Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 29. Juni 2010 - L 7 SB 15/07

ECLI: ECLI:DE:LSGST:2010:0629.L7SB15.07.0A
published on 29.06.2010 00:00
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 29. Juni 2010 - L 7 SB 15/07
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Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Entziehung der Merkzeichen "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) und "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung) ab ... 2005.

2

Der am ... 1978 geborene Kläger stellte erstmals am 6. Juli 1992 beim Versorgungsamt H. wegen einer Erblindung des linken Auges, Hormonstörungen und einer Tumorerkrankung im Kopf einen Antrag nach dem damaligen Schwerbehindertengesetz. Nach Durchführung von medizinischen Ermittlungen stellte das Versorgungsamt mit Bescheid vom 29. Oktober 1992 als Behinderungen psycho-organische Veränderungen bei operativ behandelter Hirnerkrankung, eine Sehbehinderung sowie Bluthochdruck fest und setzte den Grad der Behinderung (GdB) mit 60 fest. Merkzeichen wurden nicht zuerkannt. Eine im Juli 1994 veranlasste Nachuntersuchung ergab keine Änderung bei den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers. Am 4. Januar 1995 beantragte er einen höheren GdB wegen der hinzugetretenen Behinderung einer Epilepsie. Auf Anforderung des Versorgungsamtes erstattete der behandelnde Arzt des Klägers, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie SR Dr. S., den Befundbericht vom 18. Januar 1995, dem zahlreiche weitere medizinische Unterlagen beigefügt waren. Im Bericht wird auf einen am 30. November 1994 erstmals in der häuslichen Umgebung aufgetretenen großen epileptischen Anfall mit fünfminütigem Bewusstseinsverlust hingewiesen. In der Folgezeit seien bis 12. Dezember 1994 weitere derartige Anfälle aufgetreten. Es handele sich um eine symptomatische Epilepsie als Folge der Operation eines Chiasmaglioms (Tumor im Bereich des Sehnervs). Unter Berücksichtigung einer kognitiven Leistungsminderung sei der gesundheitliche Zustand insgesamt verschlechtert. Nach Beteiligung des ärztlichen Dienstes stellte das Versorgungsamt H. mit Bescheid vom 15. Februar 1995 folgende Behinderungen fest: hirnorganischer Anfälle, psycho-organische Veränderungen bei operativ behandelter Hirnerkrankung, Sehbehinderung, Bluthochdruck und setzte den GdB nunmehr mit 90 fest. Merkzeichen wurden weiterhin nicht zuerkannt.

3

Mit dem Neufeststellungsantrag vom 3. August 1995 begehrte der Kläger die Prüfung, ob ihm nicht wegen einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes ein "Behindertenzeichen" auf dem Schwerbehindertenausweis eingetragen werden könne. Die daraufhin vom Versorgungsamt durchgeführten medizinischen Ermittlungen bei SR Dr. S. ergaben weitere große epileptische Anfälle des Klägers mit Stürzen und Bewusstseinsverlust in der Zeit von Anfang Mai bis Mitte Juni 1995. Der nach Operation verbliebene Rest-Tumor sei nicht größer geworden; der Patient klage aber über verstärkte Kopfschmerzen und vegetative Störungen. Als Verschlechterung seien die seit Mai mehrfach aufgetretenen großen cerebralen Anfälle zu werten. In der gutachtlichen Stellungnahme vom 25. September 1995 schlug Dr. K. vom versorgungsärztlichen Dienst wegen des Krampfanfallsleiden die Vergabe der Merkzeichen "G" und "B" vor und empfahl eine Nachprüfung nach drei Jahren. Dem folgend stellte das Versorgungsamt mit Bescheid vom 4. Oktober 1995 nunmehr anstelle der "hirnorganischen Anfälle" ein "Krampfanfallsleiden" als Behinderung fest, ließ die übrigen Behinderungen unverändert und stellte die Merkzeichen "G" und "B" fest.

4

Am 18. November 1996 beantragte der Kläger die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung sowie die Zuerkennung auch der Merkzeichen "H" und "RF" wegen des Wachstums des Hirntumors und einer Verstärkung des Krampfanfallsleidens (große Anfälle mit Krämpfen). Auf Anforderung des Versorgungsamtes berichtete SR Dr. S. am 27. November 1996 über eine Zunahme der großen Krampfanfälle nach Zahl und Intensität, wobei jeweils der Notarzt angefordert worden sei. Der Patient klage über ständige Kopfschmerzen und habe eine Ausbildung in der Reha-Einrichtung in H. abgebrochen, da er den Anforderungen mental nicht mehr gewachsen gewesen sei. Insgesamt habe sich die psycho-physische Belastbarkeit im Vergleich zur Situation im August 1995 eindeutig verschlechtert. Dem Bericht waren weitere Arztbriefe und Befundunterlagen beigefügt. Einen weiteren Befundbericht erstattete der Augenfacharzt Dr. F ... vom 28. November 1992 (Blatt 61 der Verwaltungsakte). Der erneut beteiligte Versorgungsarzt Dr. K. schlug am 23. Dezember 1996 die Anhebung des GdB auf 100 und die zusätzliche Vergabe des Merkzeichens "RF" mit Nachprüfung in drei Jahren vor. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Feststellung des beantragten Merkzeichens "H" lägen dagegen nicht zweifelsfrei vor. Demgegenüber hielt der ebenfalls hinzugezogene Versorgungsarzt OMR D ... B. die Merkzeichen "RF" und "H" für nicht begründbar. Mit Bescheid vom 28. April 1997 setzte das Versorgungsamt wegen der Verschlechterung der ansonsten unveränderten Behinderungen den GdB auf 100 herauf, lehnte die Vergabe weiterer Merkzeichen jedoch ab.

5

Das Versorgungsamt H. forderte zur Überprüfung der gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers einen neuen Befundbericht von SR Dr. S. vom 19. Mai 1999 an, der über eine weitere Verschlechterung in den letzten zweieinhalb Jahren berichtete. Der Patient sei wegen der Epilepsie mehrfach stationär behandelt worden. Infolge eines Rezidivs des 1992 operierten Tumors hätten die epileptischen Anfälle zugenommen und würden seit vier Monaten etwa vier- bis sechsmal monatlich auftreten. Zur Behandlung von anfallsbedingtem Atemstillstand sei ein Sauerstoffhilfsgerät zur Verfügung gestellt worden. Im Übrigen sei der neurologische Status unverändert. Dr. K. schlug nach Auswertung des Berichts am 23. Juni 1999 wegen der Verschlechterung der Erkrankung die Vergabe der Merkzeichen "H" und "RF" vor. Mit Bescheid vom 20. Juli 1999 stellte das Versorgungsamt H. die bisherigen Behinderungen und weiterhin einen Grad der Behinderung von 100 (Krampfanfallsleiden – 100, Hirntumorerkrankung – 80, Sehverlust des linken Auges – 30, Bluthochdruck – 10) sowie zusätzlich die Merkzeichen "H" und "RF" fest. Zur Überprüfung der gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers forderte das Versorgungsamt von SR Dr. S. einen weiteren Befundbericht vom 2. November 2001 an. Der Arzt teilte mit, der Patient sei weiterhin nicht anfallsfrei. Die Anfälle würden meist im vier- bis sechswöchigen Abstand als so genannte große Anfälle mit anschließender längerer Verwirrtheit auftreten. Den beigefügten Befundunterlagen ist eine kernspintomographische Untersuchung vom 11. Juni 2001 im Städtischen Klinikum D ... zu entnehmen, die den bekannten Tumor in Morphologie und Größe unverändert gezeigt habe. Der versorgungsärztliche Dienst (Dr. K.) vertrat nach Auswertung dieser Unterlagen die Ansicht, es sei ein messbarer Rückgang der Anfallshäufigkeit zu verzeichnen, da es jetzt noch etwa einmal monatlich zu Anfällen komme. Die Merkzeichen "RF" und "H" seien nicht mehr gerechtfertigt. Nach Anhörung des Klägers hob das Versorgungsamt H. mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 1. Februar 2002 den Bescheid vom 20. Juli 1999 teilweise auf und entzog die Merkzeichen "H" und "RF" wegen der Stabilisierung des Anfallsleidens. Zugleich stellte es die Merkzeichen "G" und "B" sowie die Behinderungen Krampfanfallsleiden (80), Hirntumorerkrankung (80), Sehverlust des linken Auges (30) und Bluthochdruck fest (10).

6

Im März 2005 leitete der Beklagte ein weiteres Überprüfungsverfahren zur Feststellung einer wesentlichen Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers ein und zog von dem Facharzt für Neurologie Dipl.-Med B. einen Befundbericht vom 19. April 2005 bei. Der Arzt berichtete zu der Behinderung durch das Krampfanfallsleiden, es seien seit Juni 2004 zwei Anfälle aufgetreten. Zuvor sei es wesentlich häufiger der Fall gewesen. Nach Auswertung dieses Berichtes schlug der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten (Dr. G.) am 6. August 2005 den Wegfall der verbliebenen Merkzeichen "G" und "B" vor, da ein weiterer Rückgang der Anfallshäufigkeit zu verzeichnen sei (Hirntumorerkrankung – 80, Symptomatisches Anfallsleiden – 50, Sehverlust des linken Auges – 30, Bluthochdruck – 10). Nach Anhörung des Klägers, nach dessen Ansicht die Anfallshäufigkeit tatsächlich nicht zurückgegangen sei, hob der Beklagte mit Bescheid vom 14. November 2005 den Bescheid vom 1. Februar 2002 hinsichtlich der Merkzeichen "B" und "G" auf, da eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten sei.

7

Mit seinem Widerspruch vom 1. Dezember 2005 wies der Kläger auf den irreparablen Hirntumor hin und vertrat die Ansicht, auch bei dem symptomatischen Anfallsleiden sei keine Heilung zu erwarten. An den für die Merkzeichen "B" und "G" begründenden Anspruchstatsachen habe sich daher nichts geändert. Er sei aus der Sicht seines Arztes Dipl.-Med. B ... weiterhin in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, denn das Anfallsleiden könne jederzeit auftreten. Der Beklagte führte daraufhin weitere medizinische Ermittlungen zur Tumorerkrankung und dem Anfallsleiden des Klägers durch und forderte von Dipl.-Med. B ... einen weiteren Befundbericht vom 9. Januar 2006 an, dem weitere medizinische Unterlagen beigefügt waren. Der Arzt berichtete über eine seit April 2005 bestehende Anfallsfreiheit, wobei sich allerdings Vorboten für neue Anfälle mit der Folge von Angstreaktionen gezeigt hätten. Die Vorbefunde seien ansonsten nicht geändert, ein Rezidivwachstum sei nicht eingetreten. Trotz der Anfallsfreiheit bestehe weiterhin die Notwendigkeit einer Begleitperson, da die Angstreaktionen sich durchaus zu einem Anfall ausweiten könnten. Daraus ergebe sich auch eine Einschränkung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr. Nach Beteiligung des versorgungsärztlichen Dienstes wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2006 zurück, da die Anfallshäufigkeit weiter zurückgegangen sei. Nach den aktuellen Befundberichten zeige sich das Anfallsleiden unter Therapie wesentlich gebessert. Jetzt bestehe nur noch eine sehr seltene Anfallshäufigkeit, die maximal noch einen Einzel-GdB von 50, allerdings ohne Änderung des bestehenden Gesamt-GdB von 100, rechtfertige.

8

Mit seiner am 28. Juli 2006 vor dem Sozialgericht Dessau erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen die Entziehung der Merkzeichen gewendet und sich zur Unterstützung seiner Rechtsauffassung auf den Bericht der Neurologischen Klinik D. vom 19. Januar 2007 über den stationären Aufenthalt vom 6. bis 20. Januar 2007 bezogen. Das Sozialgericht hat medizinische Ermittlungen durchgeführt und von Dipl.-Med. B ... den Befundbericht vom 24. Oktober 2006 eingeholt, wonach die Tumorerkrankung nicht weiter fortgeschritten sei. Unter der Medikation mit Orfiril long und Topamax 50 sei es zu einer deutlichen Besserung der Schwere der Anfälle bekommen. Allerdings seien sie noch vorhanden. Einen weiteren Befundbericht vom 7. November 2006 hat das Sozialgericht von der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. T ... eingeholt, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 27 der Gerichtsakte verwiesen wird. Der Beklagte hat vorgetragen, das Anfallsleiden sei mit einem GdB von 50 sachgerecht bewertet. Die gewünschten Merkzeichen seien erst ab einem GdB von 60 zu vergeben und das auch nur dann, wenn die Anfälle überwiegend am Tag auftreten. Tatsächlich seien ausweislich der Befundberichte von Dipl.-Med Blodau seit April 2005 keine Anfälle mehr aufgetreten. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2007 abgewiesen und in denn im Wesentlichen ausgeführt, dass der GdB bei epileptischen Anfällen je nach Art, Schwere, Häufigkeit und tageszeitlicher Verteilung zu bemessen sei. Inzwischen bestehe beim Kläger keine mittlere Anfallshäufigkeit mehr, sondern nur noch eine sehr seltene Häufigkeit, so dass die Merkzeichen "B" und "G" nicht mehr festzustellen seien.

9

Gegen das ihm am 30. Januar 2007 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 27. Februar 2007 rechtzeitig erhobenen Berufung und trägt vor, er sei wegen einer Störung der Orientierungsfähigkeit in seiner Bewegungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Neben der erhöhten Anfallshäufigkeit seien auch der Sehverlust des linken Auges und die sich anbahnende Erblindung des rechten Auges anspruchsbegründend für die begehrten Merkzeichen. Soweit festgestellt worden sei, dass seit 2004 keine größeren Anfälle aufgetreten sind, müsse berücksichtigt werden, dass nach der Wahrnehmung der Mutter acht bis zehn Mal im Monat kleine Absencen aufträten.

10

Der Kläger beantragt,

11

das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 24. Januar 2007 und den Bescheid des Beklagten vom 14. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2006 aufzuheben.

12

Der Beklagte beantragt,

13

die Berufung zurückzuweisen

14

Er hält das erstinstanzliche Urteil und seine Bescheide für zutreffend.

15

Der Senat hat medizinische Ermittlungen durchgeführt und Befundberichte von der Fachärztin für Augenheilkunde I. vom 4. Januar 2010, der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. T ... vom 15. Januar 2010 und Dipl.-Med. B ... vom 6. Januar 2010 eingeholt (Bl. 106 ff. der Gerichtsakte). Dipl.-Med. B ... hat mitgeteilt, das Tumorrezidiv sei nach dem Ergebnis der MRT-Untersuchungen in den Jahren von 2001 bis 2009 gleich geblieben. Als weitere Erkrankung sei im Januar 2007 eine Meningitis bei Zustand nach Otitis media im Dezember 2006 hinzugetreten. Durch diese Erkrankung könnten die Anfälle wieder verstärkt hervorrufen werden. Zu epileptischen Anfällen sei es einmal im Jahr 2002, 2003 im April und September, 2004 im Januar und Februar sowie zweimal im Juni gekommen. Der Rückgang der Anfälle sei auf eine Änderung bei der Medikation zurückzuführen. Das Anfallsleiden könne unabhängig von den Tageszeiten auftreten, wodurch sich auch die Notwendigkeit einer Begleitperson ergebe. Wegen der diskreten rechtsseitigen Hemiparese sei die Gehfähigkeit gestört. Die Augenärztin I. hat angegeben, den Kläger seit 13. Februar 2007 zu behandeln. Als Diagnose benannte sie eine Optikusathrophie bei Zustand nach Chiasmamalignom-OP 1992, eine Außenschielstellung des linken Auges und eine Amaurose (totale Erblindung), ebenfalls des linken Auges. Diese Leiden seien seit 1999 gleich geblieben. Die Frage, ob der Kläger zwischen 2001 und 2004 jederzeit unter einer erheblichen Beeinträchtigung seiner Gehfähigkeit gelitten und deswegen eine Begleitperson gebraucht hatte, könne sie nicht beantworten, da sie ihn erst seit 2007 behandele. Dr. T ... hat die Diagnosen einer Erblindung des linken Auges, einer Epilepsie, eines Bluthochdrucks und einer Adipositas mitgeteilt. Seit Beginn der Behandlung bei ihr am 1. Oktober 2001 seien alle Symptome konstant. Der Kläger sei wegen des Anfallsleidens auf eine Begleitperson angewiesen. Durch dieses Leiden, die Adipositas, den Bluthochdruck mit rezidivierenden Krisen und die Angstzustände sei die Gehfähigkeit eingeschränkt.

16

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

17

Die fristgerecht erhobene und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide erweisen sich als rechtens und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG). Zu Recht hat der Beklagte mit dem auf § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) gestützten Bescheid vom 14. November 2005 die frühere Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "B" mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben und festgestellt, dass ein Anspruch auf diese Merkzeichen nicht mehr besteht.

18

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide ist der Erlass des Widerspruchsbescheides am 10. Juli 2006. Zutreffend ist der Beklagte zu diesem Zeitpunkt von einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse ausgegangen.

19

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Die gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB X erforderliche Anhörung ist erfolgt. Verwaltungsakt mit Dauerwirkung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist der Bescheid vom 1. Februar 2002, mit dem nicht nur die Merkzeichen "H" und "RF" entzogen, sondern auch die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "B" festgestellt worden sind. Der nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X maßgebliche Vergleichsbescheid ist derjenige, in dem über die Voraussetzungen, hinsichtlich derer eine wesentliche Änderung eingetreten sein soll, letztmals entschieden wurde (vgl. Steinwedel in Kasseler Kommentar, Stand Juli 2009, § 48 SGB X, Rn. 16), hier also der (Teilaufhebungs-)Bescheid vom 1. Februar 2002. Nach Beiziehung der hausärztlichen Befunde und ihrer Auswertung durch den versorgungsärztlichen Dienst mit gutachtlicher Stellungnahme vom 3. Januar 2002 wurden mit diesem Bescheid die Behinderungen teilweise unter Zugrundelegung geänderter Einzelgrade der Behinderung neu formuliert und erneut festgestellt, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "B" erfüllt sind.

20

Zu vergleichen sind daher die gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers, die dem Verwaltungsakt vom 1. Februar 2002 zugrunde lagen, mit den Verhältnissen bei Erlass des Aufhebungsbescheids am 14. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2006. Dieser Vergleich ergibt eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen dahingehend, dass die Häufigkeit der epileptischen Anfälle deutlich zurückgegangen war. Traten sie 2002 noch in monatlichen Abständen auf, verlängerten sich die Abstände seit etwa Mitte 2004 auf mehrere Monate. Dipl.-Med. B ... hat am 19. April 2005 angegeben, es sei seit Juni 2004 zu zwei Anfällen gekommen. Mit dieser stark verringerten Anfallsfrequenz erfüllte der Kläger nicht mehr die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "B".

21

Sind neben dem Vorliegen einer Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen (Merkzeichen), treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch, SGB IX, bis 30. Juni 2001 § 4 Abs. 4 Schwerbehindertengesetz, SchwbG). Für Verwaltung und Gerichte gleichermaßen maßgeblich sind dabei die Bewertungsmaßstäbe der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP), die für die Zeit bis 31. Dezember 2008 als antizipierte Sachverständigengutachten beachtlich sind und normähnliche Wirkung entfalten (vgl. BSG vom 18. Sept. 2003, B 9 SB 3/02 R; vom 24. April 2008, B 9/9a SB 10/06 R; BVerfG vom 6. März 1995, BvR 60/95; alle zitiert nach juris). Seit 1. Januar 2009 gelten die Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG), die als Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10 Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) erlassen worden sind. Die VG enthalten weitgehend die Regelungen der AHP und lösen diese ab. Sie sind wie die AHP ein auf besonderer medizinischer Sachkunde beruhendes Regelwerk, das die möglichst gleichmäßige Anwendung der Bewertungsmaßstäbe im Bundesgebiet bezweckt und dem Ziel des einheitlichen Verwaltungshandelns und der Gleichbehandlung dient. Im vorliegenden Fall sind noch die AHP 2004 anzuwenden, da der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2006) ist. In der Sache ergibt sich daraus keine Änderung.

22

Der Kläger hatte zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides keinen Anspruch mehr auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G".

23

Gemäß § 146 Abs. 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (ob durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Eine übliche Wegstrecke ist eine solche von 2 km, die bei normalem Gehtempo (ca. 4 km/h) in etwa 30 Minuten zurückgelegt wird (BSG, Urteile vom 13. August 1997 - 9 RVs 1/96 - und vom 27. August 1998 - B 9 SB 13/97 R -).

24

Nach der Nr. 30 Abs. 3 bis 5 der AHP, denen im Interesse einer objektiven und objektivierbaren Bewertung und einer am Gleichheitsgebot orientierten Gleichbehandlung normähnliche Wirkung beizumessen ist (BSG, Urteil vom 11. 10. 1994 - 9 RVs 1/39 -, SozR 3870 § 3 SchwbG Nr. 5), sind die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB von unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenkes, des Knie- und Fußgelenkes in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen bei dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen.

25

Bei hirnorganischen Anfällen ist die Beurteilung von der Art und Häufigkeit der Anfälle sowie von der Tageszeit des Auftretens abhängig. Im Allgemeinen ist auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit erst ab einer mittleren Anfallshäufigkeit zu schließen, wenn die Anfälle überwiegend am Tage auftreten. Bei geistig Behinderten sind entsprechende Störungen der Orientierungsfähigkeit vorauszusetzen, wenn die behinderten Menschen sich im Straßenverkehr, auf Wegen, die sie nicht alltäglich benutzen, nur schwer zurecht finden können. Unter diesen Umständen ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit bei geistigen Behinderungen mit einem GdB um 100 immer und mit einem GdB um 80 oder 90 in den meisten Fällen zu bejahen. Bei einem GdB unter 80 kommt eine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht (vgl. zu diesen Regelfällen BSG, Urteil vom 13. August 1997 - 9 RVs 1/96).

26

Der Kläger erfüllt die Vorgaben der AHP Nr. 30 Abs. 4 bereits seit Mitte 2004 nicht mehr. Denn sein hirnorganisches bzw. epileptisches Anfallsleiden hat sich hinsichtlich der Häufigkeit der Anfälle wesentlich gebessert. Eine mittlere Anfallshäufigkeit, die nach Nr. 30 Abs. 4 der AHP die gesundheitlichen Voraussetzung für das Merkzeichen G herbeiführen würde, wenn die Anfälle überwiegend am Tage auftreten, ist seitdem nicht mehr anzunehmen.

27

Nach Nr. 26.3 der AHP 2004 gilt folgende Einteilung:

28

GdB/MdE-Grad Epileptische Anfälle

29

je nach Art, Schwere, Häufigkeit und tageszeitlicher Verteilung

30

sehr selten (generalisierte [große] und komplex-fokale Anfälle mit Pausen von mehr als einem Jahr; kleine und einfach-fokale Anfälle mit Pausen von Monaten) ... 40

31

selten (generalisierte [große] und komplex-fokale Anfälle mit Pausen von Monaten; kleine und einfach-fokale Anfälle mit Pausen von Wochen) ... 50 – 60

32

mittlere Häufigkeit (generalisierte [große] und komplex-fokale Anfälle mit Pausen von Wochen; kleine und einfach-fokale Anfälle mit Pausen von Tagen) ... 60 – 80

33

häufig (generalisierte [große] oder komplex-fokale Anfälle wöchentlich oder Serien von generalisierten Krampfanfällen, von fokal betonten oder von multifokalen Anfällen; kleine und einfach-fokale Anfälle täglich) ... 90 – 100

34

nach drei Jahren Anfallsfreiheit bei weiterer Notwendigkeit antikonvulsiver Behandlung ... 30

35

Ein Anfallsleiden gilt als abgeklungen, wenn ohne Medikation drei Jahre Anfallsfreiheit besteht. Ohne nachgewiesenen Hirnschaden ist dann kein GdB/MdE-Grad mehr anzunehmen.

36

Nach diesen Grundsätzen ist seit 2004 nur noch von seltenen Anfällen auszugehen, da sie seit dieser Zeit infolge einer geänderten Medikation nur noch mit Pausen von (mindestens) Monaten auftreten. Bei den heute nach Angaben der Mutter des Klägers mehrmals im Monat auftretenden kleineren "Absencen" handelt es sich offenbar nicht um Anfälle im Sinne der oben aufgeführten Nr. 26.3 der AHP 2004, weshalb diese Erscheinungen, auch wenn sie bereits 2005/2006 aufgetreten sein sollten, nicht als Anfälle zu bewerten sind. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Gehfähigkeit wegen des inneren Leidens ist deshalb nicht mehr gegeben.

37

Eine "Kompensation" des Wegfalls der häufigen Anfälle mit anderen Funktionsstörungen, die ihrerseits zur Erfüllung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" dienen könnten, ist nicht erkennbar. Nennenswerte Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule liegen offenbar nicht vor. Die von Dipl.-Med. B ... mitgeteilte "diskrete rechtsseitige Hemiparese" ist, wie die Einschätzung als "diskret" erkennen lässt, wohl nur leichterer Natur und wird von den anderen behandelnden Ärzten trotz ausdrücklicher Befragung zur Gehfähigkeit nicht erwähnt.

38

Einschränkungen der Gehfähigkeit ergeben sich auch nicht aus der Sehbehinderung des Klägers. Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen, sind bei allen Sehbehinderungen mit einem GdB von wenigstens 70, bei Sehbehinderungen, die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z.B. hochgradige Schwerhörigkeit beiderseits, geistige Behinderung) anzunehmen. Eine Sehbehinderung diesen Ausmaßes liegt beim Kläger nicht vor, da die seit 1992 bestehende Blindheit auf dem linken Auge bei erhaltener Sehfähigkeit auf dem rechten Auge mit einem Einzel-GdB von 30 zutreffend bewertet ist (MdE-Tabelle der DOG, nach Nr. 26.4 der AHP 2004, S. 52). Die vom Kläger vorgetragene drohende Erblindung auch des rechten Auges wird von der behandelnden Augenärztin nicht bestätigt, da die Augenbefunde nach ihren Angaben seit 1999 unverändert sind (Bericht vom 4. Januar 2010). Obwohl sie den Kläger erst seit 2007 behandelt, ist diesem Bericht zu entnehmen, dass jedenfalls noch im Jahr 2004 eine gegenüber 1999 im Wesentlichen unveränderte Sehfähigkeit auf dem rechten Auge gegeben war. Im Übrigen hat der Kläger gegen die Einschätzung eines Einzel-GdB von 30 für die Sehbehinderung zu keiner Zeit in einem der Verwaltungsverfahren Einwände erhoben.

39

Auch wegen anderer Behinderungen ist keine erhebliche Einschränkung der Gehfähigkeit gegeben. Die wegen der immer noch (selten) auftretenden Krampfanfälle bestehende Angst stellt kein Leiden im Sinne der Nr. 30 der AHP dar. Nach allgemeiner Erfahrung nehmen solche Ängste oder akute Angstzustände mit geringer werdender Anfallsfrequenz in entsprechendem Maße ab. Im Übrigen sind sie bei der GdB-Bewertung des Anfallsleidens als mitbewertet anzusehen. Darüber hinaus gehende Beeinträchtigungen sind den Befundunterlagen nicht zu entnehmen. Soweit durch das Hinzutreten der Meningitis (Hirnhautentzündung) eine weitere Behinderung festzustellen wäre oder das epileptische Leiden sich verschlechtern sollte, ist der Kläger auf einen Neufeststellungsantrag zu verweisen, weil diese Erkrankung erst nach dem hier maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage (10. Juli 2006) im Januar 2007 festgestellt wurde.

40

Da beim Kläger seit 2005/2006 die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" nicht mehr vorliegen, ist auch die Notwendigkeit ständiger Begleitung (Merkzeichen B) nicht mehr gegeben. Nach Nr. 32 Abs. 2 der AHP 2004 ist eine Berechtigung für eine ständige Begleitung bei schwerbehinderten Menschen (bei denen die Voraussetzungen für die Merkzeichen "G” oder "H” vorliegen) gegeben, die infolge ihrer Behinderung zur Vermeidung von Gefahren für sich oder andere bei Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sind. Dementsprechend ist zu beachten, ob bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel regelmäßig fremde Hilfe beim Ein- und Aussteigen oder während der Fahrt des Verkehrsmittels notwendig ist oder bereit sein muss oder ob Hilfen zum Ausgleich von Orientierungsstörungen (z. B. bei Sehbehinderung, geistiger Behinderung) erforderlich sind. Diese Voraussetzungen waren beim Kläger nicht mehr gegeben.

41

Die Berechtigung für das Merkzeichen B ist nach Nr. 30 Abs. 3 der AHP 2004 weiterhin anzunehmen bei Querschnittsgelähmten, Ohnhändern, Blinden und den in Nummer 30 Absätze 4 und 5 genannten Sehbehinderten (GdB von mindestens 70 oder 50 bis 50 bei weiteren speziellen Behinderungen), Hörbehinderten, geistig behinderten Menschen und Anfallskranken, bei denen die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr gerechtfertigt ist.

42

Auch diese Voraussetzungen erfüllte der Kläger zum Zeitpunkt der angefochtenen Bescheide offensichtlich nicht.

43

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

44

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).


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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

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(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

Die Erhebungen erfolgen jährlich für das abgelaufene Kalenderjahr.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.