Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 23. Feb. 2006 - 9 U 132/05

bei uns veröffentlicht am23.02.2006

Tatbestand

 
Die Parteien streiten sich im wesentlichen darüber, ob die Beklagten aufgrund eines Wegerechts des Klägers verpflichtet sind, ein Tor tagsüber offen zu halten. Mit notariellem Kaufvertrag vom 10.12.2002 verkaufte der Erstbeklagte dem Kläger ein rückwärtiges Grundstück ohne eigenen Zugang zur Straße. Zugunsten des Grundstücks des Klägers und zu Lasten eines Grundstücks des Erstbeklagten sowie eines Grundstücks, an dem Wohnungseigentum der Beklagten begründet ist, wurden Dienstbarkeiten bewilligt. Die Bewilligungen haben im wesentlichen den gleichen Wortlaut, wie die bezüglich des in Wohnungseigentum aufgeteilten Grundstücks, die folgenden Wortlaut hat:
„Der jeweilige Eigentümer hat Wege- und Durchfahrtsrecht über Grundstück Flurstücknummer 14358/6 und Recht auf Verlegung und Unterhaltung von Ver- und Entsorgungsleitungen. Der Ausübungsbereich der Grunddienstbarkeit ergibt sich aus der Anlage.”
Die jeweilige Grunddienstbarkeit wurde als „Wege- und Durchfahrtsrecht, Ver- und Entsorgungsleitungsrecht” im Grundbuch bzw. in den Wohnungsgrundbüchern unter Bezugnahme auf die Bewilligung eingetragen.
Die Einfahrt in das Areal auf dem Grundstück der WEG war zum Zeitpunkt des Grundstückskaufs mit einem schmiedeeisernen Einfahrtstor versehen. Nach Ankündigung vom 5.10.2003 ließ der Erstbeklagte für diese Einfahrt, dessen Tor bis dahin nur mechanisch geöffnet werden konnte, einen elektrischen Schließmechanismus einbauen, der sich bei Ein- und Ausfahrt mit einer Fernbedienung betätigen lässt. Darüber hinaus kann das Tor mit einem an der Innenseite verdeckt angebrachten kleinen Knopf geöffnet werden. Das seitlich befindliche kleine Tor für Fußgänger ist von der Neuerung nicht betroffen und wird auch nicht verschlossen.
Der Kläger, der auf seinem Grundstück ein Institut für Biometrie unterhält, sieht sein Wegerecht durch dieses Tor entgegen einer behaupteten Zusage des Erstbeklagten unzumutbar eingeschränkt. und hat beantragt, die Beklagten zu verurteilen, dass Tor. täglich in der Zeit von 8:00 Uhr bis 22.00 Uhr ununterbrochen geöffnet zu halten. Das AG hat nach Vernehmung von Zeugen die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

 
Aufgrund des bewilligten und im Grundbuch eingetragenen Wege- und Durchfahrtsrechts hat der Kläger keinen Anspruch darauf, dass das vorhandene Tor täglich in der Zeit von 8.00 Uhr bis 22.00 Uhr ununterbrochen geöffnet gehalten wird. Für die Auslegung dieses Rechtes ist vorrangig auf den Wortlaut und den Sinn der Grundbucheintragung und der dazu in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des eingetragenen ergibt, abzustellen. Umstände außerhalb dieser Urkunde dürfen nur insoweit mit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind. (BGH v. 12.10.1990 - V ZR 149/89, MDR 1991, 421 = NJW-RR 1991, 457). Weder aus der Bewilligung noch aus der Eintragung ergibt sich näheres für die Beurteilung der Streitfrage. Für die Entscheidung, ob das Zufahrtstor tagsüber offen zu halten ist, ist deshalb auf allgemeine Grundsätze und die hierzu ergangene Rechtsprechung zurückzugreifen.
Das Tor für Fußgänger ist ohnehin stets offen. Das Interesse der Beklagten an der Unterhaltung der modernen Schließung mit weitgehender Fernbedienung, die bedingt aber auch sicherstellt, dass das Tor stets geschlossen ist und das Grundstück der Kläger nicht von Unbefugten befahren werden kann, ist offenkundig und bedarf keiner weiteren Begründung. Der Kläger hat kein dem entgegenstehendes Recht. Gemäß § 1020 BGB hat er als Berechtigter bei Ausübung seiner Grunddienstbarkeit das Interesse de Eigentümer des belasteten Grundstücks tunlichst zu schonen. Die von den Beklagten installierte Schließung des Tores, die durch einen Knopf am Tor selbst und im Übrigen durch Funk mit tragbaren Sendern bedient werden kann, ist im allgemeinen für alle Beteiligten von Vorteil. Einerseits kann auf diese Weise gewährleistet werden, dass das Tor ständig geschlossen ist. Andererseits können die Berechtigten jederzeit durch Funk oder Knopfdruck am Tor dieses öffnen. Ein Öffnen von Hand, das ein Aussteigen aus dem Fahrzeug erfordern würde, entfällt.
Beurteilungsmaßstab für die Prüfung der schonenden Ausübung gem. § 1020 BGB sind die Regeln einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung (Fackelberg in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1020 Rz. 4). Erforderlich ist eine Abwägung der beiderseitigen Interessen (Falckenberg MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1020 Rz. 4; Staudinger/Mayer, BGB, 2002, § 1020 Rz. 5). In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Wegeberechtigter verpflichtet ist, ein zum Schutz des Eigentümers angebrachtes Tor verschlossen zu halten und die damit verbundene als geringfügig anzusehende Erschwerung seiner Rechtsausübung hinzunehmen hat (OLG Frankfurt v. 29.11.1985 - 10 U 22/85, NJW-RR 1986, 763, m.w.N.). Bei Einrichtung eines solchen Tores muss nur gewährleistet sein, dass das Tor von dem berechtigten Personenkreis jederzeit geöffnet werden kann und auch die Benutzung durch Besucher gewährleistet ist (OLG Karlsruhe NJW 1991, 785). Das ist hier der Fall. Auch Besucher können sich durch die Klingelanlage bemerkbar machen, so dass der Kläger das Hoftor mit der Fernbedienung öffnen kann. Probleme können nur dann auftreten, wenn berechtigte Fremde zu Zeiten einfahren wollen, zu denen der Kläger oder Mitbewohner nicht anwesend sind. Diese seltenen Fälle sind vom Kläger als zumutbar hinzunehmen. Personen, deren Einfahrt er erwartet, kann er auf den deutlich sichtbaren Knopf hinweisen. Da das kleine Tor jederzeit offen ist, können diese Besucher von innen den Knopf jederzeit ohne Schwierigkeiten sehen. Entgegenstehender Vortrag des Klägers entbehrt der Grundlage. Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass die Anlieferung von Brennholz, Paketen oder Heizöl Schwierigkeiten bereiten soll. Für erwarteten Besuch kann der Kläger das Tor vorher auch offen halten. Bei Ausfall der Technik ist sichergestellt, dass das Tor geöffnet werden kann und offen bleibt.
Die gegen die Beklagten gerichtete Klage wäre allerdings begründet, wenn sich diese (nicht nur der Erstbeklagte) unabhängig vom Umfang der Grunddienstbarkeit persönlich verpflichtet hätten, das Tor tagsüber offen zu halten. Für eine solche Vereinbarung ist der Kläger beweispflichtig. Den Nachweis einer solchen Vereinbarung hat der Kläger jedoch nicht erbracht.

Gründe

 
Aufgrund des bewilligten und im Grundbuch eingetragenen Wege- und Durchfahrtsrechts hat der Kläger keinen Anspruch darauf, dass das vorhandene Tor täglich in der Zeit von 8.00 Uhr bis 22.00 Uhr ununterbrochen geöffnet gehalten wird. Für die Auslegung dieses Rechtes ist vorrangig auf den Wortlaut und den Sinn der Grundbucheintragung und der dazu in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des eingetragenen ergibt, abzustellen. Umstände außerhalb dieser Urkunde dürfen nur insoweit mit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind. (BGH v. 12.10.1990 - V ZR 149/89, MDR 1991, 421 = NJW-RR 1991, 457). Weder aus der Bewilligung noch aus der Eintragung ergibt sich näheres für die Beurteilung der Streitfrage. Für die Entscheidung, ob das Zufahrtstor tagsüber offen zu halten ist, ist deshalb auf allgemeine Grundsätze und die hierzu ergangene Rechtsprechung zurückzugreifen.
Das Tor für Fußgänger ist ohnehin stets offen. Das Interesse der Beklagten an der Unterhaltung der modernen Schließung mit weitgehender Fernbedienung, die bedingt aber auch sicherstellt, dass das Tor stets geschlossen ist und das Grundstück der Kläger nicht von Unbefugten befahren werden kann, ist offenkundig und bedarf keiner weiteren Begründung. Der Kläger hat kein dem entgegenstehendes Recht. Gemäß § 1020 BGB hat er als Berechtigter bei Ausübung seiner Grunddienstbarkeit das Interesse de Eigentümer des belasteten Grundstücks tunlichst zu schonen. Die von den Beklagten installierte Schließung des Tores, die durch einen Knopf am Tor selbst und im Übrigen durch Funk mit tragbaren Sendern bedient werden kann, ist im allgemeinen für alle Beteiligten von Vorteil. Einerseits kann auf diese Weise gewährleistet werden, dass das Tor ständig geschlossen ist. Andererseits können die Berechtigten jederzeit durch Funk oder Knopfdruck am Tor dieses öffnen. Ein Öffnen von Hand, das ein Aussteigen aus dem Fahrzeug erfordern würde, entfällt.
Beurteilungsmaßstab für die Prüfung der schonenden Ausübung gem. § 1020 BGB sind die Regeln einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung (Fackelberg in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1020 Rz. 4). Erforderlich ist eine Abwägung der beiderseitigen Interessen (Falckenberg MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1020 Rz. 4; Staudinger/Mayer, BGB, 2002, § 1020 Rz. 5). In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Wegeberechtigter verpflichtet ist, ein zum Schutz des Eigentümers angebrachtes Tor verschlossen zu halten und die damit verbundene als geringfügig anzusehende Erschwerung seiner Rechtsausübung hinzunehmen hat (OLG Frankfurt v. 29.11.1985 - 10 U 22/85, NJW-RR 1986, 763, m.w.N.). Bei Einrichtung eines solchen Tores muss nur gewährleistet sein, dass das Tor von dem berechtigten Personenkreis jederzeit geöffnet werden kann und auch die Benutzung durch Besucher gewährleistet ist (OLG Karlsruhe NJW 1991, 785). Das ist hier der Fall. Auch Besucher können sich durch die Klingelanlage bemerkbar machen, so dass der Kläger das Hoftor mit der Fernbedienung öffnen kann. Probleme können nur dann auftreten, wenn berechtigte Fremde zu Zeiten einfahren wollen, zu denen der Kläger oder Mitbewohner nicht anwesend sind. Diese seltenen Fälle sind vom Kläger als zumutbar hinzunehmen. Personen, deren Einfahrt er erwartet, kann er auf den deutlich sichtbaren Knopf hinweisen. Da das kleine Tor jederzeit offen ist, können diese Besucher von innen den Knopf jederzeit ohne Schwierigkeiten sehen. Entgegenstehender Vortrag des Klägers entbehrt der Grundlage. Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass die Anlieferung von Brennholz, Paketen oder Heizöl Schwierigkeiten bereiten soll. Für erwarteten Besuch kann der Kläger das Tor vorher auch offen halten. Bei Ausfall der Technik ist sichergestellt, dass das Tor geöffnet werden kann und offen bleibt.
Die gegen die Beklagten gerichtete Klage wäre allerdings begründet, wenn sich diese (nicht nur der Erstbeklagte) unabhängig vom Umfang der Grunddienstbarkeit persönlich verpflichtet hätten, das Tor tagsüber offen zu halten. Für eine solche Vereinbarung ist der Kläger beweispflichtig. Den Nachweis einer solchen Vereinbarung hat der Kläger jedoch nicht erbracht.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 23. Feb. 2006 - 9 U 132/05

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 23. Feb. 2006 - 9 U 132/05

Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 23. Feb. 2006 - 9 U 132/05 zitiert 3 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1020 Schonende Ausübung


Bei der Ausübung einer Grunddienstbarkeit hat der Berechtigte das Interesse des Eigentümers des belasteten Grundstücks tunlichst zu schonen. Hält er zur Ausübung der Dienstbarkeit auf dem belasteten Grundstück eine Anlage, so hat er sie in ordnungsmä

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 23. Feb. 2006 - 9 U 132/05 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 23. Feb. 2006 - 9 U 132/05.

Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 25. Juli 2014 - 12 U 155/13

bei uns veröffentlicht am 25.07.2014

Tenor Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tenor ist vom Gericht nicht mitgeteilt worden. Tatbestand   1 Die Parteien sind Nachbarn. Sie streiten insbesondere um (…) die Ausübung eines Wegerechts sowie die Aufstellung vo

Referenzen

Bei der Ausübung einer Grunddienstbarkeit hat der Berechtigte das Interesse des Eigentümers des belasteten Grundstücks tunlichst zu schonen. Hält er zur Ausübung der Dienstbarkeit auf dem belasteten Grundstück eine Anlage, so hat er sie in ordnungsmäßigem Zustand zu erhalten, soweit das Interesse des Eigentümers es erfordert.