Landgericht Würzburg Beschluss, 26. März 2018 - 3 T 614/18
vorgehend
nachgehend
Tenor
1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Würzburg vom 01.03.2018, Az. 28 XVII 1219/17, wird zurückgewiesen.
2. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
II.
III.
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(1) Die Beschwerde ist, soweit gesetzlich keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Frist von einem Monat einzulegen.
(2) Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen, wenn sie sich gegen folgende Entscheidungen richtet:
- 1.
Endentscheidungen im Verfahren der einstweiligen Anordnung oder - 2.
Entscheidungen über Anträge auf Genehmigung eines Rechtsgeschäfts.
(3) Die Frist beginnt jeweils mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten. Kann die schriftliche Bekanntgabe an einen Beteiligten nicht bewirkt werden, beginnt die Frist spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.
(1) Das Recht der Beschwerde steht der zuständigen Behörde gegen Entscheidungen über
- 1.
die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Umfang, Inhalt oder Bestand einer in Nummer 1 genannten Maßnahme
(2) Das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung steht im Interesse des Betroffenen
- 1.
dessen Ehegatten oder Lebenspartner, wenn die Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben, sowie den Eltern, Großeltern, Pflegeeltern, Abkömmlingen und Geschwistern des Betroffenen sowie - 2.
einer Person seines Vertrauens
(3) Das Recht der Beschwerde steht dem Verfahrenspfleger zu.
(4) Der Betreuer oder der Vorsorgebevollmächtigte kann gegen eine Entscheidung, die seinen Aufgabenkreis betrifft, auch im Namen des Betroffenen Beschwerde einlegen. Führen mehrere Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigte ihr Amt gemeinschaftlich, kann jeder von ihnen für den Betroffenen selbständig Beschwerde einlegen.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Anordnung der Betreuung.
- 2
- Mit notarieller Urkunde vom 25. Januar 2005 erteilte der Betroffene dem Beteiligten zu 1 Generalvollmacht und damit Vollmacht und Auftrag, ihn in allen Angelegenheiten gegenüber jedermann, insbesondere Gerichten, Behörden, Privaten, Banken und Sparkassen zu vertreten.
- 3
- Im Dezember 2010 hat ein Gerichtsvollzieher beim Amtsgericht die Bestellung eines Betreuers für den Betroffenen beantragt und dies damit begründet , dass gegen den Betroffenen ein Vollstreckungstitel bestehe und der Beteiligte zu 1 neben der Liquidation der Forderung auch die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verhindere, weshalb bereits Haftbefehl ergangen sei.
- 4
- Durch Beschluss vom 31. August 2011 hat das Amtsgericht die Beteiligte zu 2 zur Betreuerin des Betroffenen bestellt mit dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge , Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen Aufgabenkreise und Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen , Renten- und Sozialleistungsträgern, wobei die Entscheidung spätestens bis zum 31. August 2018 zu überprüfen sei. Die Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich der Betroffene und der Beteiligte zu 1 mit ihrer Rechtsbeschwerde.
- 5
- Der Senat hat auf Antrag der Beschwerdeführer mit Beschluss vom 7. Dezember 2011 die Vollziehung des amtsgerichtlichen Beschlusses ausgesetzt.
II.
- 6
- Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.
- 7
- 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
- 8
- 2. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
- 9
- a) Das Landgericht hat seine Entscheidung damit begründet, infolge der unstreitig bei dem Betroffenen wegen seiner Demenzerkrankung vorliegenden Betreuungsbedürftigkeit sei er nicht in der Lage, die Aufgabenbereiche der Vermögenssorge und Vertretung gegenüber Behörden etc. sowie Entgegennahme der entsprechenden Post selbständig zu regeln. Die Bestellung einer Betreuerin für die im Beschluss des Amtsgerichts aufgeführten Bereiche sei trotz bestehender Vollmacht für den Beteiligten zu 1 auch erforderlich. Dieser verhindere bzw. verzögere die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bzw. die Liquidation eines rechtskräftigen Titels des Amtsgerichts. Es bedürfe daher der Bestellung eines Betreuers, um die ordnungsgemäße Abwicklung der entsprechenden Vorgänge zu gewährleisten.
- 10
- b) Diese Ausführungen halten einer rechtsbeschwerderechtlichen Überprüfung nicht stand.
- 11
- aa) Gemäß § 1896 Abs. 2 BGB darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Die Betreuung ist nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können.
- 12
- Eine - wie hier zugunsten des Beteiligten zu 1 erteilte - Vorsorgevollmacht steht der Bestellung eines Betreuers allerdings dann nicht entgegen, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch jenen eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründen. Dies ist der Fall, wenn der Bevollmächtigte wegen erheblicher Bedenken an seiner Redlichkeit als ungeeignet erscheint (Senatsbeschluss vom 13. April 2011 - XII ZB 584/10 - FamRZ 2011, 964 Rn. 15 mwN).
- 13
- Die Bestellung eines Betreuers muss zudem verhältnismäßig sein, weshalb weniger einschneidende Maßnahmen nicht in Betracht kommen dürfen; dabei gilt der Grundsatz der Erforderlichkeit auch im Bereich der Vermögenssorge (Senatsbeschluss vom 6. Juli 2011 - XII ZB 80/11 - FamRZ 2011, 1391 Rn. 9). Der Begriff "Aufgabenkreis" im Sinne des § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB schließt nicht aus, dem Betreuer gegebenenfalls nur eine einzige Angelegenheit zuzuweisen (BayObLG NJWE-FER 2001, 151).
- 14
- Der Tatrichter entscheidet über Art und Umfang seiner Ermittlungen nach pflichtgemäßem Ermessen. Dem Rechtsbeschwerdegericht obliegt lediglich die Kontrolle auf Rechtsfehler, insbesondere die Prüfung, ob die Tatsachengerichte alle maßgeblichen Gesichtspunkte in Betracht gezogen haben und die Würdigung auf einer ausreichenden Sachaufklärung beruht (Senatsbeschluss vom 13. April 2011 - XII ZB 584/10 - FamRZ 2011, 964 Rn. 16 mwN).
- 15
- bb) Gemessen hieran kann die angegriffene Entscheidung keinen Bestand haben.
- 16
- (1) Das Landgericht hat sich bei seiner Entscheidung auf die Feststellung beschränkt, dass der Beteiligte zu 1 die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bzw. die Liquidation eines rechtskräftigen Titels des Amtsgerichts verhindere bzw. verzögere. Weitere Feststellungen zu der Frage, ob der Bevollmächtigte ungeeignet ist, finden sich weder in der landgerichtlichen noch in der amtsgerichtlichen Entscheidung. Erwägungen zu der Frage, warum der Beteiligte zu 1 nicht kooperativ ist, lassen sich der Begründung nicht entnehmen. Nach der Entscheidung bleibt offen, ob es möglicherweise berechtigte Einwendungen seitens des Bevollmächtigten gegen die Forderung bzw. Vollstreckung gibt. Jedenfalls lässt die Begründung nicht erkennen, ob der Beteiligte zu 1 tatsächlich ungeeignet ist und ob das Beschwerdegericht alle maßgeblichen Gesichtspunk- te in Betracht gezogen hat sowie seine Würdigung auf einer ausreichenden Sachaufklärung beruht.
- 17
- (2) Im Übrigen ist die vom Amtsgericht angeordnete Betreuung mit den uneingeschränkten Aufgabenkreisen Vermögenssorge, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen Aufgabenkreise und Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern bei einer Überprüfung erst zum 31. August 2018 unverhältnismäßig. Anlass für die Einrichtung der Betreuung war der "Antrag" des Gerichtsvollziehers , den er gestellt hat, um die Zwangsvollstreckung aus einem bestimmten Titel sicherzustellen, der sich auf eine Gesamtforderung von rund 39 € beläuft. Demgemäß ist der Begründung der Beschwerdeentscheidung zu entnehmen, dass es der Bestellung eines Betreuers allein deshalb bedürfe, um die ordnungsgemäße Abwicklung der entsprechenden Vorgänge zu gewährleisten. Ob es hier angezeigt gewesen wäre, einen Betreuer nur zur Sicherstellung der genannten Zwangsvollstreckung zu bestellen, seine Bestellung mithin auf diese konkrete Maßnahme zu beschränken, kann dahinstehen. Denn ein Bedürfnis hierfür ist entfallen, weil die titulierte Forderung mittlerweile beglichen worden ist, was bereits in der Rechtsbeschwerde ausgeführt sowie von der Betreuerin bestätigt wurde und demgemäß vom Senat zu berücksichtigen ist (vgl. Musielak/Ball ZPO 8. Aufl. ZPO § 559 Rn. 10).
- 18
- 3. Gemäß § 74 Abs. 5 FamFG ist der angefochtene Beschluss aufzuheben , wobei der Senat gemäß § 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG in der Sache abschließend entscheiden kann.
- 19
- Neben der Beschwerdeentscheidung ist somit auch der amtsgerichtliche Beschluss aufzuheben, und zwar auf die Beschwerden des Betroffenen und des Beteiligten zu 1. Soweit das Landgericht lediglich die Beschwerde des Be- teiligten zu 1 beschieden hat, hat es verkannt, dass dieser - jedenfalls auch - im Namen des Betroffenen Beschwerde eingelegt hat.
Vorinstanzen:
AG Alzey, Entscheidung vom 31.08.2011 - 2 XVII 293/10 -
LG Mainz, Entscheidung vom 26.10.2011 - 8 T 206/11 -
Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.
(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in
- 1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie - 3.
Freiheitsentziehungssachen.
(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.
(1) Die Beteiligten können einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand des Verfahrens verfügen können. Das Gericht soll außer in Gewaltschutzsachen auf eine gütliche Einigung der Beteiligten hinwirken.
(2) Kommt eine Einigung im Termin zustande, ist hierüber eine Niederschrift anzufertigen. Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Niederschrift des Vergleichs sind entsprechend anzuwenden.
(3) Ein nach Absatz 1 Satz 1 zulässiger Vergleich kann auch schriftlich entsprechend § 278 Abs. 6 der Zivilprozessordnung geschlossen werden.
(4) Unrichtigkeiten in der Niederschrift oder in dem Beschluss über den Vergleich können entsprechend § 164 der Zivilprozessordnung berichtigt werden.
(5) Das Gericht kann die Beteiligten für den Versuch einer gütlichen Einigung vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen. Für das Verfahren vor dem Güterichter gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.