Landgericht Kiel Beschluss, 20. Juli 2009 - 46 Qs 64/09

Gericht
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Angeschuldigten trägt die Landeskasse.
Gründe
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Die zulässige Beschwerde ist begründet.
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Voraussetzung für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gem. § 111 a StPO ist das Vorliegen dringender Gründe für die Annahme, dass der Angeschuldigten die Fahrerlaubnis gem. § 69 StGB im anschließenden Hauptverfahren entzogen werden wird. Schon daran fehlt es hier. Zwar hat die Angeschuldigte in einem Telefonat mit der Polizei noch am 28.03.2009 und in ihrer verantwortlichen Vernehmung am 30.03.2009 zugestanden, das von ihr gehaltene Fahrzeug der Marke Audi mit dem Kennzeichen am Tattag zur Tatzeit gefahren, damit an insgesamt drei in der ...str. abgestellten Fahrzeugen erhebliche Streifschäden verursacht und den Unfallort, ohne die entsprechenden Feststellungen zu ermöglichen, verlassen und damit eine Verkehrsunfallflucht begangen zu haben.
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An der Richtigkeit dieses Geständnisses bestehen jedoch nach Aktenlage erhebliche Zweifel. So sind wenige Minuten vor dem Unfall an der Tankstelle in der ... Straße lediglich zwei Männer beobachtet worden, die mit dem genannten Fahrzeug vorfuhren und dort u. a. Alkoholika erwarben. Der Ehemann der Angeschuldigten ist dabei von Zeugen als derjenige benannt worden, der das Fahrzeug geführt haben soll. Eine Frau ist weder als Fahrzeugführerin, noch als Beifahrerin beobachtet worden. Mit Rücksicht auf diese Umstände sind dringende Gründe für eine Täterschaft der Angeschuldigten gegenwärtig nicht erkennbar.
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Es ist weiter zu berücksichtigen, dass der Antrag auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis hier erst am 09.06.2009 und damit zu spät gestellt worden ist. Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist eine eilige vorbeugende Maßnahme zum Schutz der Allgemeinheit. Ein dringend Tatverdächtiger soll unmittelbar nach der Tat an der Teilnahme am Straßenverkehr gehindert werden. Je länger der Zeitraum ist, der ab dem Anlaß gebenden Ereignis ohne Antrag verstreicht, desto eher kann die endgültige Entscheidung abgewartet werden, vorausgesetzt, er macht sich in der Zwischenzeit keiner weiteren Verfehlungen verdächtig.
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So liegen die Dinge hier. Erste Anzeichen für eine möglich Täterschaft der Angeschuldigten ergaben sich bereits durch ihren Anruf am 28.03.2009, spätestens jedoch durch ihre Aussage am 30.03.2009. Rechnet man noch einige Tage, maximal eine Woche zur Klärung der Frage hinzu, ob der weitere Verdächtige, der Ehemann, über eine Fahrerlaubnis verfügte, so war spätestens gegen Ende der ersten Aprilwoche Klarheit über die weitere Vorgehensweise geschaffen. Es erschließt sich daher nicht, aus welchen Gründen hier der Antrag gem. § 111 a StPO erst am 09.06.2009 und damit ca. 2 Monate später gestellt wurde. Das Abwarten der konkreten Schadensermittlung an den beteiligten Fahrzeugen kann diesen Zeitverzug nicht rechtfertigen. Denn das an der Unfallstelle auf Lichtbildern festgehaltene Schadensbild an den drei PKW zeigt auch ohne genaue Berechnung der jeweiligen Schäden durch Sachverständige auf den ersten Blick, dass ein erheblicher, jedenfalls weit über 1.500 Euro liegender Gesamtschaden gegeben war.

Annotations
(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.
(2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen
- 1.
der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c), - 1a.
des verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d), - 2.
der Trunkenheit im Verkehr (§ 316), - 3.
des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder - 4.
des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht,
(3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Ein von einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein wird im Urteil eingezogen.