Landgericht Hamburg Urteil, 11. Nov. 2016 - 324 O 228/16

Gericht
Tenor
I. Die einstweilige Verfügung vom 14.04.2016 wird bestätigt.
II. Die Antragsgegnerin hat auch die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten um den Bestand einer einstweiligen Verfügung der Kammer vom 14.04.2016, mit der der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt wurde,
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durch die Berichterstattung
„F. C.
Bittere Trennung!
Wie soll es jetzt nur weitergehen?“
den Eindruck zu erwecken,
F. C. v. M. und F. A. v. M. hätten sich getrennt, wenn dies geschieht wie auf der Titelseite von N. W. Nr. .../... vom ...2016.
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Die Antragsgegnerin verlegt die Zeitschrift „N. W.“, in deren Ausgabe vom ...2016 die streitgegenständliche Berichterstattung auf der Titelseite erschienen ist. Die Titelschlagzeile „F. C. Bittere Trennung! Wie soll es jetzt nur weitergehen?“ ist mit einem großen Porträtfoto der Antragstellerin sowie mit einem kleineren, links neben der Titelschlagzeile angebrachten Foto, das sie mit einem ihrer Kinder auf dem Arm zeigt, bebildert.
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Die Antragstellerin ist mit dem m. F. verheiratet und F. v. M.. Das Paar ist Eltern von Zwillingen.
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Die Berichterstattung im Innenteil der Zeitschrift thematisiert das erneute Fernbleiben der Antragstellerin bei dem alljährlich in M. stattfindenden Rosenball, der in M. ein wichtiges Ereignis darstellt. Es wird die Frage aufgeworfen, ob das F. Paar bereits getrennt sei. Unstreitig ist, dass sich das F. Paar zu diesem Zeitpunkt nicht getrennt hatte. Im Vorjahr war die Antragstellerin dem Ball ferngeblieben, kurz zuvor hatte sie die beiden Kinder entbunden.
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Die Antragstellerin mahnte die Antragsgegnerin ohne Erfolg ab (Anlagen ASt 2, 3 und 4) und erwirkte sodann die einstweilige Verfügung der Kammer, gegen die sich der Widerspruch richtet.
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Die Antragsgegnerin meint, dass der angegriffene Eindruck durch die Titelankündigung nicht entstehe. Es handele sich bei der Titelzeile bereits nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine zulässige Meinungsäußerung, denn dem Aufmacher sei kein Aussagegehalt zu entnehmen. Dies gelte auch für die nachfolgende offene Frage. Es werde für den Durchschnittsleser deutlich, dass es nicht um die Trennung des Paares als Ehepaar gehe, denn die Formulierungen seien offen und könnten sich auf diverse Umstände beziehen, der Begriff der Trennung sei isoliert betrachtet substanzarm. Es sei daher nicht zwingend von einer Trennung des Paares auszugehen. Zu beachten sei auch, dass eine Trennung nicht zwingend die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft bedeuten müsse, sondern auch rein räumlich begründet sein könne, oder sich nicht auf Personen beziehe.
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Zudem werde nur die Antragstellerin auf dem Titel abgebildet, es sei auf dem kleineren Bild lediglich noch eines der Kinder zu sehen, die „bittere Trennung“ könne sich daher auf eine temporäre Trennung der Zwillinge aufgrund unterschiedlicher Aufenthaltsorte der Eltern oder auf eine Trennung von der Antragstellerin beziehen. Dieser Schluss liege aufgrund der Titelgestaltung näher, da F. A. (unstreitig) nicht mit abgebildet sei. Wäre die Ehe tatsächlich beendet, hätte die Titelzeile anders gelautet und F. A. wäre einbezogen worden. Da zu ihm durch die Titelgestaltung kein Bezug hergestellt werde, gehe der Leser nicht davon aus, dass eine Trennung des Paares erfolgt sei, vielmehr werde die Neugier erweckt zu erfahren, um was für eine Art der Trennung es sich handele. Dies sei ein zulässiges Vorgehen.
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Das erneute Fernbleiben der Antragstellerin anlässlich des Rosenballs sei für Kenner des F. Hauses von Bedeutung, dieses Verhalten gebe Anlass für Spekulationen, wie es um die Ehe bestellt sei. Dies müsse die Antragstellerin aufgrund ihrer Position hinnehmen.
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Ferner sei die mit Anlage ASt 4 – unstreitig – abgegebene Klarstellung zu berücksichtigen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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die einstweilige Verfügung der Kammer vom 14.04.2016 aufzuheben und den ihr zugrunde liegenden Antrag zurückzuweisen.
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Die Antragstellerin beantragt,
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die einstweilige Verfügung zu bestätigen.
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Die Antragstellerin verteidigt den Bestand der einstweiligen Verfügung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Nach dem Ergebnis der Widerspruchsverhandlung war die einstweilige Verfügung zu bestätigen. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu, denn die angegriffene Berichterstattung verletzt bei fortbestehender Wiederholungsgefahr ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht.
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1. Die angegriffene Titelseitenschlagzeile
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„F. C.
Bittere Trennung!
Wie soll es jetzt nur weitergehen?“
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erweckt in der Zusammenschau mit den auf der Titelseite abgedruckten Fotos der Antragstellerin für den unbefangenen Durchschnittsleser, der nur die Titelseite wahrnimmt (sog. Kioskleser), den Eindruck, die Antragstellerin und ihr Ehemann hätten sich getrennt. Dieser Eindruck ergibt sich aus dem Zusammenspiel der verschiedenen Informationen, die der Leser auf der Titelseite erhält. Ein Eindrucksverbot kommt jedoch nur in Betracht, wenn sich der Eindruck dem Leser als unabweisbare Schlussfolgerung aus dem Zusammenspiel der offen getätigten Aussagen aufdrängt (vgl. BGH, GRUR 1980, 1105, 1106; NJW 2000, 656, 657; NJW 2004, 598, 599f., Urteile der Kammer vom 01.10.2010, Az. 324 O 3/10, unter Ziffer 2) b), Urteil vom 19.11.2010, Az. 324 O 319/10). So liegt es hier:
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Zwar wird in der Schlagzeile die Ehe nicht erwähnt und auch kein Bild des Ehemanns der Antragstellerin abgedruckt. Zu berücksichtigen sind insbesondere die beiden Fotos, die die Antragstellerin in ihrer Rolle als Mutter als auch in ihrer Stellung als F. v. M. zeigen. Hierdurch wird die Aufmerksamkeit des Lesers gelenkt (vgl. auch Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 20.05.2014, 7 W 56/14 – „Bruder Robert“), so dass dies bei der Frage, welches Verständnis erweckt wird, nicht unberücksichtigt bleiben kann. Diese Gestaltung lässt für den Leser nur das Verständnis zu, dass eine Trennung des Paares erfolgt ist. Denn nur hierzu passt die Frage „Wie soll es jetzt nur weitergehen?“. Die aufgeworfene Frage offenbart für den Leser eine große Tragik, sowie, dass die Zukunftsperspektive nach der „bitteren Trennung“ für die Antragstellerin und ihre Familie unklar ist. Diese Frage passt gerade nicht zu den seitens der Antragsgegnerin vorgetragenen Verständnisalternativen, dass es sich um eine (kurzfristige) Trennung der Kinder handelt, bzw. dass diese von einem Elternteil aufgrund gewisser räumlicher Gegebenheiten für eine gewisse Dauer getrennt werden. Dies könnte für die Beteiligten zwar als „bittere Trennung“ bezeichnet werden, beispielsweise, wenn die Trennung nicht aus freiwilligen Motiven erfolgt und äußeren Umständen geschuldet ist, es würde in einem solchen Zusammenhang jedoch für den maßgeblichen Leser keinen Sinn machen, eine derart pessimistische Zukunftsperspektive, wenn auch in Frageform, aufzuzeigen. Denn eine kurze Trennung, die den Zusammenhalt als Familie nicht in Frage stellen wird, bietet für eine solche Frage keinen Anlass. Hinzu kommt, dass gerade die Einbeziehung der Kinder durch das kleine Bild am Rande der Titelseite den Leser darauf lenkt, über mögliche Konsequenzen einer Trennung der Ehepartner nachzudenken. Ein Leser, der sich mit der Boulevardberichterstattung über Königshäuser etwas beschäftigt, wird sogleich die Verbindung zwischen einer Trennung und der Frage des Sorgerechts für die Kinder herstellen, da – dies ist gerichtsbekannt – über Schwierigkeiten in der Ehe der Antragstellerin regelmäßig spekuliert wird und anlässlich dieser Vermutungen berichtet wird, dass die Zwillinge in M. verbleiben müssen, zumal eines der Kinder an erster Stelle der Thronfolge steht. Durch das kleinere abgedruckte Bild wird für den Leser diese, sich als Konsequenz einer Trennung abzeichnende konflikthafte Situation für die Antragstellerin und ihre Kinder insinuiert.
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Soweit im Rahmen der im Innenteil erfolgten Berichterstattung über das Fernbleiben der Antragstellerin anlässlich des Rosenballs informiert wird, findet dies keinen Niederschlag in der Titelgestaltung und wird dem Leser der Titelseite nicht einmal angedeutet. Auch hat der Leser keinen Anlass anzunehmen, dass sich die Antragstellerin von Vorstellungen oder Träumen, beispielsweise in Bezug auf das Aufwachsen der Kinder trennen musste, denn hierzu gibt die Titelgestaltung keinen Anlass. Der zwingende Eindruck ist unstreitig unwahr.
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Vor diesem Hintergrund überwiegt nach der gebotenen Abwägung das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin die Meinungs- und Pressefreiheit der Antragsgegnerin. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der die Kammer folgt, müssen wahre Tatsachenbehauptungen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (vgl. BVerfGE 97, 391, 403ff.; 99, 185, 196f.; BVerfG, NJW 2011, 47, 48 m.w.N.; BGH, NJW 2010, 2432, 2433). Gleiches muss gelten, wenn ein konkreter tatsächlicher unwahrer Eindruck erweckt wird, zumal er für die Antragstellerin abträglich ist und einen erheblichen Eingriff in ihr Lebensbild enthält.
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2. Es besteht auch die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr. Diese wird durch die rechtswidrige Erstbegehung indiziert. Gründe, die dieser Indizwirkung entgegenstehen, sind vorliegend nicht gegeben. Die Antragsgegnerin hat insbesondere keine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben und auch nicht die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anerkannt. Soweit sie vorträgt, eine Klarstellung abgegeben zu haben, steht dies dem Unterlassungsanspruch nicht entgegen, denn es handelt sich vorliegend nicht um den Fall einer mehrdeutigen Äußerung, die verschiedene, nicht fernliegende Verständnismöglichkeiten eröffnet.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Annotations
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.