I.
Die Klägerin, eine Gmbr, macht gegen die Beklagte, eine Fluggesellschaft, Ansprüche aus abgetretenem Rechts aus der EG-FluggastrechteVO (Nr. 261/2004) geltend. Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin sei aufgrund der in § 15 Abs. 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten vereinbarten Abtretungsbeschränkung nicht aktivlegitimiert. Die dortige Regelung hat folgenden Wortlaut:
„Die Abtretung von Ausgleichs,- Schadensersatz- und Rückerstattungsansprüchen gegen uns ist ausschließlich an natürliche Personen zulässig, die in Ihrer Flugbuchung als weitere Fluggäste mit aufgeführt sind oder, falls Sie Teilnehmer einer Reisegruppe sind, an andere Fluggäste dieser Reisegruppe, sowie bei minderjährigen und geschäftsunfähigen Fluggästen an ihre gesetzlichen Vertreter. Im Übrigen ist die Abtretung von Ausgleichs,- Schadensersatz- und Rückerstattungsansprüchen gegen uns an Dritte ausgeschlossen. Das Abtretungsverbot gilt nicht bei außervertraglichen Schadensersatzansprüchen gegen uns sowie in Fällen, in denen die Abtretung bzw. der Forderungsübergang gesetzlich vorgesehen ist oder wenn zwingende Umstände, die in der Person des Fluggastes selbst begründet sind, dies erfordern.“
1. Die Beklagte ist der Ansicht, diese Klausel sei nicht wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam. Sie erhalte kein umfassendes Abtretungsverbot, sondern lediglich eine Abtretungsbeschränkung. Die Klausel beschränke lediglich den Personenkreis der Zessionare und enthalte eine Rückausnahme dahingehend, dass eine Abtretung jedenfalls dann zulässig sei, wenn zwingende Gründe, die in der Person des Fluggastes selbst begründet seien, dies erforderten. Der Bundesgerichtshof habe im Urteil vom 17.04.2016, Az. X ZR 76/11, RdNr. 12, festgestellt, dass eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Regelung, mit der der Verwender die Abtretung von gegen ihn gerichteten Forderungen ausschließe, grundsätzlich wirksam sei.
Die Beklagte habe aufgrund der Vielzahl abzuwickelnder Fälle ein offensichtlich berechtigtes Interesse daran, die Abtretung auf natürliche Personen, die in der Flugbuchung mit aufgeführt seien, zu beschränken. rierzu zählten vor allem das Interesse an einer übersichtlichen Vertragsabwicklung und an dem Vorteil, mit einem Abtretungsausschluss wechselnde, unbeteiligte Gläubiger zu verhindern. Die Beklagte habe die Klausel gerade deswegen in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommen, um eine zügige und übersichtliche Bearbeitung der an sie gestellten Ansprüche auf der Grundlage der Verordnung Nr. 261/2004 sicherzustellen.
Sie befördere im Monat ca. 10 Millionen Passagiere, so dass eine Zuordnung des Anspruches zum jeweiligen Passagier und zum jeweiligen Flug in jedem Stadium der Abwicklung und Bearbeitung der geltend gemachten Ansprüche möglich sein müsse. Trete nur die Klägerin oder eine der vielen weiteren sogenannten „Claim-Handling-Companies“, namentlich Inkassobüros, in Erscheinung, sei jedes Mal eine zeitaufwendige Recherche zur Zuordnung des Anspruchsschreibens zum jeweiligen Passagier notwendig. So müsse zunächst geprüft werden, in welcher Form das Fluggast-Portal einen Anspruch geltend mache, also im Wege der Stellvertretung für den Passagier oder im Wege der Abtretung im eigenen Namen. Ferner würden oftmals keine Buchungsnummern der Passagiere angegeben werden oder es fehlten Angaben zum Abflugs- und Ankunftsort, so dass hier ein Aufwand der Zuordnung entstehe, den die Beklagten nicht hätte, wenn sich der Fluggast beispielsweise über die Website direkt an die Beklagte richten würde. Alleine die Angabe des Namens des Passagiers ermögliche keine eindeutige Zuordnung. Die Beklagte wies schließlich auf die Bekanntmachung zur Information der Fluggäste der Europäischen Kommission vom 09.03.2017 hin. Darin mache die Kommission deutlich, dass die Abtretungsbeschränkung der Beklagten auch unproblematisch mit Art. 15 Abs. 1 der Verordnung 261/2004 zu vereinbaren sei, da diese den Ausgleichsanspruch gerade nicht einschränke.
Die Belange der Kunden würden durch die Vereinbarung dieser Abtretungsbeschränkung in keiner Weise unbeachtet gelassen oder verletzt werden:
Im Gegenteil sei es doch ausdrückliches, in Erwägungsgrund 1 festgeschriebenes Ziel der besagten Verordnung, die Verbraucher zu schützen. Um dies zu gewährleisten, stelle die Beklagte auf ihrer Internetseite ein Formular zur Verfügung, das den Passagieren selbst eine unkomplizierte und zügige Geltendmachung ihres Anspruches ermögliche.
Ausgleichsansprüche nach der Verordnung 261/2004 seien quasivertragliche Ansprüche und daher von der streitgegenständlichen Allgemeinen Geschäftsbedingung erfasst.
2. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die gegenständliche AGB-Regelung unwirksam sei. Es sei schon nicht nachvollziehbar, die das behauptete Interesse der Beklagten an einer „übersichtlichen Vertragsabwicklung“ dadurch geschützt werden solle bzw. könne, dass eine Abtretung an natürliche Personen zulässig sein solle, an juristische Personen hingegen nicht.
3. Das Erstgericht gab der Klage in vollem Umfang statt.
Die Abtretungsbeschränkung sei unwirksam. Die Beklagtenseite habe kein schützenswertes rechtliches Interesse. Vielmehr werde vorrangig versucht, einen wirtschaftlichen Vorteil dadurch zu erlangen, dass die diversen „Claim-Handling-Companies“ vom Markt gedrängt werden sollten. Die Bearbeitung der Anfragen von „Claim-Handling-Companies“ verursache keinen höheren Aufwand als der von Naturalparteien. Jeweils seien zur Prüfung der Berechtigung Passagier- und Flugdaten in das System der Fluggesellschaft einzugeben und zu überprüfen.
Die Gläubiger würden auch nicht mehrfach innerhalb eines Entschädigungsverfahrens wechseln. Eine Pflicht zur Vorlage einer englischsprachigen Abtretungserklärung könne es schon aus europarechtlicher Sicht nicht gegeben. Welche Abzüge von der Entschädigung der Verbraucher bei Beauftragung einer „Claim-Handling-Companie“ in Kauf nehme, bleibe alleine seine freie Entscheidung.
Entscheidend sei, dass für den Verbraucher durch das Abtretungsverbot ein potentielles Hindernis auf dem Weg zur Erlangung seiner Entschädigung bereitet werde. Habe der Verbraucher nicht die Zeit, Energie oder „schlichtweg den Nerv“, sich mit der Fluggesellschaft auseinanderzusetzen, müsse er in seiner Entscheidung frei bleiben, ein in solchen Angelegenheiten erfahrenes Unternehmen kostenpflichtig zu beauftragen.
Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt die Beklagte ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
II.
Gemäß § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass nach § 529 ZPO die zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen oder die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO beruht.
Vorliegend wird lediglich die fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts gerügt. Das erstinstanzliche Urteil hält einer rechtlichen Prüfung stand. Insbesondere hat das Erstgericht die in § 15 Abs. 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten vereinbarte Abtretungsbeschränkung zutreffend als unwirksam erachtet. Die rechtliche Argumentation des Erstgerichts ist zutreffend. Die Kammer schließt sich dieser an. Es kann dahingestellt bleiben, ob die geltend gemachten Ansprüche aus der FluggastrechteVO vertraglicher Natur sind oder nicht.
Gemäß Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 dürfen die Verpflichtungen gegenüber Fluggästen - insbesondere durch abweichende oder restriktive Bestimmungen im Beförderungsvertrag - nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Geschieht dies dennoch, bleiben die Rechte des Fluggastes hiervon unberührt (Art. 15 Abs. 2). Die streitgegenständliche Klausel ist bereits aus diesem Grunde nicht anzuwenden. Sie beschränkt das Rechts des Fluggastes, seine Ansprüche geltend zu machen.
Auch unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 17. April 2012, Az. X ZR 76/11, ist die Klausel unwirksam.
Grundsätzlich ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Regelung, mit der der Verwender die Abtretung von gegen ihn gerichteten Forderungen ausschließt, wirksam. Ein Abtretungsausschluss führt nicht notwendig zu einer unangemessenen Benachteiligung des Gläubigers, andererseits schützt er die berechtigten Interessen des Schuldners an der Klarheit und Übersichtlichkeit der Vertragsabwicklung. Grundsätzlich darf er deshalb mit einem Verbot oder zumindest einer Beschränkung der Abtretungsmöglichkeit die Vertragsabwicklung übersichtlicher gestalten und verhindern, dass ihm hierbei eine im Voraus nicht übersehbare Vielzahl von Gläubigern entgegentritt. Indessen ist eine solche Klausel gleichwohl unwirksam, wenn ein schützenswertes Interesse des Verwenders an einem Abtretungsausschluss nicht besteht oder die berechtigten Belange des Kunden an der Abtretbarkeit vertraglicher Forderungen das entgegenstehende Interesse des Verwenders überwiegen (BGH, aaO, Rn. 9, juris).
Für das Abwägen dieser einander gegenüberstehenden Interessen sind ein generalisierender, überindividueller Prüfungsmaßstab und eine typisierende Betrachtungsweise zugrunde zu legen; auf die speziellen Umstände des Einzelfalls kommt es insoweit nicht an, sondern darauf, wie die Klausel unter Berücksichtigung aller nicht fernliegender Fallgestaltungen verwendet werden kann (BGH, aaO, Rn. 10, juris).
Vorliegend sind die Interessen der Beklagten für einen Abtretungsausschluss nur von geringem Gewicht.
Wie auch in dem der Entscheidung des BGH zugrunde liegenden Fall betrifft die Abtretungsbeschränkung Ansprüche, die - jedenfalls im weiteren Sinn - auf Leistungsstörungen beruhen. Die Hauptleistungspflichten der Beklagten werden von ihm nicht erfasst. Das Interesse an einer übersichtlichen Vertragsabwicklung und der Vorteil, mit einem Abtretungsausschluss eine Vielzahl von gegebenenfalls mehrfach wechselnden Gläubigern verhindern zu können, wirkt sich jedoch in erster Linie bei der Erfüllung der Hauptleistungspflichten aus, weil das Flugunternehmen diese eigenverantwortlich organisieren muss und ein Wechsel in der Person des Gläubigers die organisatorischen Anstrengungen belastet. Hingegen unterliegt die Erfüllung von Ansprüchen, die wie im Streitfall auf Leistungsstörungen beruhen, nicht einem vorgegebenen Zeitplan; die Ansprüche werden regelmäßig auch nicht in Gegenwart des Gläubigers erbracht. Die Person des Gläubigers gewinnt typischerweise nur für den Adressaten der anlässlich dieser Ansprüche zu führenden Korrespondenz und das für eine Zahlung zu wählende Konto eine Bedeutung. Ein höherer Aufwand ist damit für die Beklagte kaum festzustellen.
Es ist nicht ersichtlich, weshalb die Bearbeitung der Anfragen von „Claim-Handling-Companies“ einen höheren Aufwand als der von Naturalparteien verursachen könnte. In beiden Fällen müssten entsprechende Daten durch das Verwaltungspersonal der Beklagten entsprechend überprüft werden.
Demgegenüber sind Interessen zugunsten des Reisenden zu erkennen, die einem Abtretungsausschluss entgegenstehen.
Das Erstgericht führte insoweit zutreffend aus, dass entscheidend sei, dass für den Verbraucher durch das Abtretungsverbot ein potentielles Hindernis auf dem Weg zur Erlangung seiner Entschädigung bereitet wird. Dieser muss in seiner Entscheidung frei bleiben, ein in solchen Angelegenheiten erfahrenes Unternehmen kostenpflichtig zu beauftragen. Welche Abzüge von der Entschädigung er hierbei in Kauf nimmt, ist alleine seine freie Entscheidung.
Die von der Beklagten erwähnte Bekanntmachung zur Information der Fluggäste der Europäischen Kommission vom 09.03.2017 stützt im Übrigen die hier vertretene Rechtsansicht. Die Kommission schreibt darin im 4. Absatz - unter Verweis auf ihre Leitlinien für die Auslegung der Verordnung Nr. 261/2004 - dass ein Fluggast das Recht hat zu entscheiden, ob er von einer anderen Person oder Einrichtung vertreten werden will oder nicht.
Die Kammer regt daher zur Vermeidung weiterer Kosten eine Berufungsrücknahme an. In diesem Fall ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 (vgl. GKG KV Nr. 1222).