Landgericht Hechingen Urteil, 14. Feb. 2003 - 3 S 80/02

bei uns veröffentlicht am14.02.2003

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Balingen vom 14. August 2002

abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.340,80 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 7.4.2002 sowie 19,12 EUR vorgerichtlicher Auslagen zu bezahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert der Berufung: 3.340,80 EUR

Gründe

 
1. Der Beklagte wollte die von ihm bewohnte, nach seinem Auszug leerstehende und unvermietete Doppelhaushälfte in der S straße ..., W, verkaufen. Er hat mit dem Kläger den Verkäufer-Maklervertrag vom 22.1.2002 abgeschlossen. Nach erfolgreicher Vermittlung steht dem Kläger die vereinbarte Vergütung von 3.340,80 EUR zu. Der Beklagte wendet lediglich ein, der Maklervertrag sei ein Haustürgeschäft, weshalb er, mangels Belehrung rechtzeitig, widerrufen habe. Im übrigen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
2. Diese Rechtsverteidigung des Beklagten hat keinen Erfolg.
a) Aufgrund der Aussage der Zeugin K steht fest, dass die Vertragsanbahnung und schließlich auch die Unterzeichnung des schriftlichen Maklervertrages in der Doppelhaushälfte stattgefunden hat.
b) Bei der Doppelhaushälfte handelt es sich nicht um eine Privatwohnung im Sinne des § 312 Abs. 1 Nr. 1 BGB, mithin war der Maklervertrag kein dem Widerrufsrecht unterliegendes Haustürgeschäft. (Die anderen in dieser Vorschrift genannten Tatbestandsvoraussetzungen, die den Maklervertrag zu einem Haustürgeschäft qualifizieren könnten, sind ersichtlich nicht erfüllt; der vorausgehende Telefonanruf, der in der Wohnung des Beklagten in B entgegengenommen wurde, begründet kein Haustürgeschäft, auch wenn der Kläger dabei schon begonnen haben sollte, auf den Abschluss eines Verkäufermaklervertrages mit dem Beklagten hinzuwirken.)
Durch das Widerrufsrecht gemäß § 312 BGB soll sich der Verbraucher von einem Vertrag lösen können, wenn er bei dem Vertragsschluss in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt war, weil er auf ein werbemäßiges Ansprechen nicht eingestellt war und die Umkehrmöglichkeit (und die durch diese eröffnete Gelegenheit zu weiterer Überlegung) wie in einem Ladengeschäft nicht hatte. Statuiert ist das Widerrufsrecht allerdings nicht generell, sondern nur in den enumerativ aufgeführten äußeren "Haustürsituationen" des § 312 Abs. 1 BGB, in denen die genannte Beeinträchtigung typischerweise gegeben ist. Dieser Gesetzeszweck schließt es aus, dass für den Begriff der Privatwohnung auf die bauliche Gestaltung der Räume abzustellen ist. Dass der Verbraucher gegenüber dem Betreiben des Vertragsschlusses durch den Unternehmer situationsbedingt nicht hinreichend gewappnet ist, beruht vielmehr auf der Nutzung des Ortes der Vertragsanbahnung als Wohnung, die erst die Privatsphäre erzeugt. In der nach dem Auszug des Beklagten leergeräumten, unvermieteten, als Verkaufsobjekt betretenen Doppelhaushälfte entsteht eine solche Situation nicht.
c) Eine Umgehung im Sinne des § 312 f Abs. 2 BGB liegt nicht vor. Nach dieser Vorschrift sind die Vorschriften der §§ 312 ff BGB, vorbehaltlich einer anderen Bestimmung, auch anzuwenden, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden. Nach einer engeren Auffassung würde dies im Streitfall einen jedenfalls entfernten Bezug zu einer Wohnnutzung des Ortes voraussetzen, an dem der Kläger an den Beklagten wegen des Verkäufermaklervertrags herangetreten ist. So ist beim werbemäßigen Ansprechen des Verbrauchers in einer Hotelhalle darauf abgestellt worden, dass dieser als Hotelgast im Anwesen "wohne" (OLG Frankfurt/Main, NJW 1994, 1806). An einer Wohnnutzung der Doppelhaushälfte fehlt es aber, wie dargelegt, vollständig.
Nach einer weniger engen Auffassung ist jeder Ort tatbestandsmäßig, der vom Unternehmer gewählt wird und geeignet ist, die oben bezeichnete Beeinträchtigung der Entschlussfreiheit des Verbrauchers herbeizuführen (vgl. OLG Zweibrücken, NJW 1995, 140). An einer derartigen Ortsbestimmung durch den Kläger fehlt es im Streitfall. Die Besichtigung der und der Aufenthalt in der Doppelhaushälfte waren durch die Eigenart des Vertragsgegenstandes und durch die gleichzeitige Tätigkeit des Klägers als Käufermakler vorgegeben. Der Kläger hatte insoweit keinen Handlungsspielraum, den er zur Herbeiführung einer "haustürähnlichen" Situation hätte ausnutzen können.
3. Es wurden die gesetzlichen Verzugszinsen zugesprochen, deren Voraussetzungen unstreitig sind.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10 analog, 713 ZPO.
10 
5. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 312 Anwendungsbereich


(1) Die Vorschriften der Kapitel 1 und 2 dieses Untertitels sind auf Verbraucherverträge anzuwenden, bei denen sich der Verbraucher zu der Zahlung eines Preises verpflichtet. (1a) Die Vorschriften der Kapitel 1 und 2 dieses Untertitels sind auch

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(1) Die Vorschriften der Kapitel 1 und 2 dieses Untertitels sind auf Verbraucherverträge anzuwenden, bei denen sich der Verbraucher zu der Zahlung eines Preises verpflichtet.

(1a) Die Vorschriften der Kapitel 1 und 2 dieses Untertitels sind auch auf Verbraucherverträge anzuwenden, bei denen der Verbraucher dem Unternehmer personenbezogene Daten bereitstellt oder sich hierzu verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Unternehmer die vom Verbraucher bereitgestellten personenbezogenen Daten ausschließlich verarbeitet, um seine Leistungspflicht oder an ihn gestellte rechtliche Anforderungen zu erfüllen, und sie zu keinem anderen Zweck verarbeitet.

(2) Von den Vorschriften der Kapitel 1 und 2 dieses Untertitels ist nur § 312a Absatz 1, 3, 4 und 6 auf folgende Verträge anzuwenden:

1.
notariell beurkundete Verträge
a)
über Finanzdienstleistungen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden,
b)
die keine Verträge über Finanzdienstleistungen sind; für Verträge, für die das Gesetz die notarielle Beurkundung des Vertrags oder einer Vertragserklärung nicht vorschreibt, gilt dies nur, wenn der Notar darüber belehrt, dass die Informationspflichten nach § 312d Absatz 1 und das Widerrufsrecht nach § 312g Absatz 1 entfallen,
2.
Verträge über die Begründung, den Erwerb oder die Übertragung von Eigentum oder anderen Rechten an Grundstücken,
3.
Verbraucherbauverträge nach § 650i Absatz 1,
4.
(weggefallen)
5.
(weggefallen)
6.
Verträge über Teilzeit-Wohnrechte, langfristige Urlaubsprodukte, Vermittlungen und Tauschsysteme nach den §§ 481 bis 481b,
7.
Behandlungsverträge nach § 630a,
8.
Verträge über die Lieferung von Lebensmitteln, Getränken oder sonstigen Haushaltsgegenständen des täglichen Bedarfs, die am Wohnsitz, am Aufenthaltsort oder am Arbeitsplatz eines Verbrauchers von einem Unternehmer im Rahmen häufiger und regelmäßiger Fahrten geliefert werden,
9.
Verträge, die unter Verwendung von Warenautomaten und automatisierten Geschäftsräumen geschlossen werden,
10.
Verträge, die mit Betreibern von Telekommunikationsmitteln mit Hilfe öffentlicher Münz- und Kartentelefone zu deren Nutzung geschlossen werden,
11.
Verträge zur Nutzung einer einzelnen von einem Verbraucher hergestellten Telefon-, Internet- oder Telefaxverbindung,
12.
außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge, bei denen die Leistung bei Abschluss der Verhandlungen sofort erbracht und bezahlt wird und das vom Verbraucher zu zahlende Entgelt 40 Euro nicht überschreitet, und
13.
Verträge über den Verkauf beweglicher Sachen auf Grund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder anderen gerichtlichen Maßnahmen.

(3) Auf Verträge über soziale Dienstleistungen, wie Kinderbetreuung oder Unterstützung von dauerhaft oder vorübergehend hilfsbedürftigen Familien oder Personen, einschließlich Langzeitpflege, sind von den Vorschriften der Kapitel 1 und 2 dieses Untertitels nur folgende anzuwenden:

1.
die Definitionen der außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge und der Fernabsatzverträge nach den §§ 312b und 312c,
2.
§ 312a Absatz 1 über die Pflicht zur Offenlegung bei Telefonanrufen,
3.
§ 312a Absatz 3 über die Wirksamkeit der Vereinbarung, die auf eine über das vereinbarte Entgelt für die Hauptleistung hinausgehende Zahlung gerichtet ist,
4.
§ 312a Absatz 4 über die Wirksamkeit der Vereinbarung eines Entgelts für die Nutzung von Zahlungsmitteln,
5.
§ 312a Absatz 6,
6.
§ 312d Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 246a § 1 Absatz 2 und 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche über die Pflicht zur Information über das Widerrufsrecht und
7.
§ 312g über das Widerrufsrecht.

(4) Auf Verträge über die Vermietung von Wohnraum sind von den Vorschriften der Kapitel 1 und 2 dieses Untertitels nur die in Absatz 3 Nummer 1 bis 7 genannten Bestimmungen anzuwenden. Die in Absatz 3 Nummer 1, 6 und 7 genannten Bestimmungen sind jedoch nicht auf die Begründung eines Mietverhältnisses über Wohnraum anzuwenden, wenn der Mieter die Wohnung zuvor besichtigt hat.

(5) Bei Vertragsverhältnissen über Bankdienstleistungen sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung (Finanzdienstleistungen), die eine erstmalige Vereinbarung mit daran anschließenden aufeinanderfolgenden Vorgängen oder eine daran anschließende Reihe getrennter, in einem zeitlichen Zusammenhang stehender Vorgänge gleicher Art umfassen, sind die Vorschriften der Kapitel 1 und 2 dieses Untertitels nur auf die erste Vereinbarung anzuwenden. § 312a Absatz 1, 3, 4 und 6 ist daneben auf jeden Vorgang anzuwenden. Wenn die in Satz 1 genannten Vorgänge ohne eine solche Vereinbarung aufeinanderfolgen, gelten die Vorschriften über Informationspflichten des Unternehmers nur für den ersten Vorgang. Findet jedoch länger als ein Jahr kein Vorgang der gleichen Art mehr statt, so gilt der nächste Vorgang als der erste Vorgang einer neuen Reihe im Sinne von Satz 3.

(6) Von den Vorschriften der Kapitel 1 und 2 dieses Untertitels ist auf Verträge über Versicherungen sowie auf Verträge über deren Vermittlung nur § 312a Absatz 3, 4 und 6 anzuwenden.

(7) Auf Pauschalreiseverträge nach den §§ 651a und 651c sind von den Vorschriften dieses Untertitels nur § 312a Absatz 3 bis 6, die §§ 312i, 312j Absatz 2 bis 5 und § 312m anzuwenden; diese Vorschriften finden auch Anwendung, wenn der Reisende kein Verbraucher ist. Ist der Reisende ein Verbraucher, ist auf Pauschalreiseverträge nach § 651a, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen worden sind, auch § 312g Absatz 1 anzuwenden, es sei denn, die mündlichen Verhandlungen, auf denen der Vertragsschluss beruht, sind auf vorhergehende Bestellung des Verbrauchers geführt worden.

(8) Auf Verträge über die Beförderung von Personen ist von den Vorschriften der Kapitel 1 und 2 dieses Untertitels nur § 312a Absatz 1 und 3 bis 6 anzuwenden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.