Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Nov. 2014 - 4 Sa 398/14
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 10.4.2014, Az.: 7 Ca 4133/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten im vorliegenden Berufungsverfahren noch über einen Anspruch der Klägerin auf Entgeltfortzahlung.
- 2
Die Klägerin war vom 01.10.2012 bis zum 31.05.2013 bei dem Beklagten als Physiotherapeutin beschäftigt. Ihr vertragsgemäßes Arbeitsentgelt belief sich auf 1.900,00 EUR brutto monatlich. Das Arbeitsverhältnis endete infolge Eigenkündigung der Klägerin vom 23.04.2013 zum 31.05.2013.
- 3
Am 25.04.2013 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Gewährung ihres restlichen Urlaubs zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Der Beklagte lehnte dieses Ansinnen ab mit dem Hinweis darauf, dass die Klägerin in Anbetracht der Kündigungen zweier weiterer Therapeutinnen nunmehr die einzig verbliebene Arbeitskraft im Betrieb sei, und er somit auf ihre Arbeitskraft bis zum letzten Tag des Arbeitsverhältnisses angewiesen sei.
- 4
Die Klägerin erbrachte ihre Arbeitskraft bis einschließlich Samstag, dem 27.04.2013.
- 5
Mit ärztlicher Bescheinigung vom 29.04.2013 wurde der Klägerin Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich zum 18.05.2013 attestiert. Am 21.05.2013 wurde eine Folgebescheinigung ausgestellt, welche die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bis einschließlich 31.05.2013 auswies. Auf den Inhalt der betreffenden ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (Bl. 35 f. d. A.), die der Beklagte von der Klägerin erhalten hat, wird Bezug genommen.
- 6
Mit ihrer am 08.11.2013 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin den Beklagten auf Entgeltfortzahlung für den Monat Mai 2013 in Höhe von 1.900,00 EUR brutto sowie auf Bezahlung von Überstunden (116,96 EUR brutto) und Erstattung von Fahrtkosten (192,60 EUR netto) nebst Zinsen in Anspruch genommen.
- 7
Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes, des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens und der erstinstanzlich gestellten Sachanträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 10.04.2014 (Bl. 70 bis 75 d. A.).
- 8
Das Arbeitsgericht hat der Klage auf Entgeltfortzahlung in Höhe von 1.900,00 EUR brutto stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 7 bis 13 dieses Urteils (= Bl. 75 bis 81 d. A.) verwiesen.
- 9
Gegen das ihm am 06.06.2014 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 03.07.2014 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihm mit Beschluss vom 07.08.2014 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 06.09.2014 begründet.
- 10
Der Beklagte macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts bestünden objektive Tatsachen, aus denen sich berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der der Klägerin ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ergäben. So stünde die Anzeige der Arbeitsunfähigkeit durch die Klägerin am 29.04.2013 in einem äußerst engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Gespräch vom 25.04.2013, in welchem der Klägerin mitgeteilt worden sei, dass ihrem Urlaubsantrag nicht stattgegeben werden könne. Bereits hierdurch sei der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erschüttert. Auch die Tatsache, dass in der Erstbescheinigung direkt eine Arbeitsunfähigkeit für einen Zeitraum von insgesamt drei Wochen attestiert worden sei, stelle eine Vorgehensweise dar, welche absolut nicht den üblichen Gepflogenheiten ordnungsgemäßer ärztlicher Heilbehandlung, Diagnose und Attestierung entspreche. Im Hinblick auf die absolut unübliche Dauer der festgestellten Arbeitsunfähigkeit bestehe der Verdacht, dass es sich um eine Gefälligkeitsbescheinigung handele. Besonders bezeichnend sei darüber hinaus die Tatsache, dass der bescheinigte Arbeitsunfähigkeitszeitraum abrupt mit dem 31.05.2013 geendet habe. Grund hierfür sei nämlich die Tatsache, dass die Klägerin (unstreitig) zum 01.06.2013 eine Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber aufgenommen habe.
- 11
Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens des Beklagten im Berufungsverfahren wird auf dessen Berufungsbegründungsschrift vom 05.09.2014 (Bl. 114 bis 116 d. A.) Bezug genommen.
- 12
Der Beklagte beantragt,
- 13
das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
- 14
Die Klägerin beantragt,
- 15
die Berufung zurückzuweisen.
- 16
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 29.09.2014 (Bl. 126 bis 128 d. A.), auf die Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
I.
- 17
Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat vielmehr sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung der Klage auf Entgeltfortzahlung für den Monat Mai 2013 in Höhe von 1.900,00 EUR brutto nebst Zinsen stattgegeben.
II.
- 18
Die Klage auf Entgeltfortzahlung für den Monat Mai 2013 ist begründet.
- 19
Die Klägerin hat gegen den Beklagten gemäß den §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 EFZG Anspruch auf Entgeltfortzahlung für den gesamten Monat Mai 2013 in rechnerisch unstreitiger Höhe von 1.900,00 EUR brutto.
- 20
Die Klägerin war ausweislich des Inhalts der ihr erteilten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen während des gesamten Monats Mai 2013 infolge Krankheit an der Erbringung ihrer Arbeitsleistung gehindert. Den ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 29.04.2013 und vom 21.05.2013 kommt ein hoher Beweiswert zu. Sie begründen die tatsächliche Vermutung, dass die Klägerin während des attestierten Zeitraumes infolge Krankheit arbeitsunfähig war (vgl. BAG v. 15.07.1992 - 5 AZR 312/91 - AP Nr. 98 zu § 1 LFZG).
- 21
Der Beklagte hat keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen, die zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin Anlass geben könnten. Die von ihm diesbezüglich vorgetragenen Umstände rechtfertigen weder jeweils für sich betrachtet noch in ihrer Gesamtheit durchgreifende Bedenken gegen die Richtigkeit der ärztlichen Bescheinigungen.
- 22
Der Beklagte kann sich zunächst nicht mit Erfolg auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen der Ablehnung des Urlaubsverlangens der Klägerin am 25.04.2013 und ihrer Krankschreibung ab dem 29.04.2013 berufen. Zwar trifft es zu, dass ein solcher Zusammenhang unter bestimmten Voraussetzungen Zweifel an der Richtigkeit einer Krankschreibung begründen kann. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer nach einer Weigerung des Arbeitgebers, Urlaub zum gewünschten Termin zu erteilen, sein Verbleiben von der Arbeit, also sein "Krankfeiern" ankündigt (vgl. BAG v. 04.10.1978 - 5 AZR 326/77 - AP Nr. 3 zu § 3 LFZG). Ein solcher Sachverhalt ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Die Klägerin hat im Zusammenhang mit dem seitens des Beklagten abgelehnten Urlaubswunsch ihr Fernbleiben weder angekündigt noch angedroht. Darüber hinaus hat sie auch an den beiden folgenden Tagen noch gearbeitet.
- 23
Entgegen der Ansicht des Beklagten ergeben sich keinerlei Zweifel aus der Richtigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen daraus, dass die Klägerin bereits in der Erstbescheinigung für einen Zeitraum von drei Wochen krankgeschrieben wurde. Dieser Umstand spricht vielmehr ausschließlich dafür, dass der Gesundheitszustand der Klägerin am 29.04.2013 aus ärztlicher Sicht bereits eine nicht unerhebliche Dauer der Erkrankung erwarten ließ.
- 24
Letztlich wird der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorliegend auch nicht dadurch ernsthaft erschüttert, dass der attestierte Zeitraum exakt mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses der Parteien und dem Beginn des neuen Arbeitsverhältnisses der Klägerin endete. Die daraus herrührenden Zweifel des Beklagten erscheinen zwar nicht unverständlich. Gleichwohl begründet dieser Umstand - auch aus Sicht des Berufungsgerichts - noch keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich des tatsächlichen Bestehens der attestierten Arbeitsunfähigkeit.
- 25
Der Beweiswert der von der Klägerin vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist daher nicht erschüttert.
- 26
Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
III.
- 27
Die Berufung des Beklagten war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.
- 28
Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Nov. 2014 - 4 Sa 398/14
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Nov. 2014 - 4 Sa 398/14
Referenzen - Gesetze
(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.
(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.
(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.
(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.