Landgericht Bamberg Beschluss, 15. Juni 2018 - 19 Qs 27/18

bei uns veröffentlicht am15.06.2018

Gericht

Landgericht Bamberg

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Angeschuldigten wird der Beschluss des Amtsgerichts Bamberg vom 05.04.2018 aufgehoben.

2. Rechtsanwalt …H, …|, wird als Pflichtverteidiger entbunden. Dem Beschuldigten wird Rechtsanwalt …H, als Pflichtverteidiger beigeordnet.

3. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Über den Wortlaut des § 143 StPO hinaus kann ein wichtiger Grund die Zurücknahme einer Beiordnung erzwingen. Ein solcher ist u. a. gegeben, wenn ein wesentlicher Verfahrensgrundsatz verletzt worden ist. Das ist hier der Fall, denn der Angeschuldigte ist vor der Bestellung von Rechtsanwalt …H als Pflichtverteidiger am 07.03.2018 nicht 19 Qs 27/18 - Seite 2 ordnungsgemäß über seine Rechte belehrt worden.

Gemäß § 142 Abs. 1 StPO muss - die Soll-Vorschrift kommt regelmäßig einer Pflicht gleich (Meyer-Goßner/Schmitt StPO, 60. Auflage 2017, § 142 Rn. 1) - dem Angeschuldigten Gelegenheit gegeben werden, selbst einen Verteidiger zu benennen. Dem Beschuldigten ist dabei eine angemessene Überlegungsfrist zu gewähren. Dies gilt auch in Haftsachen.

Hier ist ausweislich der Niederschrift des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 06.03.2018 (Bl. 211 f. d. A.) lediglich eine Belehrung darüber erfolgt, dass ein Anspruch auf Beiordnung eines Verteidigers bestehe. Es fehlt aber der Hinweis an den Angeschuldigten, dass er ein Auswahlrecht habe und ihm eine gewisse Überlegungszeit einzuräumen sei. Der Angeschuldigte hat auch nicht ausdrücklich auf die Überlegungsfrist verzichtet.

Bei dieser Sachlage ist der beantragte Pflichtverteidigerwechsel vorzunehmen, ohne dass es auf eine Störung des Vertrauensverhältnisses ankäme (vgl. KG Berlin NStZ-RR 2012, 351; LG Stendal StV 2015, 543; Meyer-Goßner/Schmitt StPO, 60. Auflage 2017, § 141 Rn. 3a, § 143 Rn. 5a). Der Angeschuldigte hat zeitnah nach der Bestellung die Auswechslung beantragt und die Vertretung durch den bisherigen Pflichtverteidiger nicht über einen längeren Zeitraum widerspruchslos hingenommen.

Im Übrigen hat der neue Verteidiger mit Schriftsatz vom 27.03.2018 auf die Geltendmachung der bei dem bisherigen Pflichtverteidiger angefallenen Gebühren verzichtet (Bl. 275 d. A.), so dass der Staatskasse keine Mehrkosten entstehen.

Auf Nachfrage seitens der Beschwerdekammer hat der Angeschuldigte mit Schreiben vom 13.06.2018 ausdrücklich erklärt, von Rechtsanwalt verteidigt werden zu wollen.

II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 467 StPO analog.

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Strafprozeßordnung - StPO | § 467 Kosten und notwendige Auslagen bei Freispruch, Nichteröffnung und Einstellung


(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zu

Strafprozeßordnung - StPO | § 142 Zuständigkeit und Bestellungsverfahren


(1) Der Antrag des Beschuldigten nach § 141 Absatz 1 Satz 1 ist vor Erhebung der Anklage bei den Behörden oder Beamten des Polizeidienstes oder bei der Staatsanwaltschaft anzubringen. Die Staatsanwaltschaft legt ihn mit einer Stellungnahme unverzügli

Strafprozeßordnung - StPO | § 143 Dauer und Aufhebung der Bestellung


(1) Die Bestellung des Pflichtverteidigers endet mit der Einstellung oder dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens einschließlich eines Verfahrens nach den §§ 423 oder 460. (2) Die Bestellung kann aufgehoben werden, wenn kein Fall notwen

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bei uns veröffentlicht am 15.06.2018

Tenor 1. Auf die Beschwerde des Angeschuldigten wird der Beschluss des Amtsgerichts Bamberg vom 05.04.2018 aufgehoben. 2. Rechtsanwalt …H, …|, wird als Pflichtverteidiger entbunden. Dem Beschuldigten wird Rechtsanwa

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(1) Die Bestellung des Pflichtverteidigers endet mit der Einstellung oder dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens einschließlich eines Verfahrens nach den §§ 423 oder 460.

(2) Die Bestellung kann aufgehoben werden, wenn kein Fall notwendiger Verteidigung mehr vorliegt. In den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 5 gilt dies nur, wenn der Beschuldigte mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung aus der Anstalt entlassen wird. Beruht der Freiheitsentzug in den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 5 auf einem Haftbefehl gemäß § 127b Absatz 2, § 230 Absatz 2 oder § 329 Absatz 3, soll die Bestellung mit der Aufhebung oder Außervollzugsetzung des Haftbefehls, spätestens zum Schluss der Hauptverhandlung, aufgehoben werden. In den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 4 soll die Bestellung mit dem Ende der Vorführung aufgehoben werden, falls der Beschuldigte auf freien Fuß gesetzt wird.

(3) Beschlüsse nach Absatz 2 sind mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar.

(1) Der Antrag des Beschuldigten nach § 141 Absatz 1 Satz 1 ist vor Erhebung der Anklage bei den Behörden oder Beamten des Polizeidienstes oder bei der Staatsanwaltschaft anzubringen. Die Staatsanwaltschaft legt ihn mit einer Stellungnahme unverzüglich dem Gericht zur Entscheidung vor, sofern sie nicht nach Absatz 4 verfährt. Nach Erhebung der Anklage ist der Antrag des Beschuldigten bei dem nach Absatz 3 Nummer 3 zuständigen Gericht anzubringen.

(2) Ist dem Beschuldigten im Vorverfahren ein Pflichtverteidiger gemäß § 141 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3 zu bestellen, so stellt die Staatsanwaltschaft unverzüglich den Antrag, dem Beschuldigten einen Pflichtverteidiger zu bestellen, sofern sie nicht nach Absatz 4 verfährt.

(3) Über die Bestellung entscheidet

1.
das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Staatsanwaltschaft oder ihre zuständige Zweigstelle ihren Sitz hat, oder das nach § 162 Absatz 1 Satz 3 zuständige Gericht;
2.
in den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 4 das Gericht, dem der Beschuldigte vorzuführen ist;
3.
nach Erhebung der Anklage der Vorsitzende des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(4) Bei besonderer Eilbedürftigkeit kann auch die Staatsanwaltschaft über die Bestellung entscheiden. Sie beantragt unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach ihrer Entscheidung, die gerichtliche Bestätigung der Bestellung oder der Ablehnung des Antrags des Beschuldigten. Der Beschuldigte kann jederzeit die gerichtliche Entscheidung beantragen.

(5) Vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers ist dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Verteidiger zu bezeichnen. § 136 Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend. Ein von dem Beschuldigten innerhalb der Frist bezeichneter Verteidiger ist zu bestellen, wenn dem kein wichtiger Grund entgegensteht; ein wichtiger Grund liegt auch vor, wenn der Verteidiger nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung steht.

(6) Wird dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger bestellt, den er nicht bezeichnet hat, ist er aus dem Gesamtverzeichnis der Bundesrechtsanwaltskammer (§ 31 der Bundesrechtsanwaltsordnung) auszuwählen. Dabei soll aus den dort eingetragenen Rechtsanwälten entweder ein Fachanwalt für Strafrecht oder ein anderer Rechtsanwalt, der gegenüber der Rechtsanwaltskammer sein Interesse an der Übernahme von Pflichtverteidigungen angezeigt hat und für die Übernahme der Verteidigung geeignet ist, ausgewählt werden.

(7) Gerichtliche Entscheidungen über die Bestellung eines Pflichtverteidigers sind mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Sie ist ausgeschlossen, wenn der Beschuldigte einen Antrag nach § 143a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 stellen kann.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.