Oberlandesgericht München Schlussurteil, 23. Jan. 2015 - 10 U 299/14

bei uns veröffentlicht am23.01.2015

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

1. Die Berufung des Klägers und Widerbeklagten vom 20.01.2014 gegen das Endurteil des LG München I vom 29.11.2013 (Az. 17 O 1457/12) wird zurückgewiesen.

2. Das Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A. Der Kläger, gleichzeitig Widerbeklagter, macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend. Die Beklagte zu 2) und Widerklägerin hat in erster Instanz eine Vorschussleistung auf den Schadensersatz zurückgefordert.

Zugrunde liegt ein Zusammenstoß am 29.04.2011 gegen 17.15 Uhr zwischen dem klägerischen Pkw Mercedes Sprinter, amtliches Kennzeichen …, und dem Pkw Renault Laguna, amtliches Kennzeichen …, des Beklagten zu 1). Das klägerische Fahrzeug, gesteuert von seinem Angestellten F., wollte - auf Höhe des Anwesens Nr. 3 in der H.-Straße in M. in südwestlicher Richtung fahrend - nach links in eine Grundstückseinfahrt abbiegen oder wenden, als der Beklagte zu 1) sich zum Überholen entschlossen hatte.

Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 29.11.2013 (Bl. 110/119 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das LG München I hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen, und der Widerklage in vollem Umfang stattgegeben. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses dem Kläger am 20.12.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem beim Oberlandesgericht München am 20.01.2014 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt (Bl. 128/129 d. A.) und diese mit einem beim Oberlandesgericht München am 20.02.2014 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 135/148 d. A.) begründet.

Der Kläger und Widerbeklagte beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils nach den Anträgen erster Instanz zu erkennen.

Erstinstanzlich hatte er beantragt, die Beklagten samtverbindlich zu Schadensersatzleistungen von 5.543,33 € nebst Verzugszinsen seit 16.08.2011 zu verurteilen, und die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagten und die Widerklägerin beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat zunächst den Kläger gemäß § 522 II 2 ZPO darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung zurückzuweisen. Dennoch wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt, um dem Kläger hierzu Gelegenheit zur persönlichen Stellungnahme zu geben, und eine - gegenüber einer früheren Mitteilung an den Klägervertreter - geänderte Rechtsauffassung des Senats zu erläutern.

Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung vom 26.11.2014 (Bl. 176/188 d. A.), den Hinweisbeschluss vom 30.09.2014 (Bl. 156/171 d. A.) die Hinweisreplik vom 28.10.2014 (Bl. 173 d. A.), und den weiteren im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsatz des Klägers vom 22.09.2014 (Bl. 154/155 d. A.), sowie die Sitzungsniederschrift vom 05.12.2014 (Bl. 182/184 d. A.) Bezug genommen.

Im Übrigen wird von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

B. Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

I. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Schadensersatz verneint.

1. Zwar kommt grundsätzlich ein Anspruch des Klägers aus §§ 7 I, 18 I StVG, 823 I BGB, 115 I 1 Nr. 1, 4 VVG in Betracht, da unstreitig dessen Fahrzeug bei einem Zusammenstoß mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 1) beschädigt wurde. An einem Fall höherer Gewalt (§ 7 II StVG) scheitert ein solcher Anspruch im Streitfall nicht, was von den Beklagten auch nicht geltend gemacht wird.

2. Jedoch ist ein Anspruch des Klägers deshalb ausgeschlossen, weil der Unfallschaden von ihm durch ein für den Beklagten zu 1) unabwendbares Ereignis (§ 17 III 1 StVG) oder jedenfalls ganz überwiegend verursacht und allein verschuldet (§ 17 I, II StVG) wurde, so dass der Verursachungsbeitrag der Beklagten, vorliegend allein die Betriebsgefahr, vernachlässigt werden kann (§§ 17 I StVG, 254 I BGB). Verursachungs- und Verschuldensbeiträge des vom Kläger eingesetzten, somit berechtigten Fahrers sind dem Kläger zuzurechnen, § 18 III StVG.

3. Soweit die zugrunde liegenden Tatsachen zwischen den Parteien streitig waren, haben die Beklagten bewiesen, dass der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs beim Abbiegen straßenverkehrsrechtliche Sorgfaltspflichten verletzt hat. Dagegen ist dem Kläger der Beweis misslungen, dass der Verursachungsbeitrag der Beklagten über die bloße Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs hinausgehe, oder den Beklagten zu 1) an dem Unfallgeschehen ein Verschulden treffe. Die Darlegungs- und Beweislast für anspruchs- und einwendungsbegründende Tatsachen, sowie die Beweislastverteilung ergeben sich aus folgenden Grundsätzen:

a) Grundsätzlich genügt der Kläger seiner Darlegungs- und Beweislast mit der - hier unstreitigen - Behauptung, sein Kraftfahrzeug sei im Straßenverkehr durch einen Zusammenstoß mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 1) beschädigt worden. Jedoch hat er selbst die tatsächlichen Voraussetzungen einer Verkehrsvorschrift vorgetragen, die ihm höchste Sorgfalt abverlangt (§ 9 V StVO): Laut unstreitigem Tatbestand des Ersturteils wollte der klägerische Fahrer nach links abbiegen, nach streitigem Klägervorbringen in eine Grundstückszufahrt. Die Beklagten haben diese Tatsachen als zutreffend und ihnen günstig übernommen.

b) Den Beklagten obliegt dennoch Darlegung und Nachweis, dass der Schaden jedenfalls ganz überwiegend vom klägerischen Fahrzeug verursacht oder verschuldet worden sei. Dies gilt auch für die Behauptung, dass die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs durch dessen Fahrweise wesentlich erhöht gewesen sei, oder den klägerischen Fahrer an dem Unfall ein Verschulden treffe.

Diese Beweisführung wird jedoch erleichtert durch eine Anscheinsbeweislage, die sich nach allgemeiner Meinung aus der Gesetzesfassung (§ 9 V StVO: „muss sich … darüber hinaus so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist“) ergibt. Der Anscheinsbeweis ist als Element der Beweiswürdigung von Amts wegen zu berücksichtigen (etwa Senat, Urt. v. 14.02.2014 - 10 U 2815/13 [juris]; v. 14.03.2014 - 10 U 4774/13 [juris]; v. 25.04.2014 - 10 U 1886/13 [juris]), und nicht von einer Geltendmachung durch den Beweispflichtigen abhängig, wirkt allerdings nur bei „typischen Geschehensabläufen“ (BGH NZV 1996, 277; NJW 2001, 1140; Senat, Urt. v. 22.02.2008 - 10 U 4455/07 [juris]), also wenn sich unter Prüfung und Bewertung aller unstreitigen und festgestellten Einzelumstände und besonderen Merkmale des Sachverhalts nach der allgemeinen Lebenserfahrung der Schluss aufdrängt, dass ein Verkehrsteilnehmer seine Pflicht zur Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verletzt hat (BGH VersR 2007, 557; VersR 2011, 234). In solchen Fällen genügt grundsätzlich die Feststellung „eines allgemeinen Erfahrungssatzes als einer aus allgemeinen Umständen gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerung“ (BGH NJW 1997, 528), allerdings darf der Sachverhalt nicht auf ein „Kerngeschehen“ wie z. B. das bloße Abbiegen, reduziert werden, ohne Rücksicht auf die vorausgegangene Fahrweise. Das „Kerngeschehen“ für sich allein reicht als Grundlage eines Anscheinsbeweises nicht aus, wenn weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt sind, die als Besonderheiten gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene „Typizität“ sprechen. Ob der Sachverhalt in diesem Sinne im Einzelfall wirklich typisch ist, kann nur aufgrund einer umfassenden Betrachtung aller tatsächlichen Elemente des Gesamtgeschehens beurteilt werden, die sich aus dem unstreitigen Parteivortrag und den getroffenen Feststellungen ergeben (BGH NJW-RR 1986, 383; NJW 1996, 1828; 2012, 608).

aa) Danach streitet für die Beklagten und gegen den Kläger ein Anscheinsbeweis, dass der klägerische Fahrer den Unfall durch eine Sorgfaltspflichtverletzung verursacht hat. Die Beklagten haben die hierfür erforderlichen Tatsachen schlüssig vorgetragen, die der Kläger in entscheidenden Einzelheiten bestätigt hat. Das unstreitige Kerngeschehen besteht darin, dass der klägerische Fahrer in einer engen Straße mit geringer Geschwindigkeit eine längere Strecke dem Beklagten zu 1) voraus gefahren war, und nach einer Verlangsamung nach links gelenkt hatte, um zu wenden oder in ein Grundstück abzubiegen. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als der Beklagte zu 1) seinen Überholvorgang bereits begonnen hatte. Diese Feststellungen des Erstgerichts sind rechtsfehlerfrei und stehen in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung (Senat, Urt. v. 25.04.2014 - 10 U 1886/13 [juris 4]; OLG Hamm, Urt. v. 09.07.2013 - 9 U 191/12 [BeckRS 2013, 18082]; KG, Beschl. v. 12.07.2010 - 12 U 177/09 [BeckRS 2010, 22692]; KG, Urteil vom 09.09.2002 - 12 U 26/01 [BeckRS 2002, 07774]; BGH NJW-RR 1986, 384: „für einen Zusammenstoß des wendenden Fahrzeugs mit dem Gegenverkehr“; Senat, Urt. v. 25.10.2013 - 10 U 964/13 [juris]; v. 13.12.2013 - 10 U 2372/13 [juris]; v. 14.02.2014 - 10 U 3074/13 [juris], je für einen Auffahrunfall;).

Die „Typizität“ der streitgegenständlichen Anscheinsbeweislage wird durch die vom Kläger geltend gemachten Gesichtspunkte weder beseitigt, noch auch nur in Frage gestellt:

(1) Der Kläger macht geltend, über eine längere Strecke vor dem eigentlichen Abbiegevorgang den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt und damit seine Absicht bei weitem rechtzeitig angekündigt zu haben. Dieser Behauptung ist jedoch gerade streitig geblieben und betrifft damit nicht das nach umfassender Sachverhaltsaufklärung und Beweiswürdigung festgestellte Kerngeschehen, sondern die Frage einer möglichen Erschütterung des Anscheinsbeweises, für welche der Kläger darlegungs- und beweispflichtig ist. Der Anscheinsbeweis für verkehrs- und sorgfaltswidriges Abbiegen entfällt nicht aufgrund der bloßen Behauptung, die notwendige Sorgfalt sei gerade beachtet worden (Senat, Urt. v. 16.05.2008 - 10 U 1748/08 [juris]; KG, Urteil vom 09.09.2002 - 12 U 26/01 [BeckRS 2002, 07774]).

(2) Auch der - unstreitige - Überholvorgang des Beklagten zu 1) als solcher kann die „Typizität“ der Anscheinsbeweislage nicht beeinträchtigen. Zulässiges und verkehrsgerechtes Überholen stellt - ebenso wie beispielsweise der bevorrechtigte Gegenverkehr - eine Grundvoraussetzung dar, dass sorgfaltswidriges Abbiegen überhaupt zu einem Unfall, dann allerdings mit einer entsprechenden Anscheinsbeweislage, führt (OLG Brandenburg, Urt. v. 26.09.2001 - 14 U 24/01 [BeckRS 2008, 17564]; OLG Frankfurt a. M., NZV 2000, 211; OLG Nürnberg NZV 2003, 89; KG NZV 2006, 309; OLG Rostock NJOZ 2011, 1564; KG NZV 2010, 156).

(3) Zuletzt wird eine Anscheinsbeweislage nicht aufgehoben durch die Alkoholisierung des Beklagten, unabhängig davon, ob die im unstreitigen Tatbestand des Ersturteils festgestellte Blutalkoholkonzentration von 1,04 Promille, oder - wie vom Kläger gewünscht - bis zu 1,4 Promille zugrunde gelegt wird. Selbst eine Alkoholisierung im Bereich der absoluten Fahruntüchtigkeit erlaubt keinen Rückschluss auf die Unfallursache, darf vielmehr bei der Abwägung nach § 17 StVG nur berücksichtigt werden, wenn sie sich nachweislich in dem Unfall niedergeschlagen hat (BGH NJW 1995, 1029). Aus diesem Grund ist ein unfallursächlicher Verstoß das alkoholisierten Kraftfahrers vorauszusetzen, bevor - aufgrund der Alkoholisierung, gegebenenfalls in Form eines Anscheinsbeweises - darauf geschlossen werden kann, der Unfall habe sich in einer Verkehrslage ereignet, die ein nüchterner Kraftfahrer problemlos hätte meistern können (BGH NJW 1976, 897: Fußgänger, zusätzlich zur Alkoholisierung unmotiviertes Liegen auf der Fahrbahn; OLG Stuttgart r + s 1988, 329 [Volltext BeckRS 2008, 19041: zusätzlich stark überhöhte Geschwindigkeit; OLG Hamm NZV 1995, 483; OLG Köln VersR 2002, 1040; KG Urt. v. 21.06.1990 - 12 U 3456/89 [BeckRS 1990, 07643: Alkoholisierung nicht ursächlich, weil ohnehin schuldhaftes Überholen einer unübersichtlichen Kolonne]; OLG Celle, Urt. v. 29.09.2010 - 14 U 27/10 [BeckRS 2011, 14566: zusätzlicher Verstoß gegen § 1 II StVO gefordert, aber nicht erweislich]; Senat, Beschl. v. 12.11.2014 - 10 U 3222/14: zusätzlich zur Alkoholisierung nicht rechtzeitige Ausweichreaktion erforderlich).

Deswegen ist ein Zusammenstoß des Linksabbiegers mit dem Überholenden nicht schon dann „nicht mehr typisch“, wenn und weil der Überholende alkoholisiert war. Anderenfalls stünde jede der bisherigen Anscheinsbeweislagen unter dem Vorbehalt, dass keiner der beteiligten Fahrzeugführer alkoholisiert wäre, während andererseits neue Anscheinsbeweislagen mit alkoholisierten Beteiligten zu entwickeln wären. Zudem verlöre die ständige Rechtsprechung des BGH, dass die Unfallursächlichkeit der Alkoholisierung festzustellen sei, jeden Anwendungsbereich. Die Anscheinsbeweislagen des Abbiegens in ein Grundstück oder Wendens einerseits, der alkoholbedingten absoluten Fahruntüchtigkeit andererseits stehen in einem Stufenverhältnis: Zunächst ist bei anzuwendendem Anscheinsbeweis gegen den Linksabbieger zu klären und im Strengbeweisverfahren festzustellen, ob ein Fehlverhalten des anderen Verkehrsteilnehmers vorliegt, dass den Anscheinsbeweis erschüttert. Sollte das nicht der Fall sein, kommt es auf dessen Alkoholisierung nicht mehr an. Werden dagegen eine Pflichtwidrigkeit oder ein Sorgfaltsverstoß des zunächst vom Anscheinsbeweis Begünstigten festgestellt, spricht jedenfalls im Fall der absoluten Fahruntüchtigkeit ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Alkoholisierung unfallursächlich geworden ist, wenn sich der Unfall in einer Verkehrslage und unter Umständen ereignet hat, die ein nüchterner Fahrer hätte meistern können.

bb) Dem Kläger ist es nicht gelungen, den für die Beklagten wirkenden Anscheinsbeweis zu entkräften oder zu „erschüttern“ durch Darlegung ernsthafter Möglichkeiten eines anderen als des erfahrungsgemäßen Geschehensablaufs (BGH NJW 1953, 584; NJW 1963, 953; DAR 1985, 316; OLG Nürnberg, Beschl. v. 16.07.2014 - 1 U 2572/13 [juris]), deren Tatsachen unstreitig oder (voll) bewiesen sein müssen. Zweifel gehen zulasten des Klägers als Anscheinsbeweisgegner.

(1) Der Kläger hat schon keine Umstände nachweisen können, die einen Verstoß des Beklagten zu 1) gegen Verkehrsvorschriften oder allgemeine Sorgfaltspflichten begründen. Nach Sachlage wäre angesichts der unstreitig geringen Geschwindigkeiten lediglich ein Verstoß gegen das Verbot des Überholens bei unklarer Verkehrslage (5 III Nr. 1 StVO) in Betracht gekommen (OLG Saarbrücken, Urt. v. 16.10.2014 - 4 U 145/13 [BeckRS 2014, 20521: Überholen bei unklarer Verkehrslage und falsches Wiedereinscheren]; KG, Beschl. v. 12.07.2010 - 12 U 177/09 [BeckRS 2010, 22692]; OLG Koblenz NZV 2005, 413; OLG Frankfurt NZV 1989, 155). Unter Würdigung aller Gesamtumstände hätten im Streitfall die auch sonst zu fordernden drei Gesichtspunkte vorliegen müssen: eine wesentliche Verlangsamung des Vorausfahrenden, das Einordnen nach links und - vor allem - das Setzen des Fahrtrichtungsanzeigers (KG NZV 2003, 89; 2010, 298; OLG Hamm NZV 2006, 309). Vorliegend waren die beiden erstgenannten unerheblich oder ausgeschlossen, denn die schon deutlich vor dem Abbiegevorgang von beiden Fahrzeugen eingehaltenen geringen Geschwindigkeiten von etwa 30 km/h nehmen einer Verringerung auf 10 bis 15 km/h jegliche Aussagekraft. Dagegen war - nach sachverständigen Erkenntnissen - ein Einordnen nach links angesichts der geringen Straßenbreite technisch ausgeschlossen. Deswegen wäre ein Überholen für den Beklagten zu 1) nur verboten gewesen, wenn der klägerische Fahrer nicht nur den linken Fahrtrichtungsanzeiger bedient, sondern dies so rechtzeitig begonnen hätte, dass der Beklagte zu 1) nach Wahrnehmung noch auf den Überholvorgang verzichten oder diesen hätte abbrechen können.

Den Beweis der vorgenannten streitentscheidenden Tatsache rechtzeitiger Anzeige eines beabsichtigten Fahrtrichtungswechsels hat der Kläger nicht führen können. Insoweit wird auf die ausführliche Darstellung und Beweiswürdigung im Hinweisbeschluss vom 30.09.2014 (S. 6-12 = Bl. 161/167 d. A.) Bezug genommen, neue oder abweichende Erkenntnisse haben sich auch in mündlicher Verhandlung und den klägerischen Schriftsätzen nicht mehr gezeigt. Beweisbedürftigkeit und -fälligkeit sind dem Kläger durchaus bewusst, anderenfalls wäre nicht einerseits erstmals im Zivilrechtsstreit eine ausführliche Darlegung samt zugehörigen Zeugenaussagen gebracht worden, andererseits nicht im Termin zur mündlichen Verhandlung in persönlicher Anhörung behauptet worden, der klägerische Fahrer müsse ordnungsgemäß geblinkt haben, weil man hierzu verpflichtet und verkehrsrichtiges Verhalten üblich sei. Letztgenannte Überlegungen haben keinen Beweiswert, ein zwingender Schluss von gebotenem, sinnvollen oder nützlichen auf das tatsächliche Verhalten hätte zur Folge, dass sich Unfälle nicht ereignen könnten. Eine entsprechende Vermutung wird dagegen bereits durch die tatsächliche Häufigkeit von Verkehrsverstößen widerlegt. Nach Einschätzung des Senats haben die klägerischen Zeugen versucht, die ursprüngliche Darstellung des Unfallgeschehens im Strafverfahren des Beklagten zu 1) zu erweitern und abzuändern, durchaus in dem - nachträglich gewonnenen - Bewusstsein, dass diese für ein Obsiegen im Zivilrechtsstreit nicht ausreichend sein könnte. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn sich das Erstgericht bei dieser Sachlage nicht von der Richtigkeit der Zeugenaussagen überzeugt hat. Der Senat tritt dem nach eigenständiger Überprüfung und Würdigung bei.

(2) Hieraus folgend hat der Kläger auch keine Tatsachen nachgewiesen, die den Schluss darauf zulassen, dass die - selbst zur absoluten Fahruntüchtigkeit führende - Alkoholisierung des Beklagten zu 1) den Unfall mitverursacht habe oder haben könnte (BGH NJW 1995, 1029).

Da schon ein Fahrfehler oder Rechtsverstoß des Beklagten zu 1) nicht erweislich war, kann eine Alkoholisierung (im Bereich der absoluten Fahruntüchtigkeit) keine Anscheinsbeweislage für die Unfallursächlichkeit der Trunkenheit (BGH, a. a. O., [1030, unter 3., vorl. u. letzter Abs.]) liefern: Im Fall des BGH war ein absolut fahruntüchtiger, vorfahrtsberechtigter Kraftfahrer auf ein Fahrzeug aufgefahren, welches - unstreitig oder nachgewiesen - unter Verletzung der Wartepflicht in seine Fahrbahn eingebogen war. Dagegen konnte nicht nachgewiesen werden, dass der alkoholisierte Kraftfahrer mit einer überhöhten Geschwindigkeit gefahren sei, oder verspätet oder falsch reagiert - kurz: gegen Verkehrsvorschriften verstoßen - habe. Die Alkoholisierung (egal ob im Bereich der nur relativen, oder absoluten Fahruntüchtigkeit) hatte deswegen keine Rolle zu spielen (BGH, a. a. O. [1030 unter 3., 1. Abs.: „Ohne Rechtsirrtum hat das Berufungsgericht die Fahruntüchtigkeit des Erstbeklagten - obschon feststehend - hier bei der Schadensabwägung nicht zulasten der Beklagten herangezogen. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass bei der Abwägung nach § STVG § 17 StVG nur solche Umstände Berücksichtigung finden können, die sich erwiesenermaßen auf den Unfall ausgewirkt haben. Dies gilt grundsätzlich auch für die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit. Dass der Beklagte … infolge seiner Trunkenheit das Fahrzeug gar nicht erst führen durfte, ist insoweit ohne Belang. Maßgebend ist vielmehr, ob sich die Fahruntüchtigkeit als Gefahrenmoment in dem Unfall tatsächlich niedergeschlagen hat.“]). Diese Grundsätze gelten auch im Streitfall: Für den Beklagten zu 1) bestand an der Unfallstelle kein Überholverbot, weil eine unklare Verkehrslage nicht erweislich war. Unstreitig fuhr der Beklagte zu 1) nicht mit überhöhter Geschwindigkeit, während ihm nach den - von der Berufung nicht angegriffenen - Sachverständigenfeststellungen eine verspätete oder fehlerhafte Reaktion nicht vorgeworfen werden kann.

Soweit der Kläger nun meint, der Beklagte zu 1) habe nach dem Unfall alkoholtypische Ausfallerscheinungen gezeigt, wurde dies weder im Strafverfahren festgestellt, noch bisher im Rechtsstreit vorgetragen. Da keinerlei Gründe vorgebracht oder ersichtlich wurden, warum diese Umstände erst jetzt geltend gemacht werden, kann die Verzögerung nur auf grober Nachlässigkeit beruhen, so dass das Vorbringen nach § 531 II 1 Nr. 3 ZPO nicht mehr berücksichtigt werden kann.

Der Kläger ist offenbar der Auffassung, ein nüchterner Fahrer hätte den Unfall dadurch vermieden, dass er im Hinblick auf die Örtlichkeit und Verkehrsverhältnisse insgesamt auf ein Überholen verzichtet hätte. Insoweit trifft zwar zu, dass der Anscheinsbeweis gegen einen alkoholisierten Kraftfahrer (nur insoweit) wirkt, „(als) sich der Unfall in einer Verkehrslage und unter Umständen ereignet (hat), die ein nüchterner Fahrer hätte meistern können“ (BGH, a. a. O. [1030, vorl. Abs.]). Der Kläger übersieht jedoch, dass der Anscheinsbeweis ausscheidet, wenn dem Alkoholisierten kein Verkehrsverstoß zur Last zu legen ist (BGH, a. a. O. [1030, letzter Abs.]). Allein aus einem wünschenswerten defensiven Fahrstil oder einem grundsätzlichen Absehen von Überholversuchen in derartigen Verkehrslagen ergibt sich jedoch die vom Kläger bevorzugte Rechtsfolge nicht. Nach Sachlage ist auszuschließen, dass ein nüchterner Kraftfahrer in der urteilsgegenständlichen Situation in jedem Fall nicht überholt hätte, anderenfalls würden derartige Unfälle nüchternen Kraftfahrern niemals unterlaufen.

cc) Zuletzt berücksichtigt der Senat wie das Erstgericht, dass der klägerische Fahrer (F.) - unabhängig von einem Anscheinsbeweis - eine Sorgfaltspflichtverletzung bereits eingeräumt hat, nämlich einen Verstoß gegen die Verpflichtung zur zweiten Rückschau aus § 9 I 4 StVO (Hinweisbeschl. v. 30.09.2014, S. 12, 13 = Bl. 167/168 d. A., unter c) aa).

c) Unter Würdigung alle Gesamtumstände hält der Senat die Ausführungen des Landgerichts insgesamt im Ergebnis für zutreffend. Der klägerische Fahrer hat den Verkehrsunfall dadurch verursacht und verschuldet, dass er einerseits beim Abbiegen in ein Grundstück oder beim Wenden sich nicht so verhalten hat, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist (§ 9 V StVO), andererseits seiner zweiten Rückschaupflicht (§ 9 I 4 StVO) nicht genügt hat.

Gegenüber diesen schwerwiegenden Verstößen tritt die Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Beklagten zurück, weil dem Beklagten zu 1) keine Pflichtverletzungen nachzuweisen waren (OLG Nürnberg NZV 2003, 89). Insoweit bedarf das Ersturteil einer berichtigenden Klarstellung (EU 7 = Bl. 117 d. A., unter 3.): Die Beklagten träfe als Anspruchsgegner kein Mitverursachungs- und Mitverschuldensanteil, sondern der ursprüngliche Verursachungs- oder Verschuldensanteil, während Mitverursachung und -verschulden den Kläger als Anspruchssteller belasten. Auf das Entscheidungsergebnis hat diese Feinheit jedoch keine Auswirkungen.

II. Das Landgericht hat, aus der vollständigen Abweisung des Klageanspruchs zwingend zu folgern, auch den Widerklageanspruch zu Recht zugesprochen. Wenn insgesamt keine Ersatzpflicht der Beklagten zu 2) bestand, sind hierauf gezahlte Vorschusszahlungen ohne Rechtsgrund geleistet und nach Bereicherungsgrundsätzen herauszugeben.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

V. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, erfordern weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (BVerfG NJW 2014, 2417 f. [2419, Abs. 26 - 32]), noch die Fortbildung des Rechts (BVerfG, a. a. O. [2419, Abs. 33]) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BVerfG, a. a. O. [2420, Abs. 34]) eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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2. Eine Kostenentscheidung ist insoweit nicht veranlasst.

3. Die Rechtsbeschwerde wird insoweit nicht zugelassen.

4. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin vom 20.08.2014 gegen das Endurteil des LG München I vom 14.07.2014 durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 II 1 ZPO wegen offensichtlich fehlender Erfolgsaussicht zurückzuweisen.

Weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 522 II 1 Nr. 1-3 ZPO); eine solche ist auch nicht aus sonstigen Gründen geboten (§ 522 II 1 Nr. 4 ZPO).

5. Es wird hiermit Gelegenheit zur Stellungnahme zu der beabsichtigten Entscheidung bis zum 12.12.2014 gegeben (§ 522 II 2 ZPO).

Wichtige Hinweise:

> Die vorstehende, großzügig bemessene Frist (nach allgemeiner Meinung genügt an sich entsprechend § 277 III ZPO eine Replikfrist von zwei Wochen) kann nur ganz ausnahmsweise aufgrund eines schriftlichen, eingehend begründeten und hinsichtlich des tatsächlichen Vortrags nach Maßgabe des § 294 I ZPO glaubhaft gemachten Antrags verlängert werden (vgl. zu den strengen Anforderungen an eine Verlängerung der Hinweisreplikfrist OLG Rostock OLG-NL 2004, 228 und NJOZ 2004, 680; Doukoff, Zivilrechtliche Berufung, 5. Aufl. 2013, Rz. 994). Mit einer Verlängerung um mehr als zwei Wochen kann grundsätzlich nicht gerechnet werden.

> Der Hinweis nach § 522 II 2 ZPO dient nicht der Verlängerung der gesetzlichen Berufungsbegründungsfrist (OLG Koblenz NJOZ 2007, 698; Senat in st. Rspr., grdl. Beschl. v. 17.09.2008 - 10 U 2272/08, zuletzt eingehend Beschl. v. 21.08.2012 - 10 U 1836/12; Doukoff a. a. O. Rz. 998); neuer Sachvortrag ist nur in den Grenzen der §§ 530, 531 II 1 ZPO zulässig (BGHZ 163, 124 = NJW 2005, 3067), wobei die Voraussetzungen des § 531 II 1 ZPO glaubhaft zu machen sind (§ 531 II 2 ZPO).

6. Nach Sachlage empfiehlt es sich, zur Vermeidung unnötiger weiterer Kosten die Rücknahme der Berufung binnen dieser Frist zu prüfen (im Falle einer Rücknahme ermäßigt sich gem. Nr. 1222 Satz 2 KV-GKG die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen von 4,0 auf 2,0).

7. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 55.750 € festzusetzen.

A. Gründe zu 1. bis 3.

1. Der Klägerin war auf ihren form- und fristgerechten Antrag hin Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung zu gewähren, nachdem der Antrag innerhalb der Frist von 2 Wochen nach Behebung des Hindernisses bei Gericht einging und mit der versäumten Prozesshandlung verbunden ist und die Berufung begründet wurde, §§ 234 I 1, 236 II 2 HS 1 ZPO (vgl. BGHZ 30, 226), zuletzt ergänzend mit Schriftsatz vom 24.10.2013. Durch die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen, das Faxjournal und den Sendebericht wurde glaubhaft gemacht, dass die unterbliebene Übertragung des Berufungsbegründungsschriftsatzes nebst Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist unbemerkt blieb und dies sowie das gleichzeitige Streichen der Frist im Fristenkalender nicht auf einem der Klägerin zurechenbaren Verschulden der Klägervertreterin beruht, die den Fehler erfolgreich auf ihr Büropersonal abzuwälzen vermochte. Der eidesstattlichen Versicherung ihres Angestellten kann zwar nicht entnommen werden, dass dieser wie vorgetragen das Fax erneut zu senden versuchte, jedoch war ausreichend glaubhaft gemacht, dass er das erfolgreiche Versenden zu kontrollieren und bei Fehlschlag zu wiederholen angewiesen war. Der handschriftlichen Anmerkung der Klägervertreterin mit ihrem Handzeichen auf dem Fax vom 14.10.2014 (Bl. 335 d. A.) „wurde gefaxt 06.10.2014!“ kann nicht sicher entnommen werden, dass es die Klägervertreterin selbst war, die das Fax am Abend erneut zu senden versuchte, die fehlende Verbindung aber nicht bemerkte.

2. Die Entscheidung über die Kosten der Wiedereinsetzung gem. § 238 IV ZPO war der Endentscheidung vorzubehalten.

3. Diese Entscheidung ist gem. § 238 III ZPO unanfechtbar.

B. Gründe zu 4. bis 7:

I. Eine mündliche Verhandlung ist nicht gem. § 522 II 1 Nr. 4 ZPO geboten.

Eine „existentielle Bedeutung“ des Rechtsstreits für die Berufungsführerin aufgrund der Natur des Rechtsstreits ist vorliegend nicht gegeben: Der Rechtsstreit betrifft Schadensersatzansprüche wegen Sach- und Vermögensschäden im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall.

Eine „existentielle Bedeutung“ des Rechtsstreits ist auch nicht wegen der Höhe des in Streit befindlichen Betrages gegeben:

> Die absolute Höhe des Betrages ist grundsätzlich nicht entscheidend (OLG Koblenz, Beschl. v. 16.02.2012 - 10 U 817/11 [juris, dort Rz. 28]; r+s 2013, 450 [451 für eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente von knapp 400 €]; OLG Hamm, Beschl. v. 18.09.2013 - 3 U 106/13 [BeckRS 2014, 15433] in einer Arzthaftungssache; Hk-ZPO/IAöstmann, 5. Aufl. 2013, § 522 Rz. 12 a; BL/Hartmann, ZPO, 73. Aufl. 2015, §522 Rz. 16).

> Eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Berufungsführerin (vgl. zu dieser Fallgestaltung OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 30.8.2012 -21 U 34/11 [juris, dort Rn. 4; Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschl. des BGH v. 20.2.2014 -VII ZR 265/12 zurückgewiesen]; Stackmann JuS 2011, 1087 [1088 unter II 4]) ist nicht dargetan oder sonst ersichtlich.

II. Die Berufung ist auch offensichtlich unbegründet (§ 522 II 1 Nr. 1 ZPO).

1. Eine offensichtliche Unbegründetheit ist gegeben, wenn für jeden Sachkundigen ohne längere Nachprüfung erkennbar ist, dass die vorgebrachten Berufungsgründe (solche sind nur eine Rechtsverletzung [§ 513 I Var. 1 i. Verb. m. § 546 ZPO], eine unrichtige Tatsachenfeststellung [§ 513 I Var. 2 i. Verb. m. § 529 I Nr. 1 ZPO] oder das Vorbringen neuer berücksichtigungsfähiger Angriffs- und Verteidigungsmittel [§ 513 I Var. 2 i. Verb. m. §§ 529 I Nr. 2, 531 II ZPO]) das angefochtene Urteil nicht zu Fall bringen können (Beschlussempfehlung a. a. O. unter Bezugnahme auf BVerfG NJW 2002, 814 [815]). Offensichtlichkeit setzt aber nicht voraus, dass die Aussichtslosigkeit gewissermaßen auf der Hand liegt (Beschlussempfehlung a. a. O.), also nur dann bejaht werden dürfte, wenn die Unbegründetheit der Berufung anhand von paratem Wissen festgestellt werden kann (BVerfG EuGRZ 1984, 442 f.); sie kann vielmehr auch das Ergebnis vorgängiger gründlicher Prüfung sein (Beschlussempfehlung a. a. O. unter Hinweis auf BVerfGE 82, 316 [319 f.]).

2. Dem Senat ist es nicht verwehrt, auf der Grundlage der erstinstanzlichen tatsächlichen Feststellungen ergänzende, das angefochtene Urteil weiter rechtfertigende oder berichtigende Erwägungen anzustellen (OLG Koblenz, Beschl. v. 16.02.2012 - 10 U 817/11 [juris, dort Rz. 28]; OLG Hamm VersR 2013, 604; OLG Stuttgart v. 05.03.2012 - 13 U 24/12 [juris]; OLG Düsseldorf v. 10.04.2012 -2 U 3/10 [juris]; OLG Köln v. 20.04.2012 - 5 U 139/11 [juris]; KG v. 09.07.2012 -23 U 71/12 [juris]; Zöller/Heßler a. a. O. § 522 Rz. 36; Musielak/Ball, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 522 Rz. 21 a; PG/Lemke, ZPO, 4. Aufl. 2012, § 522 Rz. 25, 26; Hk-ZPO/IAöstmann a. a. O. § 522 Rz. 11; BL/Hartmann a. a. O. § 522 Rz. 16).

3. Dies zugrunde gelegt, nimmt der Senat zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die nach umfassender Beweisaufnahme ergangene, ausführlich und sorgfältig begründete Entscheidung des LG München I Bezug, in der zu allen relevanten Punkten sowohl in der Begründung als auch im Ergebnis zutreffend Stellung genommen worden ist.

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen und die ergänzende Berufungsbegründung ist zu bemerken: Die Berufung unterlässt es, sich inhaltlich mit den Urteilsgründen entsprechend dem fehlerfrei festgestellten Sachverhalt auseinanderzusetzen, sondern beschränkt sich im Wesentlichen auf die Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens, die zusammengefasst darauf hinausläuft, dass von einer (Allein-)Haftung des Beklagten zu 1) im Hinblick auf dessen festgestellte alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit auszugehen ist. Im Einzelnen:

a) Der Unfall ereignete sich nach den Feststellungen beider Sachverständiger im Bereich der Fahrbahnhälfte des Beklagten zu 1), und zwar kam es zu einer leichten Überdeckung etwa 30 cm jenseits der Mittelleitlinie. Gegen die Klägerin spricht daher ein Anscheinsbeweis, der nicht erschüttert oder gar widerlegt ist.

Die Klägerin konnte nämlich ihre bereits im Ermittlungsverfahren aufgestellte Behauptung (EA Bl. 38), der Beklagte zu 1) sei ihr gleich einem Geisterfahrer auf ihrer Fahrbahnseite entgegengekommen, weshalb sie nach kurzem Überlegen ebenfalls auf die Gegenfahrbahn lenkte, es aber zur Kollision kam, weil der Beklagte zu 1) zwischenzeitlich zurücklenkte, nicht beweisen. Das Vorbringen ist technisch zwar möglich, setzt aber, wie Dipl.-Ing. S. ausführte, die Möglichkeit einer Wahlentscheidung und deren Ausführung voraus, was dazu führt, dass dann davon ausgegangen werden müsste, dass der Beklagte etwa 3 Sekunden bis 4 Sekunden vor der Kollision seine Fahrbahnhälfte in Richtung der Gegenfahrbahn verlassen hätte. Bei den gefahrenen Geschwindigkeiten von jeweils etwa 80 km/h wären die Fahrzeuge zu diesem Zeitpunkt etwa 133 m oder 177 m oder anders ausgedrückt etwa 26 bis 35 Fahrzeuglängen voneinander entfernt gewesen. Die Klägerin aber gab bei ihrer informatorischen Anhörung an, sie habe den Beklagten zu 1) erstmals in einer Entfernung von 3 Fahrzeuglängen wahrgenommen, was auch bei den anzuerkennenden Schätzungenauigkeiten nicht mehr mit dem nach den Ausführungen des Sachverständigen für das geschilderte Fahrverhalten des Beklagten zu 1) technisch erforderlichen Zeitbedarf und der gegenseitigen Entfernung vereinbar ist. Hinzu kommt, dass aufgrund der Angaben der Zeugen K. und M. davon auszugehen ist, dass die Klägerin zwischen den vorbenannten Pkw befindlich war, der Zeuge M. keine Auffälligkeiten bei der Passage des Beklagten zu 1) schilderte und die Zeugin K. beobachtete, dass ein vor ihr fahrender weißer Audi innerhalb seiner Fahrspur dauernd von rechts nach links fuhr. In Verbindung mit den Angaben des Zeugen M. kam davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei um den Audi der Klägerin handelte, da die Zeugin nur einen weißen Audi sah und der Zeuge M. sich erinnerte, dass der verunfallte weiße Audi seit S. hinter ihm herfuhr. Zu Recht war das Landgericht daher von der Behauptung der Klageseite nicht überzeugt. Es ist auch unzutreffend, dass sich das Landgericht mit dem Vortrag der Klageseite nicht auseinandergesetzt hätte, wie eine Lektüre der Urteilsgründe, insbesondere S. 13 zeigt. Der gerichtliche Sachverständige hat weiter überzeugend ausgeführt, dass ihm anders als dem Polizeisachverständigen weitere Anknüpfungstatsachen zur Verfügung standen, insbesondere die linke Spurstange des Pkw des Beklagten zu 1) durch die Kollision abriss und das Fahrzeug in eine Schleuderbewegung geriet, bei der erhebliche Kräfte auf das rechte Rad einwirkten, weshalb es als unwahrscheinlich angesehen werden kann, der Lenkeinschlag sei bis zur Endstellung „konserviert“ worden. Aus dem Lenkeinschlag nach rechts in der Endstellung kann daher nicht die Schlussfolgerung auf einen entsprechenden Lenkeinschlag zum Kollisionszeitpunkt und damit eine Bogenfahrt nach rechts von der Gegenfahrbahn zurück gezogen werden.

b) Das Landgericht glaubte erkennbar dem Beklagten zu 1), dass er seine Sonnenbrille abnahm, kurz den Blick abwendete und sich dann die Kollision ereignete.

(1) Der Senat ist nach § 529 I Nr. 1 ZPO an die Beweiswürdigung des Erstgerichts gebunden, weil keine konkreten Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung vorgetragen werden. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung sind ein unrichtiges Beweismaß, Verstöße gegen Denk- und Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, Widersprüche zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen sowie Mängel der Darstellung des Meinungsbildungsprozesses wie Lückenhaftigkeit oder Widersprüche, vgl. zuletzt BGH VersR 2005, 945; Senat in st. Rspr., etwa Urt. v. 09.10.2009 - 10 U 2965/09 [juris] und zuletzt Urt. v. 21.06.2013 - 10 U 1206/13). Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen (BGHZ 159, 254 [258]; NJW 2006, 152 [153]; Senat a. a. O.); bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte genügen nicht (BGH a. a. O.; Senat a. a. O.). Ein solcher konkreter Anhaltspunkt für die Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung ist von der Berufung nicht aufgezeigt worden, die Berufung setzt vielmehr ihre eigene Beweiswürdigung an Stelle der des Landgerichts und nimmt an, wegen der Alkoholisierung sei davon auszugehen, der Beklagte zu 1) habe die Kontrolle über das Fahrzeug verloren oder mögliche Abwehrmaßnahmen unterlassen. Das Landgericht konnte sich aber im Hinblick auf die oben unter a) dargestellten Widersprüche in der Aussage der Klägerin und die Angaben der Zeugen in Verbindung mit dem Ergebnis des Sachverständigen rechtsfehlerfrei vom Vortrag des Beklagten zu 1) überzeugen.

(2) Der gegen den absolut fahruntüchtigen Beklagten zu 1) sprechende Anscheinsbeweis eine Ursächlichkeit der Alkoholisierung für den Unfall, weil er etwa alkoholbedingt nicht mehr rechtzeitig Ausweichen konnte, ist widerlegt. Der Sachverständige führte aus, dass der Unfall bei Zugrundelegung der Unfalldarstellung des Beklagten zu 1) für diesen technisch mit hoher Wahrscheinlichkeit unvermeidbar war, da die Klägerin dann erst 1 oder 2 Sekunden vor der Kollision in die Gegenfahrbahn einfuhr. Auch einem nicht alkoholisierten Fahrer kann es widerfahren, dass er bei Abnahme der Sonnenbrille und kurzer Blickabwendung in eine Situation gerät, bei der ein rechtzeitiges Ausweichen auf ein in die Gegenfahrbahn geratenes Fahrzeug nicht mehr möglich ist. Die Berufung differenziert nicht zwischen den Anforderungen an einen Idealfahrer und der Frage, ob bei dem als bewiesen zu erachtenden Sachverhalt ein nicht alkoholisierter Fahrer die Situation problemlos gemeistert hätte.

(3) Zu Recht hat das Landgericht von der Einvernahme der Polizeibeamten und der Erholung eines Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin abgesehen. Die Klägerin hat an alkoholbedingten Ausfallerscheinungen, die die Polizeibeamten bekunden können, konkret nur die verwaschene Aussprache genannt. Diese ergibt sich bereits aus dem ärztlichen Bericht (Bl. 34 der Ermittlungsakte) ebenso wie etwa die vorhandene Sicherheit bei Gang und plötzlicher Kehrtwende. Die Einvernahme des Bruders der Klägerin ergab nur, dass der schriftsätzliche Vortrag zu den angeblich beobachteten Ausfallerscheinungen unzutreffend war, da er mit dem Beklagten zu 1) nicht sprach und keine Beobachtungen machen konnte, die auf alkoholbedingte Ausfallerscheinungen hindeuten.

Ein Sachverständigengutachten zu den Auswirkungen der Alkoholisierung auf das Fahrverhalten und das Reaktionsvermögen des Beklagten zu 1) war nicht zu erholen, da nach dem festgestellten Sachverhalt auch ein nicht alkoholisierter Fahrer die Situation eben nicht problemlos gemeistert hätte und es wegen des nicht mehr näher rekonstruierbaren Annäherungsverhaltens bei der Feststellung von Dipl.-Ing S. verbleiben muss, wonach der Unfall für den Beklagten zu 1) technisch mit hoher Wahrscheinlichkeit unvermeidbar war. Es ist eben nicht zugrunde zu legen, wie die Klägerin meint, dass der Beklagte zu 1) bei Abnahme der Brille die Kontrolle über den Wagen verlor und in die Gegenfahrbahn geriet. Ein Sachverständiger kann die klägerische Behauptung, dass ein nicht alkoholisierter Fahrer bei Abnahme seiner Brille nicht den Blick kurz von der Fahrbahn abgewendet hätte oder die Brille nur nach oben geschoben hätte, statt sie abzunehmen und dabei kurz zur Seite zu blicken, nicht bestätigen. Es gibt keinen Erfahrungssatz, dass ein nicht alkoholisierter Fahrer während der Fahrt den Blick nicht kurz von der Fahrbahn abwendet.

(4) Das mehrsekündige Abwenden des Blickes von der Fahrbahn stellt ein den grob fahrlässiges Verhalten dar (OLG München, VersR 1995, 165). Ein solches ist vorliegend nicht bewiesen. Vorliegend kann nur von einer nur ganz kurzfristigen Unaufmerksamkeit ausgegangen werden. Unter den Begriff des Augenblicksversagens fällt auch das nur kurze Abwenden des Blickes von der Straße. Es ist aber nicht bewiesen, dass dieses unfallursächlich war, da je nach Annäherungsverhalten die Klägerin möglicherweise erst 1 Sek. vor der Kollision in die Gegenfahrbahn einfuhr (Gutachten S. 45) und der Unfall mit hoher Wahrscheinlichkeit für den Beklagten zu 1) technisch nicht vermeidbar war.

c) Das Sachverständigengutachten wurde zu Recht erholt, ergab sich doch daraus erst, dass die Annahme des polizeilichen Sachverständigen, der Lenkeinschlag nach rechts sei bereits zum Kollisionszeitpunkt vorhanden gewesen, woraus auf eine Bogenfahrt des Beklagten zu 1) nach rechts zurück auf die eigene Fahrbahn geschlossen werden könne, wegen der kollisionsbedingten Zerstörung der Spurstange links und der auf das rechte Rad einwirkenden Kräfte beim Schleudervorgang in die Endstellung unwahrscheinlich ist. Für eine Niederschlagung der Kosten oder eine Abänderung der Kostenentscheidung besteht kein Anlass.

III. Da, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, auch die Voraussetzungen des § 522 II 1 Nr. 2 und 3 ZPO vorliegen, beabsichtigt der Senat, die Berufung gem. § 522 II 1 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Die Zurückweisung ist nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des Gesetzes anders als im Verwaltungsgerichtsprozess (§ 130 a VwGO; vgl. dazu grdl. BVerwG NVwZ 1996, 1102 und zur Ermessensausübung eingehend Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner/Meyer-Ladew/g/Pud/s//e, VwGO, [Stand] 2011, § 130 a Rz. 5) nicht in das Ermessen (in Form des Auswahlermessens zwischen dem Beschluss- und dem Urteilsverfahren) des Berufungsgerichts gestellt. Dem steht nicht entgegen, dass der Rechtsausschuss des Bundestages (Beschlussempfehlung a. a. O.) und ihm folgend etwa Baumert (MDR 2011, 1155 [1146 unter 2 b]) mit der Formulierung einer Sollvorschrift nur ein „freies Ermessen“ des Berufungsgericht ausgeschlossen sehen wollen und in der Vorschrift die Festlegung eines „gebundenen Ermessens“ sehen. Sollvorschriften sind im Zivilprozessrecht grundsätzlich zwingend (BAG NJW 2012, 2376 [2378 unter Tz. 23] zu § 6 S. 2 KSchG]; BayVerfGH NJW 1962, 627 [628 unter V 2 b bb ganz allgemein]; BayObLG Rpfleger 1981, 76; Wieczorek/Schütze/Prütt/ng a. a. O. Einl. Rz. 126; Rosenberg/Schwab/Gottwa/d, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010, § 7 Rz. 7); sie unterscheiden sich von Mussvorschriften nur darin, dass ihre Verletzung durch das Gericht die Handlung in der Regel nicht anfechtbar macht (grdl. Hei/but, „Müssen“ und „Sollen“ in der Deutschen (ZivilProzessordnung, in: AcP 69 [1886] 331-433; Wieczorek/Schütze/Prütt/ng a. a. O.; Rosenberg/Schwab/Gottwa/d a. a. O.; vgl. auch Stickelbrock, Inhalt und Grenzen richterlichen Ermessens im Zivilprozess, Köln 2002, S. 8 ff. [unter § 2 I 1]). Ihr Sinn besteht darin, einer etwaigen atypischen Einzelfallgestaltung Rechnung zu tragen (vgl. für das Verwaltungsrecht BVerwGE 10, 117 [118]; 49, 16 [23]; 56, 220 [223]); 64, 318 [323]; 90, 88 [93]; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 29.07.2008 - 11 S 158/08 [juris]).

Eine atypische Fallgestaltung im vorgenannten Sinne, etwa dergestalt, dass eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung das Verfahren nicht verzögern würde, weil die mündliche Verhandlung zeitnah erfolgen könnte (vgl. Beschlussempfehlung a. a. O.), ist vorliegend nicht gegeben: Angesichts der Notwendigkeit, bei Anberaumung einer mündlichen Verhandlung eine Berufungserwiderungsfrist (§ 521 II 1 ZPO) von grundsätzlich mindestens einem Monat (vgl. dazu eingehend Doukoff a. a. O. Rz. 1015) sowie in der Regel einer Replikfrist (vgl. § 521 II 1 ZPO) von wenigstens drei Wochen zu setzen sowie des gegenwärtigen Terminsstandes des Senats müsste mit einer wenigstens drei- bis vierfach längeren Verfahrensdauer gerechnet werden. Anhaltspunkte für eine sonstige atypische Fallgestaltung sind nicht ersichtlich.

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Der Senat hält auch eine mündliche Verhandlung nicht für geboten.

I.

Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am … 2012 gegen 00.15 Uhr auf der BAB … bei … ereignet hat. Der von dem Arbeitnehmer K. gesteuerte Lkw der Klägerin fuhr auf den auf dem Standstreifen stehenden, wegen technischer Probleme liegen gebliebenen Pkw auf, der von der Beklagten zu 1) geführt wurde und bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war. An dem Pkw war die Warnblinkanlage nicht eingeschaltet; ein Warndreieck war nicht aufgestellt.

1. Das Landgericht hat die auf Zahlung von 34.684,01 EUR gerichtete Klage als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Zulasten der Beklagten sei lediglich die einfache Betriebsgefahr zu berücksichtigen, die gegenüber einem schweren unfallursächlichen Verkehrsverstoß des Drittwiderbeklagten zurücktrete.

Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen stehe fest, dass sich das Fahrzeug der Beklagten zu 1) zum Kollisionszeitpunkt vollständig auf dem Seitenstreifen befunden habe und es zur Kollision gekommen sei, weil der Drittwiderbeklagte aus unbekanntem Grund 0,95 m nach rechts auf die Standspur gekommen sei. Unstreitig habe die Beklagte zu 1) gegen § 15 StVO verstoßen, weil weder an ihrem Fahrzeug die Warnblinkanlage eingeschaltet noch ein Warndreieck aufgestellt gewesen sei. Aufgrund des Sachverständigengutachtens stehe fest, dass die linke Rückleuchte gebrannt habe; ob die rechte Rückleuchte gebrannt habe, sei nicht feststellbar gewesen. Die Klägerin habe jedoch nicht beweisen können, dass diese Verstöße unfallursächlich gewesen seien, insbesondere weil ungeklärt sei, weshalb der Drittwiderbeklagte nach rechts abgekommen sei.

2. Mit der Berufung erstrebt die Klägerin Zahlung von 8.716 EUR.

Sie ist der Auffassung, die Betriebsgefahr des Pkw sei mit 25% anzusetzen.

Die Feststellung des gerichtlichen Sachverständigen, dass sich der Pkw vollständig auf der Standspur befunden habe, werde nicht angegriffen. Die Betriebsgefahr des Pkw sei aber ebenfalls erhöht gewesen. Die Beklagte zu 1) habe gegen § 15 StVO verstoßen; zwischen ihrem Anruf beim Zeugen R. und dem Unfall habe sie 10 Minuten Zeit gehabt, die Warnblinkanlage einzuschalten und ein Warndreieck aufzustellen. Der Pkw sei nur schwer zu erkennen gewesen, da sich der Unfall nachts ereignet habe und der Pkw schwarz lackiert sei.

Die Klägerin müsse nicht den Beweis führen, dass gerade das Unterlassen der Absicherung zum Auffahren des Zeugen K. geführt habe. Es reiche aus, dass sich das Fehlverhalten der Beklagten zu 1) gefahrerhöhend ausgewirkt habe.

3. Die Beklagten beantragen Zurückweisung der Berufung.

II.

Die Berufung ist offensichtlich unbegründet. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler die Klage als insgesamt unbegründet abgewiesen.

Die nach § 17 Abs. 1 und 2, § 18 Abs. 3 StVG vorzunehmende Abwägung führt zu dem Ergebnis, dass die Klägerin ihren Schaden selbst tragen muss, weil ihr Fahrer den Unfall weit überwiegend verursacht hat.

1. In der Berufungsinstanz ist unstreitig, dass der Fahrer der Klägerin gegen § 2 Abs. 1, § 41 Abs. 1 StVO i. V. m. Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO Zeichen 295 verstoßen hat, indem er zum Kollisionszeitpunkt ca. 0,7 m bis 0,95 m rechts von der Fahrstreifenbegrenzung der rechten Fahrspur gefahren sein muss.

2. Bei der Beklagtenseite ist nur die Betriebsgefahr des Pkw zu berücksichtigen.

a) Es ist unstreitig, dass sich der Pkw vollständig auf dem Seitenstreifen befand.

b) Die Beklagte zu 1) hat zwar gegen § 15 Abs. 1 und 2 StVO verstoßen; die Klägerin hat aber nicht den erforderlichen Beweis erbracht, dass dieser Verstoß (mit)unfallursächlich geworden ist.

aa) Die Beklagte zu 1) hat gegen § 15 S. 1 und 2 StVO verstoßen, indem sie ihr liegen gebliebenes Fahrzeug weder durch Einschalten der Warnblinkanlage noch durch Aufstellen eines Warndreiecks gesichert hat. Beides ist unstreitig. Der Sachverständige hat dazu festgestellt, dass der Schalter an der Warnblinkanlage auf „Aus“ stand. Ihr blieb zu einer Absicherung ihres Fahrzeugs auch nach dem Vortrag der Beklagtenseite ausreichend Zeit: nach eigenen Angaben der Beklagten zu 1) schrieb sie zunächst eine SMS an den Zeugen R. und wartete auf dessen Rückruf, zwischen dem Zeitpunkt seines Rückrufs (00.06 Uhr) und dem Unfall (00.15 Uhr) lagen weitere fast 10 Minuten.

Dagegen ist nicht erwiesen, dass der Pkw unbeleuchtet war. Die Beweiswürdigung des Landgerichts kann in der Berufungsinstanz nur darauf überprüft werden, ob konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; ist das nicht der Fall, sind die Feststellungen bindend (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Nach diesen Maßstäben ist die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden.

Die Beklagte zu 1) hat angegeben, sie habe das Licht angelassen. Übereinstimmend damit haben die Zeugen W. und E., die als Polizeibeamte den Unfall aufnahmen, ausgesagt, der linke Scheinwerfer habe bei ihrem Eintreffen an der Unfallstelle gebrannt. Zur Beleuchtung des Pkw hat der Sachverständige festgestellt, dass zu beiden Schlussleuchten ein Stromfluss vorhanden war und jedenfalls die linke Schlussleuchte zum Unfallzeitpunkt gebrannt habe. Anhaltspunkte für eine verminderte Leuchtkraft gebe es nicht; die Batterie habe noch bei seinem Eintreffen einige Zeit nach dem Unfall trotz abgestellten Motors genügend Ladung aufgewiesen, so dass der vordere linke Scheinwerfer geleuchtet habe. Zu der rechten Schlussleuchte sei eine Aussage nicht möglich.

bb) Im Rahmen der Abwägung sind nur solche Umstände zu berücksichtigen, die für den Unfall erwiesenermaßen zumindest mitursächlich gewesen sind (Heß, in: Burmann/Heß/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl., § 17 StVG Rn. 16; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 17 StVG Rn. 5; BGH v. 21.11.2006 VI ZR 115/05 = NJW 2007, 506 Tz. 15, 18 - fehlende Fahrerlaubnis -; v. 1.12.2009 VI ZR 221/08 = NZV 2010, 293 Tz. 13; v. 10.1.1995 VI ZR 247/94 = NJW 1995, 1029 - Fahruntüchtigkeit - Tz. 9 f.). Die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage reicht nicht aus (BGH NJW 2007, 506 Tz. 18; v. 13.2.1996 VI 126/95 = NJW 1996, 1405). Die Beweislast dafür trägt derjenige, der sich darauf beruft (BGH NJW 1996, 1405), im vorliegenden Fall also die Klägerin.

Diesen Nachweis hat die Klägerin nicht erbracht. Im Berufungsverfahren ist unstreitig, dass sich der Pkw vollständig auf dem Standstreifen befand, so dass der Lkw zum Kollisionszeitpunkt rechts von der Fahrstreifenbegrenzung der rechten Fahrspur gefahren sein muss. Der Sachverständige H. ist in seinem Gutachten vom 21.12.2012 aufgrund der an der Unfallstelle vorhandenen Spuren - Kratz- und Reifenspuren, eine Flüssigkeitsspur und ein Splitterfeld im Bereich der ersten Spurzeichnungen - zu dem Ergebnis gekommen, dass der Pkw ganz auf der Standspur stand, als der Lkw auffuhr; der Lkw habe sich deutlich - ca. 0,7 bis 0.95 m - rechts auf dem Seitenstreifen befunden.

Dass der Unfall bei Einschalten der Warnblinkanlage und Aufstellen des Warndreiecks vermieden worden wäre, ist möglich, steht unter diesen Umständen nicht fest.

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes spricht bei unterlassenen Sicherungsmaßnahmen nach § 15 StVO allerdings ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die unterlassene Sicherungsmaßnahme für den Zusammenstoß ursächlich war (BGH v. 15.12.1970 VI ZR 116/69 = NJW 1971, 431; v. 17.10.2000 VI ZR 313/99 = NJW 2001, 149; ebenso OLG Stuttgart v. 14.2.1990 4 U 204/89 = VersR 1992, 69; OLG Düsseldorf v. 25.5.1976 12 U 123/75 = DAR 1977, 186; Brandenburg. OLG v. 6.9.2007 12 U 70/07). Es kann dahinstehen, ob dies auch gilt, wenn sich das liegen gebliebene Fahrzeug - wie im vorliegenden Fall - vollständig auf der Standspur befunden hat. Jedenfalls ist der Anscheinsbeweis erschüttert, weil die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs besteht. Der Pkw befand sich nicht auf der Fahrbahn, sondern stand vollständig auf der Standspur und damit außerhalb der eigentlichen Fahrbahn. Er war nicht vollständig unbeleuchtet. Jedenfalls die linke - also zur Fahrbahn hin gelegene - Schlussleuchte brannte. Wie der Sachverständige festgestellt hat, verfügt das Fahrzeug außerdem über Rückstrahler, die bei Annäherung eines Fahrzeugs einen Teil des Lichtes, mit dem sie angestrahlt werden, zurückwerfen. Zum anderen lässt sich nicht ausschließen, dass der Zeuge K. durch den links von ihm fahrenden Lkw des Zeugen C. abgelenkt war und deshalb auf den Standstreifen geriet. Ein Anhaltspunkt dafür ist auch das erhebliche Ausmaß, in dem er die Standspur befuhr. Es gibt ferner keine objektiven Anhaltspunkte, die belegen, dass der Zeuge K. vor der Kollision tatsächlich einen Abbremsvorgang eingeleitet hatte. Aufgrund dieser Umstände besteht die ernsthafte Möglichkeit, dass der Zeuge abgelenkt war und den Pkw vor dem Zusammenstoß gar nicht bemerkt hat, so dass er auch auf das abgesicherte Fahrzeug aufgefahren wäre.

cc) Dass das Landgericht die reine Betriebsgefahr des Pkw gegenüber dem Fahrfehler des Zeugen K. hat zurücktreten lassen, ist nicht zu beanstanden. Zu der Kollision konnte es nur kommen, weil der Zeuge mit dem Lkw teilweise die Standspur benutzte; der Pkw hat dazu lediglich beigetragen, weil er an der betreffenden Stelle stand. Der Zeuge hat den Zusammenstoß deshalb in so überwiegender Weise verursacht, dass es gerechtfertigt ist, die Betriebsgefahr nicht zu berücksichtigen.

Grundsätzlich wird beim Auffahren auf ein liegen gebliebenes Fahrzeug zwar eine Schadensteilung vorzunehmen sein, wobei den Halter des defekten Fahrzeuges die überwiegende Haftung treffen wird, wenn das Fahrzeug noch in die Fahrbahn ragt und ungesichert oder unbeleuchtet ist (Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 13. Aufl. Rn. 94, 95). Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall aber dadurch, dass sich der Pkw nicht mehr auf der Fahrspur befand und auch nicht in sie hineinragte; vielmehr hätte der Zeuge K. die Standspur nicht befahren dürfen, so dass von ihm die eigentliche Gefahr ausging.

III.

Der Senat regt daher an, die Berufung zurückzunehmen. Der Klägerseite wird Gelegenheit gegeben, innerhalb von zwei Wochen zu dem vorstehenden Hinweis des Senats Stellung zu nehmen.

(1) Wird ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht und sind die beteiligten Fahrzeughalter einem Dritten kraft Gesetzes zum Ersatz des Schadens verpflichtet, so hängt im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Wenn der Schaden einem der beteiligten Fahrzeughalter entstanden ist, gilt Absatz 1 auch für die Haftung der Fahrzeughalter untereinander.

(3) Die Verpflichtung zum Ersatz nach den Absätzen 1 und 2 ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Kraftfahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Kraftfahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Der Ausschluss gilt auch für die Ersatzpflicht gegenüber dem Eigentümer eines Kraftfahrzeugs, der nicht Halter ist.

(4) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 sind entsprechend anzuwenden, wenn der Schaden durch ein Kraftfahrzeug und ein Tier oder durch ein Kraftfahrzeug und eine Eisenbahn verursacht wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.