Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 12. Juli 2007 - L 2 VS 55/06

ECLI:ECLI:DE:LSGSH:2007:0712.L2VS55.06.0A
12.07.2007

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 7. November 2006 geändert.

Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Muskelerkrankung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung unter Rücknahme bindend gewordener Bescheide.

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Der ... 1957 geborene Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 80. Er leidet an einer Muskelerkrankung (progressive Muskeldystrophie).

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Der Kläger war vom 1. Juli 1976 bis zum 30. Juni 1988 Soldat auf Zeit. Im Rahmen der dreimonatigen Grundausbildung nahm er u. a. an einer einwöchigen Übung „Überleben Land“ mit einem dreitägigen Fußmarsch teil. Zur Abklärung von anschließend aufgetretenen Beinödemen begab sich der Kläger im Dezember 1976 in die Behandlung des Arztes für innere Medizin Dr. M.. Nach dem dazu erstellten Befundbericht vom 16. Dezember 1976 fühlte sich der Kläger zu diesem Zeitpunkt voll leistungsfähig und subjektiv wohl. Bei den durchgeführten Untersuchungen wurden erhöhte Laborwerte (insbesondere der sog. CK-Wert) festgestellt. Dr. M. äußerte dazu in seinem Befundbericht, dass die Laborwerte auf einen nekrotisierenden Prozess der Muskulatur oder eine latente Myositis bzw. Myopathie hindeuten könnten. Die Ödemsymptomatik sei damit jedoch nicht hinreichend erklärbar. Zur Abklärung werde die Durchführung weiter gehender Untersuchungen z. B. mit EMG oder Muskelbiopsie für dringend erforderlich gehalten. Diese Untersuchungen wurden in der Folge nicht durchgeführt. Nach Absolvierung der Grundausbildung und einer Offiziersausbildung bis September 1977 studierte der Kläger bis April 1981 an der Bundeswehrhochschule in H.. Von September 1981 bis Juni 1982 wurde er in E./T. zum Feuerleitoffizier ausgebildet. Als Feuerleitoffizier war er danach in Ha. beim Flugabwehrbataillon bis Juni 1986 und anschließend bis zum Ausscheiden bei der Bundeswehr als Kampfführungsoffizier eingesetzt.

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Am 5. Dezember 1986 ging bei der Beklagten eine Mitteilung über eine mögliche Wehrdienstbeschädigung des Klägers ein. Der Kläger gab an, im Frühjahr 1984 ein Nachlassen der sportlichen Leistungsfähigkeit und eine allgemeine Mattigkeit bemerkt zu haben. Eine durch den Truppenarzt veranlasste Blutuntersuchung habe einen stark erhöhten CK-Wert ergeben. In den Jahren 1984 und 1985 seien Untersuchungen im B.Krankenhaus in H. durchgeführt worden. Eine Behandlung sei nicht durchgeführt worden. Es habe der Verdacht einer Muskelerkrankung bestanden. Seit Anfang 1986 habe sich sein Gesundheitszustand verschlechtert. Er leide unter verstärkten Beschwerden beim Laufen und beim Treppensteigen.

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Die Beklagte holte Auskünfte einschließlich einer Stellungnahme des Kommandeurs des Flugabwehrraketenbataillons 38 vom 1. Juli 1987 zu den Belastungen ein, denen der Kläger während seines Dienstes bei der Bundeswehr ausgesetzt war. Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen einschließlich des Befundberichtes des Dr. M. vom 16. Dezember 1976, von Entlassungsberichten des B.Krankenhauses aus den Jahren 1984 und 1985 sowie Entlassungsberichten des Universitätsklinikums H.-E. aus dem Jahr 1986 holte die Beklagte die gutachtliche Stellungnahme des Dr. N., Sanitätsamt der Bundeswehr, vom 22. Februar 1988 ein. Mit Bescheid vom 24. März 1988 lehnte sie die Gewährung von Ausgleich nach § 85 Abs. 1 SVG i. V. m. § 81 Abs. 5 Satz 1 SVG ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: In der medizinischen Wissenschaft bestehe über die Ursache der beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörung „Muskeldystrophie“ Ungewissheit. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Kann-Versorgung gemäß § 81 Abs. 5 Satz 2 SVG seien jedoch nicht erfüllt. Voraussetzung wäre, dass wehrdienstbedingte Unter- oder Fehlernährung, wehrdienstbedingte Erkrankungen, bei denen eine toxische Schädigung oder eine erhebliche Herabsetzung der Resistenz in Frage kämen, oder wehrdienstbedingte körperliche Belastungen oder Witterungseinflüsse, die nach Art, Schwere und Dauer geeignet seien, die Resistenz herabzusetzen, vorgelegen hätten. Die Prüfung habe ergeben, dass derartige Faktoren, die als Ursache für die Muskeldystrophie in Frage kommen könnten, insbesondere in der Zeit ab Juni 1982, in der der Kläger als Feuerleitoffizier im Schichtdienst eingesetzt gewesen sei, nicht nachzuweisen seien. Die dagegen eingelegte Beschwerde wies die Beklagte nach Einholung eines weiteren Entlassungsberichts des Universitätsklinikums H.-E. vom 28. Juni 1988 sowie des Gutachtens des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. vom 2. Januar 1989 mit Beschwerdebescheid vom 18. April 1989 zurück.

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Zur Begründung der dagegen im Mai 1989 erhobenen Klage (S 6 V 66/91 SG Itzehoe) machte der Kläger im Wesentlichen geltend, dass die bei ihm vorliegende Muskelerkrankung im Sinne der Verschlimmerung ursächlich mit dem Dienst bei der Bundeswehr zusammenhänge. Er habe jedenfalls Anspruch auf eine sog. Kann-Versorgung nach § 81 Abs. 5 SVG. Das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten des Dr. S. bestätige, dass in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit über die Ursache des festgestellten Leidens bestehe. Mehrere in der Zeit von 1984 bis 1987 erstellte Entlassungsberichte und Befundberichte bestätigten, dass er aufgrund der vorliegenden Erkrankung keinen körperlichen Extrembelastungen habe ausgesetzt werden dürfen. Sein Dienst bei der Bundeswehr sei aber gerade durch hohe psychische und physische Belastungen geprägt gewesen. Bereits in dem Befundbericht des Dr. M. vom 16. Dezember 1976 seien Hinweise auf das Vorliegen einer Muskelerkrankung gefunden worden. Die von Dr. M. dringend empfohlenen weiteren Untersuchungen seien nicht durchgeführt worden. Dadurch sei versäumt worden, die Erkrankung in einem Frühstadium zu behandeln. Zumindest wäre ihm rechtzeitig empfohlen worden, schwere körperliche Belastungen zu vermeiden. Die erforderliche Schonung sei aufgrund der Unkenntnis vom Vorliegen der schweren Erkrankung unterblieben. Das beschwerdefreie Intervall von 1976 bis 1984 könne dadurch zu erklären sein, dass er bis 1981 seinem Studium bei der Bundeswehr nachgegangen sei. In der Zeit von September 1981 bis Juni 1982 sei er während des Lehrgangs in E./T. extremen Witterungseinflüssen insbesondere durch das Wüstenklima ausgesetzt gewesen. Danach habe er Leistungssport in der Bataillonshandballmannschaft betrieben und sei durch seinen Schichtdienst als Feuerleitoffizier weiteren extremen körperlichen Belastungen ausgesetzt gewesen. Außerdem sei er durch den Einsatz in einer HAWK-Stellung hochfrequenten Strahlungen ausgesetzt gewesen. Auch dadurch könne die gesundheitliche Schädigung verursacht worden sein. In der mündlichen Verhandlung am 10. Mai 1990 vernahm das Sozialgericht den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sa. als Sachverständigen. Außerdem holte das Sozialgericht das Gutachten der Ärzte Prof. Dr. Hb., Prof. Dr. G. und Dr. K., Universität W., Humangenetik, vom 23. Oktober 1990 ein.

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Mit Urteil vom 10. April 1991 wies das Sozialgericht die Klage ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Beschädigtenversorgung. Von vornherein ausgeschlossen sei dabei die Annahme eines wenigstens wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhangs. Der Kläger leide wahrscheinlich an einer Form der Gliedergürtel-Muskeldystrophie. Dabei handele es sich um eine Krankheit, die in 60 % der Fälle einem autosomal rezessiven Erbgang folge. 40 % der Fälle seien sporadische Phänokopien und würden durch andere genetische oder erworbene Grunderkrankungen bedingt. Zu diesen Grunderkrankungen, die in ihrer Folge von einer Muskeldystrophie begleitet sein könnten, zählten Infektions- und Autoimmunerkrankungen. Eine derartige Erkrankung sei beim Kläger bisher nicht festgestellt worden. Vor allem fehle es am Zusammenhang einer solchen Grunderkrankung mit den dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnissen. Außerdem sei nichts darüber bekannt, dass von außen kommende Einflüsse, wie Intoxikation, Mangelernährung, Strahlung oder körperliche Belastung die Krankheit auslösten. Es bestünden auch nicht die Voraussetzungen der sog. Kann-Versorgung. Diese setze gemäß § 81 Abs. 5 Satz 2 SVG voraus, dass die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben sei, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit bestehe. Entgegen der Auffassung des Klägers sei unter Ungewissheit nicht bereits die Unkenntnis über einen Ursachenzusammenhang zwischen bestimmten Faktoren und der daraus geltend gemachten Krankheit zu verstehen. Vielmehr setze die Ungewissheit voraus, dass zumindest ein Teil der medizinischen Wissenschaft, wenn auch nur eine Mindermeinung, einen Ursachenzusammenhang für gegeben halte. Zweck der Vorschrift sei es zu vermeiden, dass der wissenschaftliche Streit zu Lasten eines möglicherweise Geschädigten gehe. Ausweislich des Gutachtens der Prof. Dr. Hb., Prof. Dr. G. und Dr. K. vom 23. Oktober 1990 werde in der medizinischen Fachliteratur nicht und zwar auch nicht von einer noch so geringen Minderheit die Auffassung vertreten, dass exogene Einwirkungen als primäre Ursache der Muskeldystrophie in Betracht kämen. Die Voraussetzungen für die sog. Kann-Versorgung seien deshalb nicht gegeben. Es sei auch nicht wahrscheinlich gemacht, dass die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse mit Wahrscheinlichkeit wenigstens eine Verschlimmerung oder Beschleunigung des Leidens verursacht hätten. Zwar sei anerkannt, dass zumindest extreme körperliche Belastungen bei Myopathien zur Verschlimmerung und Beschleunigung beitragen könnten. Derart extremen körperlichen Belastungen sei der Kläger jedoch allenfalls während des „Überlebenstrainings“ im Dezember 1976 ausgesetzt gewesen. Hierbei habe es sich aber um eine relativ kurz andauernde Belastung gehandelt, die nicht geeignet gewesen sei, die Widerstandsfähigkeit des Körpers herabzusetzen. Dies ergebe sich eindeutig aus dem Gutachten des Dr. Sa.. Soweit sich der Kläger darauf berufe, in besonderem Maße Witterungseinflüssen während der Ausbildung in den Vereinigten Staaten von Amerika und Radarstrahlung ausgesetzt gewesen zu sein, lasse sich daraus ein Anspruch auf Versorgung nicht herleiten. Ein Zusammenhang zwischen diesen Faktoren und der Krankheit des Klägers sei nicht bekannt.

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Die dagegen eingelegte Berufung (L 2a V 66/91) nahm der Kläger im Oktober 1991 zurück.

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Im Juni 2001 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überprüfung des ablehnenden Bescheides vom 24. März 1988 und machte geltend, dass die Muskeldystrophie durch hoch frequente Strahlung ausgelöst worden sei. Dieser Strahlung sei er durch die Tätigkeit an Radargeräten ausgesetzt gewesen. Daraufhin führte die Beklagte Ermittlungen zum Einsatz des Klägers durch. Mit Bescheid vom 11. März 2002 wies sie den Antrag des Klägers zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen könne von der mit Bescheid vom 24. März 1988 getroffenen Entscheidung auch nach erneuter Prüfung nicht abgewichen werden. Der Kläger sei nach den durchgeführten Ermittlungen keiner Röntgenstrahlung ausgesetzt gewesen. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen hätten auch keine unfallbedingten Ereignisse vorgelegen, die zu einer gesundheitsschädlichen Exposition durch Hochfrequenzstrahlung (HF-Strahlung, elektromagnetische Felder) geführt hätten. Somit sei festzustellen, dass bei Erlass des o. g. Verwaltungsakts weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erwiesen hätte.

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Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs machte der Kläger im wesentlichen geltend, dass er durch den Kontakt mit Leuchtschrift und die Durchführung sog. „Operational Checks“ Röntgenstrahlung ausgesetzt gewesen sei. Darüber hinaus sei er im täglichen Dienstbetrieb Hochfrequenzstrahlung ausgesetzt gewesen.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 1. April 2004 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung aus: Zur Prüfung, ob durch Einwirkungen von Strahlen bei (ehemaligen) Angehörigen der Bundeswehr Gesundheitsschäden hervorgerufen oder verschlimmert wurden, habe das Bundesministerium der Verteidigung auf Empfehlung des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages eine aus unabhängigen Experten bestehende Radarkommission eingesetzt. Den Bericht der Radarkommission habe der Verteidigungsausschuss am 24. September 2003 abschließend beraten und die Vorgehensweise des Bundesministeriums der Verteidigung gebilligt. Auf der Grundlage der vom Verteidigungsausschuss abgegebenen Verfahrens- und Entscheidungsempfehlungen sei die vom Kläger geltend gemachte Gesundheitsstörung „Muskeldystrophie“ nicht Folge einer Wehrdienstbeschädigung im Sinne des § 81 SVG. Nach herrschender Meinung in der medizinischen Wissenschaft, die auch durch den Bericht der vom Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages eingesetzten Radarkommission bestätigt worden sei, seien als qualifizierende Krankheiten aufgrund ionisierender Strahlung ausschließlich Katarakte und maligne Tumore - mit Ausnahme der chronisch lymphatischen Leukämie - anzusehen. Die Gesundheitsstörung „Muskeldystrophie“ gehöre nicht zu den o. g. Erkrankungen; ein Ursachenzusammenhang zwischen einer etwaigen Strahleneinwirkung während der dienstlichen Tätigkeit des Klägers und der Erkrankung sei somit auszuschließen. Damit ergebe sich kein Anhalt dafür, dass eine Rücknahme der ablehnenden Bescheide in Betracht komme. Der Bescheid vom 11. März 2002 sei nicht zu beanstanden.

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Dagegen hat sich der Kläger mit der am 3. Mai 2004 beim Sozialgericht Kiel eingegangenen Klage gewandt, zu deren Begründung er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren sowie sein Vorbringen aus dem vorangegangenen gerichtlichen Verfahren wiederholt und vertieft hat. Ergänzend hat der Kläger auf eine gutachtliche Stellungnahme des Dr. von Ka. vom 31. Dezember 2004 (Gutachtliche Stellungnahme zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Langzeitexpositionen in niedrigenergetischen elektromagnetischen Feldern im Bereich von militärischen Radaranlagen) sowie die gutachtliche Stellungnahme des Prof. Dr. Hc. von April 2005 (Gutachtliche Stellungnahme zur Zusammenstellung [Synopse] des Stands der medizinischen Wissenschaft zur Auswirkung von Hochfrequenzstrahlung auf den menschlichen Körper des Bundesministeriums der Verteidigung vom 10. Januar 2005) Bezug genommen.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 11. März 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. April 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Rücknahme des Bescheides vom 24. März 1988 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. April 1989 die bei ihm vorliegende Muskeldystrophie als Wehrdienstbeschädigungsfolge anzuerkennen,

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hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihn unter Rücknahme des Bescheides vom 24. März 1988 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. April 1989 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Das beigeladene Land hat keinen Antrag gestellt.

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Mit Urteil vom 7. November 2006 hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Kläger unter Rücknahme des Bescheides vom 24. März 1988 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. April 1989 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Im Übrigen hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt: In dem Bescheid vom 11. März 2002 und in dem Widerspruchsbescheid vom 1. April 2004 habe die Beklagte lediglich die Erkenntnisse aus dem Bericht der Radarkommission gewürdigt. Der Schluss, zu dem die Beklagte gelangt sei, nämlich, dass die Erkrankung „progressive Muskeldystrophie“ nicht zu den im Bericht der Radarkommission genannten qualifizierten Erkrankungen zähle, sei rechtlich ebenso wenig zu beanstanden wie der Schluss, dass der Kläger als Feuerleitoffizier nicht zum qualifizierten Personenkreis zähle. Diese Begründung reiche jedoch nicht aus, weil sich die Beklagte nicht noch einmal mit den dem Bescheid vom 24. März 1988 zugrunde liegenden Tatsachen auseinandergesetzt habe. In dem Bescheid vom 24. März 1988 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. April 1989 sei die Beklagte nicht von einem richtigen bzw. vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen. Die Beklagte habe im seinerzeitigen Bescheid die Anspruchsgrundlagen einschließlich der Voraussetzungen für eine Kann-Versorgung zutreffend dargestellt. Die Voraussetzungen für eine Kann-Versorgung könnten jedoch nicht mit der in dem angefochtenen Bescheid genannten Begründung verneint werden. Ob in der Zeit ab Juni 1982, in der der Kläger als Feuerleitoffizier dauernd im 24- bzw. 48-Stunden-Schichtdienst eingesetzt gewesen sei, eine körperliche Belastung vorgelegen habe, die nach Art, Schwere und Dauer geeignet gewesen sei, die Resistenz herabzusetzen, könne hier offen bleiben. Jedenfalls könnten solche körperlichen Belastungen Anfang Dezember 1976 vorgelegen haben, als der Kläger im Rahmen der Offiziersausbildung an einer einwöchigen Übung „Überleben Land“ teilgenommen habe. Diese Frage sei zwar von der Beklagten verneint worden. Eine tatsächliche detaillierte Aufklärung, welchen Belastungen der Kläger in dieser Zeit ausgesetzt gewesen sei, sei dagegen nicht erfolgt. Jedenfalls in dieser Zeit seien bei dem Kläger ausgeprägte Ödeme aufgetreten, die zu der Untersuchung durch den Arzt für innere Medizin Dr. M. geführt hätten. Dr. M. habe seinerzeit den Stabsarzt Dr. P. auf die erhöhten Laborwerte und das evtl. Vorliegen einer Myositis bzw. Myopathie hingewiesen und die Abklärung einer Muskelerkrankung für dringend erforderlich gehalten. Eine Abklärung sei indes nicht erfolgt. Der Kläger weise zu Recht darauf hin, dass sich in der fraglichen Zeit keine Eintragungen in der G-Karte befänden und auch sonst keine medizinischen Berichte in den Akten enthalten seien. Das Unterlassen der medizinisch gebotenen Abklärung der erhöhten Laborwerte stelle einen truppenärztlichen Behandlungsfehler dar. Wäre die indizierte Abklärung erfolgt, hätte die progressive Muskeldystrophie schon seinerzeit erkannt werden können. Ob das Leiden vollständig hätte verhindert werden können, könne angezweifelt werden. Es hätte aber auf jeden Fall eine Überprüfung erfolgen können, ob der Kläger mit dieser Erkrankung überhaupt noch den Belastungen des Wehrdienstes ausgesetzt werden dürfe. Das Leiden des Klägers hätte jedenfalls bei rechtzeitiger Diagnostik gemindert werden können. Diese Überlegungen werde die Beklagte bei der Neubescheidung zu berücksichtigen haben. Soweit der Kläger einen Rechtsanspruch auf Anerkennung seiner Erkrankung als Wehrdienstbeschädigung (WDB) geltend mache, sei die Klage dagegen abzuweisen. Wie bereits dargelegt, sei der Schluss der Beklagten, dass die progressive Muskeldystrophie nicht zu den im Bericht der Radarkommission genannten qualifizierten Erkrankungen zähle und der Kläger als Feuerleitoffizier nicht zum qualifizierten Personenkreis zähle, rechtlich nicht zu beanstanden. Auch heute bestehe über die Entstehung der progressiven Muskeldystrophie Unklarheit, so dass schon deshalb ein unmittelbarer Anspruch auf Anerkennung der Erkrankung als WDB nicht bestehen könne.

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Gegen das ihr am 15. November 2006 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 12. Dezember 2006 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangenen Berufung. Zu deren Begründung trägt sie vor: Die Entscheidung des Sozialgerichts sei rechtswidrig. Offenbar wolle das Sozialgericht sie verpflichten, die in den vorangegangen Bescheiden vom 24. März 1988 und vom 18. April 1989 getroffenen Entscheidungen, die durch rechtskräftiges Urteil des Sozialgerichts Itzehoe bestätigt worden seien, erneut zu überprüfen. Dazu bestehe kein Anlass. Die Erstentscheidung sei nach umfassender Prüfung erfolgt. Insbesondere seien die Belastungen des Klägers ausführlich recherchiert worden. Der Kläger sei im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren einer Begutachtung unterzogen worden. Neue Gesichtspunkte seien weder im Verfahren nach § 44 SGB X noch im Klageverfahren vorgetragen worden. Dies gelte insbesondere für das im Urteil angeführte Schreiben des Dr. M. vom 16. Dezember 1976. Dieses Schreiben befinde sich auf Bl. 9 der Verwaltungsakten (WDB-Akte) und sei sehr wohl in den o. g. medizinischen Begutachtungen beachtet und gewürdigt worden. Ergänzend werde auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Sozialgerichts Itzehoe vom 10. April 1991 Bezug genommen.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 7. November 2006 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Klageverfahren. Das Sozialgericht habe der Klage zu Recht und mit zutreffenden Gründen teilweise stattgegeben. Die Behauptung der Beklagten, dass das Schreiben des Dr. M. vom 16. Dezember 1976 bei den medizinischen Begutachtungen beachtet und gewürdigt worden sei, sei jedenfalls insofern unzutreffend, als eine Auseinandersetzung mit den Auswirkungen des truppenärztlichen Behandlungsfehlers durch Nichtbeachtung der Warnungen und Aufforderungen des Dr. M. nicht stattgefunden habe. Im Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 10. April 1991 werde der Arztbericht des Dr. M. lediglich in zwei Sätzen des Tatbestandes und nicht in den Entscheidungsgründen erwähnt. Er sei bei der Bundeswehr hohen psychischen und physischen Belastungen sowie hochfrequenter Strahlung ausgesetzt gewesen. Unter Berücksichtigung des Vorwurfs des truppenärztlichen Behandlungsfehlers seien jedenfalls die Voraussetzungen der sog. Kann-Versorgung gegeben. Auf den sog. OP-Erlass vom 10. Dezember 1986 werde verwiesen. Rein vorsorglich werde weiter geltend gemacht, dass die Erkrankung auch auf hoch frequente ionisierende Strahlung zurückzuführen sei. Soweit die Beklagte behaupte, dass nach dem Bericht der sog. Expertenkommission die Muskeldystrophie nicht als qualifizierte Erkrankung aufgrund ionisierender Strahlung anzusehen sei, sei dies so nicht richtig. Die Expertenkommission habe lediglich Krebserkrankungen untersucht. Muskeldystrophien seien nie Gegenstand dieser gutachtlichen Tätigkeiten gewesen. Die Strahlung sei jedenfalls im Sinne einer Verschlimmerung ursächlich für die Muskeldystrophie gewesen.

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Das beigeladene Land stellt keinen Antrag.

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Die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten, die Verwaltungsakte des Landesamtes für soziale Dienste und die Gerichtsakte zu dem Verfahren bei dem Sozialgericht Itzehoe unter dem Aktenzeichen S 6 V 97/89 haben dem Senat vorgelegen. Diese Akten einschließlich der Prozessakte sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf ihren Inhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts war aufzuheben, soweit der Klage stattgegeben worden ist. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist der Bescheid der Beklagten vom 11. März 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. April 2004 nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den bestandskräftigen Bescheid vom 24. März 1988 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. April 1989 aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihn insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Sozialgerichts neu bescheidet.

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Die Voraussetzungen für die vom Kläger geltend gemachte Aufhebung bestandskräftiger Bescheide sind in § 44 SGB X geregelt. Danach gilt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Nach der Rechtsprechung jedenfalls des 9. Senats des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 3. Februar 1988 - 9/9a RV 18/86 - BSGE 63, 33 = SozR 1300 § 44 Nr. 33) und des 4. Senats des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 3. April 2001 - B 4 RA 22/00 R - BSGE 88,75 = SozR 3-2200 § 1265 Nr. 20) verlangt die Vorschrift, dass vor einer erneuten Sachprüfung zwei Prüfungsabschnitte durchlaufen werden. Auf der ersten Stufe hat die Behörde zu entscheiden, ob sie trotz der Bestandskraft der früheren Verwaltungsakte überhaupt in eine sachliche Prüfung der Voraussetzungen seiner Rücknahme eintreten darf oder dies sogar muss. Bei nachträglicher Änderung der Sach- oder Rechtslage, beim Vorliegen neuer günstiger Beweismittel oder bei Wiederaufnahmegründen muss die Behörde die Aufhebbarkeit des früheren Verwaltungsakts in der Sache prüfen und bescheiden. Ergibt sich im Rahmen eines Antrags auf Zugunstenbescheid nichts, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung berufen. Werden zwar neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen und neue Beweismittel benannt, ergibt aber die Prüfung, dass die vorgebrachten Gesichtspunkte nicht tatsächlich vorliegen oder für die frühere Entscheidung nicht erheblich waren, darf sich die Behörde ebenfalls auf die Bindungswirkung stützen. Nur wenn die Prüfung zu dem Ergebnis führt, dass ursprünglich nicht beachtete Tatsachen oder Erkenntnisse vorliegen, die für die Entscheidung wesentlich sind, ist ohne Rücksicht auf die Bindungswirkung erneut zu entscheiden. Nach der Rechtsprechung des 2. Senats des Bundessozialgerichts (vgl. zuletzt Urteil vom 5. September 2006 - B 2 U 24/05 R, zur Veröffentlichung vorgesehen für BSGE und SozR 4) soll dieses gestufte Prüfverfahren allerdings nur bezogen auf die Frage gelten, ob der ursprüngliche Verwaltungsakt wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel aufzuheben ist. Bezogen auf die Frage der falschen Rechtsanwendung soll eine umfassende Prüfung unabhängig vom Vorbringen des Antragstellers vorzunehmen sein. Zur Begründung weist der 2. Senat des BSG darauf hin, dass das Ziel des § 44 SGB X darin bestehe, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit einseitig zugunsten Letzterer aufzulösen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 5. September 2006, a. a. O., Rz. 12). Der Senat hat Zweifel daran, ob die Zielsetzung der Vorschrift so einseitig ohne Berücksichtigung der auch im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren und im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Bestimmungen zur Bestandskraft von Bescheiden und zur Rechtskraft von Urteilen definiert werden kann. Die materielle Bestandskraft würde unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des 2. Senats des BSG allein zu Lasten der Beklagten eingreifen, während der Kläger trotz des Vorliegens bestandskräftiger Bescheide und rechtskräftiger Urteile immer wieder neue Überprüfungen unter Hinweis auf die „wirkliche Rechtslage“ verlangen könnte.

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Für die vorliegende Entscheidung kann der Senat dahingestellt lassen, ob der von der Rechtsprechung des 9. Senats und des 4. Senats des BSG abweichenden Rechtsprechung des 2. Senats des BSG zu folgen ist, weil es darauf nicht ankommt. Dem ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 24. März 1988 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. April 1989 liegt keine falsche Rechtsanwendung zugrunde, und die im Verwaltungsverfahren sowie im vorliegenden Gerichtsverfahren vorgetragenen Tatsachen sind überwiegend nicht neu, sondern bereits Gegenstand des vorangegangenen Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens gewesen. Soweit neue Tatsachen und Beweismittel - insbesondere in Gestalt des Berichts der Radarkommission und der vom Kläger vorgelegten gutachtlichen Stellungnahmen zu Gesundheitsschädigungen durch Hochfrequenzstrahlungen - vorgetragen werden, sind sie für die in den Jahren 1988/1989 getroffenen Entscheidungen der Beklagten nicht wesentlich. Deshalb brauchte die Beklagte den Streitstoff nicht in vollem Umfang erneut zu prüfen.

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Soweit die Entscheidung des Sozialgerichts mit der Aufhebung der angefochtenen Bescheide und der Verurteilung zur Neubescheidung dahingehend zu verstehen sein sollte, dass die Beklagte eine neue Ermessensentscheidung über die Gewährung der sog. Kann-Versorgung zu treffen hat, ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte jedenfalls in Fällen, in denen das zuständige Bundesministerium die erforderliche Anerkennung nach § 81 Abs. 6 Satz 2 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) ausgesprochen hat, keine Ermessenentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung zu treffen hat (vgl. BSG, Urteil vom 16. März 1994 - 9 RV 11/93 - BSGE 74, 109 = SozR 3-3100 § 1 Nr. 14). Die Anerkennung der progressiven Muskeldystrophie als Erkrankung, für die eine Kann-Versorgung in Frage kommt, ist durch das zuständige Bundesministerium erteilt worden (vgl. AHP 2005, S. 153).

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Die Beklagte hat bei Erlass der bestandskräftigen ablehnenden Bescheide aus den Jahren 1988/1989 das Recht richtig angewandt. Im Rahmen der hier zu treffenden gebundenen Entscheidung kommt es nicht darauf an, ob diese Entscheidung in jeder Hinsicht zutreffend begründet worden ist. Gemäß § 42 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 40 SGB X nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Ausschlaggebend ist, dass der ablehnenden Entscheidung im Ergebnis eine zutreffende Rechtsanwendung zugrunde liegt. Dies ist hier der Fall. Das Sozialgericht Itzehoe hat die ablehnenden Bescheide der Beklagten aus den Jahren 1988/1989 mit Urteil vom 10. April 1991 zu Recht bestätigt. Insbesondere ist das Sozialgericht Itzehoe zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen der sog. „Kann-Versorgung“ nicht bereits erfüllt sind, wenn Ungewissheit über die Ursache einer Erkrankung besteht. Voraussetzung ist vielmehr, dass zumindest ein Teil der medizinischen Wissenschaft - wenn auch nur eine Mindermeinung - einen Ursachenzusammenhang für gegeben hält. Wird eine solche Meinung überhaupt nicht vertreten, fehlt es an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs nicht infolge einer Ungewissheit, denn alle Meinungen stimmen darin überein (BSG, Urteil vom 10. November 1993 - 9/9a RV 41/92 - BSGE 73, 190 = SozR 3-3200 § 81 Nr. 9; BSG, Urteil vom 12. Dezember 1995 - 9 RV 17/94 - SozR 3-3200 § 81 Nr. 13).

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Da den ablehnenden Bescheiden der Beklagten aus den Jahren 1988/1989 keine falsche Rechtsanwendung zugrunde liegt, kommt es auch unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des 2. Senats des Bundessozialgerichts (Urteil vom 5. September 2006, a. a. O., m. w. N.) darauf an, ob neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen wurden, die - wenn sie tatsächlich vorlägen - für die Entscheidung wesentlich wären. Dies ist indes nicht der Fall. Zwar hat der Kläger bei seinem Antrag auf Überprüfung der bestandskräftigen Bescheide insofern neue Tatsachen vorgetragen, als er sich auf die durch den Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages eingesetzte Expertenkommission und die dadurch gewonnenen Erkenntnisse bezogen hat. Der Bericht der Expertenkommission zur Frage der Gefährdung durch Strahlung in früheren Radareinrichtungen der Bundeswehr und der NVA (Radarkommission) vom 2. Juli 2003 enthält jedoch keine neuen Erkenntnisse zu den Ursachen der beim Kläger vorliegenden Muskeldystrophie. Vielmehr kommt der Bericht zu dem Ergebnis, dass unter näher beschriebenen Voraussetzungen Katarakte und Krebserkrankungen mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf Radarstrahlen zurückgeführt werden können. Daher handelt es sich bei den durch die Radarkommission gewonnenen neuen Erkenntnissen nicht um solche, die für die vorliegende Entscheidung wesentlich sind. Davon ist im Übrigen auch das Sozialgericht Kiel bei der Formulierung der von der Beklagten zu beachtenden Maßgaben ausgegangen. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die die Klage teilweise abweisende Entscheidung des Sozialgerichts Kiel insoweit rechtskräftig geworden ist, weil sie nur von der Beklagten und nicht von dem Kläger mit der Berufung angegriffen worden ist. Im Übrigen hatte der Kläger bereits in dem vorangegangenen Verfahren, das in den Jahren 1989 bis 1991 beim Sozialgericht Itzehoe geführt worden war, geltend gemacht, dass seine Erkrankung durch hochfrequente Strahlung hervorgerufen oder verschlimmert worden sein könnte. Das Sozialgericht hatte sowohl den Sachverständigen Dr. Sa. als auch die Sachverständigen Prof. Dr. Hb., Prof. Dr. G. und Dr. K. dazu befragt, ob die Muskelerkrankung des Klägers durch wehrdienstliche Einflüsse wie z. B. Hochfrequenzstrahlung verursacht worden sein könnte. In beiden eingeholten Gutachten wird übereinstimmend angegeben, dass zu einem Einfluss von Radarstrahlen bzw. Hochfrequenzstrahlen auf eine Muskelerkrankung nichts bekannt sei.

34

Auch im Übrigen sind dem Vorbringen des Klägers im vorliegenden Verfahren keine für die Entscheidung wesentlichen neuen Tatsachen zu entnehmen. Insbesondere ist entgegen der Auffassung des Klägers und auch des Sozialgerichts Kiel der Befundbericht des Dr. M. vom 16. Dezember 1976 bei der Entscheidung des Sozialgerichts Itzehoe berücksichtigt worden. Zwar trifft es zu, dass der genannte Befundbericht des Dr. M. allein im Tatbestand erwähnt wird und nicht in den Entscheidungsgründen. Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass dieser Befundbericht bei der Entscheidung keine Berücksichtigung gefunden hätte. Das Sozialgericht Itzehoe hat sich insoweit auf die vorliegenden Gutachten des Dr. Sa. und des Prof. Dr. Hb. u. a. bezogen. Die Sachverständigen waren durch das Gericht jeweils dazu befragt worden, ob die körperliche Belastung des Klägers im Rahmen der 1976 absolvierten Übung „Überleben Land“ zu dem Ausbruch der beim Kläger vorliegenden Muskeldystrophie geführt haben kann. Außerdem ist den Sachverständigen die Frage vorgelegt worden, ob das Auftreten der Erkrankung im Jahre 1984 hätte verhindert werden können, wenn der Empfehlung des Dr. M. entsprechend eine weitere Abklärung erfolgt wäre und ob durch eine unterlassene Therapie oder Schonung die Krankheit wesentlich verschlimmert worden ist. Auf diese Fragen, die im Zusammenhang mit dem o. g. Befundbericht des Dr. M. vom Dezember 1976 stehen, geht insbesondere das Gutachten des Dr. Sa. ein. Dr. Sa. vertritt in seinem Gutachten die näher begründete Auffassung, dass die körperliche Belastung des Klägers im Dezember 1976 keinen Einfluss auf den Ausbruch der Muskelerkrankung hatte. Die bei dem Kläger im Jahr 1976 aufgetretenen Beschwerden (Ödeme der Beine und Füße) seien nicht als Symptome der Muskeldystrophie zu bewerten. Lediglich der erhöhte Enzymwert habe Hinweise auf das Vorliegen einer Muskelerkrankung gegeben. Die Erstmanifestation der Muskelerkrankung sei erst für das Jahr 1984 anzunehmen. Weil eine Therapie der Muskelerkrankung auch heute nicht möglich sei, hätte durch eine frühere Diagnose auch keine Änderung des Verlaufs bewirkt werden können. Außerdem geht Dr. Sa. davon aus, dass die Erkrankung im Jahre 1976 noch nicht sicher hätte diagnostiziert werden können. Durch eine unterlassene Therapie oder Schonung ist die Krankheit nach Auffassung des Sachverständigen nicht wesentlich verschlimmert worden. Diese Beurteilung ist in dem Gutachten der Prof. Dr. Hb. u. a. vom 23. Oktober 1990 ausdrücklich bestätigt worden.

35

Auch soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 12. Juli 2007 geltend gemacht hat, dass die Muskelerkrankung bereits bei der Annahmeuntersuchung am 1. Juli 1976 hätte diagnostiziert werden müssen, ist damit keine neue für die Entscheidung wesentliche Tatsache oder Erkenntnis vorgetragen worden. Insoweit stellen sich keine anderen Fragen als die, die bereits im Verfahren vor dem Sozialgericht Itzehoe im Zusammenhang mit dem Befundbericht des Dr. M. vom 16. Dezember 1976 erörtert worden sind: Wenn es zutrifft, dass die Erkrankung trotz der von Dr. M. im Dezember 1976 erhobenen Laborwerte aufgrund des frühen Stadiums der Erkrankung noch nicht eindeutig diagnostiziert werden konnte, konnte eine eindeutige Diagnose sechs Monate zuvor bei der Annahmeuntersuchung im Juli 1976 erst recht nicht gestellt werden. Wenn darüber hinaus selbst bei einer Diagnose der Verlauf der Erkrankung nicht mit Wahrscheinlichkeit hätte beeinflusst werden können, kann auch die Tatsache, dass die Muskelerkrankung des Klägers bei der Annahmeuntersuchung nicht entdeckt worden ist, nicht als wesentliche Ursache für die heute beim Kläger vorliegende Erkrankung angesehen werden.

36

Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Zusammenhang wesentliche Änderungen der medizinischen Erkenntnisse zur Verursachung von Muskelerkrankungen seit der Entscheidung des Sozialgerichts Itzehoe vom 10. April 1991 eingetreten wären, sind dem Vorbringen des Klägers nicht zu entnehmen und auch im Übrigen für den Senat nicht ersichtlich. Die für die Verwaltungsentscheidungen aus den Jahren 1988/1989 und auch für die Entscheidung des Sozialgerichts Itzehoe vom 10. April 1991 maßgebenden Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) 1983 unterscheiden sich von den heute geltenden AHP 2005 bezogen auf die Frage der Verursachung von Muskelerkrankungen nur geringfügig und in einer für den vorliegenden Fall nicht bedeutsamen Weise. So wird in der geänderten Formulierung der AHP 2005 die Erforderlichkeit einer engen zeitlichen Verbindung zwischen der Verschlimmerung der progressiven Muskelatrophie und einer mechanischen Überbeanspruchung der Muskulatur oder längerdauernder Immobilisationen stärker als in den AHP 1983 betont. Anhaltspunkte dafür, dass in der medizinischen Wissenschaft neue Erkenntnisse vorliegen würden, die sich hier zugunsten des Klägers auswirken könnten, sind der insoweit geringfügigen Änderung in der Formulierung der AHP jedoch nicht zu entnehmen.

37

Auf die Frage, ob die Verwaltung in den Entscheidungen aus den Jahren 1988/1989 oder ob das Sozialgericht Itzehoe in seinem Urteil vom 10. April 1991 die vorliegenden Beweise zutreffend gewürdigt hat, kommt es im vorliegenden Zusammenhang grundsätzlich nicht an. Es ist nicht Aufgabe eines Verfahrens nach § 44 SGB X, die Beweiswürdigung durch das Landessozialgericht an die Stelle der Beweiswürdigung des Gerichts zu stellen, das im vorangegangenen Verfahren entschieden hat, weil § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ausdrücklich voraussetzt, dass von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist oder das Recht unrichtig angewandt wurde. Bezogen auf die Beweiswürdigung durch das Gericht könnte dies - entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu Revisionsgründen - allenfalls dann anzunehmen sein, wenn die Beweiswürdigung gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungsregeln verstoßen würde. Lediglich eine andere - nämlich die eigene Beweiswürdigung - als richtig und die der Verwaltung oder des Gerichts in vorangegangenen Verfahren als unrichtig zu bezeichnen, würde auch revisionsrechtlich nicht ausreichen (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 1989 - 5 RJ 38/88 - veröffentl. in juris). Im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X können die Anforderungen jedenfalls insoweit nicht geringer sein (Beschluss des Senats vom 24. Mai 2007 - L 2 VH 24/05). Die Beweiswürdigung im Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 10. April 1991 verstößt nach Auffassung des Senats keinesfalls gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrenssätze.

38

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

39

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 SGG liegen nicht vor.


ra.de-Urteilsbesprechung zu Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 12. Juli 2007 - L 2 VS 55/06

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Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 12. Juli 2007 - L 2 VS 55/06 zitiert 11 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 40 Nichtigkeit des Verwaltungsaktes


(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. (2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen d

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 42 Folgen von Verfahrens- und Formfehlern


Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn of

Soldatenversorgungsgesetz - SVG | § 81 Wehrdienstbeschädigung


(1) Wehrdienstbeschädigung ist eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden i

Soldatenversorgungsgesetz - SVG | § 85 Ausgleich für Wehrdienstbeschädigung


(1) Soldaten erhalten wegen der Folgen einer Wehrdienstbeschädigung während ihrer Dienstzeit einen Ausgleich in Höhe der Grundrente und der Schwerstbeschädigtenzulage nach § 30 Absatz 1 und § 31 des Bundesversorgungsgesetzes. (2) Trifft eine Wehr

Referenzen

(1) Soldaten erhalten wegen der Folgen einer Wehrdienstbeschädigung während ihrer Dienstzeit einen Ausgleich in Höhe der Grundrente und der Schwerstbeschädigtenzulage nach § 30 Absatz 1 und § 31 des Bundesversorgungsgesetzes.

(2) Trifft eine Wehrdienstbeschädigung oder eine gesundheitliche Schädigung im Sinne der §§ 81a bis 81e mit einer Schädigung im Sinne des § 1 des Bundesversorgungsgesetzes oder eines anderen Gesetzes zusammen, das eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsieht, ist der durch die gesamten Schädigungsfolgen bedingte Grad der Schädigungsfolgen festzustellen. Von dem sich daraus ergebenden Betrag des Ausgleichs ist ein Betrag in Höhe der Grundrente abzuziehen, die auf den durch die Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes oder des anderen Gesetzes bedingten Grad der Schädigungsfolgen entfällt. Der Restbetrag ist als Ausgleich zu gewähren. Die Sätze 1 bis 3 gelten entsprechend, wenn gesundheitliche Schädigungen im Sinne der §§ 81c bis 81e zusammentreffen.

(3) § 81 Absatz 6 Satz 2 findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die Zustimmung vom Bundesministerium der Verteidigung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales erteilt werden muss.

(4) Der Ausgleich beginnt mit dem Monat, in dem seine Voraussetzungen erfüllt sind. § 60 Absatz 4 Satz 1 und 2 sowie § 62 Absatz 2 und 3 des Bundesversorgungsgesetzes gelten entsprechend. Der Anspruch auf Ausgleich erlischt spätestens mit der Beendigung des Wehrdienstverhältnisses. Ist ein Soldat verschollen, so erlischt der Anspruch auf Ausgleich mit Ablauf des Monats, in dem das Bundesministerium der Verteidigung feststellt, dass das Ableben des Verschollenen mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist. Kehrt der Verschollene zurück, so lebt sein Anspruch auf Ausgleich für den Zeitraum wieder auf, für den Dienstbezüge oder Wehrsold nachgezahlt werden.

(5) Der Anspruch auf Ausgleich kann weder abgetreten noch verpfändet noch gepfändet werden. Im Übrigen gilt § 46 Absatz 1 entsprechend sowie § 50 mit der Maßgabe, dass mit einer Forderung auf Rückerstattung zuviel gezahlten Ausgleichs gegenüber einem Anspruch auf Ausgleich aufgerechnet werden kann.

(1) Wehrdienstbeschädigung ist eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist.

(2) Eine Wehrdienstbeschädigung ist auch eine gesundheitliche Schädigung, die herbeigeführt worden ist durch

1.
einen Angriff auf den Soldaten
a)
wegen seines pflichtgemäßen dienstlichen Verhaltens,
b)
wegen seiner Zugehörigkeit zur Bundeswehr oder
c)
bei Kriegshandlungen, Aufruhr oder Unruhen, denen er am Ort seines dienstlich angeordneten Aufenthalts im Ausland besonders ausgesetzt war,
2.
einen Unfall, den der Beschädigte
a)
auf einem Hin- oder Rückweg erleidet, der notwendig ist, um eine Maßnahme der Heilbehandlung, eine Badekur, Versehrtenleibesübungen als Gruppenbehandlung oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 26 des Bundesversorgungsgesetzes durchzuführen oder um auf Verlangen einer zuständigen Behörde oder eines Gerichts wegen der Beschädigtenversorgung persönlich zu erscheinen,
b)
bei der Durchführung einer der unter Buchstabe a aufgeführten Maßnahmen erleidet,
3.
gesundheitsschädigende Verhältnisse, denen der Soldat am Ort seines dienstlich angeordneten Aufenthalts im Ausland besonders ausgesetzt war.

(3) Zum Wehrdienst im Sinne dieser Vorschrift gehören auch

1.
die Teilnahme an einer dienstlichen Veranstaltung im Sinne des § 81 Absatz 2 des Soldatengesetzes,
2.
die mit dem Wehrdienst zusammenhängenden Dienstreisen und die dienstliche Tätigkeit am Bestimmungsort,
3.
die Teilnahme eines Soldaten an dienstlichen Veranstaltungen,
4.
Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst oder in dem ihm gleichstehenden Dienst, zu deren Übernahme der Soldat gemäß § 20 Absatz 7 des Soldatengesetzes in Verbindung mit § 98 des Bundesbeamtengesetzes verpflichtet ist, oder Tätigkeiten, deren Wahrnehmung von ihm im Zusammenhang mit den Dienstgeschäften erwartet wird, sofern der Soldat hierbei nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert ist (§ 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch).

(4) Als Wehrdienst gilt auch

1.
das Erscheinen zur Feststellung der Wehrdienstfähigkeit, zu einer Eignungsuntersuchung und Eignungsfeststellung oder im Rahmen der Wehrüberwachung auf Anordnung einer zuständigen Dienststelle,
2.
das Zurücklegen des mit dem Wehrdienst zusammenhängenden Weges nach und von der Dienststelle.
Der Zusammenhang mit dem Wehrdienst gilt als nicht unterbrochen, wenn der Soldat
1.
von dem unmittelbaren Wege zwischen der Wohnung und der Dienststelle in vertretbarem Umfang abweicht,
a)
um ein eigenes Kind, für das ihm dem Grunde nach Kindergeld zusteht, wegen seiner eigenen Berufstätigkeit oder der Berufstätigkeit seines Ehegatten in fremde Obhut zu geben oder aus fremder Obhut abzuholen oder
b)
weil er mit anderen berufstätigen oder in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personen gemeinsam ein Fahrzeug für den Weg zu und von der Dienststelle benutzt, oder
2.
in seiner Wohnung Dienst leistet und Wege zurücklegt, um ein Kind im Sinne des Satzes 2 Nummer 1 Buchstabe a in fremde Obhut zu geben oder aus fremder Obhut abzuholen.
Hat der Soldat wegen der Entfernung seiner ständigen Familienwohnung vom Dienstort oder wegen der Kasernierungspflicht am Dienstort oder in dessen Nähe eine Unterkunft, so gelten Satz 1 Nummer 2 und Satz 2 auch für den Weg zu und von der Familienwohnung.

(5) Einer gesundheitlichen Schädigung im Sinne des Absatzes 1 steht die Beschädigung eines am Körper getragenen Hilfsmittels, einer Brille, von Kontaktlinsen oder von Zahnersatz gleich.

(6) Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministeriums der Verteidigung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.

(7) Für die Feststellung einer gesundheitlichen Schädigung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung nach Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2623) in der jeweils geltenden Fassung sind auch den Versicherungsschutz nach § 2, § 3 oder § 6 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch begründende Tätigkeiten zu berücksichtigen, wenn sie ihrer Art nach geeignet waren, die Krankheit zu verursachen, und die schädigende Einwirkung überwiegend durch dienstliche Verrichtungen nach Absatz 1 verursacht worden ist.

(8) Eine vom Beschädigten absichtlich herbeigeführte gesundheitliche Schädigung gilt nicht als Wehrdienstbeschädigung.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Satz 1 gilt nicht, wenn die erforderliche Anhörung unterblieben oder nicht wirksam nachgeholt ist.

(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.

(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,

1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt,
2.
der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt,
3.
den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann,
4.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht,
5.
der gegen die guten Sitten verstößt.

(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil

1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind,
2.
eine nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat,
3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war,
4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.

(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.

(5) Die Behörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.