Landgericht Detmold Urteil, 20. Juni 2016 - 22 Ns-35 Js 3402/15-88/16

Gericht
Tenor
Die Berufung wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte wegen Beleidigung zu einer
Geldstrafe von 35 Tagessätzen zu je 70,00 Euro
verurteilt wird.
Dem Angeklagten wird gestattet, die Geldstrafe in monatlichen Raten von je 150,00 Euro zu zahlen, beginnend mit dem auf die Rechtskraft des Urteils folgenden Monat. Die Raten sind jeweils bis zum 15. des Monats fällig und zahlbar. Die Vergünstigung entfällt, wenn ein Teilbetrag nicht rechtzeitig gezahlt wird.
Der Angeklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
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Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Bedrohung in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen zu je 75,00 Euro verurteilt. Seine Berufung führte zu der aus dem Tenor ersichtlichen Entscheidung.
3Die in zweiter Instanz durchgeführte Beweisaufnahme hat zu seinen persönlichen Verhältnissen folgendes ergeben:
4Der Angeklagte ist ledig. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin hat er eine fünf Jahre alte Tochter. Als Bauzeichner verdient er nach seiner letzten Lohnabrechnung 2.450,00 Euro netto monatlich.
5Strafrechtlich in Erscheinung getreten ist er bisher nicht.
6In der Sache haben sich die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen bestätigt:
7Der Angeklagte ist Jäger. Daneben bildet er Jagdhunde aus. Am 17.10.2015 gegen 17:00 Uhr hielt er sich mit einem ihm zur Ausbildung überlassenen sieben Monate alten Terrier im Bereich des Truppenübungsplatzes in Augustdorf auf. Der Hund war nicht angeleint, was in diesem Bereich auch nicht erforderlich ist. Der Angeklagte trug seine „Jägermontur“. In einer Seitentasche seiner Hose trug er – wie immer bei derartigen Gelegenheiten – ein Jagdmesser mit etwa 8 – 10 cm langer Klinge und leuchtend orangem Griff. Der Griff ragte aus der Tasche heraus.
8Ebenfalls in diesem Bereich machten die Zeugin G und der Zeuge T einen Spaziergang, ebenfalls mit ihren Hunden. Es handelte sich um zwei belgische Schäferhunde und um einen Labrador-Mix. Alle ihre Tiere waren angeleint. Die Zeugin G hatte einen belgischen Schäferhund an der Leine, der Zeuge T die beiden anderen Hunde. Bei dem Schäferhund, den der Zeuge T führte, handelte es sich um einen ehemals in Afghanistan eingesetzten Sprengstoffhund, der seit seinem Einsatz sich mit anderen Hunden nicht mehr verträgt. Während sich die Zeugen mit ihren angeleinten Hunden auf einem recht schmalen Waldweg bewegten, kam der Terrier des Angeklagten zu ihnen gelaufen. Vom Angeklagten selbst war zunächst nichts zu sehen. Der deutlich kleinere Terrier sprang zwischen den anderen Hunden umher. Insbesondere die Zeugin G bekam Angst, dass er von einem ihrer Hunde gebissen werden könnte. Aus diesem Grunde rief sie laut nach dem Besitzer. Nach einiger Zeit erschien auch der Angeklagte. Die Zeugin G bat diesen nun, seinen Terrier anzuleinen. Diesem Wunsch kam der Angeklagte trotz mehrfacher Wiederholungen jedoch nicht nach. Er gab den Zeugen zu verstehen, dass er Jagdpächter sei und seinen Hund nicht anleinen müsse. Es entwickelte sich ein kleines Wortgefecht, bei dem die Zeugin G aber immer höflich blieb. Da die Hunde der Zeugen immer unruhiger wurden, zog sich der Zeuge T mit den beiden von ihm geführten Hunden etwa 3 – 4 Meter zurück. Er wollte in jedem Fall vermeiden, dass der mit anderen Hunden unverträgliche Rüde den kleinen Terrier verletzt. Der Angeklagte sah sich nun veranlasst, darauf hinzuweisen, dass er Jagdpächter sei. Das war auch richtig, betraf aber nicht das Gebiet, in dem sich die Beteiligten gerade aufhielten. Weiter hielt er nun der Zeugin G einen kleinen Vortrag über das Landeshundegesetz und den für die von den Zeugen mitgeführten Hunde erforderlichen Sachkundenachweis. Im Verlauf dieses Gesprächs zog er das Jagdmesser aus seiner Oberschenkeltasche und fuchtelte in etwa einem Meter Entfernung damit vor dem Gesicht der Zeugin herum. Dabei sagte er: „Wenn Ihr Hund meinen beißt, schlitze ich ihm die Kehle durch“. Weiter sagte er im Verlauf dieses Gesprächs zu den Zeugen: „Macht euch endlich weg, sonst mache ich euch weg“. Ob er bei diesem Satz das Messer noch in der Hand hielt konnte nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. Die Zeugin hatte ihn nämlich darauf hingewiesen, das Messer wegzustecken, sonst würde sie die Polizei rufen. Dem war der Angeklagte zu einem nicht näher zu klärenden Zeitpunkt nachgekommen. Nach einigen Minuten löste sich die Situation auf. Die Zeugen gingen ihres Wegs. Der Angeklagte versäumte es jedoch nicht, der Zeugin G noch folgende Worte zuzurufen: „Zieh nicht so eine dumme Fresse, mach dich hier weg“.
9Abweichend von den getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte sich wie folgt eingelassen:
10Zwei von den drei Hunden der Zeugen seien nicht angeleint gewesen. Die Zeugin G habe zwei Hunde geführt, der Zeuge T einen. Frau G sei mit der Situation offensichtlich völlig überfordert gewesen. Der Zeuge T habe etwa 30 Meter entfernt von der Zeugin gestanden und seinen Hund „gebändigt“ bekommen. Er, der Angeklagte habe die Zeugin - zugegeben wohl in etwas arroganter Weise - auf das Landeshundegesetz angesprochen, sei dabei aber sachlich geblieben. Daneben habe er auf seine eigene Sachkunde und seine Jagdausbildungsberechtigung hingewiesen. Daraufhin habe die Zeugin ihn als „arrogantes Jägerschwein“ bezeichnet. Beleidigt habe er die Zeugin nicht, sondern nur darauf hingewiesen, dass er dem anderen Hund ordentlich in den „Arsch getreten hätte“, wenn es zum Schutz seines Terriers erforderlich gewesen wäre. Er habe zwar das Jagdmesser dabei gehabt, es während der ganzen Auseinandersetzung aber nicht angefasst oder gar aus der Tasche gezogen.
11Diese Einlassung ist widerlegt, soweit sie im Widerspruch zu den getroffenen Feststellung steht. Die Zeugen G und T haben den Sachverhalt so geschildert wie er oben dargestellt ist. Die Kammer glaubt ihnen. Noch am selben Tag unmittelbar nach dem Vorfall suchten sie die Polizei auf und schilderten das Geschehen. Die dort protokollierte Aussage des Zeugen T sowie die Aussagen beider Zeugen in beiden Instanzen waren durchgehend konstant und ohne Widersprüche. Die Kammer sieht keine Veranlassung, warum sie den Angeklagten zu Unrecht belasten sollten. Beide kannten ihn vorher nicht. In der Hauptverhandlung machten beide einen ruhigen und sehr zuverlässigen Eindruck. Hinzukommt, dass beide jetzt getrennt sind. Für keinen der Zeugen hätte also Veranlassung bestanden, den anderen Zeugen mit einer Falschaussage zu unterstützen. Soweit sie nicht bestätigen konnten, dass sie gesehen haben, wie der leuchtend orangefarbende Griff des Messers aus der Seitentasche herausragte, steht das ihrer Glaubwürdigkeit in keiner Weise entgegen. Während der Situation mit den Hunden hatten sie überhaupt keine Veranlassung, auf das Messer zu achten. Dem gegenüber konnten sie die Klinge, insbesondere deren Länge zutreffend beschreiben. Das konnten sie aber nur deshalb, weil sie die Klinge gesehen haben. Das wiederum war ihnen nur möglich, weil der Angeklagte das Messer aus der Hose gezogen hatte. Wäre es in der Tasche geblieben, hätten die Zeugen die Klinge nicht sehen können.
12Hierdurch hat der Angeklagte sich der Beleidigung gemäß § 185 StGB zum Nachteil der Zeugin G schuldig gemacht. Der erforderliche Strafantrag ist form- und fristgerecht gestellt worden.
13Eine Bedrohung im Sinne des § 241 StGB sieht die Kammer in seinem Verhalten hingegen nicht. Es konnte nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass der Angeklagte bei dem Satz „macht euch endlich weg, sonst mache ich euch weg“ das Messer noch in der Hand hielt. Zwar haben beide Zeugen in ihren Aussagen vor der Kammer zunächst ausgesagt, der Angeklagte habe bei diesen Worten noch mit dem Messer vor dem Gesicht der Zeugin G herumgefuchtelt. Nachdem sie aber auf die erstinstanzliche Aussage der Zeugin hingewiesen worden waren, wonach der Angeklagte bei diesen Worten das Messer schon weggesteckt hatte, waren sie sich nicht mehr sicher. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass das vorherige „Herumfuchteln“ mit dem Messer noch als Bedrohung fortwirkte, als er den oben genannten Satz sagte. Das Messer hatte er gezogen und gleichzeitig angekündigt, möglicherweise einen Hund der Zeugen aufzuschlitzen. Als er das Messer in der Hand hielt, war von einer Benutzung im Bezug auf die Zeugin also nicht die Rede. Hinzukommt, dass der Satz „macht euch weg, sonst mache ich euch weg“ nicht ohne weiteres als Bedrohung mit einem Verbrechen, also einem Deliktstatbestand mit einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr angesehen werden kann. Hier käme die Bedrohung mit einem Totschlag oder einer schweren Körperverletzung in Frage. Alles andere wäre zwar eine Bedrohung, aber keine solche im Sinne des § 241 StPO. Dieser Satz konnte vom Angeklagten auch so gemeint oder von den Zeugen so verstanden werden, dass er nur dafür sorgen wolle, dass die Zeugen den Wald möglichst schnell verlassen. Zwar muss ein Täter im Falle des § 241 StPO die Drohung nicht ernst meinen. Hier kommt aber hinzu, dass nach Aussage des Zeugen T dieser nicht mit einem Zustechen gerechnet hätte, sondern das Verhalten des Angeklagten als reines „Aufspielen“ ansah.
14Für den Angeklagten sprach, dass er bisher in keiner Weise strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. In der Hauptverhandlung vor der Kammer zeigte er sich jedenfalls soweit einsichtig, als er sein eigenes Verhalten, nämlich den Hinweis auf das Landeshundegesetz, als dozierend und recht arrogant einschätze. Insgesamt hält die Kammer einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen für tat- und schuldangemessen. Dabei übersieht die Kammer nicht, dass der Angeklagte nicht mehr wegen Bedrohung nach § 241 StPO verurteilt wurde. Eine noch mildere Strafe würde seiner Schuld aber nicht gerecht werden.
15Die Höhe des einzelnen Tagessatzes ergibt sich aus seinem Einkommen abzüglich der Unterhaltspflicht für seine fünf-jährige Tochter. Die Anordnung der Ratenzahlung beruht auf § 42 StGB.
16Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 StPO. Der mit der Berufung erzielte Erfolg war so geringfügig, dass es nicht unbillig ist, den Angeklagten mit den gesamten Kosten zu belasten.
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Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(1) Wer einen Menschen mit der Begehung einer gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(3) Ebenso wird bestraft, wer wider besseres Wissen einem Menschen vortäuscht, daß die Verwirklichung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bevorstehe.
(4) Wird die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen, ist in den Fällen des Absatzes 1 auf Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder auf Geldstrafe und in den Fällen der Absätze 2 und 3 auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder auf Geldstrafe zu erkennen.
(5) Die für die angedrohte Tat geltenden Vorschriften über den Strafantrag sind entsprechend anzuwenden.
(1) Dem, welcher im Falle des § 239 Abs. 1 die Befugnis der Vernehmung mißbraucht, kann sie von dem Vorsitzenden entzogen werden.
(2) In den Fällen des § 239 Abs. 1 und des § 240 Abs. 2 kann der Vorsitzende ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen zurückweisen.
Ist dem Verurteilten nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten, die Geldstrafe sofort zu zahlen, so bewilligt ihm das Gericht eine Zahlungsfrist oder gestattet ihm, die Strafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen. Das Gericht kann dabei anordnen, daß die Vergünstigung, die Geldstrafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen, entfällt, wenn der Verurteilte einen Teilbetrag nicht rechtzeitig zahlt. Das Gericht soll Zahlungserleichterungen auch gewähren, wenn ohne die Bewilligung die Wiedergutmachung des durch die Straftat verursachten Schadens durch den Verurteilten erheblich gefährdet wäre; dabei kann dem Verurteilten der Nachweis der Wiedergutmachung auferlegt werden.
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
- 1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.