Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 17. Nov. 2009 - 5 Sa 155/09

bei uns veröffentlicht am17.11.2009

Tenor

1. Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der klagende Arbeitgeber verlangt von seiner ehemaligen Buchhalterin Schadensersatz wegen des Verlustes von Bargeld.

2

Der Kläger betreibt das in der Nähe von A. S. gelegene Hotel Gutshof S.. Die Beklagte war in dem Hotelbetrieb des Klägers auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 18. September 2000 (Blatt 6 ff. d. A.) als Finanzbuchhalterin seit diesem Tag mit einer monatlichen Vergütung in Höhe von 3.500,00 DM brutto beschäftigt. Außerdem war sie zuständig für den Auf- und Ausbau der Büroorganisation des seinerzeit erst kürzlich eröffneten Hotels. Mit Schreiben vom 31. Januar 2002 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum Ende Februar 2002 gekündigt. Das Arbeitsverhältnis ist durch diese Kündigung beendet worden.

3

Einige Zeit später - nämlich zu Beginn des Jahres 2003 - hat die Nachfolgerin der Klägerin in der Position als Buchhalterin, Frau S., die von der Klägerin hinterlassenen Buchungsunterlagen einer Revision unterzogen. Sie hat dabei mehrere Ungereimtheiten entdeckt, die sie in der Liste "Kassenfehlbeträge 2001" (Kopie Blatt 9f d. A.) zusammengefasst hat. Die Fehlbeträge gehen teilweise zu Lasten des Hauses, teilweise jedoch auch zu Gunsten des Hauses. Sie saldieren sich auf 6.551,71 DM. Nachdem die Beklagte außergerichtlich den Ausgleich dieses Betrages verweigert hat, macht der Kläger nunmehr den Betrag klageweise geltend. Im Laufe des Rechtsstreits hat er die Klage teilweise zurückgenommen, so dass jetzt nur noch ein Posten aus dieser Liste geltend gemacht wird, nämlich ein Schaden in Höhe von 6.040,50 DM (3.088,46 Euro), der dadurch entstanden sein soll, dass die Beklagte einen Bargeldbetrag in dieser Höhe am 23. Juli 2001 an sich genommen haben soll, ihn aber nicht verbucht und auch zu keinem Zeitpunkt auf ein Bankkonto des Klägers eingezahlt haben soll.

4

Das streitige Bargeld war an den verschiedenen Kassen des Hotels im Bereich der Rezeption und den verschiedenen Lokalen am Wochenende des 21. und 22. Juli 2001 vereinnahmt worden. Den Regeln im Umgang mit Bargeld im Hause entsprechend wurde das Bargeld nach Schluss der Kassen an den einzelnen Standorten an den dortigen Kassen abgerechnet und in einem Geldtresor, der eine Einwurfmöglichkeit besitzt, zusammen mit den durch die elektronischen Kassen erstellten Kassenberichten gesammelt. Am Morgen des 23. Juli 2003 hat eine Mitarbeiterin der Rezeption - auch das entsprach dem üblichen Vorgehen - den Tresor geöffnet, hat die vorhandenen Kasseneinnahmen gezählt und sie mit den Kassenberichten verglichen. Sodann wurde das Bargeld wie üblich in einem Geldsack mit dem Vermerk seines Wertes anhand des "Kassenrapport nach Systembediener" (Kopie des Rapports für den 22. Juli 2001 Blatt 108 f) wieder im Tresor verstaut. Der dafür jeweils zuständige Mitarbeiter der Rezeption hatte Zugriff auf einen Schlüsselkasten in der Rezeption, in dem stets ein Schlüssel für das Büro des Hotelleiters Herrn M. vorhanden war. Mit diesem Schlüssel konnte man im Büro von Herrn M. an den Tresorschlüssel gelangen. Der Zugriff auf den Schlüsselkasten an der Rezeption war allen Mitarbeitern des Klägers möglich.

5

Üblicherweise ist es dann so, dass die Beklagte als Buchhalterin im Laufe des Tages vorbeikommt, dem Tresor das Bargeld entnimmt und dieses sodann verbucht und auf einem Bankkonto des Hauses einzahlt. Sofern ein betrieblicher Anlass bestanden hat, hat die Beklagte während sie im Besitz des Bargeldes war, dieses gelegentlich auch zur Begleichung von Forderungen Dritter gegen das Hotel im Wege der Barzahlung verwendet. Die Beklagte war allerdings bis einschließlich 19. Juli 2001 arbeitsunfähig erkrankt gewesen und sie hat sich daher am 23. Juli 2001 erstmals wieder mit der Versorgung des vereinnahmten Bargeldes beschäftigt.

6

Im Rahmen der staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen die Beklagte kam es am 23. Februar 2004 auf Wunsch der Beklagten zu einem Ortstermin im Hotel, und die Beklagte hatte Gelegenheit erhalten, in das von ihr seinerzeit erstellte Buchwerk Einsicht zu nehmen. In diesem Zusammenhang ist es zwischen den Parteien unstreitig geworden, dass das von der Rezeption erstellte Dokument über das Zählergebnis vom Montagmorgen ("Kassenrapport nach Systembediener vom 22/07/01") vorhanden war, der Bargeldbetrag aber zu keinem Zeitpunkt in das buchhalterische Kassenbuch aufgenommen worden ist. Über diesen Ortstermin gibt es ein von der Staatsanwaltschaft erstelltes Protokoll (Blatt 76 ff der Ermittlungsakte 815 Js 9324/05, StA Neubrandenburg, die Akte ist beigezogen), in dem die Klägerin wie folgt zitiert wird (dort Blatt 80):

7

"Ich habe Geld und Belege morgens aus dem Tresor genommen. Der Gesamttagesbericht war also an diesem Tag auch da. Ich kann auch mit Bestimmtheit sagen, dass neben diesem Tagesbericht in der Tasche auch das gesamte Geld vorhanden gewesen sein muss, wenn dem nicht so gewesen wäre, hätte ich ganz sicher Alarm geschlagen."

8

Bei Gelegenheit der Sichtung der Buchungsunterlagen am 23. Februar 2004 hat die Beklagte allerdings auch festgestellt, dass das gesamte Buchwerk von ihrer Nachfolgerin überarbeitet und einschließlich der Belege neu zusammengestellt worden war.

9

Zwischen den Parteien ist im Weiteren unstreitig, dass die Beklagte am 25. Juli 2001 Bargeld in Höhe von glatt 18.000,00 DM auf ein Bankkonto des Hauses eingezahlt hat.

10

Die staatsanwaltlichen Ermittlungen haben zur Anklage geführt. Das Amtsgericht Waren hat die Beklagte nach mündlicher Verhandlung mit Urteil vom 13. Dezember 2005 trotz der bestehenden Verdachtsmomente nach dem Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" freigesprochen (Urteilsabdruck Blatt 220 ff der Ermittlungsakte). Im Berufungsrechtszug vor dem Landgericht Neubrandenburg hat die Staatsanwaltschaft die Berufung nach einer ausführlichen Einvernahme des als Zeugen geladenen Klägers auf Anraten des Gerichts zurückgenommen (Protokoll Blatt 273 ff der Ermittlungsakte).

11

Das Arbeitsgericht Neubrandenburg hat die im April 2003 eingereichte Klage - nach längerer Aussetzung des Verfahrens wegen der staatsanwaltlichen Ermittlungen - mit dem hier angegriffenen Urteil vom 18. Dezember 2008 abgewiesen. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

12

Mit der rechtzeitig eingereichten und rechtzeitig begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren in dem Umfang, wie es zuletzt noch rechtshängig war, weiter.

13

Der Kläger behauptet, die Beklagte habe das Bargeld dem Betrieb entzogen und es rechtswidrig an sich genommen. Dies könne daraus geschlossen werden, dass der Geldbetrag nebst dem Gesamttagesbericht von dem Wochenende nie in das Buchwerk aufgenommen worden sei. Da die Beklagte inzwischen einräumen musste, dass sie das Bargeld an sich genommen habe, sei es nun an ihr darzulegen und zu beweisen, wie sie mit dem Geldbetrag weiter verfahren sei. Die Beklagte könne sich nicht durch die Bareinzahlung in Höhe von 18.000,00 DM am 25. Juli 2005 entlasten, denn es sei spekulativ, ob darin der streitige Betrag enthalten sei.

14

Auch die Angriffe gegen die Aussagekraft des "Kassenrapport nach Systembediener vom 22/07/01", (Kopie Blatt 108f d. A.) seien haltlos. Aus dem am Morgen des 23. Februar 2001 erstellten Gesamttagesbericht für den 22. Juli 2001 ergäbe sich aus Blatt 1 eine ausgewiesene Barzahlungssumme von 6.020,70 DM und auf Blatt 2 ein Barzahlungsbetrag von 19,80 DM, somit insgesamt 6.040,50 DM. Bei den ausgewiesenen drei Barzahlungspositionen von 291,00 DM, 354,10 DM und 3.234,60 DM handele es sich um die Tageseinnahmen der Kellner vom 22.07.2001. Die weiterhin aufgelisteten Beträge von 530,00 DM, 530,00 DM, 3,50 DM, 530,00 DM und nochmals 530,00 DM seien in bar eingenommen worden und den Zimmernummern 216, 215, 58, 218, 219 zugeordnet. Im Weiteren seien Beträge von 1,50 DM, 10,00 DM, 6,00 DM, 10,00 DM und 9,80 DM in bar eingenommen worden. In den drei Bereichen des Hotels Wintergarten, Jägerstube und Sport sei je eine Kasse installiert.

15

Von Seiten der Beklagten fehle jede plausible Erklärung dafür, wo das Geld geblieben ist. Es stünde fest, dass das Geld weder von der Beklagten gebucht worden sei, noch hinsichtlich der Kassenberichte im Kassenbuch vorhanden gewesen sei. Die Belege seien von der Beklagten weder im Kassenordner eingetragen noch mit einer fortlaufenden Nummer versehen worden; vielmehr seien die Belege von ihr unbearbeitet bei den Buchhaltungsunterlagen aufbewahrt worden.

16

Selbst wenn man hilfsweise annehme, die Beklagte habe das Bargeld nicht absichtlich verschwinden lassen, wäre sie dennoch arbeitsvertraglich verpflichtet gewesen, das Fehlen des Geldes sofort zu melden, damit man zeitnah hätte Aufklärungsversuche unternehmen können. Da die Beklagte dies unterlassen habe, hafte sie auch aus diesem Gesichtspunkt.

17

Der Kläger beantragt,

18

unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.088,46 Euro nebst vier Prozent Zinsen seit dem 20.11.2001 zu zahlen.

19

Die Beklagte beantragt,

20

die Berufung zurückzuweisen.

21

Die Beklagte trägt vor, bei ihrer Vernehmung am 23. Februar 2004 vor Ort im Hotel habe sie sich alle Mühe gegeben, sich an etwas zu erinnern, was ihr - vermutlich wegen der inzwischen verstrichenen Zeit - nicht gelungen sei. Sie sei bei ihrer Einlassung einfach davon ausgegangen, dass es sich so verhalten habe müsse, wie es seinerzeit üblich gewesen sei. Sie habe also keine konkrete Erinnerung an die seinerzeitigen Vorgänge wiedergegeben, sondern nur berichtet, wie es gewesen sein müsste, wenn man den normalen Lauf der Dinge zu Grunde legt. Ihre dortigen Angaben könnten daher nicht als Geständnis gewertet werden. Der Kläger müsse sich die Frage gefallen lassen, warum er seinen Betrieb so organisiert habe, dass die vermeintlichen Fehlbeträge erst so spät entdeckt wurden. Es stünde nicht fest, ob es solche Fehlbeträge tatsächlich gegeben habe, es sei ebenso möglich, dass es sich lediglich um Luftbuchungen handele.

22

Nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen und dem Geltungsbereich des Tarifvertrages sei auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Mecklenburg-Vorpommern vom 30.05.1995, gültig ab dem 01.07.1995 anzuwenden. Nach § 15 Ziffer 2 letzter Satz dieses Manteltarifvertrages würden alle übrigen Ansprüche drei Monate nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb erlöschen. Bereits aus diesen Gründen sei die Klage erfolglos.

23

Außerdem weist die Beklagte darauf hin, dass sie keine ausgebildete Buchhalterin gewesen sei, was sie bereits in dem Bewerbungsgespräch mit dem Hoteldirektor Herrn M. angegeben habe. Ihm gegenüber habe sie angegeben, dass sie eine Qualifikation als Ingenieurin für Maschinenbau besitze und erst 1992 im Rahmen einer durch die IHK angebotenen Weiterbildung einen kaufmännischen Kurs für Techniker und Ingenieure besucht habe, bei dem es unter anderem um Buchhaltung gegangen sei. Vor dem Arbeitsverhältnis mit dem Kläger habe sie lediglich in einem kleinen einzelkaufmännisch geführten Unternehmen gearbeitet. Dort habe sie kaum weiterführende Kenntnisse benötigt, um die anfallenden Buchungsvorgänge zu bearbeiten. Die Buchhaltung in dem Hotelbetrieb des Klägers sei komplex, unüberschaubar, störanfällig und chaotisch gewesen. Der Kläger sei bewusst ein Risiko eingegangen diese Buchhaltung ihr mit den vorhandenen Qualifikationen anzuvertrauen.

24

Der Kassenreport für den 22. Juli 2001 sei kein Beleg dafür, dass das Bargeld in der ausgewiesenen Höhe vorhanden gewesen sei. Er sei in verschiedenen Positionen nicht verständlich.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

26

Die Berufung hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte wegen des nicht in das Buchwerk aufgenommenen Bargeldbetrages in Höhe von 6.040,50 DM (3.088,46 Euro) können nicht festgestellt werden.

I.

27

Die feststellbaren Umstände reichen nicht aus, um der Beklagten nachzuweisen, dass sie das Bargeld in unredlicher Absicht dem Kläger vorenthalten hat.

1.

28

Mit dem Kläger geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Beklagte am 23. Juli 2003 das Bargeld zunächst an sich genommen und den Vorgang bearbeitet hat. Die Beklagte hat dies selbst als die übliche Vorgehensweise beschrieben und es gibt auch keine nachvollziehbaren Einwände gegen die Annahme, auch an diesem Tag sei wie üblich verfahren worden.

29

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der im Rechtsstreit vorgelegte Kassenrapport für den 22. Juli 2001 (Blatt 108 f d. A.) künstlich und außerhalb der Vorgänge an jenem Tag hergestellt wurde. Die Bedenken gegen die Stimmigkeit des Kassenberichts, der den Klagbetrag ausweist, konnten im Rahmen der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Gerichtes behoben werden. Die obere Datumsangabe in der Kopfzeile rechts außen bezeichnet das Datum, zu dem der Kassenbericht erstellt wurde. Da der Kassenbericht üblicherweise nach dem Wochenende, also an dem Montag erstellt wird, bestätigt dieses Datum die Richtigkeit der klägerischen Angaben. In der Zeile unter diesem Datum ist das Fakturierungsdatum angegeben, also das Datum, zu dem die im Rapport ausgewiesenen Buchungen vorgenommen wurden. Es ist stimmig, wenn dort der 22. Juli 2001 aufgeführt wird, denn es geht um die Buchungen dieses Tages.

30

Soweit im Rapport selbst in der ersten Zeile nach der Überschrift der Name D. P. auftaucht, während Seite 2 des Rapports an derselben Stelle Frau S. K. ausweist, kann daraus nicht darauf geschlossen werden, dass dem Gericht ein künstlicher Rapport, der sich aus Teilen zweier anderer Rapporte zusammensetzt, vorgelegt worden ist. Vielmehr geht das Gericht nach Erörterung in der mündlichen Verhandlung davon aus, dass an dem Sonntag (22. Juli 2001) Frau P. die Frühschicht hatte und Frau K. die Spätschicht. Dies wird durch die Uhrzeitangaben in der Spalte "Zeit" des eigentlichen Rapports bestätigt. Diese Deutung der Angaben fügt sich auch in die Angaben der Beklagten, die stets betont hat, Frau P. könne den Kassenrapport nicht erstellt haben, da sie am 23. Juli 2001 keinen Frühdienst gehabt habe. Also geht auch die Beklagte davon aus, dass die Nennung von Mitarbeiternamen in dem Rapport nicht ausdrücken soll, dass diese Mitarbeiter den Rapport erstellt haben.

31

Was die im Rapport ausgewiesenen Buchungen angeht, deuten die ersten drei Zeilen mit den Zeitangaben 7:00, 7:01 und 7:02 Uhr darauf hin, dass entsprechend dem üblichen Vorgehen damit die Bareinnahmen an den Kassen in den Restaurants und an den Theken in die Kasse übernommen wurden. Allerdings kann es sich dabei nicht um die Einnahmen aus diesen Kassen vom Sonntag gehandelt haben, sondern es handelt sich um die Einnahmen vom Samstag (21. Juli 2001), die man am Sonntagmorgen in das elektronische Buchwerk eingearbeitet hat. Diese Ungenauigkeit im klägerischen Sachvortrag hält das Gericht jedoch in Bezug auf die Möglichkeiten, aus dem Kassenrapport Schlüsse auf die tatsächlichen Verhältnisse zu ziehen, für unschädlich.

32

Daher muss davon ausgegangen werden, dass die Beklagte am Montag (23. Juli 2001) unter anderem den Beutel mit dem Bargeld in Höhe von 6.040,50 DM jedenfalls zeitweilig in Händen gehalten hat.

2.

33

Entgegen der Ansicht des Klägers reicht dies jedoch nicht aus, um feststellen zu können, dass die Beklagte das Geld unterschlagen hat. Denn es kann weder festgestellt werden, dass die Beklagte das im Tresor befindliche Bargeld tatsächlich an sich genommen hat, noch kann festgestellt werden, dass der fragliche Betrag nicht auf ein Bankkonto des Klägers eingezahlt wurde.

a)

34

Das Gericht geht davon aus, dass Alles dafür spricht, dass die Beklagte den streitigen Bargeldbetrag im Rahmen der Bareinzahlung am Mittwoch auf der Bank auf ein Konto des Hotels eingezahlt hat. Denn wenn die Beklagte am Mittwoch (25. Juli 2001) einen Betrag von 18.000,00 DM auf ein Bankkonto des Hotels in bar einzahlt, spricht dies dafür, dass es sich dabei um die Bareinnahmen der letzten Tage einschließlich der Einnahmen des Wochenendes gehandelt hat. Denn es spricht nichts dafür, dass die 18.000,00 DM ausschließlich den Bareinnahmen vom Montag und Dienstag (23. und 24. Juli 2001) entsprechen, denn das wäre ein überraschend hoher Betrag für diese beiden typischerweise im Gastgewerbe eher umsatzschwachen Tage. Dieser Aspekt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht ohne dass der Kläger die vom Gericht beabsichtigte Schlussfolgerung in Frage gestellt hat oder dazu weiter vortragen wollte. - Aus dem Umstand allein, dass die Bareinzahlung bei der Bank auf einen glatten Betrag lautet, während die verschiedenen Tageseinnahmen typischerweise "krumme" Beträge ausweisen, ergibt sich kein Indiz gegen die Beklagte. Denn der Kläger konnte keine Anhaltspunkte dafür geben, dass die Bareinzahlung auf einem anderen Geschäftsvorfall beruht, der mit den Bareinnahmen im Hotel nicht im Zusammenhang steht.

b)

35

Die verbleibenden Zweifel an der Verbindung zwischen dem Bargeld vom Wochenende und der Bareinzahlung am Mittwoch gehen nicht zu Lasten der Beklagten. Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz. Also trägt er das Risiko, dass sich notwendige Feststellungen nicht treffen lassen. Eine Verschiebung der Darlegungs- und Beweislast zu Lasten der Beklagten kommt vorliegend nicht in Betracht.

36

Denn es ist nicht einmal feststellbar, dass die Beklagte das Bargeld in der streitigen Höhe am Montag (23. Juni 2001) tatsächlich in Besitz genommen hat. Keine der beiden Parteien hat schriftsätzlich dazu vorgetragen, wie die Beklagte üblicherweise mit den Bargeldeinnahmen verfahren ist oder zu verfahren hatte. Angesichts der Gefahren, die damit verbunden sind, wenn man größere Bargeldbeträge "am Mann" (bzw. "an der Frau") mit sich herumträgt, ist es sogar eher fernliegend anzunehmen, die Beklagte habe das Bargeld schon am Montag an sich genommen, um es am Mittwoch bei der Bank einzuzahlen. Dabei muss auch bedacht werden, dass der Kläger dem Vortrag der Beklagten nie entgegen getreten ist, dass an diesem Montag in dem Tresor ein gewisser Bargeldstau zu verzeichnen gewesen sein müsste, da sie die Tage zuvor arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei und daher das Bargeld aus mehreren Tageseinnahmen zu versorgen gewesen sei. Mangels konkreten abweichenden Parteivortrages muss daher vielmehr davon ausgegangen werden, dass die Beklagte, nachdem sie die Bargeldeinnahmen gesichtet hatte, sie diese entweder in diesem Zustand oder neu zusammengestellt im Tresor zurückgelassen hat, denn dies würde jedenfalls der bestimmungsmäßigen Nutzung eines Tresors entsprechen.

37

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat dann die Beklagte dazu noch ergänzend vorgetragen, es sei üblich gewesen, das eingenommene Bargeld zunächst zu sammeln; man habe das Geld nur ein- bis zweimal pro Woche zur Bank getragen. Zwischenzeitlich sei das Bargeld in einer Geldkassette im Büro des Hotelleiters verwahrt worden, zu der nur der Hotelleiter und sie einen Schlüssel gehabt hätte. - Dieser Vortag ist neu, weshalb das Gericht - wie im Protokoll dokumentiert - nachgefragt hat, ob die Sache entscheidungsreif sei. Das ist von keiner Seite verneint worden. Der Kläger hat diesen neuen Vortrag aber auch nicht ausdrücklich bestritten. Er kann daher der Entscheidung des Gerichts zu Grunde gelegt werden. Der Vortrag bestätigt die Vermutung des Gerichts, dass die Beklagte außerhalb des Zeitraums der Bearbeitung des Vorgangs nicht im Besitz des Bargeldes war. Daher scheidet eine Verschiebung der Darlegungs- und Beweislast zu Lasten der Beklagten aus.

3.

38

Auch die fehlende Verbuchung der Bareinnahmen vom Sonntag in dem von der Beklagten gepflegten Buchhaltung reicht für die Feststellung, die Beklagte habe das Bargeld an sich genommen, nicht aus. Gemessen an einem halbwegs perfekten kriminellen Plan mag es zwar zwingend sein, Gelder, die man unterschlagen möchte, nicht in das Buchwerk aufzunehmen. Insofern mag es im Allgemeinen ein Indiz für unrechtmäßiges Handeln sein, wenn Zahlungsvorgänge nicht verbucht werden. Diesen Schluss hier zu ziehen, sieht sich das Gericht allerdings nicht in der Lage, denn dann hätte die Beklagte wenigstens den Kassenrapport den Sonntag betreffend insgesamt vernichten müssen. Das hat sie jedoch nach klägerischen Angaben nicht gemacht, vielmehr soll der Kassenbericht sozusagen unbearbeitet bei den Buchhaltungsunterlagen aufgefunden worden sein. Das spricht eindeutig gegen einen kriminellen Plan der Beklagten.

4.

39

Ausreichende Feststellungen lassen sich schließlich auch nicht anhand der Einlassung der Beklagten anlässlich des Ortstermins mit der Staatsanwaltschaft im Hotel am 23. Februar 2004 treffen. Denn das Gericht nimmt mit der Beklagten an, dass die Beklagte bei ihrer Einlassung keine konkrete Erinnerung an konkrete Ereignisse in jener Zeit wiedergegeben hat, sondern dass sie nur mitgeteilt hat, wie sich die Dinge zugetragen haben müssten, wenn man einen normalen Lauf der Dinge zu Grunde legt.

II.

40

Die Klage ist auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Mankohaftung oder dem Gesichtspunkt der sonstigen Vertragsverletzung begründet.

1.

41

Die Voraussetzungen für die sogenannte Mankohaftung sind hier nicht gegeben. Das hat das Arbeitsgericht bereits zutreffend festgestellt; hierauf wird Bezug genommen. Die Berufung hat insoweit auch keine Rügen erhoben.

2.

42

Die Voraussetzungen für eine denkbare Haftung der Beklagten wegen unterlassener zeitnaher Mitteilung des Fehlens von Bargeld sind ebenfalls nicht dargelegt.

43

Denn es lässt sich nicht einmal feststellen, dass der Beklagten im Geschehenszeitraum der Verlust des Geldes aufgefallen war oder hätte auffallen müssen. Für eine andere Feststellung reicht die Einlassung der Beklagten vor der Staatsanwaltschaft nicht aus, denn sie gibt dort nur wieder, wie sich die Dinge bei normalem Lauf der Dinge zugetragen haben müssten. Allein aus dem Umstand, dass das Geld verschwunden ist, ergibt sich jedoch rückblickend betrachtet, dass der damalige Vorgang vom Üblichen abgewichen ist. An welcher Stelle des Weges, den das Bargeld üblicherweise geht, der Verlust eingetreten ist, ist bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung spekulativ geblieben. Theoretisch hätte ein Dritter schon vor der Übernahme des Bargeldes durch die Klägerin, einen der Geldsäcke im Tresor mit den Buchungsunterlagen dazu verschwinden lassen können. Genauso wäre es denkbar, dass ein Dritter Zugriff auf das Geld und die Buchungsunterlagen dazu genommen hatte, als es im Tresor (oder in der Geldkassette) für seine Einzahlung auf der Bank zwischengelagert wurde.

44

Eine solche Möglichkeit kann hier nicht ausgeschlossen werden, da inzwischen durch Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Kläger und dem seinerzeitigen Hoteldirektor, Herrn M., feststeht, dass dieser den Kläger in Zusammenhang mit Geldern des Hotels betrogen hat. Er ist in dem Rechtsstreit zur Zahlung von 2.900,00 Euro an den Kläger verurteilt worden, weil er dieses Geld unter dem Deckmantel der Bezahlung einer Leistung durch Dritte sich selbst vereinnahmt hat. Im Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 11. Juli 2007 (2 Sa 105/07) ist dem Herrn bescheinigt worden, dass er erstinstanzlich versucht habe, das Gericht zu betrügen und seine weitere Einlassung zu dem dortigen Streitgegenstand unglaubwürdig seien. - Da Herr M. als Vorgesetzter der Beklagten ohnehin eine ständige Zugriffsmöglichkeit auf das Bargeld des Hauses und auch auf die Buchhaltungsunterlagen der Beklagten hatte, ist im vorliegenden Fall der Hinweis auf ein anderes theoretisch denkbares Tatgeschehen mehr als nur die übliche Rechtfertigung eines Verdächtigen, die Tat müsse von einem unbekannten Dritten begangen worden sein. Insoweit kommt nach Überzeugung des Gerichts auch dem behaupteten Auffinden des Kassenrapports vom 22. Juli 2001 bei den Buchhaltungsunterlagen kein Indizwert zu, denn es ist nicht mehr feststellbar, wer den Bericht zu welchem Zeitpunkt den Buchhaltungsunterlagen beigefügt hat. Daher kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte sozusagen täglich durch die noch nicht verarbeiteten Belege vom 22. Juli 2001 daran erinnert wurde, dass es da noch einen offenen aufklärungsbedürftigen Vorgang gebe.

III.

45

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen, da sein Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 ZPO).

46

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision aus § 72 Absatz 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

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Referenzen - Gesetze

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 17. Nov. 2009 - 5 Sa 155/09 zitiert 2 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Referenzen

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.