Landgericht Kiel Beschluss, 27. Juli 2009 - 18 O 68/09

ECLI:ECLI:DE:LGKIEL:2009:0727.18O68.09.0A
27.07.2009

Tenor

Dem Beklagten wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt, soweit er sich gegen die Klage in Höhe von 5.619,12 Euro nebst Zinsen verteidigt.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Zur Wahrung seiner Rechte wird ihm Rechtsanwalt ... beigeordnet.

Gründe

1

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Zahlung von Miete und Schadensersatz aus einem als solchem bezeichneten Mietvertrag.

2

Die Parteien schlossen zum 01.11.2006 einen Vertrag über die Anmietung eines Kopiergerätes Marke "Xerox Work Centre 7132V_TX" mit einer Laufzeit von 60 Monaten. Gemäß dem Vertrag beträgt die Monatsmiete 225,00 Euro zzgl. Mehrwertsteuer und ist quartalsweise jeweils am ersten Tag eines Kalendervierteljahres im Voraus zu entrichten. In Nr. 11 der Vertragsbedingungen sind der Vermieterin verschiedene außerordentliche Kündigungsrechte eingeräumt. Nach Nr. 11 III der Vertragsbedingungen kann der Vermieter u.a. dann kündigen, wenn der Mieter für zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Zahlung der fälligen Mieten oder eines nicht unerheblichen Teils hiervon länger als einen Monat in Verzug gerät, wenn dieser für einen Fälligkeitszeitraum, der einen Monat überschreitet, mit der Zahlung der fälligen Mieten oder eines nicht unerheblichen Teiles hiervon länger als einen Monat in Verzug ist, wenn dieser für einen Zeitraum, der sich über mehr als zwei Fälligkeitstermine erstreckt, mit der Zahlung eines Betrages in Höhe von zwei Mieten in Verzug gerät oder wenn in dessen Vermögensverhältnissen eine wesentliche Verschlechterung eintritt oder einzutreten droht, durch welche die Erfüllung des Vertrages auch unter Verwertung der Sicherheit gefährdet wird. Wegen des weiteren Inhalts der Vertragsbedingungen wird auf Bl. 17 d. A. Bezug genommen.

3

Der Beklagte entrichtete die Miete bis zum ersten Quartal 2008 einschließlich; seit dem zweiten Quartal 2008 erfolgten keine weiteren Mietzahlungen. Mit Schreiben vom 17.04.2008 erklärte die Klägerin die Kündigung des Vertrages.

4

Zwischen dem 17.04.2008 und dem 30.06.2008 holte sie das Gerät bei der Firma……. ab, wo der Beklagte dieses untergestellt hatte und verkaufte es zu einem Preis von 1.250,00 Euro.

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Die Klägerin beantragt,

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den Beklagten zu verurteilen, an sie Euro 6.277,79 nebst Zinsen in Höhe von 5% Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.09.2008 zu verurteilen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen und ihm Prozesskostenhilfe zu gewähren.

9

Der Beklagte behauptet, die Klägerin habe das Kopiergerät gegen seinen Willen aus den Räumen der Firma ... entfernt und damit die vertraglich vereinbarte Nutzung vereitelt. Er behauptet ferner, die Klägerin habe beim Verkauf des Kopiergerätes nicht den bestmöglichen Verwertungserlös erzielt, weil das Gerät mindestens einen Wert von 5.000 Euro aufweise.

10

Hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs in Höhe von 658,67 Euro auf Miete für den Zeitraum 01.04. bis 30.06.2008 bietet die beabsichtigte Rechtsverteidigung keine Aussicht auf Erfolg.

11

Insofern steht der Klägerin der Anspruch aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag zu. Nach diesem war der Beklagte verpflichtet, an die Klägerin eine monatliche Miete in Höhe von 225,00 Euro zzgl. Umsatzsteuer quartalsweise im Voraus zu entrichten.

12

Der Mietzinsanspruch ist auch nicht durch die von der Klägerin mit Schreiben vom 17.04.2008 erklärte Kündigung erloschen. Der Klägerin stand zu diesem Zeitpunkt kein Kündigungsrecht zu. Insbesondere haben die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung nach Nr. 11 III a)-c) der Vertragsbedingungen nicht vorgelegen. Diese haben auch zum Zeitpunkt der Wegnahme des Mietobjekts, jedenfalls wenn man davon ausgeht, dass diese noch im April 2008 erfolgt ist, noch nicht vorgelegen, so dass eine wirksame Kündigung auch nicht konkludent gem. Nr. 11 IV der Vertragsbedingungen erklärt worden ist. Etwas Gegenteiliges wurde von der Klägerin nicht vorgetragen. Die Voraussetzungen von Nr. 11 III a) der Vertragsbedingungen, wonach der Vermieter den Vertrag kündigen kann, wenn der Mieter für zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Zahlung der fälligen Mieten in Verzug gerät, haben zum Zeitpunkt der Kündigung nicht vorgelegen. Das in Nr. 11 III a) der Vertragsbedingungen enthaltene und fast wortgleich in § 543 III a) BGB zu findende außerordentliche Kündigungsrecht des Vermieters greift im Falle der vierteljährlichen Entrichtung der Miete erst dann ein, wenn der Mieter für zwei aufeinanderfolgende Quartale mit der Entrichtung der Miete in Verzug ist.

13

Nr. 11 III a) der Vertragsbedingungen und § 543 III a) BGB stellen ihrem Wortlaut nach gerade nicht auf zwei Monate ab, sondern sprechen von zwei Terminen; die Anzahl der an einem Termin zu entrichtenden Monatsmieten ist für die Entstehung des außerordentlichen Kündigungsrechts nicht entscheidend. Andernfalls würde im Falle der quartalsweisen Entrichtung der Miete dem Vermieter immer bereits dann ein außerordentliches Kündigungsrecht zustehen, wenn sich der Miete erstmalig in Verzug befindet. Der Beklagte hat sich mit der Zahlung der fälligen Miete zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung lediglich hinsichtlich eines Termins, nämlich hinsichtlich des zweiten Quartals 2008, in Verzug befunden.

14

Aus dem gleichen Grund stand der Klägerin auch kein Kündigungsrecht nach Nr. 11 III c) der Vertragsbedingungen zu, der für eine außerordentliche Kündigung voraussetzt, dass der Mieter für einen Zeitraum, der sich über mehr als zwei Fälligkeitstermine erstreckt, mit der Zahlung eines Betrages in Höhe von zwei Mieten in Verzug gerät.

15

Schließlich konnte die Klägerin ihre Kündigung auch nicht auf Nr. 11 III b) der Vertragsbedingungen stützen, wonach der Vermieter den Vertrag kündigen kann, wenn der Mieter für einen Fälligkeitszeitraum, der einen Monat überschreitet, mit der Zahlung der fälligen Mieten länger als einen Monat in Verzug ist. Zum Zeitpunkt des Kündigungsschreibens am 17.04.2008 befand sich der Beklagte hinsichtlich des zum 01.04.2008 zu zahlenden Mietzinses noch nicht länger als einen Monat in Verzug.

16

Die Klägerin konnte ihre Kündigung auch nicht auf Nr. 11 III g) der Vertragsbedingungen stützen, weil diese Klausel gem. § 307 I, II Nr. 1 BGB unwirksam ist. Nach § 307 I 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine solche unangemessene Benachteiligung ist nach § 307 II Nr. 1 BGB anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. So liegt es hier. Die Regelung der Nr. 11 III g) der Vertragsbedingungen widerspricht dem gesetzlichen Leitbild des Mietvertrages. Nach den für die Miete geltenden Vorschriften setzt ein Recht zur fristlosen Kündigung stets voraus, dass besondere Umstände vorliegen, die so erheblich sind, dass dem Kündigenden nicht mehr zuzumuten ist, am Vertrag festzuhalten. Nur in diesen Fällen überwiegt das Interesse des Kündigenden das Vertrauen der Gegenseite auf den Bestand des Vertrages (BGH NJW 1991, 102). Eine in allgemeinen Geschäftsbedingungen erfolgte Festlegung von Kündigungsgründen, die noch innerhalb der Zumutbarkeitsgrenze liegen, ist mit dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar (BGH NJW 1991, 102).

17

Nr. 11 III g) der Vertragsbedingungen genügt diesen Anforderungen nicht, soweit der Klägerin ein Recht zur fristlosen Kündigung schon dann zustehen soll, wenn eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Mieters bloß einzutreten droht. Eine nachhaltige Beeinträchtigung der Belange des Vermieters, die es für ihn unzumutbar macht, an dem Vertrag festzuhalten, wird in Rechtsprechung und Literatur erst dann angenommen, wenn sich eine Gefährdung seiner Ansprüche aus objektiven Umständen wie Maßnahmen der Zwangsvollstreckung oder Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ergibt (BGH NJW 1991, 102; OLG Dresden ZMR 2000, 375; Schmidt in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 10. Aufl. 2006, Anh. § 310 BGB, Rz. 547; Stoffels in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 5. Aufl. 2009, Leasingverträge, L 166). Die in Nr. 11 III g) der Vertragsbedingungen enthaltene Formulierung "einzutreten droht" ist hingegen so zu verstehen, dass die Klägerin die Kündigung schon bei der bloßen Befürchtung einer Vermögensverschlechterung bei dem Beklagten erklären kann; dass sich die Vermögensverschlechterung bereits tatsächlich äußerlich dokumentiert haben muss, setzt Nr. 11 III g) gerade nicht voraus. Damit wird das Kündigungsrecht der Klägerin auf einen Zeitpunkt vorverschoben, zu dem die Leistungsfähigkeit des Mieters und damit auch die Erfüllung des Vertrages durch diesen lediglich potentiell und nicht bereits tatsächlich gefährdet ist.

18

Dass ein solch vorverschobenes Kündigungsrecht im Hinblick auf die im Rahmen der Miete bestehende Leistungstreue nicht hinnehmbar ist, verdeutlicht insbesondere auch § 321 BGB, der ebenfalls an die mangelnde Leistungsfähigkeit eines Vertragsteils anknüpft. Nach § 321 BGB kann der Gläubiger zwar bei einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Schuldners die ihm obliegende Leistung so lange verweigern, bis die Gegenleistung bewirkt oder Sicherheit hierfür geleistet wird. Hier wird aber ebenfalls vorausgesetzt, dass sich die Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Schuldners bereits äußerlich dokumentiert hat (OLG Hamm NJW-RR 1986, 927).

19

Ob die Formulierung in Nr. 11 III g) der Vertragsbedingungen auch einer anderen Auslegung zugänglich ist, wonach die dort geschilderten Rechte dem Vermieter nur bei einer äußerlichen Dokumentation der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Mieters zustehen, kann hier dahinstehen, weil gem. § 305c II BGB Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders, hier der Klägerin, gehen. Die Klausel ist auch insoweit unwirksam, als das Kündigungsrecht von einer tatsächlich eingetretenen wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Mieters abhängig gemacht wird, denn wenn der Inhalt einer Allgemeinen Geschäftsbedingung teilweise gegen die §§ 307 ff. BGB verstößt, ist die Klausel grundsätzlich im Ganzen unwirksam.

20

Dem Anspruch der Klägerin steht auch nicht die von dem Beklagten erhobene Einrede des nicht erfüllten Vertrages gem. § 320 I 1 BGB entgegen. Nach dieser Vorschrift kann, wer aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet ist, die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern, es sei denn, dass er vorzuleisten verpflichtet ist. Zwar kann in dem Vorbringen des Beklagten, die Klägerin habe durch die Entfernung des Kopiergerätes die vertraglich vereinbarte Nutzung durch ihn vereitelt, die Geltendmachung des Leistungsverweigerungsrechts aus § 320 I 1 BGB gesehen werden. Dessen Geltendmachung ist aber bei Vorliegen des eigenen Verzugs ausgeschlossen (BGH NJW-RR 1995, 564; Grüneberg in: Palandt, 68. Aufl. 2009, § 320 BGB, Rz. 6). Der Beklagte befand sich hier gem. § 286 I 1, II Nr. 1 BGB mit der Mietzinszahlung für den Zeitraum 01.04.2008 bis 30.06.2008 in Verzug.


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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 321 Unsicherheitseinrede


(1) Wer aus einem gegenseitigen Vertrag vorzuleisten verpflichtet ist, kann die ihm obliegende Leistung verweigern, wenn nach Abschluss des Vertrags erkennbar wird, dass sein Anspruch auf die Gegenleistung durch mangelnde Leistungsfähigkeit des ander

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(1) Wer aus einem gegenseitigen Vertrag vorzuleisten verpflichtet ist, kann die ihm obliegende Leistung verweigern, wenn nach Abschluss des Vertrags erkennbar wird, dass sein Anspruch auf die Gegenleistung durch mangelnde Leistungsfähigkeit des anderen Teils gefährdet wird. Das Leistungsverweigerungsrecht entfällt, wenn die Gegenleistung bewirkt oder Sicherheit für sie geleistet wird.

(2) Der Vorleistungspflichtige kann eine angemessene Frist bestimmen, in welcher der andere Teil Zug um Zug gegen die Leistung nach seiner Wahl die Gegenleistung zu bewirken oder Sicherheit zu leisten hat. Nach erfolglosem Ablauf der Frist kann der Vorleistungspflichtige vom Vertrag zurücktreten. § 323 findet entsprechende Anwendung.