Landgericht Kempten (Allgäu) Beschluss, 14. Okt. 2015 - 43 T 713/15
vorgehend
nachgehend
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Kempten
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beschwerdeführerin.
3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt EUR 700,00.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 23.02.2015
Im Hinblick auf die Streitfrage, wem der Kautionsrückzahlungsanspruch nach der Enthaftungserklärung zuzuordnen ist, hat das Amtsgericht im Beschluss über die Nichtabhilfe vom 08.05.2015 ausführlich dargelegt, dass der Anspruch auf Rückzahlung der Mietkaution trotz Enthaftungserklärung massezugehörig bleibt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die genannten Beschlüsse (Blatt 129 f., Blatt 152-157 d. A.) Bezug genommen.
Nachdem das Amtsgericht der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde der Schuldnerin vom
2. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung der Sach- und Rechtslage entspricht. Zur Begründung und zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird zunächst auf den zutreffenden Inhalt des ausführlich begründeten amtsgerichtlichen Beschlusses über die Nichtabhilfe vom 08.05.2015 Bezug genommen.
Die Frage der Auswirkung der Enthaftungserklärung des Verwalters zur Mietwohnung des Schuldners nach § 109 Abs. 1 S. 2 InsO auf die Massezugehörigkeit des Rückzahlungsanspruchs der Mietkaution ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Sie wurde vom BGH - zuletzt in der Entscheidung vom 09.10.2014 - IX ZA 20/14
Allerdings wird in dieser Entscheidung ausgeführt, dass der Gesetzgeber offensichtlich davon ausgegangen ist, dass die Mietkaution (bzw. der bedingte Rückgewähranspruch) in die Masse fällt (so auch in der Entscheidung vom 22.05.2014 - IX ZR 136/13
Mit der Enthaftungserklärung gem. § 109 Abs. 1 S. 2 InsO wollte der Gesetzgeber verhindern, dass das private Mietverhältnis des Schuldners vom Verwalter gekündigt wird, um die Kaution zur Masse zu ziehen. Da das Mietverhältnis nicht beendet wird, ist der Rückzahlungsanspruch nicht fällig und kann vom Verwalter nicht zur Masse gezogen werden, solange das Mietverhältnis besteht (Bundestagsdrucksache 14/5680, Seite 27 zu Nr. 11).
Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass der Anspruch vom Insolvenzverwalter nach Beendigung des Mietverhältnisses geltend gemacht werden kann. Dafür spricht auch, dass dem Mieter mit Leistung der Mietkaution ein Anwartschaftsrecht zusteht am Anspruch auf Rückzahlung der Mietkaution. Dieser Rückzahlungsanspruch steht unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Mietvertrag endet und der Vermieter die Mietsicherheit nicht oder nicht vollständig verbraucht. Dieses Anwartschaftsrecht ist pfändbar und damit grundsätzlich Teil der Insolvenzmasse gem. § 35 InsO.
Auch wenn man die Enthaftungserklärung mit der Freigabe gem. § 35 Abs. 2 S. 1 InsO vergleicht, führt dies zu keinem anderen Schluss. Auch bei der Freigabeerklärung verbleiben die Altforderungen des Schuldners aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung in der Masse. Die Überführung eines bislang massezugehörigen, dem Insolvenzbeschlag unterliegenden Rechts bzw. Vertragsverhältnisses in das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners tritt auch bei einer Freigabe nur für die Zukunft ein.
Es handelt sich daher bei dem Kautionsrückzahlungsanspruch nicht um eine künftige Forderung und bei seiner Auszahlung auch nicht um einen Neuerwerb. Er entstand bereits mit Zahlung der Kaution als Anwartschaftsrecht am Anspruch auf Rückzahlung der Mietkaution, der unter der aufschiebenden Bedingung steht, dass der Mietvertrag endet und der Vermieter die Mietsicherheit nicht oder vollständig verbraucht. Trotz Übergangs der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Mietvertragsverhältnis auf den Mieter verbleibt dieser Anspruch daher bei der Masse.
3. Danach war aber die Beschwerde der Schuldnerin mit der Kostenfolge aus § 4 InsO, § 97 ZPO zurückzuweisen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens entspricht dem Wert der Kaution.
Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, nachdem die gegenständliche Rechtsfrage bisher höchstrichterlich nicht entschieden wurde.
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