Landgericht Hof Beschluss, 07. Dez. 2017 - 22 T 127/17

bei uns veröffentlicht am07.12.2017
vorgehend
Amtsgericht Wunsiedel, 2 XVII 304/17, 11.09.2017

Gericht

Landgericht Hof

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Betroffenen ... gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wunsiedel vom 11.09.2017, Az. 02 XVII 304/17, wird die für den Aufgabenkreis Kontrolle der Ausübung der Vorsorgevollmacht ausgesprochene Betreuung aufgehoben.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

III. Von einer Erhebung der Kosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen.

Gründe

I.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Wunsiedel vom 11.09.2017, Az. 02 XVII 304/17, wurde für die Betroffene ... die Betreuung für die Aufgabenkreise

  • -Vermögenssorge und

  • -Kontrolle der Ausübung der Vorsorgevollmacht

angeordnet. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dass die Betroffene an einer Demenz mit ausgeprägten kognitiven Defiziten (ICD 10 Nr. F.03) leide und daher nicht in der Lage sei, ihre Angelegenheiten im Rahmen der genannten Aufgabenkreise ausreichend selbst zu besorgen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts Wunsiedel vollumfänglich Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluss legte die Betroffene, anwaltlich vertreten, mit Schriftsatz vom 10.10.2017 Beschwerde ein, da eine Anordnung der Betreuung in keinem der genannten Aufgabenkreise erforderlich sei. Es läge eine Vorsorgevollmacht des Sohnes der Betroffenen, ... vom 24.7.2017 vor, die ihn bevollmächtige, sämtliche Angelegenheiten der Betroffenen wahrzunehmen. Diese Vollmacht sei mit weiterer Vollmachtserteilung der Betroffenen vom 03.09.2017 abermals ausdrücklich bestätigt worden. Eine weitere Bevollmächtigung, lautend auf die Tochter der Betroffenen ... sei am 24.07.2017 durch die Betroffene widerrufen worden. Außerdem habe die Betroffene selbst stets einen guten Überblick über ihre finanziellen Verhältnisse gehabt. Eine Betreuungsbedürftigkeit der Betroffenen sei nicht gegeben, was durch das Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) in Bayern vom 23.08.2017 und durch den neuropsychologischen Kurzbericht des Klinikums Hohe Warte in Bayreuth vom 27.04.2017 belegt sei. Bei der Betroffenen sei lediglich eine dementielle Entwicklung in leichtem Ausmaß gegeben. Im Übrigen sei das gerichtlich beauftragte Sachverständigengutachten des Sachverständigen ... vom 21.08.2017 in sich widersprüchlich. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift vollinhaltlich Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 12.10.2017, auf den Bezug genommen wird, half das Amtsgericht Wunsiedel der Beschwerde gegen den Beschluss vom 11.09.2017 nicht ab und legt das Verfahren zur weiteren Entscheidung dem Landgericht Hof vor.

Mit weiterem Rechtsanwaltsschriftsatz vom 25.10.2017, auf den Bezug genommen wird, wurde zu diesem Nichtabhilfebeschluss für die Betroffene ergänzend Stellung genommen. Hierin ist insbesondere ausgeführt, dass dem Sohn der Betroffenen bereits seit langer Zeit eine Bankvollmacht durch die Betroffene erteilt worden sei. Er habe daher stets ein Augenmerk auf die Kontobewegungen der Betroffenen gehabt. Auch habe es in der Vergangenheit keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Sohn der Betroffenen Geld für sich selbst in Anspruch genommen hätte. Durch die für den Sohn bestehende Fürsorgevollmacht sei weiterhin sicher gestellt, dass auch keine Gelder an Dritte, beispielsweise an ... mehr gezahlt werden. Außerdem seien sich die Kinder, obwohl es in der Vergangenheit durchaus Spannungen gab, im Wesentlichen hinsichtlich der Betreuung der Betroffenen in allen Lebensbereichen einig.

Mit Beschluss des Landgerichtes Hof vom 23.11.2017 wurde der Betroffenen Rechtsanwalt ... als Verfahrenspfleger bestellt. Dieser hat mit Schreiben vom 01.12.2017, auf das Bezug genommen wird, zur aktuellen Situation der Betroffenen detailliert Stellung genommen. Nach seinem Dafürhalten seien die Herrn ... erteilten Vollmachten aufgrund Geschäftsunfähigkeit der Betroffenen unwirksam. Weiterhin bestünden auch Zweifel an der Wirksamkeit der Vorsorgevollmachten, die die Betroffene ihrer Tochter ... am 08.02.2017 erteilt hat. Zusammenfassend geht der Verfahrenspfleger in seiner Stellungnahme von einer umfassenden Betreuungsbedürftigkeit der Betroffenen aus.

Die Tochter der Betroffenen reichte am 06.12.2017 zwei weitere Schriftsätze ein, auf deren Inhalt ebenfalls Bezug genommen wird.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den weiteren Akteninhalt des vorliegenden Betreuungsverfahrens vollumfänglich Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hatte insoweit Erfolg, als für die Betroffene die Betreuung für den Aufgabenkreis Kontrolle der Ausübung der Vorsorgevollmacht angeordnet wurde. Im Übrigen war die Beschwerde zurückzuweisen.

1. Das Amtsgericht Wunsiedel hat im angefochtenen Beschluss vom 11.09.2017 zu Recht die Betreuung für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge angeordnet und hierin zugleich einen Einwilligungsvorbehalt der Betreuerin angeordnet. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Betreuung nach § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB liegen vor, da die Betroffene an einer erheblichen Demenz mit ausgeprägten kognitiven Defiziten (ICD 10 F.03) leidet und daher nicht in der Lage ist, ihre Angelegenheiten ausreichend selbst zu besorgen, die zum Aufgabenkreis der Vermögenssorge gehören.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 1896 BGB ist der Zeitpunkt des Erlasses der vorliegenden Entscheidung. Hierbei ergibt eine Gesamtschau des ärztlichen Gutachtens des Sachverständigen ... vom 21.08.2017, des Gutachtens des MDK Bayern vom 23.08.2017, des neuropsychologischen Untersuchungsberichts des Klinikums Hohe Warte Bayreuth vom 27.04.2017 und vor allem auch der Stellungnahme des Verfahrenspflegers ... vom 01.12.2017, dass bei der Betroffenen eine psychische Krankheit vorliegt, aufgrund derer sie ihrer Angelegenheiten vollständig nicht selbst besorgen kann. Die Betroffene ist hochgradig desorientiert. Sie ist nicht mehr imstande, sich in dem Pflegeheim, in dem sie derzeit untergebracht ist, räumlich zu orientieren. Sie kennt ihr eigenes Alter nicht mehr. Auch an von ihr ausgestellte Vollmachten, beispielsweise die für ihren Sohn vom 24.07.2017, kann sie sich nicht erinnern. Sie erkennt kaum ihre eigene Handschrift. Darüber hinaus ist sie nach Einschätzung des Verfahrenspflegers sehr leicht beeinflussbar. Insofern liegen erhebliche Anhaltspunkte für eine vollständige Geschäftsunfähigkeit der Betroffenen vor. Keinesfalls liegt nur leichtgradige Demenz vor, wie dies in den Beschwerdeschriftsätzen vorgetragen wird.

2. Darüber hinaus konnte auch nicht nach § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB von einer Betreuung abgesehen werden, da keine sonstige Person vorhanden ist, die die Angelegenheiten der Betroffenen ebenso gut erfüllen könnte, wie dies ein Betreuer kann. Hierbei sieht die Kammer sehr wohl, dass für den Sohn der Betroffenen seit langer Zeit eine Bankvollmacht besteht, die höchstwahrscheinlich im Zustand uneingeschränkter Geschäftsfähigkeit erteilt worden sein dürfte. Allerdings ist in diesem Kontext zu berücksichtigen, dass die beiden Kinder der Betroffenen untereinander stark zerstritten sind. Aus Sicht des Beschwerdegerichts besteht daher die konkrete Gefahr, dass bei der Ausübung der Vermögenssorge durch den bevollmächtigten Sohn der Betroffenen, unter Umständen nicht allein nach objektiven Maßstäben im alleinigen Interesse der Betroffenen entschieden werden wird, womit eine Betreuerbestellung für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge erforderlich ist (siehe BeckOK, § 1896 BGB, Rn. 30, m.w.N.).

III.

Aus den vorgenannten Gründen wird das Amtsgericht aus Sicht des Beschwerdegerichts über die Beschwerdegegenstände hinaus gehalten sein, zu prüfen, ob die bislang angeordnete Betreuung um die Aufgabenkreise

  • -Gesundheitsfürsorge,

  • -Aufenthaltsbestimmung,

  • -Wohnungsangelegenheiten,

  • -Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern,

  • -Entscheidung über Unterbringung und unterbringungsähnlicher Maßnahmen,

  • -Entgegennahme, Anhalten und Öffnen der Post in den anzuordnenden Aufgabenkreisen und

  • -Abschluss, Kontrolle und Einhaltung eines Heimpflegevertrages

zu erweitern ist. Hierfür sprechen insbesondere die Feststellungen des Sachverständigen ... in seinem Psychiatrischen Gutachten vom 21.08.2017.

IV.

Soweit mit der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts Wunsiedel vom 11.09.2017 eine Kontrollbetreuung für die Ausübung der den Kindern der Betroffenen erteilten Vorsorgevollmachten angeordnet ist, war der Beschluss aufzuheben.

Aus Sicht der Beschwerdekammer ergeben sich erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der Vollmachtserteilung an Herrn ... und an .... Aus den vorliegenden Gutachten des MDK Bayern vom 23.08.2017, dem Kurzbericht des Klinikums Bayreuth Hohe Warte vom 27.4.2017 und der Stellungnahme des Rechtsanwalts ... vom 01.12.2017, ergeben sich erhebliche Bedenken, dass die bestehenden Vorsorgevollmachten wirksam durch die Betroffene erteilt worden sind. Auf die unter Ziff. II. 1. gemachten Ausführungen wird ergänzend Bezug genommen. Dies gilt auch trotz des Umstandes, dass die Betroffene die Vorsorgevollmacht an ihre Tochter bereits am 08.02.2017 erteilt hat. Aus Sicht der Beschwerdekammer hätte das Amtsgericht - gutachterlich beraten - prüfen müssen, ob zum Zeitpunkt der Erteilung der Vollmachten die Betroffene noch voll geschäftsfähig gewesen ist, gemäß § 104 Nr. 2 BGB. Hinreichende Anknüpfungstatsachen für diese Begutachtung liegen nach Aktenlage vor.

Da die Anordnung einer Betreuung für die Kontrolle der Ausübung der Vorsorgevollmachten als rechtlichen Anknüpfungspunkt denknotwendig das Vorliegen einer wirksamen Vorsorgevollmacht voraussetzt und diesbezüglich derzeit Unklarheit besteht, war der Beschluss des Amtsgerichts Wunsiedel zunächst aufzuheben.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 84, 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG.

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Referenzen - Gesetze

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Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 81 Grundsatz der Kostenpflicht


(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 84 Rechtsmittelkosten


Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 104 Geschäftsunfähigkeit


Geschäftsunfähig ist:1.wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat,2.wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorüberge

Referenzen

Geschäftsunfähig ist:

1.
wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat,
2.
wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist.

Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.