Oberlandesgericht München Beschluss, 22. Aug. 2017 - 13 W 1171/17

bei uns veröffentlicht am22.08.2017
vorgehend
Landgericht München I, 35 O 5398/15, 15.05.2017

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 15.05.2017, Az. 35 O 5398/15, aufgehoben.

Gründe

I.

Der Beklagte zu 3) wendet sich mit der sofortigen Beschwerde gegen einen Aussetzungsbeschluss des Landgerichts gem. § 149 ZPO.

Der Kläger macht Prospekthaftungs- bzw. Schadensersatzansprüche wegen unerlaubter Handlung im Zusammenhang mit seiner Kommandit- Beteiligung an der ... GmbH & Co KG geltend.

Der Kläger trägt u.a. vor, dass es sich bei der Fondsgesellschaft um ein betrügerisches Schneeballsytem gehandelt habe, dessen Vertrieb durch Täuschung und Betrug gefördert worden sei. Der Beklagte zu 3) sei der „Investment-Chef“ des streitgegenständlichen Fonds gewesen.

Die Staatsanwaltschaft ... führt gegen den Beklagten zu 3) sowie ca. weitere 30 Beschuldigte unter dem Aktenzeichen ... ein umfangreiches Ermittlungsverfahren.

Im Übrigen wird auf die Darstellung unter Ziffer I des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Das Landgericht setzte mit Beschluss vom 15.05.2017 die Verhandlung hinsichtlich des Beklagten zu 3) gem. § 149 ZPO aus (Bl. 438/444 d.A.). Seine Entscheidung stützte das Landgericht im Wesentlichen auf die Erwägung, dass der Ausgang des Ermittlungs- bzw. Strafverfahrens erheblichen Erkenntnisgewinn für das Zivilverfahren bringe. Im Ermittlungsverfahren könne der komplexe Sachverhalt gründlicher geklärt werden. Dass derzeit eine Prognose über die weitere Dauer des Ermittlungsverfahrens nicht möglich sei und der Mitteilung der Staatsanwaltschaft vom 22.03.2017 aktuelle Ermittlungserkenntnisse nicht zu entnehmen seien, stehe einer Aussetzung „nicht per se entgegen“.

Gegen den dem Beklagten zu 3) am 22.05.2017 zugestellten Beschluss legte dieser mit Schriftsatz vom 31.05.2017, eingegangen am 01.06.2017, sofortige Beschwerde ein (Bl. 446/447 d.A.). Mit Verfügung vom 28.06.2017, zugestellt am 10.07.2017, setzte das Landgericht dem Beklagten zu 3) eine zweiwöchige Frist zur Begründung der Beschwerde. Die Beschwerde wurde sodann mit Schriftsatz vom 18.07.2017, eingegangen am gleichen Tage, begründet.

Der Beklagte zu 3) stützt seine Beschwerde im Wesentlichen darauf, dass die Aussetzung des Verfahrens ermessensfehlerhaft sei. Weder sprächen prozessökonomische Gründe für die Aussetzung, noch könne das Ziel der Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen mit der Aussetzung erreicht werden. Ein Abschluss des Ermittlungsverfahrens sei nicht binnen Jahresfrist zu erwarten.

Der Beklagte zu 3) beantragt (Bl. 446/447 d.A.), den Aussetzungsbeschluss aufzuheben.

Der Kläger führt in seiner Stellungnahme vom 14.08.2017 aus (Bl. 459/482 d.A.), dass der Aussetzungsbeschluss des Landgerichts frei von Ermessensfehlern sei.

Mit Beschluss vom 20.07.2017 (Bl. 453/456 d.A.) half das Landgericht der Beschwerde nicht ab und verfügte die Vorlage der Akten an das Oberlandesgericht München zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 15.05.2017.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 252, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Zur Entscheidung ist gem. § 568 Satz 1 ZPO der Einzelrichter berufen.

2. Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, da die Entscheidung des Landgerichts ermessensfehlerhaft ist.

a) Gemäß § 149 ZPO kann das Gericht, wenn sich im Laufe des Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluss ist, die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen. Die Anordnung steht im Ermessen des Gerichts.

b) Soweit die Aussetzung eines Verfahrens in das Ermessen des Gerichts gestellt ist, kann die Entscheidung im Beschwerderechtszug nur auf Ermessensfehler kontrolliert werden. Das Beschwerdegericht hat jedoch uneingeschränkt zu prüfen, ob ein Aussetzungsgrund gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 12. 12. 2005, Az. II ZB 30/04 = NJW-RR 2006, 1289, zitiert nach beck-online). Dem Beschwerdegericht ist es zwar verwehrt, sein Ermessen an die Stelle des dem Erstgericht eingeräumten Ermessens zu setzen. Der Prüfung des Beschwerdegerichts unterliegt allerdings, ob das Erstgericht die Grenzen des ihm eingeräumten pflichtgemäßen Ermessens bei der Anordnung der Aussetzung überschritten hat. Es kann die angegriffene Entscheidung auf etwaigen Missbrauch des Ermessens überprüfen, das heißt darauf, ob sich das Erstgericht von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen (vgl. KG, Beschluss vom 10.10.2006, Az. 8 W 55/06, BeckRS 2006, 12513, zitiert nach beck-online).

c) Ein solcher Fall des Ermessensfehlgebrauchs liegt hier vor. Es ist nicht erkennbar, von welchen konkreten Umständen sich das Landgericht hat bei seiner Entscheidung leiten lassen. In den entscheidenden Punkten bleibt der landgerichtliche Beschluss vage und floskelhaft. Entscheidungserhebliche konkrete Umstände hat das Landgericht unberücksichtigt gelassen.

Warum hier einander widersprechende Entscheidungen drohen, wenn - wie das Landgericht aber zugleich ausführt - keine Prognose darüber angestellt werden kann, wie lange die Ermittlungen überhaupt noch dauern, erschließt sich dem Beschwerdegericht nicht. Überdies findet die Mitteilung der Staatsanwaltschaft vom 20.06.2017 (Anlage B 3/6), auf die in der Beschwerdebegründung ausdrücklich Bezug genommen wird und die zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses noch nicht vorlag, im Nichtabhilfebeschluss keinerlei Erwähnung. Darin teilt die Staatsanwaltschaft ... mit, dass angesichts des Umfangs der Ermittlungen nicht absehbar sei, wann mit deren Abschluss zu rechnen sei. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass das Landgericht den Inhalt dieser Mitteilung, der aber entscheidend ist, überhaupt nicht zur Kenntnis genommen hat. Wenn im Übrigen nicht einmal absehbar ist, wann die immerhin seit 2013 geführten Ermittlungen abgeschlossen sein werden, ist noch weniger absehbar, wann mit einer strafgerichtlichen Entscheidung zu rechnen ist. Somit sind auch nicht einander widersprechende Entscheidungen zu befürchten. Diesen Umstand hat das Erstgericht bei seiner Ermessensentscheidung zu Unrecht unberücksichtigt gelassen.

Angesichts dessen stellt es ebenfalls einen Ermessensfehlgebrauch dar, davon auszugehen, dass „eine Aussetzung ja gerade auch angesichts des Vorzugs einer im Ermittlungsverfahren bewirkten gründlicheren Klärung des streitgegenständlichen Sachverhalts gerechtfertigt“ sei (vgl. Seite 5 unten des angefochtenen Beschlusses). Welche Klärung welcher Umstände hier zu erwarten ist, wird nicht einmal kursorisch dargelegt. Die floskelhafte Wiedergabe von Kommentarliteratur bzw. Rechtsprechung ist aber nicht ausreichend, vielmehr bedarf es einer auf den Einzelfall bezogenen, konkreten Begründung. Eine solche fehlt hier. Es hätte im Rahmen der Ermessensausübung dargelegt werden müssen, warum hier tatsächlich trotz der weiterhin vollkommen ungewissen Dauer der staatsanwaltlichen Ermittlungen eine „gründlichere Klärung des Sachverhalts“ zu erwarten ist, die auch im Zivilprozess von Nutzen ist. In Anbetracht der dargelegten Umstände erscheint die Annahme des Landgerichts geradezu abwegig, sich in absehbarer Zeit von den staatsanwaltlichen Ermittlungen einen konkreten Erkenntnisgewinn für das vorliegende Zivilverfahren zu erhoffen.

Im Übrigen ergibt sich schon aus der gesetzlichen Regelung selbst, nämlich aus § 149 Abs. 2 ZPO, dass die Aussetzung in der Regel zu unterbleiben hat, wenn mit einer Verzögerung um mehr als einem Jahr zu rechnen ist (vgl. Zöller - Greger, 30. Aufl., § 149 Rn.2). Angesichts des Umstandes, dass nicht einmal absehbar ist, wann die Ermittlungen abgeschlossen sein werden, ist mit einer gerichtlichen Entscheidung keinesfalls innerhalb eines Jahres zu rechnen, vielmehr dürfte es bei einigermaßen realistischer Betrachtung angesichts des Umfangs und der Komplexität der Verfahren gegen „H. / K.“ noch Jahre dauern, bis eine strafgerichtliche Entscheidung vorliegt. Diesen Aspekt hat das Landgericht im Rahmen seiner Abwägung rechtsfehlerhaft ausgeblendet.

3. Zwar hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München am 04.04.2017 im Verfahren 13 W 522/17 eine sofortige Beschwerde gegen einen entsprechenden Beschluss des Landgerichts München I vom 30.12.2016 mit der Begründung zurückgewiesen, dass eine rechtsfehlerhafte, weil ermessensüberschreitende Entscheidung des Erstgerichts nicht zu erkennen sei. Allerdings war zum damaligen Zeitpunkt noch nicht eindeutig klar, dass - wie nun aber die Staatsanwaltschaft am 20.06.2017 ausdrücklich mitteilt - der Abschluss der Ermittlungen überhaupt nicht absehbar ist.

Darüber hinaus hat auch der 5. Senat des Oberlandesgerichts München im Verfahren 5 W 520/17 mit Beschluss vom 20.07.2017 eine Aussetzungsentscheidung des Landgerichts München I als ermessenfehlerhaft aufgehoben.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Entstandene Kosten sind Teil der Prozesskosten und gegebenenfalls bei der Hauptsacheentscheidung zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. 12. 2005, Az. II ZB 30/04 = NJW-RR 2006, 1289, zitiert nach beck-online; Zöller - Greger, 30. Aufl. § 252 Rn. 3).

IV.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kam schon deswegen nicht in Betracht, weil hier der Einzelrichter gem. § 568 Satz 1 ZPO zur Entscheidung berufen war. Bereits die Voraussetzungen für eine Übertragung der Entscheidung an den Senat gem. § 568 Satz 2 ZPO lagen nicht vor. Da die Rechtssache somit weder grundsätzliche Bedeutung hat noch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erforderlich ist, liegen auch nicht die Voraussetzungen zur Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr., Abs. 3 i.V. Abs. 2 ZPO vor.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 567 Sofortige Beschwerde; Anschlussbeschwerde


(1) Die sofortige Beschwerde findet statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde E

Zivilprozessordnung - ZPO | § 568 Originärer Einzelrichter


Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 149 Aussetzung bei Verdacht einer Straftat


(1) Das Gericht kann, wenn sich im Laufe eines Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluss ist, die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen. (2) Das Geric

Zivilprozessordnung - ZPO | § 252 Rechtsmittel bei Aussetzung


Gegen die Entscheidung, durch die auf Grund der Vorschriften dieses Titels oder auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen die Aussetzung des Verfahrens angeordnet oder abgelehnt wird, findet die sofortige Beschwerde statt.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2005 - II ZB 30/04

bei uns veröffentlicht am 12.12.2005

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS II ZB 30/04 vom 12. Dezember 2005 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO §§ 252, 91, 97 a) Soweit die Aussetzung eines Verfahrens in das Ermessen des Gerichts gestellt ist, kann d

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(1) Das Gericht kann, wenn sich im Laufe eines Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluss ist, die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen.

(2) Das Gericht hat die Verhandlung auf Antrag einer Partei fortzusetzen, wenn seit der Aussetzung ein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn gewichtige Gründe für die Aufrechterhaltung der Aussetzung sprechen.

Gegen die Entscheidung, durch die auf Grund der Vorschriften dieses Titels oder auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen die Aussetzung des Verfahrens angeordnet oder abgelehnt wird, findet die sofortige Beschwerde statt.

(1) Die sofortige Beschwerde findet statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist.

(2) Gegen Entscheidungen über Kosten ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(3) Der Beschwerdegegner kann sich der Beschwerde anschließen, selbst wenn er auf die Beschwerde verzichtet hat oder die Beschwerdefrist verstrichen ist. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Beschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung, wenn

1.
die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder
2.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(1) Das Gericht kann, wenn sich im Laufe eines Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluss ist, die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen.

(2) Das Gericht hat die Verhandlung auf Antrag einer Partei fortzusetzen, wenn seit der Aussetzung ein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn gewichtige Gründe für die Aufrechterhaltung der Aussetzung sprechen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 30/04
vom
12. Dezember 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Soweit die Aussetzung eines Verfahrens in das Ermessen des Gerichts gestellt
ist, kann die Entscheidung im Beschwerderechtszug nur auf Ermessensfehler
kontrolliert werden. Das Beschwerdegericht hat jedoch uneingeschränkt
zu prüfen, ob ein Aussetzungsgrund gegeben ist.

b) Im Beschwerderechtszug über die Aussetzung eines Verfahrens kann keine
Kostenentscheidung ergehen, weil bereits die Ausgangsentscheidung als
Teil der Hauptsache keine Kostenentscheidung enthalten darf und das Beschwerdeverfahren
daher nur einen Bestandteil des Hauptverfahrens bildet.
BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2005 - II ZB 30/04 - Brandenburgisches OLG
LG Frankfurt/Oder
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 12. Dezember 2005
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly,
Münke, Prof. Dr. Gehrlein und Dr. Reichart

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 3. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 27. Oktober 2004 aufgehoben und der Beschluss der 12. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. Juni 2004 abgeändert : Der Rechtsstreit wird ausgesetzt.
Geschäftswert: 10.500,00 €

Gründe:


1
I. Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die Eigentümerin des Wohn- und Geschäftshauses B. straße 15 in S. war. Sie nimmt die Beklagte, eine in der Rechtsform einer GmbH geführte Steuerberatungsgesellschaft , mit der im Jahre 2002 zugestellten Klage aus zwei mit Ablauf des Jahres 2001 beendeten Mietverhältnissen auf Zahlung von Miete und Nebenkosten in Höhe von 43.586,99 € in Anspruch. Die Beklagte hat mit Forderungen aus steuerlicher Beratung aufgerechnet und hilfsweise Widerklage auf Zahlung der Vergütung erhoben.
2
Durch eine Vereinbarung vom 8. Januar 2003 übertrugen die Gesellschafter der Klägerin ihre Gesellschaftsanteile mit Wirkung zum 31. Dezember 2002 auf den Mitgesellschafter H. -J. L. und beschlossen zugleich "die Auflösung der Gesellschaft". Die bis zum 19. Dezember 2002 begründeten Verbindlichkeiten sollten von "allen bisherigen Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligungen" getragen werden; andererseits sollten ihnen die bis zu diesem Zeitpunkt begründeten Mietforderungen aus dem Objekt zustehen. Ab dem 19. Dezember 2002 sollten alle Verbindlichkeiten und Einnahmen auf den Erwerber L. übergehen.
3
Mit Schriftsatz vom 14. April 2004 ist L. auf Klägerseite als vermeintlicher Rechtsnachfolger in den Rechtsstreit eingetreten und hat eine entsprechende Rubrumsberichtigung angeregt. Die Beklagte beantragt die Aussetzung des Verfahrens, weil die Klägerin durch Abtretung aller Gesellschaftsanteile auf einen Gesellschafter ohne Liquidation erloschen sei (§§ 239, 246 ZPO). Überdies sei die Aussetzung nach § 148 ZPO gerechtfertigt, weil ein von der Klägerin gegen den Geschäftsführer der Beklagten vor dem LG Neuruppin geführter Rechtsstreit für das vorliegende Verfahren vorgreiflich sei. Das Landgericht hat den Antrag abgewiesen. Die dagegen eingelegte Beschwerde blieb ohne Erfolg. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter.
4
II. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, trotz Abtretung sämtlicher Gesellschaftsanteile sei L. nicht Gesamtrechtsnachfolger der Klägerin geworden. Ziel der Abtretung sei es gewesen, L. das Eigentum an dem Anwesen B. straße 15 als einem bedeutenden Teil der Vermögenswerte der Klägerin zu übertragen. Die bis zum Stichtag des 19. Dezember 2002 begründeten Ansprüche, zu denen auch die Klageforderung gehöre, hätten jedoch der Klägerin als Abwicklungsgesellschaft verbleiben sollen. Da die nicht vermögenslose Klägerin als Liquidationsgesellschaft fortbestehe, scheide eine Aussetzung nach §§ 246, 239 ZPO aus. Im Blick auf das vor dem LG Neuruppin anhängige Verfahren komme eine Aussetzung nach § 148 ZPO mangels Identität der Parteien nicht in Betracht.
5
III. Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 2, 575 Abs. 1 und 2 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.
6
1. Die Prüfungsbefugnis des Senats ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde in vorliegender Sache nicht eingeschränkt. Soweit die Aussetzung in das Ermessen des Gerichts gestellt ist (vgl. etwa §§ 148, 149 ZPO), kann zwar die Entscheidung im Beschwerderechtszug nur auf Ermessensfehler kontrolliert werden. Das Beschwerdegericht hat jedoch uneingeschränkt zu prüfen , ob ein Aussetzungsgrund gegeben ist (vgl. Stein/Jonas/Roth, ZPO 22. Aufl. § 252 Rdn. 8).
7
2. Zutreffend führt das Beschwerdegericht aus, dass die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO nicht gegeben sind.
8
Eine Aussetzung des Verfahrens nach dieser Vorschrift kommt nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur in Fällen der Vorgreiflichkeit im Sinne einer präjudiziellen Bedeutung des in dem anderen Prozess festzustellenden Rechtsverhältnisses in Betracht. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde scheidet eine Aussetzung aus, wenn die in dem anderen Prozess zu treffende Entscheidung auf das vorliegende Verfahren lediglich Einfluss ausüben kann (BGH, Beschl. v. 30. März 2005 - X ZB 26/04, BGHReport 2005, 1000 f.). Die danach zu fordernde Vorgreiflichkeit ist nicht gegeben, weil an dem Rechtsstreit vor dem LG Neuruppin sowohl auf Kläger- als auch auf Beklagtenseite andere Parteien beteiligt sind und dem dortigen Verfahren außerdem ein anderer Gesellschaftsvertrag zugrunde liegt.
9
3. Das Verfahren ist jedoch gemäß §§ 246 Abs. 1 Halbs. 2, 239 Abs. 1 ZPO auf Antrag der Beklagten wegen des liquidationslosen Erlöschens der Klägerin auszusetzen.
10
a) Zwar hat das Beschwerdegericht nicht verkannt, dass eine Personengesellschaft bei Abtretung sämtlicher Anteile an einen einzigen Gesellschafter ohne Liquidation untergeht (BGHZ 71, 296, 300; 65, 79, 82 f.) und auf diesen Rechtsübergang während eines Rechtsstreits die §§ 239, 246 ZPO sinngemäß anzuwenden sind (Sen.Urt. v. 15. März 2004 - II ZR 247/01, WM 2004, 1138 f.; Sen.Beschl. v. 18. Februar 2002 - II ZR 331/00, NJW 2002, 1207). Eine solche Sachverhaltskonstellation ist jedoch, anders als das Berufungsgericht meint, im Streitfall gegeben. Mit seiner Würdigung, dass nach dem Inhalt der Vereinbarung der Parteien vom 8. Januar 2003 der Gesellschafter L. nicht Gesamtrechtsnachfolger der Klägerin geworden sei, verletzt das Beschwerdegericht , was im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen ist (BGH, Urt. v. 14. Oktober 1994 - V ZR 196/93, NJW 1995, 45 f.), tragende Grundsätze der Vertragsauslegung.
11
b) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass L. mit Hilfe der Vereinbarung das Eigentum an dem Anwesen verschafft werden sollte, zieht daraus aber nicht die für die Auslegung gebotenen rechtlichen Konsequenzen. Da der Vertragszweck bei einer privatschriftlichen Übertragung allein des Hausgrundstücks mangels Beachtung der notariellen Form (§§ 311 b, 925 BGB) vereitelt würde, ist nach dem Grundsatz der vertragskonformen Auslegung (vgl. BGH, Urt. v. 14. März 1990 - VIII ZR 18/89, NJW-RR 1990, 817 f.; BGH, Urt. v. 3. März 1971 - VIII ZR 55/70, NJW 1971, 1034 f.) einer formlos gültigen Abtretung der Gesellschaftsanteile (BGHZ 86, 367, 369 ff.) der Vorzug zu geben. Das Beschwerdegericht lässt ferner rechtsfehlerhaft den Wortlaut des Vertrages (vgl. BGHZ 124, 39, 44 f.; Sen.Urt. v. 7. März 2005 - II ZR 194/03, ZIP 2005, 1068 f.) außer Betracht, der von einer "Übertragung" wie auch einer "Abtretung" der Gesellschaftsanteile spricht und in Verbindung mit dem von den Parteien verfolgten Vertragszweck ein liquidationsloses Erlöschen der Gesellschaft nahelegt. Mit seiner weiteren Würdigung, der Gesellschaft seien als Vermögenswerte die bis zum 19. Dezember 2002 begründeten Mietforderungen verblieben, setzt sich das Beschwerdegericht sogar über den Wortlaut der Vereinbarung hinweg, wonach diese Forderungen an "die bisherigen Gesellschafter im Verhältnis ihrer Beteiligung" abgetreten wurden. Aufgrund dieser Abtretung und der nachfolgenden - erst zum 31. Dezember 2002 wirksamen - Übertragung der Gesellschaftsanteile auf L. ist der Klägerin kein auseinandersetzbares Vermögen verblieben. Folglich hat L. am 31. Dezember 2002 die Gesellschaftsanteile seiner Mitgesellschafter mit allen Rechten und Pflichten, wobei sich die Zuweisung der Altverbindlichkeiten an die Gesellschafter wegen der fortdauernden Haftung der Gesellschaft und ihres Rechtsnachfolgers L. lediglich als Erfüllungsübernahme (§§ 415 Abs. 3, 329 BGB) darstellt, übernommen. Infolge des durch die Übertragung aller Gesellschaftsanteile auf den Gesellschafter L. bedingten Erlöschens der Klägerin ist der Antrag der Beklagten auf Aussetzung des Verfahrens (§ 246 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO) begründet.
12
4. Eine Kostenentscheidung kann nicht ergehen, weil die Ausgangsentscheidung des Landgerichts über die Aussetzung des Verfahrens als Teil der Hauptsache keine Kostenentscheidung enthalten durfte und das Beschwerdeverfahren daher nur einen Bestandteil des Hauptverfahrens darstellt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens bilden einen Teil der Kosten des Rechtsstreits, die unabhängig von dem Ausgang des Beschwerdeverfahrens die nach §§ 91 ff. ZPO in der Sache unterliegende Partei zu tragen hat (Musielak/Ball, ZPO 4. Aufl. § 572 Rdn. 24; MünchKommZPO/Lipp 2. Aufl. (AB) § 575 Rdn. 23 i.V.m. § 572 Rdn. 34).
Goette Kurzwelly Münke
Gehrlein Reichart
Vorinstanzen:
LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 25.06.2004 - 12 O 264/03 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 27.10.2004 - 3 W 37/04 -

(1) Das Gericht kann, wenn sich im Laufe eines Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluss ist, die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen.

(2) Das Gericht hat die Verhandlung auf Antrag einer Partei fortzusetzen, wenn seit der Aussetzung ein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn gewichtige Gründe für die Aufrechterhaltung der Aussetzung sprechen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 30/04
vom
12. Dezember 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Soweit die Aussetzung eines Verfahrens in das Ermessen des Gerichts gestellt
ist, kann die Entscheidung im Beschwerderechtszug nur auf Ermessensfehler
kontrolliert werden. Das Beschwerdegericht hat jedoch uneingeschränkt
zu prüfen, ob ein Aussetzungsgrund gegeben ist.

b) Im Beschwerderechtszug über die Aussetzung eines Verfahrens kann keine
Kostenentscheidung ergehen, weil bereits die Ausgangsentscheidung als
Teil der Hauptsache keine Kostenentscheidung enthalten darf und das Beschwerdeverfahren
daher nur einen Bestandteil des Hauptverfahrens bildet.
BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2005 - II ZB 30/04 - Brandenburgisches OLG
LG Frankfurt/Oder
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 12. Dezember 2005
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly,
Münke, Prof. Dr. Gehrlein und Dr. Reichart

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 3. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 27. Oktober 2004 aufgehoben und der Beschluss der 12. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. Juni 2004 abgeändert : Der Rechtsstreit wird ausgesetzt.
Geschäftswert: 10.500,00 €

Gründe:


1
I. Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die Eigentümerin des Wohn- und Geschäftshauses B. straße 15 in S. war. Sie nimmt die Beklagte, eine in der Rechtsform einer GmbH geführte Steuerberatungsgesellschaft , mit der im Jahre 2002 zugestellten Klage aus zwei mit Ablauf des Jahres 2001 beendeten Mietverhältnissen auf Zahlung von Miete und Nebenkosten in Höhe von 43.586,99 € in Anspruch. Die Beklagte hat mit Forderungen aus steuerlicher Beratung aufgerechnet und hilfsweise Widerklage auf Zahlung der Vergütung erhoben.
2
Durch eine Vereinbarung vom 8. Januar 2003 übertrugen die Gesellschafter der Klägerin ihre Gesellschaftsanteile mit Wirkung zum 31. Dezember 2002 auf den Mitgesellschafter H. -J. L. und beschlossen zugleich "die Auflösung der Gesellschaft". Die bis zum 19. Dezember 2002 begründeten Verbindlichkeiten sollten von "allen bisherigen Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligungen" getragen werden; andererseits sollten ihnen die bis zu diesem Zeitpunkt begründeten Mietforderungen aus dem Objekt zustehen. Ab dem 19. Dezember 2002 sollten alle Verbindlichkeiten und Einnahmen auf den Erwerber L. übergehen.
3
Mit Schriftsatz vom 14. April 2004 ist L. auf Klägerseite als vermeintlicher Rechtsnachfolger in den Rechtsstreit eingetreten und hat eine entsprechende Rubrumsberichtigung angeregt. Die Beklagte beantragt die Aussetzung des Verfahrens, weil die Klägerin durch Abtretung aller Gesellschaftsanteile auf einen Gesellschafter ohne Liquidation erloschen sei (§§ 239, 246 ZPO). Überdies sei die Aussetzung nach § 148 ZPO gerechtfertigt, weil ein von der Klägerin gegen den Geschäftsführer der Beklagten vor dem LG Neuruppin geführter Rechtsstreit für das vorliegende Verfahren vorgreiflich sei. Das Landgericht hat den Antrag abgewiesen. Die dagegen eingelegte Beschwerde blieb ohne Erfolg. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter.
4
II. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, trotz Abtretung sämtlicher Gesellschaftsanteile sei L. nicht Gesamtrechtsnachfolger der Klägerin geworden. Ziel der Abtretung sei es gewesen, L. das Eigentum an dem Anwesen B. straße 15 als einem bedeutenden Teil der Vermögenswerte der Klägerin zu übertragen. Die bis zum Stichtag des 19. Dezember 2002 begründeten Ansprüche, zu denen auch die Klageforderung gehöre, hätten jedoch der Klägerin als Abwicklungsgesellschaft verbleiben sollen. Da die nicht vermögenslose Klägerin als Liquidationsgesellschaft fortbestehe, scheide eine Aussetzung nach §§ 246, 239 ZPO aus. Im Blick auf das vor dem LG Neuruppin anhängige Verfahren komme eine Aussetzung nach § 148 ZPO mangels Identität der Parteien nicht in Betracht.
5
III. Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 2, 575 Abs. 1 und 2 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.
6
1. Die Prüfungsbefugnis des Senats ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde in vorliegender Sache nicht eingeschränkt. Soweit die Aussetzung in das Ermessen des Gerichts gestellt ist (vgl. etwa §§ 148, 149 ZPO), kann zwar die Entscheidung im Beschwerderechtszug nur auf Ermessensfehler kontrolliert werden. Das Beschwerdegericht hat jedoch uneingeschränkt zu prüfen , ob ein Aussetzungsgrund gegeben ist (vgl. Stein/Jonas/Roth, ZPO 22. Aufl. § 252 Rdn. 8).
7
2. Zutreffend führt das Beschwerdegericht aus, dass die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO nicht gegeben sind.
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Eine Aussetzung des Verfahrens nach dieser Vorschrift kommt nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur in Fällen der Vorgreiflichkeit im Sinne einer präjudiziellen Bedeutung des in dem anderen Prozess festzustellenden Rechtsverhältnisses in Betracht. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde scheidet eine Aussetzung aus, wenn die in dem anderen Prozess zu treffende Entscheidung auf das vorliegende Verfahren lediglich Einfluss ausüben kann (BGH, Beschl. v. 30. März 2005 - X ZB 26/04, BGHReport 2005, 1000 f.). Die danach zu fordernde Vorgreiflichkeit ist nicht gegeben, weil an dem Rechtsstreit vor dem LG Neuruppin sowohl auf Kläger- als auch auf Beklagtenseite andere Parteien beteiligt sind und dem dortigen Verfahren außerdem ein anderer Gesellschaftsvertrag zugrunde liegt.
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3. Das Verfahren ist jedoch gemäß §§ 246 Abs. 1 Halbs. 2, 239 Abs. 1 ZPO auf Antrag der Beklagten wegen des liquidationslosen Erlöschens der Klägerin auszusetzen.
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a) Zwar hat das Beschwerdegericht nicht verkannt, dass eine Personengesellschaft bei Abtretung sämtlicher Anteile an einen einzigen Gesellschafter ohne Liquidation untergeht (BGHZ 71, 296, 300; 65, 79, 82 f.) und auf diesen Rechtsübergang während eines Rechtsstreits die §§ 239, 246 ZPO sinngemäß anzuwenden sind (Sen.Urt. v. 15. März 2004 - II ZR 247/01, WM 2004, 1138 f.; Sen.Beschl. v. 18. Februar 2002 - II ZR 331/00, NJW 2002, 1207). Eine solche Sachverhaltskonstellation ist jedoch, anders als das Berufungsgericht meint, im Streitfall gegeben. Mit seiner Würdigung, dass nach dem Inhalt der Vereinbarung der Parteien vom 8. Januar 2003 der Gesellschafter L. nicht Gesamtrechtsnachfolger der Klägerin geworden sei, verletzt das Beschwerdegericht , was im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen ist (BGH, Urt. v. 14. Oktober 1994 - V ZR 196/93, NJW 1995, 45 f.), tragende Grundsätze der Vertragsauslegung.
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b) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass L. mit Hilfe der Vereinbarung das Eigentum an dem Anwesen verschafft werden sollte, zieht daraus aber nicht die für die Auslegung gebotenen rechtlichen Konsequenzen. Da der Vertragszweck bei einer privatschriftlichen Übertragung allein des Hausgrundstücks mangels Beachtung der notariellen Form (§§ 311 b, 925 BGB) vereitelt würde, ist nach dem Grundsatz der vertragskonformen Auslegung (vgl. BGH, Urt. v. 14. März 1990 - VIII ZR 18/89, NJW-RR 1990, 817 f.; BGH, Urt. v. 3. März 1971 - VIII ZR 55/70, NJW 1971, 1034 f.) einer formlos gültigen Abtretung der Gesellschaftsanteile (BGHZ 86, 367, 369 ff.) der Vorzug zu geben. Das Beschwerdegericht lässt ferner rechtsfehlerhaft den Wortlaut des Vertrages (vgl. BGHZ 124, 39, 44 f.; Sen.Urt. v. 7. März 2005 - II ZR 194/03, ZIP 2005, 1068 f.) außer Betracht, der von einer "Übertragung" wie auch einer "Abtretung" der Gesellschaftsanteile spricht und in Verbindung mit dem von den Parteien verfolgten Vertragszweck ein liquidationsloses Erlöschen der Gesellschaft nahelegt. Mit seiner weiteren Würdigung, der Gesellschaft seien als Vermögenswerte die bis zum 19. Dezember 2002 begründeten Mietforderungen verblieben, setzt sich das Beschwerdegericht sogar über den Wortlaut der Vereinbarung hinweg, wonach diese Forderungen an "die bisherigen Gesellschafter im Verhältnis ihrer Beteiligung" abgetreten wurden. Aufgrund dieser Abtretung und der nachfolgenden - erst zum 31. Dezember 2002 wirksamen - Übertragung der Gesellschaftsanteile auf L. ist der Klägerin kein auseinandersetzbares Vermögen verblieben. Folglich hat L. am 31. Dezember 2002 die Gesellschaftsanteile seiner Mitgesellschafter mit allen Rechten und Pflichten, wobei sich die Zuweisung der Altverbindlichkeiten an die Gesellschafter wegen der fortdauernden Haftung der Gesellschaft und ihres Rechtsnachfolgers L. lediglich als Erfüllungsübernahme (§§ 415 Abs. 3, 329 BGB) darstellt, übernommen. Infolge des durch die Übertragung aller Gesellschaftsanteile auf den Gesellschafter L. bedingten Erlöschens der Klägerin ist der Antrag der Beklagten auf Aussetzung des Verfahrens (§ 246 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO) begründet.
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4. Eine Kostenentscheidung kann nicht ergehen, weil die Ausgangsentscheidung des Landgerichts über die Aussetzung des Verfahrens als Teil der Hauptsache keine Kostenentscheidung enthalten durfte und das Beschwerdeverfahren daher nur einen Bestandteil des Hauptverfahrens darstellt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens bilden einen Teil der Kosten des Rechtsstreits, die unabhängig von dem Ausgang des Beschwerdeverfahrens die nach §§ 91 ff. ZPO in der Sache unterliegende Partei zu tragen hat (Musielak/Ball, ZPO 4. Aufl. § 572 Rdn. 24; MünchKommZPO/Lipp 2. Aufl. (AB) § 575 Rdn. 23 i.V.m. § 572 Rdn. 34).
Goette Kurzwelly Münke
Gehrlein Reichart
Vorinstanzen:
LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 25.06.2004 - 12 O 264/03 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 27.10.2004 - 3 W 37/04 -

Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung, wenn

1.
die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder
2.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.