Oberlandesgericht München Beschluss, 20. Jan. 2016 - 5 VAs 47/15

bei uns veröffentlicht am20.01.2016

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

I. Der Antrag der Verurteilten auf gerichtliche Entscheidung vom 2. Dezember 2015 wird als unbegründet verworfen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen Auslagen.

III. Der Geschäftswert wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Das Amtsgericht München verhängte mit Strafbefehl vom 17. Februar 2014, rechtskräftig seit 30. April 2014, gegen die Beschwerdeführerin wegen Steuerhinterziehung in 2 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Mit Beschluss vom 12. Mai 2015, rechtskräftig seit 15. Juli 2015, widerrief das Amtsgericht München gemäß § 56f Abs. 1 Nr. 3 StGB die Strafaussetzung zur Bewährung, da die Verurteilte die ihr mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 17. Februar 2014 erteilte Auflage gröblich und beharrlich nicht erfüllt hatte.

Mit Verfügung vom 24. August 2015 wurde die Verurteilte zum Strafantritt innerhalb einer Woche in die Justizvollzugsanstalt München - Frauenabteilung - geladen. Zugleich wurde sie darauf hingewiesen, dass für den Fall des Nichtbefolgens der Ladung der Erlass eines Haftbefehls droht. Die Verurteilte kam der Aufforderung zum Strafantritt nicht nach, sondern legte über ihre Verteidigerin mit Schreiben vom 3. September 2015, eingegangen am 4. September 2015, Beschwerde ein.

Zur Begründung trug sie vor, die Ladung zum Strafantritt sei unvollständig, es fehle das Hinweisblatt zur Ableistung gemeinnütziger Arbeit. Zudem wäre die Ladung zum Strafantritt in die englische Sprache zu übersetzen. Zugleich stellte sie ein Gnadengesuch und beantragte die Vollstreckung bis zur Entscheidung über das Gnadengesuch einzustellen.

Die Staatsanwaltschaft München I hat am 8. September 2015 der Beschwerde der Verurteilten nicht abgeholfen und die Sache dem Generalstaatsanwalt in München am 21. Oktober 2015 zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Bescheid vom 28. Oktober 2015, der Beschwerdeführerin über ihre Verteidigerin am 3. November 2015 zugestellt, hat der Generalstaatsanwalt die Beschwerde der Verurteilten vom 3. September 2015 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führt der Generalstaatsanwalt aus, die Bewährung sei rechtskräftig widerrufen. Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf die Ausführungen im Bescheid vom 28. Oktober 2015 Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 2. Dezember 2015, eingegangen bei Gericht am selben Tag, stellte die Verurteilte Antrag auf gerichtliche Entscheidung.

Mit Vorlageschreiben vom 11. Januar 2016, eingegangen am 15. Januar 2016, hat die Generalstaatsanwaltschaft München beantragt, den Antrag der Verurteilten auf gerichtliche Entscheidung vom 2. Dezember 2015 als unbegründet zu verwerfen, der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen und den Geschäftswert auf 3.000 € festzusetzen sowie die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, aber unbegründet.

1. Der Antrag, der sich gegen die Ladung zum Strafantritt vom 24. August 2015 richtet, ist nach § 23 Abs. 1 EGGVG statthaft (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Februar 2014, III-3 Ausl 22/14 zitiert über juris Rdn. 13) und auch im Übrigen zulässig.

Das Vorschaltverfahren nach § 24 Abs. 2 EGGVG i. V. m. § 21 StVollstrO wurde durchgeführt, die Monatsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG ist gewahrt und die Antragstellerin macht hinreichend erkennbar geltend, in ihren Rechten gemäß § 24 Abs. 1 EGGVG verletzt zu sein. Sie ist u. a. der Ansicht, dass die Ladung zum Strafantritt hätte übersetzt werden müssen.

2. Der Antrag hat in der Sache keinen Erfolg, weil die Verfügung der Staatsanwaltschaft München I vom 24. August 2015 in Form der Beschwerdeentscheidung des Generalstaatsanwalts in München vom 28. Oktober 2015 die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 28 Abs. 1 Satz 1 EGGVG).

a) Grundlage der Strafvollstreckung ist der rechtskräftige Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 17. Februar 2014 in Verbindung mit dem rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts über den Widerruf der Bewährung vom 12. Mai 2015, § 449 StPO (Meyer-Goßner/Schmitt StPO 58. Aufl. § 453 Rdn. 16).

Mit ihrem Vorbringen zur Rechtswidrigkeit des Strafbefehls und des Bescheids über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung kann die Antragstellerin nicht gehört werden. Die Antragstellerin hat den Strafbefehl akzeptiert, die Entscheidung über den Widerruf der Bewährung ist nach Beschwerde gegen den Beschluss vom 12. Mai 2015 aufgrund Beschlusses des Landgerichts München I vom 14. Juli 2015 seit 15. Juli 2015 formell rechtskräftig (Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. § 449 Rdn. 5, 7). Einwendungen gegen den Strafbefehl oder gegen den Widerrufbeschluss sind im Rahmen des Verfahrens nach §§ 23ff EGGVG nicht mehr möglich.

b) Die Antragstellerin wurde am 24. August 2015 zum Strafantritt geladen. Dass eine Übersetzung der Ladung zum Strafantritt ins Englische nicht erfolgt ist, führt nicht zur Unwirksamkeit der Ladung. Gemäß Art. 6 EMRK ist zwingend nur jede Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßnahme zu übersetzen, die Ladung zum Strafantritt stellt noch keine solche Anordnung dar (Meyer-Goßner/Schmitt aaO Anhang 4 Art. 6 MRK Rdn. 26, 28).

Ausreichende Vollstreckungshindernisse wurden von der Verurteilten nicht geltend gemacht.

Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalstaatsanwalts in seinem Bescheid vom 28. Oktober 2015 Bezug genommen.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung war daher als unbegründet zu verwerfen.

III.

1. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen (§ 29 Abs. 2 EGGVG), da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat (§ 29 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1 EGGVG) noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 29 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 EGGVG). Der vorliegende Einzelfall gibt keine Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (vgl. BGHSt. 24, 15, 21 f.). Durch die Entscheidung des Senats entstehen auch keine schwererträglichen Unterschiede in der Rechtsprechung als Ganzes (vgl. dazu BGH a.a.O.).

2. Die Kostenfolge ergibt sich nach Wegfall des § 30 Abs. 1 EGGVG a.F. für ab dem 23.7.2013 anhängig gewordene oder eingeleitete Verfahren aus den § 1 Abs. 2 Nr. 19 und § 22 GNotKG, die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 36 Abs. 2 GNotKG.

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Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht München Beschluss, 20. Jan. 2016 - 5 VAs 47/15 zitiert 6 §§.

Gerichts- und Notarkostengesetz - GNotKG | § 36 Allgemeiner Geschäftswert


(1) Soweit sich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und er auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen. (2) Soweit sich in einer nichtvermögensrec

Gerichts- und Notarkostengesetz - GNotKG | § 22 Kostenschuldner in Antragsverfahren, Vergleich


(1) In gerichtlichen Verfahren, die nur durch Antrag eingeleitet werden, schuldet die Kosten, wer das Verfahren des Rechtszugs beantragt hat, soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Die Gebühr für den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs schulde

Strafgesetzbuch - StGB | § 56f Widerruf der Strafaussetzung


(1) Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person 1. in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat,2. gegen Weisungen gröblich od

Gerichts- und Notarkostengesetz - GNotKG | § 1 Geltungsbereich


(1) Soweit bundesrechtlich nichts anderes bestimmt ist, werden Kosten (Gebühren und Auslagen) durch die Gerichte in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und durch die Notare für ihre Amtstätigkeit nur nach diesem Gesetz erhoben. (

Strafprozeßordnung - StPO | § 449 Vollstreckbarkeit


Strafurteile sind nicht vollstreckbar, bevor sie rechtskräftig geworden sind.

Referenzen

(1) Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person

1.
in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat,
2.
gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlaß zu der Besorgnis gibt, daß sie erneut Straftaten begehen wird, oder
3.
gegen Auflagen gröblich oder beharrlich verstößt.
Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend, wenn die Tat in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung und deren Rechtskraft oder bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung in einem einbezogenen Urteil und der Rechtskraft der Entscheidung über die Gesamtstrafe begangen worden ist.

(2) Das Gericht sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht,

1.
weitere Auflagen oder Weisungen zu erteilen, insbesondere die verurteilte Person einer Bewährungshelferin oder einem Bewährungshelfer zu unterstellen, oder
2.
die Bewährungs- oder Unterstellungszeit zu verlängern.
In den Fällen der Nummer 2 darf die Bewährungszeit nicht um mehr als die Hälfte der zunächst bestimmten Bewährungszeit verlängert werden.

(3) Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen, Anerbieten, Weisungen oder Zusagen erbracht hat, werden nicht erstattet. Das Gericht kann jedoch, wenn es die Strafaussetzung widerruft, Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 oder entsprechenden Anerbieten nach § 56b Abs. 3 erbracht hat, auf die Strafe anrechnen.

Strafurteile sind nicht vollstreckbar, bevor sie rechtskräftig geworden sind.

(1) Soweit bundesrechtlich nichts anderes bestimmt ist, werden Kosten (Gebühren und Auslagen) durch die Gerichte in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und durch die Notare für ihre Amtstätigkeit nur nach diesem Gesetz erhoben.

(2) Angelegenheiten im Sinne des Absatzes 1 sind auch

1.
Verfahren nach den §§ 98, 99, 132, 142, 145, 258, 260, 293c und 315 des Aktiengesetzes,
2.
Verfahren nach § 51b des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung,
3.
Verfahren nach § 26 des SE-Ausführungsgesetzes,
4.
Verfahren nach § 10 des Umwandlungsgesetzes,
5.
Verfahren nach dem Spruchverfahrensgesetz,
6.
Verfahren nach den §§ 39a und 39b des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes über den Ausschluss von Aktionären,
7.
Verfahren nach § 8 Absatz 3 Satz 4 des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie,
8.
Angelegenheiten des Registers für Pfandrechte an Luftfahrzeugen,
9.
Verfahren nach der Verfahrensordnung für Höfesachen,
10.
Pachtkreditsachen nach dem Pachtkreditgesetz,
11.
Verfahren nach dem Verschollenheitsgesetz,
12.
Verfahren nach dem Transsexuellengesetz,
13.
Verfahren nach § 84 Absatz 2 und § 189 des Versicherungsvertragsgesetzes,
14.
Verfahren nach dem Personenstandsgesetz,
15.
Verfahren nach § 7 Absatz 3 des Erbbaurechtsgesetzes,
16.
Verteilungsverfahren, soweit sich die Kosten nicht nach dem Gerichtskostengesetz bestimmen,
17.
Verfahren über die Bewilligung der öffentlichen Zustellung einer Willenserklärung und die Bewilligung der Kraftloserklärung von Vollmachten (§ 132 Absatz 2 und § 176 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs),
18.
Verfahren über Anordnungen über die Zulässigkeit der Verwendung von Verkehrsdaten,
19.
Verfahren nach den §§ 23 bis 29 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz,
20.
Verfahren nach § 138 Absatz 2 des Urheberrechtsgesetzes und
21.
gerichtliche Verfahren nach § 335a des Handelsgesetzbuchs.

(3) Dieses Gesetz gilt nicht in Verfahren, in denen Kosten nach dem Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen zu erheben sind. In Verfahren nach der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Einführung eines Verfahrens für einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen werden Kosten nach dem Gerichtskostengesetz erhoben.

(4) Kosten nach diesem Gesetz werden auch erhoben für Verfahren über eine Beschwerde, die mit einem der in den Absätzen 1 und 2 genannten Verfahren im Zusammenhang steht.

(5) Soweit nichts anderes bestimmt ist, bleiben die landesrechtlichen Kostenvorschriften unberührt für

1.
in Landesgesetzen geregelte Verfahren und Geschäfte der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie
2.
solche Geschäfte der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in denen nach Landesgesetz andere als gerichtliche Behörden oder Notare zuständig sind.

(6) Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Erinnerung und die Beschwerde gehen den Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften vor.

(1) In gerichtlichen Verfahren, die nur durch Antrag eingeleitet werden, schuldet die Kosten, wer das Verfahren des Rechtszugs beantragt hat, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Die Gebühr für den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs schuldet jeder, der an dem Abschluss beteiligt ist.

(1) Soweit sich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und er auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen.

(2) Soweit sich in einer nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt, ist er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten, nach billigem Ermessen zu bestimmen, jedoch nicht über 1 Million Euro.

(3) Bestehen in den Fällen der Absätze 1 und 2 keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Werts, ist von einem Geschäftswert von 5 000 Euro auszugehen.

(4) Wenn sich die Gerichtsgebühren nach den für Notare geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Notare geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden. Wenn sich die Notargebühren nach den für Gerichte geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Gerichte geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden.