Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 06. März 2014 - 3 Ss OWi 228/14

bei uns veröffentlicht am06.03.2014

Gericht

Oberlandesgericht Bamberg

Tatbestand

Das AG hat den Betr. wegen einer als Führer eines Pkw (Taxi) fahrlässig am 12.05.2013 innerorts begangenen Nichtbeachtung einer Rotlichtphase zu einer Geldbuße von 180 Euro verurteilt und gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Betr. erfolglos die Verletzung sachlichen und (sinngemäß) formellen Rechts.

Gründe

Die gemäß § 79 I 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde des Betr. erweist sich als unbegründet. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerde hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betr. ergeben.

1. Soweit mit der Rechtsbeschwerde offensichtlich auch die Verletzung des Verfahrensrechts beanstandet werden soll, ist eine den gesetzlichen Begründungsanforderungen der §§ 79 III 1 OWiG i. V. m. 344 II 2 StPO genügende Verfahrensrüge nicht erhoben, weshalb die entsprechenden Rügen als unzulässig anzusehen sind. Insoweit ist freilich unbeachtlich (§ 300 StPO), dass die Verteidigung davon auszugehen scheint, auch insofern „die Verletzung sachlichen Rechts“ zu rügen (zur Auslegung des Rügevortrags unabhängig von seiner Selbstbezeichnung durch den Rechtsmittelführer vgl. u. a. OLG Bamberg NZV 2011, 44 f. und VRR 2013, 311, jeweils m. w. N.).

a) Gemäß § 79 III 1 OWiG i. V. m. § 344 II 2 StPO muss der Beschwerdeführer, der eine Verletzung des Verfahrensrechts geltend machen will, im Rahmen seiner Rechtsbeschwerdebegründung die den Mangel begründenden Tatsachen so vollständig und genau angeben, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden; hierzu gehört gegebenenfalls auch der Vortrag zu Anhaltspunkten, die nach den konkreten Umständen des Falles gegen das Rechtsbeschwerdevorbringen sprechen können (vgl. aus der einschlägigen Kommentarliteratur u. a. Meyer-Goßner StPO 56. Aufl. § 344 Rn. 20 ff. und KK/Gericke StPO 7. Aufl. § 344 Rn. 38 ff., jeweils m. w. N. auf die ständige obergerichtliche Rspr.).

b) Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Rechtsbeschwerdebegründung nicht:

aa) Soweit die Verletzung des Beweisantragsrechts gerügt wird, gehört zum unverzichtbaren Rügevortrag mindestens die Mitteilung sowohl des vollständigen Inhalts des Beweisantrags als auch eines gerichtlichen Ablehnungsbeschlusses. Der Betr. führt jedoch lediglich aus, warum sein Beweisantrag auf Einvernahme des weiteren (polizeilichen) Zeugen seines Erachtens zu Unrecht abgelehnt worden sei. Auf dieser Grundlage kann das Rechtsbeschwerdegericht schon im Ansatz nicht übersehen, ob ein Verfahrensfehler vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen würden (Meyer-Goßner § 344 Rn. 24).

bb) Auch soweit wegen der Ablehnung desselben - möglicherweise als prozessordnungsgemäßer Beweisantrag zu qualifizierenden - Beweisbegehrens auf Einvernahme des Zeugen zugleich die Aufklärungsrüge erhoben wird, scheitert die Zulässigkeit der Rüge einer Verletzung des § 244 II StPO i. V. m. § 77 I OWiG weiterhin u. a. daran, dass im Rahmen der Rechtsbeschwerderechtfertigung nicht bestimmt mitgeteilt wird, welches konkrete und für den Beschwerdeführer günstige Beweisergebnis aus der Beweiserhebung zu erwarten gewesen wäre und aufgrund welcher konkreter Umstände sich das AG zu der vermissten Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen. Der Rügevortrag läuft vielmehr auf die schlichte Behauptung der Möglichkeit hinaus, dass die unterlassene Beweisaufnahme zu einer weiteren Aufklärung oder dazu geführt hätte, dass das AG gegebenenfalls seine aus der Vernehmung nur des einen Zeugen gewonnenen Feststellungen relativiert hätte. Dies ist nicht ausreichend. Dem Senat ist auf der Grundlage dieses im Unbestimmten verbleibenden Rügevortrages schon im Ansatz auch unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der tatrichterlichen Aufklärungspflicht eine rechtliche Überprüfung des geltend gemachten Verfahrensfehlers verwehrt (vgl. aus der Rspr. zum Bußgeldverfahren zuletzt statt aller z. B. OLG Köln DAR 2013, 530 f.).

2. Auch die umfassende Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betr. auf. Die Feststellungen des AG tragen sowohl den Schuldspruch in objektiver und subjektiver Hinsicht als auch die daran anknüpfende Rechtsfolgenbemessung.

a) Die - wenn auch knappen - Feststellungen des AG tragen insbesondere die Verurteilung des Betr. wegen eines fahrlässig begangenen (‚einfachen‘) Rotlichtverstoßes (§§ 37 II, 49 III Nr. 2 StVO).

aa) Eine Verurteilung wegen eines Rotlichtverstoßes kann nur dann erfolgen, wenn es dem Betr. möglich war, mit einer Bremsung seinen Pkw noch vor der Haltelinie zum Stehen zu bringen. Grundsätzlich sind daher nähere Ausführungen zur Dauer der Gelbphase, zur zulässigen Höchstgeschwindigkeit, zur Geschwindigkeit des Betr. im Zeitpunkt des Umschaltens der Lichtzeichenanlage von Grün auf Gelb und zur Entfernung des Betr. von der Lichtzeichenanlage bei Umschalten von Gelb- auf Rotlicht erforderlich. Denn nur bei Kenntnis dieser Umstände lässt sich in der Regel entscheiden, ob der Betr. bei zulässiger Geschwindigkeit und mittlerer Bremsverzögerung in der Lage gewesen wäre, dem vor dem Gelblicht ausgehenden Haltegebot zu folgen, was Voraussetzung für den Vorwurf ist, das Rotlicht schuldhaft missachtet zu haben (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 02.11.2010 - 4 RBs 374/10 [juris]; OLG Karlsruhe DAR 2009, 157 f. = NZV 2009, 201).

bb) Handelt es sich - wie hier - um einen Rotlichtverstoß innerhalb geschlossener Ortschaften sind Ausführungen zur Dauer der Gelbphase, der zulässigen und vom Betr. eingehaltenen Geschwindigkeit sowie seines Abstands zur Ampel jedoch regelmäßig entbehrlich, weil grundsätzlich von einer gemäß § 3 III Nr. 1 StVO zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h und von einer Gelbphase von 3 Sekunden ausgegangen werden kann, was eine gefahrlose Bremsung vor der Ampel ermöglicht, bevor diese von Gelb auf Rot umschaltet (vgl. OLG Hamm a. a. O.; OLG Bremen NZV 2010, 42 ff.; König in Hentschel/König/Dauer StVR 42. Aufl. § 37 StVO Rn. 44). Würde der Betr. schneller als die zulässigen Höchstgeschwindigkeit fahren und deshalb nicht mehr rechtzeitig vor der Kreuzung anhalten können, wofür es im konkreten Fall allerdings keine Anhaltspunkte gibt, so würde bereits die Geschwindigkeitsüberschreitung die Vorwerfbarkeit des Rotlichtverstoßes begründen (OLG Bremen a. a. O.).

b) Der Rechtsfolgenausspruch begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.

aa) Die Verdopplung der Geldbuße im Vergleich zum Regelsatz der BKatV ist vor dem Hintergrund der Vorahndungen des Betr. ersichtlich nicht zu beanstanden, § 17 III OWiG.

bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist auch die Begründung des AG für die Anordnung des Fahrverbots von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Insbesondere ist die Annahme des AG, wonach aufgrund der - von der Verteidigung im Rahmen ihrer Rechtsbeschwerdebegründung nur verkürzt wiedergegebenen - Vorahndungslage des Betr. von einem beharrlichen Pflichtenverstoß gemäß § 25 I 1 [2. Alt.] StVG außerhalb eines Regelfalls im Sinne von § 4 II 2 BKatV auszugehen ist, frei von Rechtsfehlern (zu den Voraussetzungen im Einzelnen rechtsgrundsätzlich: OLG Bamberg NJW 2007 3655 f. = zfs 2007, 707 f. sowie OLGSt StVG § 25 Nr. 36 = VRR 2007, 318 f.; vgl. auch OLG Bamberg DAR 2010, 98 f. = OLGSt StVG § 25 Nr. 47; DAR 2011, 399 f. und zuletzt neben DAR 2012, 152 ff. Beschl. vom 23.11.2012 - 3 Ss OWi 1576/12 = DAR 2013, 213 f. = VM 2013, Nr. 21 = zfs 2013, 350 ff. 213 f., jeweils m. w. N.).

(1) Der vorliegende Rotlichtverstoß ist wertungsmäßig schon vom Bußgeldrahmen her mit einer Geschwindigkeitsübertretung in Höhe von 26 bis 30 km/h (vgl. § 4 II 2 BKatV) ohne weiteres vergleichbar, was zusätzlich dadurch belegt wird, dass das in Nr. 132 BKat angeordnete Regelbußgeld von 90 Euro dem für eine Geschwindigkeitsübertretung von 26 bis 30 km/h in lfd. Nr. 11.3.5 der Tabelle 1c zum BKat vorgesehenen Regelbußgeld (innerörtliche Übertretung: 100 Euro, außerörtliche Übertretung: 80 Euro) im Mittel entspricht und eine Geschwindigkeitsübertretung ebenso wie ein Rotlichtverstoß in der Regel vom Bestreben des Betr. getragen wird, im Straßenverkehr unter Hintanstellung der gesetzlichen Regeln schneller voranzukommen. Die von dem Betr. in den Jahren 2009 bis 2010 verwirklichten weiteren Geschwindigkeitsverstöße bestätigen überdies die tatrichterliche Annahme eines beharrlichen Pflichtenverstoßes, mögen auch bei einigen die Tatzeiten bereits längere Zeit zurückliegen. Nachdem schon am 24.11.2010 gegen den Betr. ein Fahrverbot und am 26.09.2012 ein erhöhtes Bußgeld festgesetzt worden waren, wobei seit Rechtskraft der letzten Entscheidung wegen einer Geschwindigkeitsübertretung bis zur Tatzeit des hier verfahrensgegenständlichen Rotlichtverstoßes nicht einmal 7 Monate vergangen sind, kann von einer unberechtigten Annahme eines beharrlichen Pflichtenverstoßes keine Rede sein.

(2) Die Möglichkeit wegen eines Härtefalls ausnahmsweise von einem Fahrverbot abzusehen, wurde vom AG geprüft und rechtfehlerfrei verneint. Weder die Erwägungen des AG im angefochtenen Urteil, noch die Ausführungen des Verteidigers zur Begründung der Rechtsbeschwerde zeigen Besonderheiten auf, die ausnahmsweise das Absehen von einem Fahrverbot rechtfertigen könnten. [...]

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Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 06. März 2014 - 3 Ss OWi 228/14 zitiert 7 §§.

Straßenverkehrsgesetz - StVG | § 25 Fahrverbot


(1) Wird gegen die betroffene Person wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24 Absatz 1, die sie unter grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, eine Geldbuße festgesetzt, so kann ihr die Verwaltungsbeh

Strafprozeßordnung - StPO | § 300 Falschbezeichnung eines zulässigen Rechtsmittels


Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich.

Referenzen

Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich.

(1) Wird gegen die betroffene Person wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24 Absatz 1, die sie unter grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, eine Geldbuße festgesetzt, so kann ihr die Verwaltungsbehörde oder das Gericht in der Bußgeldentscheidung für die Dauer von einem Monat bis zu drei Monaten verbieten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art zu führen. Wird gegen die betroffene Person wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a eine Geldbuße festgesetzt, so ist in der Regel auch ein Fahrverbot anzuordnen.

(2) Das Fahrverbot wird mit der Rechtskraft der Bußgeldentscheidung wirksam. Für seine Dauer werden von einer deutschen Behörde ausgestellte nationale und internationale Führerscheine amtlich verwahrt. Dies gilt auch, wenn der Führerschein von einer Behörde eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausgestellt worden ist, sofern der Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat. Wird er nicht freiwillig herausgegeben, so ist er zu beschlagnahmen.

(2a) Ist in den zwei Jahren vor der Ordnungswidrigkeit ein Fahrverbot gegen die betroffene Person nicht verhängt worden und wird auch bis zur Bußgeldentscheidung ein Fahrverbot nicht verhängt, so bestimmt die Verwaltungsbehörde oder das Gericht abweichend von Absatz 2 Satz 1, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

(2b) Werden gegen die betroffene Person mehrere Fahrverbote rechtskräftig verhängt, so sind die Verbotsfristen nacheinander zu berechnen. Die Verbotsfrist auf Grund des früher wirksam gewordenen Fahrverbots läuft zuerst. Werden Fahrverbote gleichzeitig wirksam, so läuft die Verbotsfrist auf Grund des früher angeordneten Fahrverbots zuerst, bei gleichzeitiger Anordnung ist die frühere Tat maßgebend.

(3) In anderen als in Absatz 2 Satz 3 genannten ausländischen Führerscheinen wird das Fahrverbot vermerkt. Zu diesem Zweck kann der Führerschein beschlagnahmt werden.

(4) Wird der Führerschein in den Fällen des Absatzes 2 Satz 4 oder des Absatzes 3 Satz 2 bei der betroffenen Person nicht vorgefunden, so hat sie auf Antrag der Vollstreckungsbehörde (§ 92 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten) bei dem Amtsgericht eine eidesstattliche Versicherung über den Verbleib des Führerscheins abzugeben. § 883 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

(5) Ist ein Führerschein amtlich zu verwahren oder das Fahrverbot in einem ausländischen Führerschein zu vermerken, so wird die Verbotsfrist erst von dem Tag an gerechnet, an dem dies geschieht. In die Verbotsfrist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wird.

(6) Die Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozessordnung) wird auf das Fahrverbot angerechnet. Es kann jedoch angeordnet werden, dass die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten der betroffenen Person nach Begehung der Ordnungswidrigkeit nicht gerechtfertigt ist. Der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis steht die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozessordnung) gleich.

(7) Wird das Fahrverbot nach Absatz 1 im Strafverfahren angeordnet (§ 82 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten), so kann die Rückgabe eines in Verwahrung genommenen, sichergestellten oder beschlagnahmten Führerscheins aufgeschoben werden, wenn die betroffene Person nicht widerspricht. In diesem Fall ist die Zeit nach dem Urteil unverkürzt auf das Fahrverbot anzurechnen.

(8) Über den Zeitpunkt der Wirksamkeit des Fahrverbots nach Absatz 2 oder 2a Satz 1 und über den Beginn der Verbotsfrist nach Absatz 5 Satz 1 ist die betroffene Person bei der Zustellung der Bußgeldentscheidung oder im Anschluss an deren Verkündung zu belehren.