Oberlandesgericht Celle Urteil, 1. März 2023 - 3 U 85/22
Gericht
Submitted by
OBERLANDESGERICHT CELLE
IM NAMEN DES VOLKES
Amtlicher Leitsatz
Das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) findet sowohl auf Verbraucher als auch auf Unternehmer Anwendung.
In dem Rechtsstreit
....
gegen
....
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Amtsgericht ... auf die mündliche Verhandlung vom
1.Februar 2023 für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 18. August 2022 wird zurückgewiesen und das Urteil hinsichtlich der Widerklage klarstellend wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien für die Monate April 2022 bis September 2022 kein wirksamer Vertrag über ein Coaching mit dem Namen "S. b. w. E. T." besteht.
Das angefochtene Urteil wird in der Kostenentscheidung teilweise abgeändert. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu 2/3, die Beklagte zu 1/3 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung der jeweiligen Gegenseite gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, sofern nicht die jeweilige Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Der Kläger verfolgt mit seiner Klage eine Vergütung aufgrund eines mit der Beklagten abgeschlossenen Coaching-Vertrags; die Beklagte macht im Wege der Widerklage die negative Feststellung geltend, ein wirksamer Vertrag sei nicht zustande gekommen.
Der Kläger bietet Dienstleistungen im Bereich des Online-Coachings und der online-Unternehmensberatung für Frauen an. Im Wege eines Videotelefonats vereinbarten die Parteien am 8. Oktober 2021 den Abschluss eines Vertrags über ein sogenanntes "S. b. w. E. T." für eine Laufzeit von zwölf Monaten. Die monatliche Vergütung betrug 2.200,00 Euro netto. Dabei sollte der Kläger folgende Leistungen erbringen:
- Wöchentliche Life Calls (7 Stück)
- 1:1 Calls auf Abruf
- WhatsApp Support
- Mitgliederbereich
- klares Angebot und Kundenprofil
- klare Positionierung
- Frauen im Verkauf und Professionalität nach außen
- Leadquelle
- S. b. w. Verkaufsprozess, Optimierung und Skalierung
- Mitarbeiter Recruiting und Führung
Unter dem 11. Oktober 2021 erteilte der Kläger der Beklagten eine Auftragsbestätigung. Die Beklagte teilte dem Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 20. Oktober 2021 mit, aus diversen Gründen am Vertrag nicht festhalten zu wollen, und erklärte die Anfechtung sowie den Widerruf und die Kündigung.
Der Kläger hat behauptet, er habe sein Einzelunternehmen in eine GmbH eingebracht, und eine Rubrumsänderung angeregt, der das Landgericht nicht entsprochen hat.
Die Beklagte hat sich damit verteidigt, dass der Vertrag gem. § 7 Abs. 1 Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) nichtig sei, weil der Kläger - unstreitig - nicht über eine Zulassung nach § 12 FernUSG verfüge. Im Übrigen sei der Vertrag wegen einer überhöhten Vergütung nach § 138 BGB nichtig. Ferner hat die Beklagte die Anfechtung nach § 142 BGB wegen arglistiger Täuschung erklärt sowie den Widerruf des Vertrags und hilfsweise auf Kündigungsrechte verwiesen.
Das Landgericht hat den Parteien in der mündlichen Verhandlung nachgelassen, bis zum 11. August 2022 abschließend Stellung zu nehmen. Den rechtzeitig eingegangenen Fristverlängerungsantrag des Klägers hat das Landgericht mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Klägervertreter nicht glaubhaft gemacht habe, weshalb eine Fristverlängerung von weiteren drei Wochen erforderlich sein solle, weil der pauschale Verweis auf vorübergehende Arbeitsüberlastung und krankheitsbedingte Ausfälle nicht geeignet sei, eine Stellungnahmefrist von insgesamt sechs Wochen zu rechtfertigen. Eine weitere Fristverlängerung hätte zu einer tatsächlichen Verzögerung des Rechtsstreits geführt, weil eine Verlegung des Verkündungstermins erforderlich gewesen wäre. Dem daraufhin gestellten Antrag des Klägers auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gem. § 156 ZPO hat der Einzelrichter im Urteil nicht stattgegeben und überdies ausgeführt, dass die Länge der Frist zur Stellungnahme selbst durch einen entsprechenden Antrag des Klägers bestimmt worden sei, weswegen erwartet werden dürfe, dass der Kläger einen Zeitraum beantrage, in dem es ihm möglich erscheine, entsprechend Stellung zu nehmen; deswegen entspreche die Fristverlängerung eines Schriftsatznachlasses qualitativ einer zweiten Fristverlängerung, wofür ein pauschaler Verweis auf Arbeitsüberlastung nicht ausreiche.
Wegen des weitergehenden Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der negativen Feststellungswiderklage stattgegeben. Zur Begründung hat der Einzelrichter ausgeführt, die vereinbarte Vergütung sei nichtig, weil für sie ein besonders grobes auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gem. § 138 Abs. 1 BGB bestehe. Die vereinbarte Gegenleistung übersteige den marktüblichen Preis um ungefähr das zehnfache. Zwar könne trotz der vagen Leistungsbeschreibung der vom Kläger eingegangenen Verpflichtung davon auszugehen sein, dass das Vertragsverhältnis Elemente einer Wissensvermittlung insbesondere in dem Bereich einer Unternehmensführung und des Marketings enthalte, die allerdings online durchgeführt würden. Zur Objektivierung des Werts der angebotenen Leistung des Klägers sei daher auf andere Wissensvermittlungsdienstleistungen im Bereich der online Beratung und Wissensvermittlung zurückzugreifen, wofür sich Fernuniversitäten oder Anbieter von Fernkursen anböten. Diese nähmen pro Jahr eine Vergütung von bis zu 3.000 Euro. Dem Kläger sei im Übrigen eine Widerlegung der Vermutung der bewussten oder grob fahrlässigen Ausnutzung eines die Beklagte in ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstandes nicht gelungen. Hieraus ergebe sich, dass die zulässige Feststellungswiderklage in ihrem Hauptantrag begründet sei.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der die Verletzung rechtlichen Gehörs rügt, soweit ihm die Gelegenheit genommen wurde, vor dem Verkündungstermin Stellung zu nehmen. Er meint, der streitgegenständliche Vertrag falle nicht in den Anwendungsbereich des FernUSG. Die Beklagte habe den Vertrag nicht als Verbraucherin geschlossen, sondern als Unternehmerin gehandelt. Hierzu verweist der Kläger auf die Internetadresse der Beklagten. Eine Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB bestehe nicht, weil für Coachingprogramme eine Preisspanne von 100 Euro - 700 Euro netto pro Stunde nicht unüblich sei. Ferner sei der Vertrag weder nach § 142 BGB nichtig noch bestünde ein Widerrufs- oder ein Kündigungsrecht. Zudem habe das Landgericht ohne hinreichende eigene Sachkunde über die Sittenwidrigkeit des Vertrags entschieden.
Nachdem der Kläger mit der Berufung zunächst nur die Vergütung für Oktober und November 2021 geltend gemacht hat, verfolgt er mit einem gesonderten und nach Ablauf der Berufungsbegründungfrist eingegangenen Antrag - wie in erster Instanz - die Vergütungen für Dezember 2021 bis März 2022.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung [gemeint ist Abänderung] des am 18. August 2022 verkündeten Urteils des Landgerichts Stade, Az. 3 O 5/22, zu erkennen,
1.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag von 5.236 Euro nebst Zinsen aus einem Teilbetrag von 2.618 Euro in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19. November 2021 sowie nebst Zinsen aus einem weiteren Teilbetrag von 2.618 Euro in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
2.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.626,49 Euro nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19. November 2021 zu zahlen sowie
3.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag von 10.472,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
4.
die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt mit der Berufungserwiderung zur Anwendbarkeit des FernUSG auf Unternehmer und zur Sittenwidrigkeit des Vertrags nach § 138 BGB sowie zu anderen Nichtigkeitsgründen vor.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte die Widerklage zurückgenommen, soweit sie sich auf die Monate Oktober 2021 bis März 2022 bezog.
B.
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Landgericht hat - nur im Ergebnis - die Klage zu Recht abgewiesen. Ein Anspruch des Klägers aus dem mit der Beklagten geschlossenen Vertrag kommt nicht in Betracht, weil dieser gemäß § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig ist. Auf die erheblichen Verfahrensverletzungen des Landgerichts kommt es deswegen nicht an.
I.
Die Berufung ist zulässig.
Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung, weil der Kläger diese nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erweitert hat, bestehen nicht. Mit der Erweiterung hat der Kläger die bereits in erster Instanz geltend gemachten Beträge für die Monate Dezember 2021 bis März 2022 geltend gemacht; diese Ansprüche sind von der Berufungsbegründung gedeckt (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 2010, II ZR 185/09, Rn. 9; BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2021, VI ZR 1173/20). Mit Einlegung der Berufung ist die Rechtskraft des Urteils (zunächst) insgesamt § 705 ZPO gehemmt, selbst wenn der Kläger das erstinstanzliche Urteil ausweislich der zuerst gestellten Anträge nur teilweise angefochten hat.
II.
Die Berufung ist allerdings nicht begründet.
a) Zur Klage:
Dem Kläger steht ein Anspruch auf die geltend gemachte Vergütung für die Monate Oktober 2021 bis März 2022 aus dem mit der Beklagten geschlossenen Vertrag nicht zu. Dieser Vertrag ist nichtig. Ebenso wenig kommt ein Anspruch des Klägers aus § 812 Abs. 1 BGB für die Monate zwischen Vertragsschluss und der Erklärung der Beklagten vom 20. Oktober 2021 oder für einen darüber hinausgehenden Zeitraum in Betracht. Es fehlt hierzu - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - an jeglichem Vortrag des Klägers, was die Beklagte erlangt haben könnte.
1. Der Kläger ist aktiv legitimiert. Eine Rubrumsänderung auf die S. b. w. GmbH als vermeintliche Rechtsnachfolgerin kommt nicht in Betracht. Unabhängig davon, dass der Kläger seinerzeit als Einzelunternehmer den Vertrag mit der Beklagten geschlossen hat und ein Anspruchsübergang nach Rechtshängigkeit (hier eingetreten gem. § 696 Abs. 3 ZPO) gem. § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO keine Veränderung nach sich zieht, hat die Beklagte dem Eintritt der - vermeintlichen - Rechtsnachfolgerin nicht zugestimmt, § 265 Abs. 2 S. 2 ZPO.
Überdies ist der vom Kläger hierzu vorgelegte Vertrag schon nicht geeignet, eine Rechtsnachfolge seines Einzelunternehmens durch die S. b. w. GmbH zu belegen. Im Vertrag ist nur geregelt, dass der Kläger seine Erklärungen als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der in Gründung befindlichen B. H. GmbH abgegeben hat und diese ihre Gesellschaftsanteile an der S. b. w. GbR eingebracht hat; vom Einzelunternehmen des Klägers ist nicht die Rede.
2. Der sogenannte Coachingvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten ist ein Dienstvertrag gem. § 611 BGB, ähnlich dem eines Unternehmensberaters (vgl. Weidenkaff in Grüneberg, BGB, 81. Aufl., Einführung vor § 611 Rn. 16), weil der Kläger die Dienste für die Beklagte selbstständig und unabhängig ausüben sollte und ein Erfolg nicht geschuldet war.
3. Der geltend gemachte Anspruch des Klägers auf Zahlung der vertraglichen Vergütung ist nicht begründet. Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist gem. § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig, weil der Kläger unstreitig nicht über die gem. § 12 FernUSG erforderliche Zulassung für Fernlehrgänge verfügt. Das FernUSG ist auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar.
a) Der Anwendbarkeit steht nicht entgegen, dass das FernUSG nur auf mit Verbrauchern abgeschlossene Fernunterrichtsverträge Anwendung fände; dies ist nicht der Fall.
aa) (1) Für eine Anwendung des FernUSG nur auf Verbraucherverträge spricht zwar Folgendes:
Nach der Begründung des Gesetzes (BT-Drs. 7/4245, S. 13, 32) sollte das Gesetz den Teilnehmer am Fernunterricht unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes sichern und sich in die übrigen Bemühungen zum Schutz der Verbraucher einreihen.
In diesem Sinne ist das FernUSG in der Folgezeit vom Gesetzgeber auch verstanden worden. So ist z. B. in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 9. Februar 2000 (BT-Drs. 14/2658, S. 31) - Entwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts - ausgeführt, dass das zweiwöchige bzw. 6-monatige Widerrufsrecht nach § 4 FernUSG grundsätzlich zugunsten des Verbrauchers über das in Art. 6 FARL (Fernabsatzrichtlinie) vorgesehene Widerrufsrecht hinausgehe. Die neue Vorschrift des § 361a BGB gelte nur, wenn ein Verbraucherschutzgesetz dies bestimme (BT-Drs. 14/2658, S. 42); diese Regelung ist mit dem o.a. Gesetz mit Wirkung ab dem 30. Juni 2000 in § 4 Abs. 1 S. 1 FernUSG eingeführt worden. Ferner ist im Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie (BT-Drs. 17/12637, S. 43) vorgesehen, dass Fernunterrichtsverträge, die im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden, zukünftig den §§ 312 ff BGB unterfallen sollen; diese Vorschriften stehen im Untertitel 2 "Grundsätze bei Verbraucherverträgen und besondere Vertriebsformen". Zu § 3 Abs. 1 FernUSG bleibe es aus Gründen des Verbraucherschutzes dabei, dass die auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung des Verbrauchers schriftlich abgegeben werden müsse; zu § 3 Abs. 2 FernUSG werde "das bisherige Verbraucherschutzniveau des Fernunterrichtsgesetzes weitgehend aufrecht erhalten" (BT-Drs. 17/12637, S. 78).
Dem entspricht die gegenwärtige Regelung des § 3 Abs. 3 FernUSG, wonach bei einem Fernunterrichtsvertrag zu den wesentlichen Eigenschaften, über die der Unternehmer den Verbraucher nach Art. 246 a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch zu informieren hat, näher bezeichnete Aspekte gehören.
Für dieses Verständnis könnte ferner sprechen, dass sich aus einem im Internet auf der Homepage der Deutsche Anwalt Akademie eingesehenen Fernunterrichtsvertrag zur Erlangung einer Fachanwaltsbezeichnung kein direkter Hinweis auf die Geltung des FernUSG ergibt.
(2) Gegen eine Anwendung nur auf Verbraucher streitet jedoch Folgendes:
Das FernUSG verwendet - abgesehen von § 3 Abs. 3 FernUSG - den Begriff des Verbrauchers nicht. Insbesondere gibt es - anders als z. B. in § 1 Abs. 1 VerbrKrG a.F. und § 6 Nr. 1 HWiG a.F. - keine gesonderte Vorschrift, die die Anwendung des Gesetzes im Ergebnis explizit nur für Verbraucherverträge vorschreibt.
Für eine Anwendung des Gesetzes auch auf Unternehmer spricht ferner das Verständnis der Praxis. So enthalten z. B. die im Internet auf der jeweiligen Homepage einsehbaren Fernunterrichtsverträge zum Erwerb einer Fachanwaltsbezeichnung eine Zulassung der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht (z. B. bei Deutsche Anwalt Akademie und AK Jura, Wolters/Kluwer). Dies wäre nicht notwendig, wenn eine Anwendung des FernUSG auf Anwälte, die gem. § 2 Abs. 1 BRAO einen freien Beruf ausüben und damit Unternehmer i. S. v. § 14 BGB sind, nicht in Betracht kommt. Zudem gibt es für den Fernunterrichtsvertrag der Deutsche Anwalt Akademie eine Widerrufsbelehrung, die an sich nur für Verbraucher erforderlich wäre.
(3) Der Senat hält letzteres Verständnis für zutreffend (so auch Bülow in ders./Artz, Verbraucherkreditrecht, 10. Aufl., § 506 BGB Rn. 48). Ausschlaggebend hierfür ist, dass das Gesetz keine ausschließliche Anwendung auf Verbraucher vorsieht und auch eine teleologische Auslegung kein eindeutiges Ergebnis ergibt. Denn die Regelungen des FernUSG können in dem Kontext, in dem sie verabschiedet wurden, auch so verstanden werden, dass sie zum Schutz der Verbraucher getroffen wurden, sofern diese einen Fernunterrichtsvertrag abschließen, ohne Unternehmer auszuschließen; diese sollten gleichfalls von den getroffenen Regelungen profitieren. Soweit § 3 Abs. 3 FernUSG eine gesonderte Belehrung für Verbraucher vorsieht, ist dies nur der Umsetzung des Verbraucherschutzes geschuldet. Zudem sollte das FernUSG der "Enttäuschung der Bildungswilligkeit" vorbeugen und ging von einer erheblich höheren Schutzbedürftigkeit des Teilnehmers am Fernunterricht im Verhältnis zu demjenigen am Direktunterricht aus (BT-Drs. 7/4245, S. 12f.), stellte also nicht auf die Eigenschaft des Teilnehmers als Verbraucher ab.
bb) Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob die Beklagte bei Vertragsschluss als Unternehmerin i.S.v. § 14 BGB gehandelt hat, was aber - insbesondere aufgrund ihres eigenen unstreitigen Eingeständnisses im Videotelefonat - entgegen ihrer Auffassung der Fall gewesen sein dürfte.
b) Für die Anwendbarkeit des FernUSG ist ferner erforderlich, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag die gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG notwendige Voraussetzung der Überwachung des Lernerfolgs beinhaltete. Dies ist gegeben.
aa) Der Gesetzgeber ging bei der Formulierung des Gesetzes von einem umfassenden und weiten Verständnis des Begriffs der Überwachung des Lernerfolgs aus. Der Lehrende oder sein Beauftragter sollte sich dabei schriftlicher Korrekturen ebenso wie begleitender Unterrichtsveranstaltungen oder anderer Mittel bedienen können. Deshalb kommt auch eine mündliche Kontrolle während eines begleitenden Direktunterrichts als hinreichende Überwachung des Lernerfolgs, z. B. durch Frage und Antwort, in Betracht. Es ist ausreichend, wenn eine individuelle Anleitung des Lernenden vorgesehen ist, die eine Lernerfolgskontrolle ermöglicht. Insgesamt ist eine Überwachung des Lernerfolgs nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG bereits dann gegeben, wenn der Lernende nach dem Vertrag den Anspruch hat, z. B. in einer begleitenden Unterrichtsveranstaltung durch mündliche Fragen zum erlernten Stoff eine individuelle Kontrolle des Lernerfolgs durch den Lehrenden oder seinem Beauftragten zu erhalten (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2009, III ZR 310/08, Rn. 19 und 21, juris).
bb) Nach diesen Kriterien ist eine vereinbarte Überwachung des Lernerfolgs nach dem verschriftlichten Inhalt des Vertrags (vgl. Auftragsbestätigung Anlage K 1) zwar nicht mit Sicherheit festzustellen. Mit der Beklagten und dem Landgericht ist festzuhalten, dass die vom Kläger geschuldeten Leistungen vage und kaum hinterfragbar sind. Zudem ist den schriftlichen Ausführungen nicht zu entnehmen, dass die Beklagte irgendwelche Prüfungsaufgaben erhalten sollte oder sie die Gelegenheit hätte, sich über ihren Lernerfolg beim Kläger rückzuversichern. Selbst wenn sie Kontakt zu dem Kläger in der im Vertrag näher dargestellten Form (wöchentliche Live Calls und 1:1 Calls auf Abruf) bekommen konnte, lässt dies noch nicht darauf schließen, was Inhalt dieser Gespräche gewesen wäre.
Die Beklagte hat mit der Berufungserwiderung allerdings - zwar erstmals, aber unstreitig (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) - vorgetragen, dass in dem aufgezeichneten Videotelefonat vom 8. Oktober 2021, das gem. Ziffer 4 der Auftragsbestätigung Vertragsinhalt geworden ist, der Kläger darauf hingewiesen hat, es gäbe Sprechstunden, einen WhatsApp-Support, in dem sie Fragen stellen könne, und sie Zugang zu der Akademie habe, die Videos, Dokumente, Checklisten und Prüfungen beinhalte. Dies reicht aus, um nach den o.g. Maßstäben eine Überwachung des Lernerfolgs zu bejahen.
Soweit der Kläger hierzu vorträgt, es erfolge keine Kontrolle, vielmehr stelle das Lernportal nur automatisch fest, ob ein Videokursabschnitt angesehen wurde, und schalte dann das nächste Modul frei, ist dies unerheblich, weil sich die Angabe des Klägers im Videotelefonat nicht hierauf bezog. Der Einwand, es gebe nur Dokumente und Checklisten, aber keine individuellen Prüfungsaufgaben, ist unerheblich, weil individuelle Prüfungsaufgaben nicht Voraussetzung für eine Überwachung des Lernerfolgs sind. Vielmehr reicht die - hier angebotene - Möglichkeit zur Rücksprache aus.
4. Es bedarf daher keiner Entscheidung darüber, ob der Vertrag nach anderen Vorschriften, insbesondere den §§ 134, 138, 142 BGB nichtig ist oder der Widerruf bzw. der Rücktritt der Beklagten wirksam sind.
b) Zur Widerklage:
Die negative Feststellungswiderklage der Beklagten ist nach der teilweisen Rücknahme zulässig und begründet. Die Begründetheit der Widerklage ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen zu a).
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 S. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Der Senat hat - wozu er gem. § 308 Abs. 2 ZPO befugt ist - die Kostenentscheidung für die erste Instanz geändert, obwohl das Rechtsmittel des Klägers in der Sache keinen Erfolg hat (vgl. a. BGH, Beschluss vom 13. Juni 1995, V ZR 276/94, Rn. 3 - juris). Denn die Widerklage der Beklagten war bereits in erster Instanz teilweise unzulässig, soweit sie sich auf die Monate Oktober 2021 bis März 2022 bezog, für die der Kläger die Leistungsklage auf Zahlung einer Vergütung erhoben hatte (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 256 Rn. 16).
Die Regelung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Anlass zur Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO besteht nicht. Zwar lässt sich der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht entnehmen, dass über die Frage der Anwendbarkeit des Fernunterrichtsschutzgesetzes auf Unternehmer bereits eine Entscheidung getroffen worden wäre. Dies allein rechtfertigt jedoch noch keine Zulassung der Revision. Es ist von den Parteien nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hätte oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordere.