin eine erhebliche, nahezu die gesamte Mietzeit umfassende Vorauszahlung möglich gewesen wäre, hat das Berufungsgericht offen gelassen, weil es nicht feststellen könne, dass auch andere Anbieter dies verlangt hätten. Insoweit hat das Berufungsgericht lediglich Vermutungen geäußert.
19
cc) Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht bei der gebotenen Berücksichtigung des Klägervortrags, insbesondere auch zur Anmietung an einem Samstag nach 12.15 Uhr in H., zu einer abweichenden Beurteilung gelangt wäre oder die Klägerin, unter Berücksichtigung von deren (lediglich sekundärer ) Darlegungslast zumindest - soweit diese einen dringenden Bedarf geltend machen will - zu näherem Vortrag zur Eilbedürftigkeit der Anmietung und/oder zur Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit einer angeblich verlangten Vorauszahlung oder Kaution (vgl. Senat, BGHZ 163, 19, 26; Urteil vom 14. Februar 2006 - VI ZR 32/05 - aaO), veranlasst hätte.
20
3. Soweit die Revision beanstandet, dass das Berufungsgericht die Zeugen D. und Dr. G. nicht vernommen hat, hat sie dagegen keinen Erfolg.
21
Die Begründung des Berufungsurteils, es handele sich um ungeeignete Beweismittel, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die im Beweisbeschluss genannten Beweisthemen betrafen Fragen zum regionalen Mietwagenmarkt im Juni 2001, deren Beantwortung sachkundige Wertungen und Tatsachenermittlungen erforderte; es waren damit Fragen an einen Sachverständigen , die nicht in die Kenntnis von Zeugen, auch nicht von sachverständigen Zeugen (vgl. § 414 ZPO; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 414 Rn. 2, § 402 Rn. 5) gestellt sind. Es ist nicht Aufgabe eines Zeugen, auf Grund von Erfahrungssätzen oder besonderen Fachkenntnissen Schlussfolgerungen aus einem feststehenden Sachverhalt zu ziehen oder dem Gericht allgemeine Erfahrungssätze oder besondere Kenntnisse in einem jeweiligen Wissensgebiet - wie hier in einem regionalen Mietwagenmarkt - zu vermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 1973 - I ZR 59/72 - MDR 1974, 382).
22
4. Nach allem war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 ZPO). Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
Vorinstanzen:
AG Herne-Wanne, Entscheidung vom 17.09.2004 - 14 C 6/04 -
LG Bochum, Entscheidung vom 28.10.2005 - 5 S 271/04 -

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.