Landgericht München I Endurteil, 27. Okt. 2015 - 13 S 5113/15

published on 27/10/2015 00:00
Landgericht München I Endurteil, 27. Okt. 2015 - 13 S 5113/15
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Tenor

I.

Das Endurteil des Amtsgerichts München vom 20.02.2015, 281 C 9715/14, wird abgeändert:

Die Beklagte hat an die Klägerin € 2.099,50 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.12.2013 zu zahlen.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

1. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Endurteil des Amtsgerichts München wird Bezug genommen.

2. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin den Klageanspruch weiter, die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung erweist sich in der Sache als begründet.

1. Entgegen der Grundregel des § 651 i Abs. 2 S. 2 BGB kann hier der beklagte Reiseveranstalter die geltend gemachte Entschädigung nicht fordern.

Denn dieser Anspruch entfällt, wenn der Veranstalter den Rücktritt in einer den Vertrag gefährdenden Weise herbeigeführt hat (Palandt/Sprau BGB 74. Auflage, § 651 i RdNr. 2 m. w. N.).

Selbst wenn man dieser Auffassung nicht folgen sollte, bestünde ein Anspruch der Klägerin (bzw. des Zedenten) in Höhe des mit den geforderten Stornokosten verrechneten Reisepreises. Die Beklagte hat das Recht der Klägerin und des Zedenten aus § 651 b Abs. 1 S. 1 BGB verletzt. Die vertraglichen Aufwendungen in Form des Reisepreises wurden in Vertrauen auf den Erhalt der Leistung (hier auch durch den Dritten gemäß § 651 b Abs. 1 S. 1 BGB) gemacht. Insoweit können die Aufwendungen für den Erwerb der Reiseleistung gemäß § 284 BGB ersetzt verlangt werden.

2. Durch das Anfordern eines Betrages von zusätzlich € 1.648,00 je Reisenden für die Neubuchung eines Fluges im Rahmen der begehrten Vertragsübertragung hat die Beklagte in vertragsgefährdender Weise ihre Verpflichtungen aus dem Reisevertrag in Verbindung mit § 651 b BGB verletzt.

a. Der Reiseveranstalter kann nur solche Mehrkosten verlangen, die erforderlich sind zur Übertragung der gebuchten Reise auf einen Ersatzreisenden. Das heißt, kausal sind nur Kosten der Übertragung selbst. Nicht verlangt werden können Kosten, die wegen des Ertragsmanagements der Luftfahrtunternehmen anfallen. Derartige Preisgestaltungen dürfen jedenfalls nicht dazu führen, dass eine Übertragung auf den Ersatzreisenden nur durch einen unangemessenen hohen Preis für einen neuen Flugschein möglich ist (Führich, Reiserecht, 7. Auflage, § 6 RdNr. 14 m. w. N.).

Diese Fallgestaltung liegt hier indes vor. Jedenfalls nach ihren eigenen Angaben gegenüber den Reisenden hat die Beklagte einen Linienflug gebucht, der nicht auf eine andere Person übertragbar war. Durch die damit erforderlich gewordene kurzfristige Neubuchung nach dem Übertragungsbegehren sind hier Mehrkosten gefordert worden, die den ursprünglichen Reisepreis für Flug und Unterbringung überschreiten.

Dabei ergeben sich die geforderten Preisveränderungen nicht aus dem mit dem Eintritt des Dritten verbundenen objektiven Gegebenheiten, sondern aus der jeweiligen Vertragsgestaltung der Beklagten mit ihren Leistungsträgern. Die Mehrkostenerstattungspflicht des § 651 b Abs. 2 BGB ist aber an objektiven Kostenkriterien bzw. an der objektiv nachvollziehbaren Kausalität zwischen Vertragsübertragung und Mehrkosten zu orientieren. Sie stehen damit nicht im Zusammenhang mit der jeweiligen individuellen Vertragsgestaltung des Reiseveranstalters mit seinen Leistungsträgern, zumal nicht vorgetragen wird, dass eine andere Regelung der Rechtsbeziehungen mit dem Leistungserbringer aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich wäre.

b. Zudem handelt es sich beim Anspruch aus § 651 b Abs. 2 BGB um einen Aufwendungsersatzanspruch im Sinne von § 670 BGB. Danach erstreckt sich die Ersatzpflicht nur auf die erforderlichen Aufwendungen. Erfasst werden insoweit Aufwendungen, die nach dem verständigen Ermessen des Beauftragten zur Verfolgung des Vertragszwecks geeignet sind, notwendig erscheinen und in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung und der Geschäftsführung für den Auftraggeber stehen, wobei sich hier der Beauftragte an den Interessen des Auftraggebers zu orientieren hat. Fallen im Rahmen einer Vertragsübernahme allein für die Neubuchung der Beförderung deutlich höhere Kosten als der bisherige Gesamtreisepreis an, sind derartige Kosten nicht als erforderlich anzusehen.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708, 713 ZPO.

3. Die Revision war sowohl zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung als auch zur Fortbildung des Rechts zuzulassen.

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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.

Annotations

Anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung kann der Gläubiger Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht hat und billigerweise machen durfte, es sei denn, deren Zweck wäre auch ohne die Pflichtverletzung des Schuldners nicht erreicht worden.

Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

Die in den §§ 711, 712 zugunsten des Schuldners zugelassenen Anordnungen sollen nicht ergehen, wenn die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen.