Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 28. Jan. 2015 - 20 U 216/14
Gericht
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Kläger gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.
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G r ü n d e:
2Die Berufung der Kläger hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und es erfordert auch nicht die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung des Berufungsgerichts.
3Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht ein versichertes Ereignis im Sinne von § 8 der Besonderen Bedingungen der Beklagten für die Versicherung weiterer Elementarschäden in der Wohngebäudeversicherung (BEW 2006) verneint. Hierbei kann der Senat – umgekehrt als das Landgericht – offen lassen, ob Versicherungsschutz vorliegend bereits deshalb nicht besteht, weil dieser sich ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen nicht auf Schäden bezieht, die dadurch entstehen, dass erhebliche Niederschlagsmengen von den zu ihrer Entsorgung vorgesehenen, innerhalb oder außerhalb des Gebäudes befindlichen Einrichtungen nicht mehr aufgenommen werden können und in das Gebäude eindringen. Denn bereits der Versicherungsfall der „Überschwemmung“ im Sinne von § 8 BEW 2006 liegt nicht vor.
4Es entspricht ständiger höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung, dass der Versicherungsfall der „Überschwemmung“ eine Überflutung des Grund und Bodens erfordert, auf dem das versicherte Gebäude liegt, und zwar entweder durch Ausuferung von oberirdischen Gewässern oder durch Witterungsniederschläge. Nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ist eine „Überflutung des des Versicherungsgrundstücks“ allerdings auch nur dann anzunehmen, wenn sich erhebliche Wassermengen auf der Geländeoberfläche ansammeln (vgl. BGH, Urt. v. 20.04.2005, IV ZR 252/03, VersR 2005, 828). Der Vorgang der Überflutung wird nach dem Sprachgebrauch dadurch geprägt, dass Wasser über die Oberfläche hinaus tritt und nicht mehr „erdgebunden“ ist. Versicherungsschutz wegen Überflutung umfasst daher nur Schäden, die dadurch hervorgerufen werden, dass der Grund und Boden außerhalb des Gebäudes überflutet wird, also das Wasser über die Erdoberfläche hinaus austritt oder über es geleitet wird (vgl. Senat, Beschl. v. 11.06.2014, 20 U 102/14, n.v.; Beschl. v. 03.08.2005, 20 U 103/05, zfs 2006, 103; OLG Köln, Urt. v. 09.04.2013, 9 U 198/12, VersR 2013, 1174; OLG Bamberg, Beschl. v. 11.03.2013, 1 U 161/12, r+s 2014, 19; OLG Oldenburg, Beschl. v. 20.10.2011, 5 U 160/11, VersR 2012, 437; OLG Nürnberg, Urt. v. 18.06.2007, 8 U 2837/06, r+s 2007, 329; OLG Karlsruhe, Urt. v. 05.07.2001, 19 U 01, NVersZ 2001, 570).
5Hieran gemessen haben die Kläger schon das Vorliegen einer bedingungsgemäßen Überschwemmung nicht ausreichend dargetan und unter Beweis gestellt. Die Kläger haben zunächst nur behauptet, die hinter dem Gebäude gelegene Terrassenfläche habe aufgrund vom Dach herabstürzender Regenmassen ca. zehn Zentimeter hoch unter Wasser gestanden. Soweit sie in ihrem Schriftsatz vom 14.05.2013 alsdann behauptet haben, die gesamte Terrassenfläche als auch das sich anschließende und nach oben ansteigende Grundstück habe unter Wasser gestanden, fehlt es an einem ausreichenden Beweisangebot. Den insoweit von den Klägern zu Beweiszwecken vorgelegten Lichtbildern lässt sich lediglich entnehmen, dass sich auf der Pflasterung hinter dem versicherten Gebäude Niederschlagswasser angestaut hat. Allein damit lässt sich aber nicht feststellen, dass sich auf der Oberfläche des Geländes außerhalb des Gebäudes erhebliche Wassermengen angesammelt hätten. Vielmehr ist das Eindringen des Wassers auf die bauliche Gestaltung des Grundstücksbereichs hinter dem versicherten Gebäude – nämlich die Versiegelung des Grund und Bodens mit Pflastersteinen – zurückzuführen. Die Ansammlung von Wasser auf einer versiegelten Fläche stellt aber keine bedingungsgemäße Überschwemmung dar. Denn auch nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ist eine Überschwemmung ein Zustand, bei dem eine normalerweise trockenliegende Bodenfläche von Wasser bedeckt wird. Die Anstauung von Wassermassen auf Flachdächern, Terrassen oder Balkonen aufgrund mangelnder Entwässerung unterfällt daher nicht dem Versicherungsschutz. Vielmehr handelt es sich hier um das Ergebnis einer unzureichenden Errichtung oder Unterhaltung des Gebäudes, für welches der durchschnittliche Versicherungsnehmer keinen Versicherungsschutz aus der Elementarversicherung erwartet (Senat, Beschl. v. 11.06.2014, 20 U 102/14, n.v.; OLG Karlsruhe, Urt. v. 20.09.2011, 12 U 92/11, VersR 2012, 231).
6Fehl geht auch die weitere Rüge der Berufung, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft mit Blick auf die Reparaturfreigabe vom 16.10.2012 ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis der Beklagten verneint. Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt, dass sich die Reparaturfreigabe ersichtlich nur auf das Angebot der X GmbH vom 10.09.2012 bezogen habe. Zu diesem Angebot haben die Kläger aber ausdrücklich die Unzumutbarkeit des dort vorgesehenen Reparaturweges eingewandt. Dass die Beklagte aber mit der Freigabe dieses – kostengünstigeren – Reparaturweges zugleich ihre Eintrittspflicht dem Grunde nach anerkennen wollte, lässt sich dem Inhalt der E-Mail nicht entnehmen.
7Unter einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis versteht man einen Vertrag, der im Unterschied zum sog. konstitutiven Schuldanerkenntnis den in Frage stehenden Anspruch nicht auf eine neue Anspruchsgrundlage hebt, sondern diesen Anspruch unter Beibehaltung des Anspruchsgrundes dadurch verstärkt, dass er ihn Einwendungen des Anspruchsgegners gegen den Grund des Anspruchs entzieht. Zweck eines solchen Vertrages ist es, das Schuldverhältnis insgesamt oder zumindest in bestimmten Beziehungen dem Streit oder der Ungewissheit zu entziehen und es (insoweit) endgültig festzulegen. Ein Vertrag, dem eine so weitgehende Rechtswirkung zukommt, kann nur unter bestimmten Voraussetzungen angenommen werden. Der erklärte Wille der Beteiligten muss die mit einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis verbundenen Rechtsfolgen tragen. Die Annahme, dass dies der Fall ist, setzt deswegen voraus, dass diese Rechtsfolgen der Interessenlage der Beteiligten, dem mit der Erklärung erkennbar verfolgten Zweck und der allgemeinen Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses entsprechen. Eine generelle Vermutung dafür, dass die Parteien einen bestätigenden Schuldanerkenntnisvertrag abschließen wollten, gibt es nicht. Die Annahme eines solchen Vertrages ist vielmehr nur dann gerechtfertigt, wenn die Beteiligten unter den konkreten Umständen einen besonderen Anlass für seinen Abschluss hatten. Ein solcher Anlass besteht nur dann, wenn zuvor Streit oder zumindest eine (subjektive) Ungewissheit über das Bestehen der Schuld oder über einzelne rechtlich erhebliche Punkte geherrscht hat (vgl. Senat, Urt. v. 15.04.1988, 20 U 252/87, juris, Rn. 56, r+s 1988, 315).
8Gemessen hieran kann die Erklärung der Beklagten vom 16.10.2012 nicht als deklaratorisches Schuldanerkenntnis gewürdigt werden. Denn es bestand – worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat – für die Kläger erkennbar schon kein besonderer Anlass für die Beklagte, ihre Eintrittspflicht dem Grunde nach festzulegen.
9Auch mit dem im Berufungsrechtszug weiter verfolgten Hilfsantrag kann das Rechtsmittel keinen Erfolg haben. Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch des Versicherungsnehmers auf Erstattung von Schadensermittlungskosten gem. § 85 Abs. 1 VVG nicht in Betracht kommt, wenn unbewiesen bleibt, dass der Versicherer den Hauptschaden zu tragen habe. Hiermit setzt sich die Berufungsbegründung nicht hinreichend auseinander. Allein die von der Berufung für ihre gegenteilige Auffassung bemühte Kommentarstelle (Voit, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, § 85 Rn. 9) rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Denn soweit dort ausgeführt ist, dass bei Aufforderung durch den Versicherer ein Anspruch aus Auftrag in Betracht kommen könne, fehlt es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 670 BGB. Selbst wenn nämlich der Zeuge T den Klägern erklärt haben sollte, es sei in Ansehung der Schadenhöhe am einfachsten, einen Kostenvoranschlag ihres Werkunternehmers, der Fa. Y, einzuholen, durften die Kläger den Umständen nach noch keine entgeltliche Tätigkeit der Fa. Y für erforderlich halten, ohne zuvor mit der Beklagten Rücksprache zu halten. Dies gilt umso mehr in Ansehung der Höhe der geforderten Kosten von 10 % des Angebotspreises.
10Auf die Gebührenermäßigung für den Fall der Berufungsrücknahme (KV Nr. 1222) wird hingewiesen.
Auf den o.g. Hinweisbeschluss wurde die Berufung zurückgenommen.
Annotations
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer die Kosten, die durch die Ermittlung und Feststellung des von ihm zu ersetzenden Schadens entstehen, insoweit zu erstatten, als ihre Aufwendung den Umständen nach geboten war. Diese Kosten sind auch insoweit zu erstatten, als sie zusammen mit der sonstigen Entschädigung die Versicherungssumme übersteigen.
(2) Kosten, die dem Versicherungsnehmer durch die Zuziehung eines Sachverständigen oder eines Beistandes entstehen, hat der Versicherer nicht zu erstatten, es sei denn, der Versicherungsnehmer ist zu der Zuziehung vertraglich verpflichtet oder vom Versicherer aufgefordert worden.
(3) Ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung zu kürzen, kann er auch den Kostenersatz entsprechend kürzen.
Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.