Landgericht Nürnberg-Fürth Hinweisbeschluss, 30. Juli 2018 - 5 S 8340/17

bei uns veröffentlicht am30.07.2018

Tenor

1. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 14.11.2017, Az. 22 C 9173/16, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die kurchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

I.

Die Klägerin, eine Gmbr, macht gegen die Beklagte, eine Fluggesellschaft, Ansprüche aus abgetretenem Rechts aus der EG-FluggastrechteVO (Nr. 261/2004) geltend. Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin sei aufgrund der in § 15 Abs. 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten vereinbarten Abtretungsbeschränkung nicht aktivlegitimiert. Die dortige Regelung hat folgenden Wortlaut:

„Die Abtretung von Ausgleichs,- Schadensersatz- und Rückerstattungsansprüchen gegen uns ist ausschließlich an natürliche Personen zulässig, die in Ihrer Flugbuchung als weitere Fluggäste mit aufgeführt sind oder, falls Sie Teilnehmer einer Reisegruppe sind, an andere Fluggäste dieser Reisegruppe, sowie bei minderjährigen und geschäftsunfähigen Fluggästen an ihre gesetzlichen Vertreter. Im Übrigen ist die Abtretung von Ausgleichs,- Schadensersatz- und Rückerstattungsansprüchen gegen uns an Dritte ausgeschlossen. Das Abtretungsverbot gilt nicht bei außervertraglichen Schadensersatzansprüchen gegen uns sowie in Fällen, in denen die Abtretung bzw. der Forderungsübergang gesetzlich vorgesehen ist oder wenn zwingende Umstände, die in der Person des Fluggastes selbst begründet sind, dies erfordern.“

1. Die Beklagte ist der Ansicht, diese Klausel sei nicht wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam. Sie erhalte kein umfassendes Abtretungsverbot, sondern lediglich eine Abtretungsbeschränkung. Die Klausel beschränke lediglich den Personenkreis der Zessionare und enthalte eine Rückausnahme dahingehend, dass eine Abtretung jedenfalls dann zulässig sei, wenn zwingende Gründe, die in der Person des Fluggastes selbst begründet seien, dies erforderten. Der Bundesgerichtshof habe im Urteil vom 17.04.2016, Az. X ZR 76/11, RdNr. 12, festgestellt, dass eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Regelung, mit der der Verwender die Abtretung von gegen ihn gerichteten Forderungen ausschließe, grundsätzlich wirksam sei.

Die Beklagte habe aufgrund der Vielzahl abzuwickelnder Fälle ein offensichtlich berechtigtes Interesse daran, die Abtretung auf natürliche Personen, die in der Flugbuchung mit aufgeführt seien, zu beschränken. rierzu zählten vor allem das Interesse an einer übersichtlichen Vertragsabwicklung und an dem Vorteil, mit einem Abtretungsausschluss wechselnde, unbeteiligte Gläubiger zu verhindern. Die Beklagte habe die Klausel gerade deswegen in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommen, um eine zügige und übersichtliche Bearbeitung der an sie gestellten Ansprüche auf der Grundlage der Verordnung Nr. 261/2004 sicherzustellen.

Sie befördere im Monat ca. 10 Millionen Passagiere, so dass eine Zuordnung des Anspruches zum jeweiligen Passagier und zum jeweiligen Flug in jedem Stadium der Abwicklung und Bearbeitung der geltend gemachten Ansprüche möglich sein müsse. Trete nur die Klägerin oder eine der vielen weiteren sogenannten „Claim-Handling-Companies“, namentlich Inkassobüros, in Erscheinung, sei jedes Mal eine zeitaufwendige Recherche zur Zuordnung des Anspruchsschreibens zum jeweiligen Passagier notwendig. So müsse zunächst geprüft werden, in welcher Form das Fluggast-Portal einen Anspruch geltend mache, also im Wege der Stellvertretung für den Passagier oder im Wege der Abtretung im eigenen Namen. Ferner würden oftmals keine Buchungsnummern der Passagiere angegeben werden oder es fehlten Angaben zum Abflugs- und Ankunftsort, so dass hier ein Aufwand der Zuordnung entstehe, den die Beklagten nicht hätte, wenn sich der Fluggast beispielsweise über die Website direkt an die Beklagte richten würde. Alleine die Angabe des Namens des Passagiers ermögliche keine eindeutige Zuordnung. Die Beklagte wies schließlich auf die Bekanntmachung zur Information der Fluggäste der Europäischen Kommission vom 09.03.2017 hin. Darin mache die Kommission deutlich, dass die Abtretungsbeschränkung der Beklagten auch unproblematisch mit Art. 15 Abs. 1 der Verordnung 261/2004 zu vereinbaren sei, da diese den Ausgleichsanspruch gerade nicht einschränke.

Die Belange der Kunden würden durch die Vereinbarung dieser Abtretungsbeschränkung in keiner Weise unbeachtet gelassen oder verletzt werden:

Im Gegenteil sei es doch ausdrückliches, in Erwägungsgrund 1 festgeschriebenes Ziel der besagten Verordnung, die Verbraucher zu schützen. Um dies zu gewährleisten, stelle die Beklagte auf ihrer Internetseite ein Formular zur Verfügung, das den Passagieren selbst eine unkomplizierte und zügige Geltendmachung ihres Anspruches ermögliche.

Ausgleichsansprüche nach der Verordnung 261/2004 seien quasivertragliche Ansprüche und daher von der streitgegenständlichen Allgemeinen Geschäftsbedingung erfasst.

2. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die gegenständliche AGB-Regelung unwirksam sei. Es sei schon nicht nachvollziehbar, die das behauptete Interesse der Beklagten an einer „übersichtlichen Vertragsabwicklung“ dadurch geschützt werden solle bzw. könne, dass eine Abtretung an natürliche Personen zulässig sein solle, an juristische Personen hingegen nicht.

3. Das Erstgericht gab der Klage in vollem Umfang statt.

Die Abtretungsbeschränkung sei unwirksam. Die Beklagtenseite habe kein schützenswertes rechtliches Interesse. Vielmehr werde vorrangig versucht, einen wirtschaftlichen Vorteil dadurch zu erlangen, dass die diversen „Claim-Handling-Companies“ vom Markt gedrängt werden sollten. Die Bearbeitung der Anfragen von „Claim-Handling-Companies“ verursache keinen höheren Aufwand als der von Naturalparteien. Jeweils seien zur Prüfung der Berechtigung Passagier- und Flugdaten in das System der Fluggesellschaft einzugeben und zu überprüfen.

Die Gläubiger würden auch nicht mehrfach innerhalb eines Entschädigungsverfahrens wechseln. Eine Pflicht zur Vorlage einer englischsprachigen Abtretungserklärung könne es schon aus europarechtlicher Sicht nicht gegeben. Welche Abzüge von der Entschädigung der Verbraucher bei Beauftragung einer „Claim-Handling-Companie“ in Kauf nehme, bleibe alleine seine freie Entscheidung.

Entscheidend sei, dass für den Verbraucher durch das Abtretungsverbot ein potentielles Hindernis auf dem Weg zur Erlangung seiner Entschädigung bereitet werde. Habe der Verbraucher nicht die Zeit, Energie oder „schlichtweg den Nerv“, sich mit der Fluggesellschaft auseinanderzusetzen, müsse er in seiner Entscheidung frei bleiben, ein in solchen Angelegenheiten erfahrenes Unternehmen kostenpflichtig zu beauftragen.

Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt die Beklagte ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Gemäß § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass nach § 529 ZPO die zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen oder die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO beruht.

Vorliegend wird lediglich die fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts gerügt. Das erstinstanzliche Urteil hält einer rechtlichen Prüfung stand. Insbesondere hat das Erstgericht die in § 15 Abs. 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten vereinbarte Abtretungsbeschränkung zutreffend als unwirksam erachtet. Die rechtliche Argumentation des Erstgerichts ist zutreffend. Die Kammer schließt sich dieser an. Es kann dahingestellt bleiben, ob die geltend gemachten Ansprüche aus der FluggastrechteVO vertraglicher Natur sind oder nicht.

Gemäß Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 dürfen die Verpflichtungen gegenüber Fluggästen - insbesondere durch abweichende oder restriktive Bestimmungen im Beförderungsvertrag - nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Geschieht dies dennoch, bleiben die Rechte des Fluggastes hiervon unberührt (Art. 15 Abs. 2). Die streitgegenständliche Klausel ist bereits aus diesem Grunde nicht anzuwenden. Sie beschränkt das Rechts des Fluggastes, seine Ansprüche geltend zu machen.

Auch unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 17. April 2012, Az. X ZR 76/11, ist die Klausel unwirksam.

Grundsätzlich ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Regelung, mit der der Verwender die Abtretung von gegen ihn gerichteten Forderungen ausschließt, wirksam. Ein Abtretungsausschluss führt nicht notwendig zu einer unangemessenen Benachteiligung des Gläubigers, andererseits schützt er die berechtigten Interessen des Schuldners an der Klarheit und Übersichtlichkeit der Vertragsabwicklung. Grundsätzlich darf er deshalb mit einem Verbot oder zumindest einer Beschränkung der Abtretungsmöglichkeit die Vertragsabwicklung übersichtlicher gestalten und verhindern, dass ihm hierbei eine im Voraus nicht übersehbare Vielzahl von Gläubigern entgegentritt. Indessen ist eine solche Klausel gleichwohl unwirksam, wenn ein schützenswertes Interesse des Verwenders an einem Abtretungsausschluss nicht besteht oder die berechtigten Belange des Kunden an der Abtretbarkeit vertraglicher Forderungen das entgegenstehende Interesse des Verwenders überwiegen (BGH, aaO, Rn. 9, juris).

Für das Abwägen dieser einander gegenüberstehenden Interessen sind ein generalisierender, überindividueller Prüfungsmaßstab und eine typisierende Betrachtungsweise zugrunde zu legen; auf die speziellen Umstände des Einzelfalls kommt es insoweit nicht an, sondern darauf, wie die Klausel unter Berücksichtigung aller nicht fernliegender Fallgestaltungen verwendet werden kann (BGH, aaO, Rn. 10, juris).

Vorliegend sind die Interessen der Beklagten für einen Abtretungsausschluss nur von geringem Gewicht.

Wie auch in dem der Entscheidung des BGH zugrunde liegenden Fall betrifft die Abtretungsbeschränkung Ansprüche, die - jedenfalls im weiteren Sinn - auf Leistungsstörungen beruhen. Die Hauptleistungspflichten der Beklagten werden von ihm nicht erfasst. Das Interesse an einer übersichtlichen Vertragsabwicklung und der Vorteil, mit einem Abtretungsausschluss eine Vielzahl von gegebenenfalls mehrfach wechselnden Gläubigern verhindern zu können, wirkt sich jedoch in erster Linie bei der Erfüllung der Hauptleistungspflichten aus, weil das Flugunternehmen diese eigenverantwortlich organisieren muss und ein Wechsel in der Person des Gläubigers die organisatorischen Anstrengungen belastet. Hingegen unterliegt die Erfüllung von Ansprüchen, die wie im Streitfall auf Leistungsstörungen beruhen, nicht einem vorgegebenen Zeitplan; die Ansprüche werden regelmäßig auch nicht in Gegenwart des Gläubigers erbracht. Die Person des Gläubigers gewinnt typischerweise nur für den Adressaten der anlässlich dieser Ansprüche zu führenden Korrespondenz und das für eine Zahlung zu wählende Konto eine Bedeutung. Ein höherer Aufwand ist damit für die Beklagte kaum festzustellen.

Es ist nicht ersichtlich, weshalb die Bearbeitung der Anfragen von „Claim-Handling-Companies“ einen höheren Aufwand als der von Naturalparteien verursachen könnte. In beiden Fällen müssten entsprechende Daten durch das Verwaltungspersonal der Beklagten entsprechend überprüft werden.

Demgegenüber sind Interessen zugunsten des Reisenden zu erkennen, die einem Abtretungsausschluss entgegenstehen.

Das Erstgericht führte insoweit zutreffend aus, dass entscheidend sei, dass für den Verbraucher durch das Abtretungsverbot ein potentielles Hindernis auf dem Weg zur Erlangung seiner Entschädigung bereitet wird. Dieser muss in seiner Entscheidung frei bleiben, ein in solchen Angelegenheiten erfahrenes Unternehmen kostenpflichtig zu beauftragen. Welche Abzüge von der Entschädigung er hierbei in Kauf nimmt, ist alleine seine freie Entscheidung.

Die von der Beklagten erwähnte Bekanntmachung zur Information der Fluggäste der Europäischen Kommission vom 09.03.2017 stützt im Übrigen die hier vertretene Rechtsansicht. Die Kommission schreibt darin im 4. Absatz - unter Verweis auf ihre Leitlinien für die Auslegung der Verordnung Nr. 261/2004 - dass ein Fluggast das Recht hat zu entscheiden, ob er von einer anderen Person oder Einrichtung vertreten werden will oder nicht.

Die Kammer regt daher zur Vermeidung weiterer Kosten eine Berufungsrücknahme an. In diesem Fall ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 (vgl. GKG KV Nr. 1222).

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Referenzen - Gesetze

Landgericht Nürnberg-Fürth Hinweisbeschluss, 30. Juli 2018 - 5 S 8340/17 zitiert 7 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 307 Inhaltskontrolle


(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben,

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts


(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung

Zivilprozessordnung - ZPO | § 513 Berufungsgründe


(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. (2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 546 Begriff der Rechtsverletzung


Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

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Bundesgerichtshof Urteil, 17. Apr. 2012 - X ZR 76/11

bei uns veröffentlicht am 17.04.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 76/11 Verkündet am: 17. April 2012 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Referenzen

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 76/11 Verkündet am:
17. April 2012
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Reiseveranstalters
, in der bestimmt ist
"Die Abtretung von Ansprüchen gegen (den Reiseveranstalter), deren
Rechtsgrund in Leistungsstörungen liegt, ist ausgeschlossen.",
benachteiligt den Reisenden entgegen den Geboten von Treu und Glauben
unangemessen und ist daher unwirksam.

b) Verlegt der Veranstalter einer Flugreise den Rückflug vertragswidrig in die
frühen Morgenstunden des vereinbarten Rückreisetags und weigert sich
ausdrücklich oder stillschweigend, dem Reisemangel abzuhelfen, kann der
Reisende grundsätzlich die Erstattung der Kosten eines anderweitigen Rückflugs
verlangen, mit dem er seine vertragsgemäße Rückreise sicherstellt.

c) Ob ein Reisemangel die Reise erheblich beeinträchtigt, ist nach dem Anteil
des Mangels in Relation zur gesamten Reiseleistung sowie danach zu beurteilen
, wie gravierend sich der Mangel für den Reisenden ausgewirkt hat. Ein
Reisemangel verliert insoweit nicht an Gewicht, wenn der Preis der Reise
besonders gering war.
BGH, Urteil vom 17. April 2012 - X ZR 76/11 - LG Düsseldorf
AG Düsseldorf
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. April 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck,
den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter
Dr. Grabinski und Hoffmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 20. Mai 2011 verkündete Urteil der 22. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe eines Betrages von 437,36 € abgewiesen worden ist.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin macht gegenüber dem beklagten Reiseveranstalter Ansprüche wegen einer Minderung des Reisepreises und Schadensersatz geltend.
2
Der Lebensgefährte der Klägerin buchte im Februar 2009 für sich und die Klägerin bei der Beklagten eine einwöchige Pauschalreise in die Türkei zum Preis von 369 € pro Person mit einem Hinflug am 25. Mai 2009 um 20 Uhr von München und einem Rückflug am 1. Juni 2009 um 16.40 Uhr. In den in den Vertrag einbezogenen allgemeinen Geschäftsbedingungen behielt sich die Beklagte die kurzfristige Änderung der Flugzeiten und Streckenführung vor, soweit dadurch der Gesamtzuschnitt der Reise nicht beeinträchtigt wird, und wurde die Abtretung von Ansprüchen gegen die Beklagte, die auf Leistungsstörungen beruhen , ausgeschlossen. Der Rückflug wurde am Vortag auf 5.15 Uhr des 1. Juni 2009 vorverlegt, wozu die Reisenden um 1.25 Uhr am Hotel abgeholt werden sollten. Die Klägerin und ihr Lebensgefährte bemühten sich um einen anderen Rückflug, den sie an dem vorgesehenen Rückflugtag um 14.00 Uhr antraten und selbst bezahlten. Der Lebensgefährte der Klägerin trat ihr seine Ansprüche ab.
3
Mit der Klage verlangt die Klägerin die Rückzahlung des gesamten Reisepreises abzüglich 70 € für in Anspruch genommene Verpflegungsleistungen und eines bereits gezahlten Minderungsbetrages von 42,16 €. Weiterhin begehrt sie Ersatz von 504,52 € für die Rücktransportkosten, 7 € für ein nicht erhaltenes Abendessen, 46 € für Telefonkosten und eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von 480,80 € für sich selbst und von 2.193,10 € für ihren Lebensgefährten. Das Amtsgericht hat der Klage in Höhe von 25 € stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihren Berufungsantrag in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:


4
I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Klägerin könne nur ihre eigenen Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend machen; Ansprüche ihres Lebensgefährten stünden ihr nicht zu. Dieser habe seine Ansprüche nicht abtreten können, weil eine Abtretung wirksam in den Allgemeinen Geschäftsbedin- gungen der Beklagten ausgeschlossen worden sei. Dieser Ausschluss verstoße nicht gegen § 307 Abs. 1, § 138 BGB, denn es seien keine berechtigten Belange des Kunden für eine Abtretbarkeit zu erkennen, die das schützenswerte Interesse der Beklagten an den Abtretungsausschluss überwögen.
5
Zugunsten der Klägerin sei eine Minderung des auf sie entfallenden Reisepreises über die bereits geleistete Zahlung der Beklagten hinaus nur in Höhe der vom Amtsgericht zugebilligten weiteren 25 € zu erkennen. Die Vorverlegung des Rückfluges sei ein Reisemangel im Sinne der §§ 651c, 651d BGB, nicht jedoch eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise im Sinne des § 651e BGB, der zur Kündigung berechtige. Faktisch sei der Klägerin zwar ein halber Urlaubstag entgangen und die Nachtruhe vor dem Rückflug entfallen. Mit einer solchen Beeinträchtigung müsse aber der Reisende in den Zeiten des Massentourismus , insbesondere bei besonders günstigen Reisen wie im Streitfall, wegen der Besonderheiten des Charterflugverkehrs stets rechnen. Auch bei einer solchen Reise könne er nicht geltend machen, dass damit der gesamte Erholungswert der Reise beeinträchtigt sei.
6
Der Klägerin stehe kein Schadensersatz gemäß § 651f Abs. 1 BGB zu, weil die geltend gemachten materiellen Schäden auf dem Entschluss der Reisenden beruht hätten, in Eigenregie zu einem späteren Zeitpunkt zurück zu fliegen. Dies sei eine ungewöhnliche Reaktion eines Pauschalreisenden, die einem Zurechnungszusammenhang in Bezug auf die Vorverlegung des Rückfluges entgegenstehe. Für einen Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit gemäß § 651f Abs. 2 BGB fehle es an einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise.
7
II. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
8
1. Die Klägerin kann im Streitfall aufgrund des Abtretungsvertrages mit ihrem Mitreisenden auch dessen Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend machen. Der Ausschluss dieser Abtretung in den mit der Beklagten vereinbarten allgemeinen Geschäftsbedingungen ist unwirksam, denn er stellt eine den Grundsätzen von Treu und Glauben widersprechende unangemessene Benachteilung des Reisenden dar (§ 307 Abs. 1 BGB).
9
a) Grundsätzlich ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Regelung, mit der der Verwender die Abtretung von gegen ihn gerichteten Forderungen ausschließt, wirksam. Ein Abtretungsausschluss führt nicht notwendig zu einer unangemessenen Benachteiligung des Gläubigers, andererseits schützt er die berechtigten Interessen des Schuldners an der Klarheit und Übersichtlichkeit der Vertragsabwicklung. Grundsätzlich darf er deshalb mit einem Verbot oder zumindest einer Beschränkung der Abtretungsmöglichkeit die Vertragsabwicklung übersichtlicher gestalten und verhindern, dass ihm hierbei eine im Voraus nicht übersehbare Vielzahl von Gläubigern entgegentritt. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist daher ein Ausschluss der Abtretung durch allgemeine Geschäftsbedingungen wiederholt anerkannt worden, insbesondere wenn er die Hauptleistungspflichten des Verwenders betrifft (BGH, Urteile vom 28. November 1968 - VII ZR 157/66, BGHZ 51, 113, 117 ff.; vom 12. Mai 1971 - VIII ZR 196/69, BGHZ 56, 173, 175 ff.; vom 18. Juni 1980 - VIII ZR 119/79, BGHZ 77, 274, 275 f.; vom 3. Dezember 1987 - VII ZR 374/86, BGHZ 102, 293, 300; vom 24. September 1980 - VIII ZR 273/79, NJW 1981, 117, 118; vom 9. Februar 1990 - V ZR 200/88, BGHZ 110, 241 unter II 2). Indessen ist eine solche Klausel gleichwohl unwirksam, wenn ein schützenswertes Interesse des Verwenders an einem Abtretungsausschluss nicht besteht oder die berechtigten Belange des Kunden an der Abtretbarkeit vertraglicher Forderungen das entgegenstehende Interesse des Verwenders überwiegen (vgl. BGH, Urteile vom 8. Dezember 1975 - II ZR 64/74, BGHZ 65, 364, 366 unter 1; vom 9. November 1981 - II ZR 197/80, BGHZ 82, 162, 171 unter III 6; vom 15. Juni 1989 - VII ZR 205/88, BGHZ 108, 52 unter I 1; vom 9. Februar 1990, aaO unter II 2 a).
10
Für das Abwägen dieser einander gegenüberstehenden Interessen sind ein generalisierender, überindividueller Prüfungsmaßstab und eine typisierende Betrachtungsweise zugrunde zu legen; auf die speziellen Umstände des Einzel- falls kommt es insoweit nicht an, sondern darauf, wie die Klausel unter Berücksichtigung aller nicht fernliegender Fallgestaltungen verwendet werden kann (vgl. BGH, Urteile vom 9. Mai 1996 - VII ZR 259/94, BGHZ 132, 383 unter III 2 b cc mwN; vom 21. Februar 2001 - IV ZR 11/00, NJW 2001, 3406 unter 3 b cc; Erman/Roloff, BGB, 13. Aufl., § 307 Rn. 5).
11
b) Im Streitfall sind die Interessen der Beklagten für einen Abtretungsausschluss nur von geringem Gewicht.
12
aa) Der Abtretungsausschluss betrifft Ansprüche, die auf Leistungsstörungen beruhen. Die Hauptleistungspflichten der Beklagten werden von ihm nicht erfasst. Deren Übertragung wäre auch wegen § 651b BGB im Ergebnis nur unter bestimmten Bedingungen zu verhindern. Das Interesse an einer übersichtlichen Vertragsabwicklung und der Vorteil, mit einem Abtretungsausschluss eine Vielzahl von gegebenenfalls mehrfach wechselnden Gläubigern verhindern zu können, wirkt sich jedoch in erster Linie bei der Erfüllung der Hauptleistungspflichten aus, weil der Reiseveranstalter diese eigenverantwortlich organisieren muss und ein Wechsel in der Person des Gläubigers die organisatorischen Anstrengungen belastet.
13
Hingegen unterliegt die Erfüllung von Ansprüchen, die wie im Streitfall auf Leistungsstörungen beruhen, nicht einem vorgegebenen Zeitplan; die Ansprüche werden regelmäßig auch nicht in Gegenwart des Gläubigers erbracht. Die Person des Gläubigers gewinnt typischerweise nur für den Adressaten der anlässlich dieser Ansprüche zu führenden Korrespondenz und das für eine Zahlung zu wählende Konto eine Bedeutung. Ein höherer Aufwand ist damit für die Beklagte kaum festzustellen.
14
bb) Allerdings kann die Beklagte mit einem Abtretungsausschluss vermeiden , dass der Reisende, für dessen Person Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden, in einem Rechtsstreit hierüber als Zeuge aussagen kann (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2004 - IV ZR 113/03, NJW-RR 2004, 1100 unter II 2 b). Ohne eine Abtretung kann der Reisende die Durchsetzung solcher Ansprüche nur als Kläger verfolgen, womit er hinsichtlich des Beweises eigener Wahrnehmung nur im Wege der Parteianhörung und der Parteivernehmung gehört werden kann. Diese Einschränkung wirkt sich aber bei Fehlen anderer Beweismittel größtenteils nur formal aus. Im Prozess ist das Gericht gehalten, die Partei jedenfalls gemäß § 141 ZPO anzuhören, deren Glaubwürdigkeit und die Glaubhaftigkeit ihrer Bekundungen gemäß § 286 Abs. 1 ZPO zu würdigen und gegebenenfalls die Partei von Amts wegen gemäß § 448 ZPO zu vernehmen (vgl. BGH, Urteile vom 16. Juli 1998 - I ZR 32/96, NJW 1999, 363, 364 unter II 2 b bb; vom 22. Mai 2001 - VI ZR 268/00, NJW-RR 2001, 1431, 1432 unter II 1 a; vom 27. September 2005 - XI ZR 216/04, NJW-RR 2006, 61, 63 unter II 3 b; vom 9. Juni 2011 - IX ZR 75/10, NJW 2011, 2889 Rn. 19). Der prozessuale Vorteil für die Beklagte, mit dem Abtretungsausschluss eine Zeugenstellung des Reisenden verhindern zu können, dem zugleich ein prozessualer Nachteil auf Seiten des Reisenden entspricht, hat deshalb bei Beachtung der vorgenannten Grundsätze nur einen geringfügigen Einfluss auf den Verlauf des Prozesses und sollte keinen entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis eines Rechtsstreits haben.
15
cc) Für die von der Beklagten geltend gemachte Gefahr, der ursprüngliche Gläubiger könne durch eine Abtretung einen mittellosen Zessionar vorschieben , gegen den im Falle einer Klageabweisung Prozesskostenerstattungsansprüche nicht wirksam vollstreckt werden könnten, sieht der Senat nur eine geringe praktische Relevanz.
16
c) Dem gegenüber sind Interessen zugunsten des Reisenden zu erkennen , die einem Abtretungsausschluss entgegenstehen.
17
aa) Allerdings ergeben sich diese Interessen nicht aus Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der rechtzeitigen Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen , um der Ausschlussfrist gemäß § 651g Abs. 1 BGB gerecht werden zu können (aA OLG Köln, RRa 2009, 18 unter II 2). Bei Familien- oder Gruppenreisen kann es zwar vorkommen, dass sich nach der Reise nur eine Person um die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten kümmert und diese dabei nicht bedenkt, welche Ansprüche welchem Reisenden rechtlich zustehen und inwieweit danach eine Vollmacht erforderlich wäre. Ein solches Übersehen führt indessen kaum dazu, dass stattdessen ein Abtretungsvertrag über die Ansprüche geschlossen wird. Ein Abtretungsvertrag ist auch im Nachhinein nicht erforderlich, um eine Anspruchsanmeldung im Sinne des § 651g Abs. 1 BGB auf alle betroffenen Reisenden zu erstrecken. Hierfür reicht es in der Regel aus, die fremde Ansprüche betreffende Anspruchsanmeldung, für die als geschäftsähnliche Handlung die Regeln der Stellvertretung Anwendung finden , nachträglich zu genehmigen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 - Xa ZR 124/09, NJW 2010, 2950 Rn. 17 ff.).
18
bb) Indessen kann für die von den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten angesprochenen Verkehrskreise das Bedürfnis entstehen, die aus dem Reisevertrag resultierenden Gewährleistungsansprüche an den Mitreisenden abtreten zu können, dem sie wirtschaftlich zustehen.
19
Für Reisebuchungen, die mehrere als Gruppe oder als Familie zusammen reisende Personen betreffen, hat die Rechtsprechung und Literatur verschiedene Grundsätze entwickelt, den jeweiligen Vertragspartner des Reiseveranstalters zu bestimmen, der zur Zahlung des Reisepreises verpflichtet und zur Geltendmachung von Minderungsansprüchen sowie zur Erklärung einer Kündigung berechtigt ist (s. dazu OLG Düsseldorf, NJW 1988, 636 f. unter II 1; OLG Hamburg, RRa 1996, 132; OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 2004, 1285 unter II 2.2; Führich, Reiserecht, 6. Aufl., § 5 Rn. 117 f.; Staudinger/Staudinger, BGB, Bearb. 2011, § 651a Rn. 85 bis 86; MünchKomm-BGB/Tonner, 5. Aufl., § 651a Rn. 84 bis 89). Mit diesen Grundsätzen wird versucht, diejenige Person der Reisegruppe als Vertragspartner des Reiseveranstalters zu bestimmen, die wirtschaftlich innerhalb der Gruppe für den Reisepreis letzten Endes aufzukommen hat. Gleichwohl kann dieses Ziel in einer nicht unerheblichen Zahl der Fälle nicht erreicht werden, weil der Buchende bei der Buchung die zur Über- nahme des Reisepreises unter den Reiseteilnehmern intern getroffenen Absprachen nicht offenbart.
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In diesen Fällen haben die Reiseteilnehmer im Falle von Minderungsansprüchen und Ansprüchen auf Rückzahlung des Reisepreises nach einer Kündigung das Interesse, diese Ansprüche untereinander an denjenigen abzutreten , der für die Zahlung des Reisepreises aufgekommen ist, weil diesem die Rückzahlungen am Ende auch zukommen sollen. Das Auseinanderfallen von vertraglich berechtigtem Anspruchsinhaber und wirtschaftlich an der Rückzahlung Berechtigten würde dazu führen, dass der Anspruchsinhaber einen Anspruch gegebenenfalls gerichtlich verfolgen und hierfür auch zunächst das Prozesskostenrisiko tragen müsste, obwohl ihm dieser Anspruch letzten Endes nicht zugute kommt. Dies widerspräche in erheblichem Maße einem interessengerechten Vorgehen für die Geltendmachung solcher Ansprüche.
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d) Infolgedessen ist angesichts des geringen Gewichts der Interessen des Reiseveranstalters an einem Ausschluss der Abtretung von Ansprüchen der Reisenden, die auf Leistungsstörungen beruhen, ein deutliches Übergewicht für die Interessen der Reisenden zu erkennen, die ihnen sich aus § 398 BGB bietende Möglichkeit einer Abtretung solcher Ansprüche wahrnehmen zu können. Die sich daraus ergebende unangemessene Benachteiligung der Kunden der Beklagten führt gemäß § 307 Abs. 1 BGB zur Unwirksamkeit des Abtretungsausschlusses.
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2. Ansprüche der Reisenden auf den Ersatz der Kosten für den in Eigenregie gebuchten Rückflug nach München sind auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht auszuschließen.
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a) Nach § 651c Abs. 3 BGB kann der Reisende den Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er erbringen musste, um einem Reisemangel selbst abzuhelfen, wenn er zuvor vom Reiseveranstalter erfolglos Abhilfe innerhalb einer angemessenen Frist verlangt hat. Der Fristsetzung bedarf es nicht, wenn die Abhilfe vom Reiseveranstalter verweigert wird oder die sofortige Abhilfe durch ein besonderes Interesse des Reisenden geboten ist (§ 651c Abs. 3 Satz 2 BGB). Gegebenenfalls kann auch das Abhilfeverlangen entbehrlich sein, wenn der Reiseveranstalter von vornherein unmissverständlich zu erkennen gibt, zur Abhilfe nicht bereit zu sein, wobei sich eine solche Verweigerung auch aus den Umständen ergeben kann, etwa wenn der Reiseveranstalter den Reisemangel bewusst begründet und ihn als unvermeidlich darstellt (vgl. AG Hamburg -Altona, RRa 2000, 182; MünchKomm-BGB/Tonner, aaO, § 651c Rn. 62). In diesen Fällen wäre ein Abhilfeverlangen eine unnötige Förmelei, an der kein vertraglich relevantes Interesse besteht.
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b) Gemäß § 651f Abs. 1 BGB kann der Reisende weiterhin Ersatz für den Schaden verlangen, der ihm dadurch entstanden ist, dass er dem Reisemangel selbst abgeholfen hat, es sei denn der Reiseveranstalter hat den Umstand , auf dem der Mangel beruht, nicht zu vertreten. Auch insoweit ist für einen Ersatz des Schadens grundsätzlich ein vorangegangenes Abhilfeverlangen erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 1984 - VII ZR 325/83, BGHZ 92, 177 unter I 2).
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Ist ein Schadensersatzanspruch gemäß § 651f Abs. 1 BGB dem Grunde nach gegeben, ist dieser als Schadensersatz wegen Nichterfüllung auf das positive Leistungsinteresse des Reisenden gerichtet. Der Reisende ist mithin so zu stellen, wie er stehen würde, wenn der Reiseveranstalter den Vertrag mangelfrei erfüllt hätte (vgl. zu § 281 BGB: BGH, Urteil vom 11. Februar 2009 - VIII ZR 328/07, JZ 2010, 44 Rn. 20). Der Ersatzanspruch umfasst insbesondere den Ersatz des Aufwandes aus einem Deckungsgeschäft, das im Sinne einer Selbstabhilfe zur Behebung eines Mangels darauf gerichtet ist, dem Gläubiger den geschuldeten Leistungserfolg doch noch zu verschaffen (vgl. zu § 635 BGB aF: BGH, Urteile vom 10. März 2005 - VII ZR 321/03, NJW-RR 2005, 1039 unter II 2 a mwN; zu § 326 BGB aF: vom 27. Mai 1998 - VIII ZR 362/96, NJW 1998, 2901 unter II 2 b). Damit sollen die Nachteile ausgeglichen werden, die dem Reisenden aus der mangelhaften Reiseleistung entstanden sind. Der Zweck dieses Anspruchs würde unterlaufen, wenn der Reiseveranstalter als Ausgleich für das mangelhafte Werk nur Ersatz der objektiven Minderung der Reiseleistung schuldete, auch wenn der Ersatz der Aufwendungen für eine Selbstabhilfe wesentlich höher ausfällt (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 2005, aaO Rn. 11, 13).
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c) Das Berufungsgericht hat einen Reisemangel auch unter Berücksichtigung der Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen, in den sich die Beklagte die kurzfristige Änderung der Flugzeiten und der Streckenführung vorbehalten hat, soweit dadurch der Gesamtzuschnitt der Reise nicht beeinträchtigt wird, bejaht. Angesichts des Umstands, dass die Abreisezeit um fast einen halben Tag und unter Berücksichtigung der für den Transfer notwendigen Zeit in die Nacht zum vorgesehenen Abreisetag vorverlegt wurde, lässt dies keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von der Revisionsbeklagten nicht angegriffen.
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d) Das Berufungsgericht hat weder Feststellungen dazu getroffen, ob die Klägerin und ihr Lebensgefährte zuvor Abhilfe verlangt und hierfür eine Frist gesetzt haben, noch ob eine solche Abhilfe verweigert oder ein entsprechendes Verlangen aus anderen Gründen entbehrlich war. Für die weitere revisionsrechtliche Prüfung ist dies zugunsten der Klägerin zu unterstellen.
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e) Davon ausgehend sind nicht nur die Voraussetzungen für einen Ersatzanspruch gemäß § 651c Abs. 3 BGB, sondern auch diejenigen für einen Anspruch auf Ersatz des materiellen Schadens gemäß § 651f Abs. 1 BGB dem Grunde nach erfüllt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts fehlt es für einen Schadensersatzanspruch gemäß § 651f Abs. 1 BGB nicht an einem Zurechnungszusammenhang zwischen dem Reisemangel und den Handlungen der Klägerin und ihres Lebensgefährten zum Abschluss des Deckungsgeschäfts.
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Der für den Schadensersatz notwendige Zurechnungszusammenhang setzt voraus, dass für solche Schäden, die mitursächlich auch auf einem Willensentschluss des Geschädigten beruhen, nach dem haftungsbegründenden Ereignis ein rechtfertigender Anlass bestand oder dieser Willensentschluss durch das haftungsbegründende Ereignis zumindest herausgefordert oder wesentlich mitbestimmt wurde und dieser Entschluss keine ungewöhnliche Reaktion darauf darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 2000 - X ZR 169/99, NJW 2001, 512 unter 2 d; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., vor § 249 Rn. 41; jeweils mwN). Der Zweck des Schadensersatzanspruchs, dem Reisenden nach Möglichkeit den beeinträchtigten Leistungserfolg doch noch zugute kommen zu lassen, begründet regelmäßig einen rechtfertigenden Anlass zum Abschluss eines Deckungsgeschäfts, das geeignet ist, den Reisemangel vollständig oder zumindest weitgehend zu beheben. Auf die Üblichkeit eines solchen Verhaltens kommt es hierfür nicht an. Insoweit bleibt es ohne Bedeutung, wie häufig Pauschalreisende versuchen, einen Mangel der hier vorliegenden Art durch eine Ersatzbuchung selbst zu beseitigen.
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3. Hingegen hat das Berufungsgericht die weiterhin geltend gemachten Ansprüche auf eine angemessene Entschädigung in Geld wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit (§ 651f Abs. 2 BGB) und die auf eine Kündigung des Reisevertrages gestützten Rückforderungsansprüche für den Reisepreis (§ 651e BGB) im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
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a) Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können solche Ansprüche allerdings nicht verneint werden.
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Sowohl eine Kündigung des Reisevertrags gemäß § 651e BGB als auch ein Entschädigungsanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit gemäß § 651f Abs. 2 BGB sind dem Reisenden eröffnet, wenn die Reise "erheblich beeinträchtigt" wird. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff ist für beide Vorschriften grundsätzlich einheitlich auszulegen (vgl. MünchKomm-BGB/Tonner, 5. Aufl., § 651f Rn. 51). Ob eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise vorliegt, unterliegt der tatrichterlichen Würdigung, die vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüft werden kann (vgl. BGH Urteil vom 20. September 1984 - VII ZR 325/83, BGHZ 92, 177 unter III). Die revisionsrechtliche Überprüfung bezieht sich dabei - abgesehen von hier nicht gerügten Verfahrensfehlern - darauf , ob der Tatrichter die dem Zweck und der Bedeutung des unbestimmten Rechtsbegriffs entsprechenden Wertungsmaßstäbe angewendet und deren Grenzen zutreffend erkannt sowie alle hierfür wesentlichen Tatsachen, Denkgesetze und Erfahrungssätze beachtet hat (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 546 Rn. 12; MünchKomm-ZPO/Wenzel, 3. Aufl., § 546 Rn. 14; Musielak/Ball, ZPO, 9. Aufl., § 546 Rn. 12).
33
Das Berufungsgericht hat im Streitfall die Grenzen der tatrichterlichen Würdigung überschritten, indem es die Erheblichkeit des Reisemangels insbesondere mit der Erwägung verneint hat, der Preis der Reise sei besonders niedrig gewesen.
34
Ein hoher Reisepreis kann zwar neben anderen Aspekten einen erhöhten Qualitätsstandard für die Reiseleistung begründen und damit die Schwelle für das Vorliegen eines Mangels senken. Damit kann der Reisepreis Einfluss darauf haben, ob ein Reisemangel vorliegt und als ein Kriterium für die Grenze zwischen Mangelfreiheit und der Bejahung eines Reisemangels wirken. Für die Wertung der Erheblichkeit eines Reisemangels im Sinne der §§ 651e, 651f Abs. 2 BGB kommt es aber auf diese Grenze auch nicht in dem Sinne an, welchen Abstand der festgestellte Mangel zu dieser Grenze hat. Für diese Wertung bildet der Reisepreis deshalb keinen Maßstab und hat dieser darauf keinen Einfluss. Vielmehr ist für die Erheblichkeit der Beeinträchtigung darauf abzustellen, welchen Anteil der Mangel in Relation zur gesamten Reiseleistung hat, sowie darauf, wie gravierend sich der Mangel für den Reisenden ausgewirkt hat. Dabei ist das Maß, mit dem ein Mangel die Reise beeinträchtigt, aufgrund einer an Zweck und konkreter Ausgestaltung der Reise sowie Art und Dauer der Beeinträchtigung orientierten Gesamtwürdigung zu beurteilen (BGH Urteil vom 7. Oktober 2008 - X ZR 37/08, NJW 2009, 287 Rn. 15). Die Auswirkungen eines den Mangel begründenden Ereignisses können insoweit im Einzelfall auch den Erholungswert der Reise in der davor liegenden Zeit beeinträchtigen (vgl. BGH Urteil vom 15. Juli 2008 - X ZR 93/07, BGHZ 177, 249 unter I 2 b). Ein Reise- mangel verliert indessen nicht an Gewicht und wird auch nicht erträglicher, wenn der Preis der Reise besonders gering war.
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b) Die Abweisung der auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise gestützten Ansprüche erweist sich jedoch im Ergebnis als zutreffend.
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Die geltend gemachte erhebliche Beeinträchtigung der Reise wird von der Klägerin in der Vorverlegung des Rückflugs in die frühen Morgenstunden des 1. Juni 2009 gesehen. Den darin zugleich liegenden Mangel der Reise haben die Reisenden jedoch dadurch beseitigt, dass sie den von der Beklagten angebotenen Rückflug nicht genutzt haben, sondern im Wege der Selbstabhilfe einen anderen Rückflug zu der ursprünglich vorgesehenen Zeit angetreten haben. Für eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise ist hiernach kein Raum.
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4. Soweit das Berufungsgericht die Abweisung des Anspruchs auf Er- stattung von Telefonkosten in Höhe von 46 € mit der Begründung bestätigt hat, es fehle insoweit an einem Berufungsangriff, ist auch die Revision nicht begründet worden. Das Berufungsurteil hat daher auch insoweit Bestand.
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III. Im Übrigen ist das Berufungsurteil aufzuheben, und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das die erforderlichen Feststellungen zum Vorliegen eines Abhilfeverlangens nebst Fristsetzung oder deren Entbehrlichkeit sowie gegebenenfalls zu den den Reisenden durch die Selbstabhilfe entstandenen Aufwendungen zu treffen haben wird, die in Höhe von 504,52 € geltend gemacht wurden. Da die Beklagte den Reisenden vorprozessual bereits 42,16 € gezahlt und das Amtsgericht der Klägerin weitere 25 € zuerkannt hat, ist insoweit noch über einen Klagebetrag von 437,36 € zu entscheiden. Meier-Beck Keukenschrijver Mühlens Grabinski Hoffmann
Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 30.09.2010 - 232 C 6893/10 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 20.05.2011 - 22 S 262/10 -