Landesarbeitsgericht Hamburg Beschluss, 06. Juli 2015 - 8 TaBV 7/14

bei uns veröffentlicht am06.07.2015

Tenor

1. Die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 22.01.2014 (16 BV 24/13) wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten anlässlich eines Einigungsstellenspruchs über die Frage, welcher Betriebsrat für die Festlegung des Ausgleichszeitraums und der zulässigen Schwankungsbreite nach § 6 II TV-KAH zuständig ist.

2

Die Beteiligte zu 2. (i.F.: Arbeitgeberin) ist ein eingetragener Verein, dessen Arbeitnehmer und Mitglieder unter anderem bei dem A. W.-Klinikum Hamburg GmbH in R. (i.F.: W.-Klinikum) auf der Grundlage des Gestellungsvertrages vom 13.11.2001 im Pflege- und Funktionsdienst tätig sind. Der Beteiligte zu 1. (i.F.: Betriebsrat) ist der bei der Arbeitgeberin von den für sie im W.-Klinikum tätigen Arbeitnehmern gebildete Betriebsrat. Die Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis mit dem W.-Klinikum stehen, haben einen eigenen Betriebsrat gebildet.

3

Auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitgeberin findet kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für den Krankenhaus-Arbeitgeberverband Hamburg e.V. (TV-KAH) vom 14.06.2007 in der Fassung des 3. Änderungstarifvertrags vom 07.05.2012 Anwendung. Dieser lautet – auszugsweise – wie folgt:

4

§ 6 Regelmäßige Arbeitszeit

5

(1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen durchschnittlich 38,5 Stunden wöchentlich. ...

6

(2) Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen. Abweichend von Satz 1 kann bei Beschäftigten, die ständig Wechselschicht oder Schichtarbeit zu leisten haben, ein längerer Zeitraum zugrunde gelegt werden.
...

7

(6) Durch Betriebs-/Dienstvereinbarung kann ein wöchentlicher Arbeitszeitkorridor von bis zu 45 Stunden eingerichtet werden. Die innerhalb eines Arbeitszeitkorridors geleisteten zusätzlichen Arbeitsstunden werden im Rahmen des nach Abs. 2 Satz 1 festgelegten Zeitraums ausgeglichen. ...

8

§ 7 Sonderformen der Arbeit

9

...
(7) Überstunden sind die auf Anordnung des Arbeitgebers geleisteten Arbeitsstunden, die über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten (§ 6 I 1) für die Woche dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich festgesetzten Arbeitsstunden hinausgehen und nicht bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen werden.

10

(8) Abweichend von Absatz 7 sind nur die Arbeitsstunden Überstunden, die

11

a) im Falle der Festlegung eines Arbeitszeitkorridors nach § 6 VI über 45 Stunden oder über die vereinbarte Obergrenze hinaus
...

12

angeordnet worden sind. ...

13

Der Betriebsrat verlangte von der Arbeitgeberin den Abschluss einer Betriebsvereinbarung mit dem Regelungsgegenstand „Ausgleichszeiträume nach § 6 II TV-KAH sowie zulässige Plus- und Minusstunden“. Nachdem unmittelbare Verhandlungen zwischen den Beteiligten ohne Erfolg geblieben waren, einigten sie sich auf die Einrichtung einer Einigungsstelle. Dabei stimmte die Arbeitgeberin der Einrichtung der Einigungsstelle „ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage“ zu und behielt sich vor, die Zuständigkeit im Einigungsstellenverfahren zu rügen.

14

Die Einigungsstelle trat am 29.08.2013 zusammen. In der Sitzungsniederschrift vom selben Tage heißt es auszugsweise:

15

„Der Arbeitgeber beantragt:

16

1. 'Die Einigungsstelle erklärt sich für nicht zuständig.'

17

In einer ersten Abstimmungsrunde (ohne Beteiligung der Vorsitzenden) ergeben sich zwei Stimmen für den Antrag, zwei Stimmen gegen den Antrag.

18

Da die Frage der Zuständigkeit der Einigungsstelle bereits eingehend erörtert wurde, schließt sich die zweite Abstimmungsrunde an. Es ergeben sich mit der Stimme der Vorsitzenden drei Stimmen für den Antrag des Arbeitgebers, zwei Stimmen dagegen.

19

Damit ist folgender Spruch ergangen:

20

'Die Einigungsstelle erklärt sich für unzuständig.' “

21

Hinsichtlich der Einzelheiten der Sitzungsniederschrift der Einigungsstelle vom 29.08.2013 wird auf Anlage ASt 7 (Bl. 30 ff. d.A.) verwiesen.

22

Die Vorsitzende der Einigungsstelle begründete den Spruch im Wesentlichen damit, dass der Betriebsrat des W.-Klinikums als „Entleiherbetriebsrat“ für die Frage der Ausgleichszeiträume und der Festlegung der zulässigen Schwankungsbreite zuständig sei, da das W.-Klinikum diesbezüglich die wesentlichen Entscheidungen treffe. Hinsichtlich der Begründung des Einigungsstellenspruchs im Einzelnen wird auf Anlage ASt 7 (Bl. 30 ff. d. A.) Bezug genommen.

23

Mit seinem am 18.09.2013 beim Arbeitsgericht eingegangen Antrag macht der Betriebsrat die Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs vom 29.08.2013 geltend. Er hat die Auffassung vertreten, die Einigungsstelle sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Festlegung der Ausgleichszeiträume und der zulässigen Schwankungsbreite der insoweit einzurichtenden Arbeitszeitkonten in erster Linie die Lage der Arbeitszeit betreffe, für die der Entleiherbetriebsrat zuständig sei. Vielmehr seien mit § 6 II TV-KAH unmittelbar vergütungsrechtliche Fragen betroffen, für die der Verleiherbetriebsrat zuständig sei.

24

Der Betriebsrat zu 1. hat beantragt,

25

festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle „Ausgleichszeiträume nach § 6 II TV-KAH sowie zulässige Plus- und Minusstunden“ vom 29.08.2013 respektive 03.09.2013 unwirksam ist.

26

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

27

den Antrag zurückzuweisen.

28

Sie hat die Auffassung vertreten, es bestehe die Gefahr divergierender Regelungen, da der von den Arbeitnehmern des W.-Klinikums gebildete Betriebsrat mit dem W.-Klinikum über eine Betriebsvereinbarung zum Thema Arbeitszeit verhandele, in der auch eine Regelung zum Ausgleichszeitraum enthalten sein soll.

29

Das Arbeitsgericht hat die Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle festgestellt. Der Betriebsrat habe ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 I Nr. 10 BetrVG, da der Regelungsgegenstand der Einigungsstelle „Ausgleichszeiträume nach § 6 II TV-KAH sowie zulässige Plus- und Minusstunden“ Fragen der betrieblichen Lohngestaltung betreffe. Rahmenzeit und Arbeitszeitkorridor gemäß § 6 II und VI TV-KAH bestimmten nicht den Zeitraum, in dem die Arbeitsleistung erbracht werde, sondern begrenze nur den Zeitraum, in dem Arbeitszeit überstundenzuschlagsfrei angeordnet und geleistet werden könne. § 6 VI TV-KAH eröffne den Betriebsparteien die Möglichkeit, eine Betriebsvereinbarung über die Länge des wöchentlichen Arbeitszeitkorridors zu treffen. Eine solche Regelung habe zur Folge, dass überstundenzuschlagspflichtige Arbeitszeit bei einer Überschreitung des wöchentlichen Arbeitszeitkorridors unabhängig davon anfalle, ob der Verleiher oder der Entleiher das Direktionsrecht ausgeübt habe. Daher habe der in Rede stehende Regelungsgegenstand der Einigungsstelle unmittelbar vergütungsrechtliche Auswirkungen. Hier liege die maßgebliche Entscheidungsbefugnis bei der Arbeitgeberin und nicht beim W.-Klinikum.

30

Gegen den am 22.01.2014 verkündeten und den Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin am 10.03.2014 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin am 10.04.2014 Beschwerde eingelegt und diese – nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 12.06.2014 – am 11.06.2014 begründet.

31

Die Arbeitgeberin meint, der Antrag des Betriebsrats sei hinsichtlich der Festlegung zulässiger Plus- und Minusstunden nicht zulässig, da er im Sinne des § 253 II Nr. 2 ZPO zu unbestimmt sei. Der Begriff „Plus- und Minusstunden“ finde sich nicht im Tarifvertrag. In § 10 TV-KAH ginge es nur um ein Arbeitszeitkonto, das nicht Gegenstand des Verfahrens sei. Es sei unklar, was der Betriebsrat mit den von ihm verwendeten Begriffen meine. Das Arbeitsgericht habe sich damit nicht auseinandergesetzt.

32

Das Arbeitsgericht habe den Antrag des Betriebsrats auch fehlerhaft als begründet angesehen. Es bestehe hinsichtlich der Dauer des Ausgleichszeitraums überhaupt kein Mitbestimmungsrecht, da diese in § 6 II TV-KAH abschließend geregelt sei. Aus der Wendung „bis zu“ in § 6 II TV-KAH ergebe sich nur, dass der Arbeitgeber die Arbeitszeit auch so verteilen könne, dass ein Ausgleich innerhalb eines kürzeren Zeitraums erzielt werde.

33

Selbst wenn man von einem Mitbestimmungsrecht ausginge, stünde dies dem Betriebsrat des W.-Klinikums und nicht dem der Arbeitgeberin zu. Zum einen habe der Betriebsrat des W.-Klinikums bereits eine Betriebsvereinbarung zum Thema Arbeitszeit mit dem W.-Klinikum abgeschlossen, in der die Dauer des Ausgleichszeitraums im Sinne des § 6 II TV-KAH geregelt sei. Wenn die Beteiligten dieses Verfahrens ebenfalls eine Regelung zur Dauer des Ausgleichszeitraums vereinbaren würden, führe dies zu divergierenden Regelungen für den gleichen Personenkreis. Eine solche Doppelzuständigkeit sei ausgeschlossen.

34

Zum anderen habe das Arbeitsgericht verkannt, dass ausschließlich der Betriebsrat des W.-Klinikums für eine Regelung über die Dauer der Ausgleichszeiträume zuständig sei. Mitbestimmungsrechte in Vergütungsfragen stünden zwar gemäß § 14 AÜG dem Betriebsrat des Verleihers zu. Die in Rede stehende Regelung betreffe aber nicht in erster Linie Vergütungsfragen, sondern die Lage der Arbeitszeit. Mit dem Ausgleichszeitraum werde festgelegt, innerhalb welchen Zeitraums der Durchschnitt der wöchentlichen Regelarbeitszeit erreicht sein müsse, was beispielsweise dann relevant werde, wenn der Arbeitgeber innerhalb eines Jahreszeitraums weitere Arbeitszeit anordnen wolle, die gesamte zulässige Arbeitszeit für das entsprechende Jahr aber bereits ausgeschöpft sei. Dann sei der Arbeitgeber gemäß § 6 II TV-KAH zu einer Anordnung weiterer Arbeitszeit nicht berechtigt. Dass diese Regelung – wie jede Regelung zur Arbeitszeit – auch Auswirkungen auf die Vergütung habe, ändere nichts daran, dass sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auf die Lage der Arbeitszeit beziehe. Subsumiere man diese Regelung – wie das Arbeitsgericht – stets unter § 87 I Nr. 10 BetrVG, bleibe kein Anwendungsbereich für § 87 I Nr. 2 BetrVG.

35

Im Übrigen sei hier die Besonderheit zu beachten, dass die Arbeitgeberin anders als bei der klassischen Arbeitnehmerüberlassung in ihren Gestellungsfeldern die gesamten Pflegeaufgaben übernommen habe. Die Mitglieder und Mitarbeiter seien hier langfristig angestellt. Ein eigenständiges Arbeitszeitkonto bei der Arbeitgeberin aufgrund wechselnder Einsätze der Mitarbeiter bei verschiedenen Entleihern mache daher keinen Sinn. Der Gestellungsvertrag zwischen der Arbeitgeberin und dem W.-Klinikum sehe auch, anders als ein typischer Verleihvertrag, vor, dass das W.-Klinikum an die Arbeitgeberin lediglich die Kosten der gestellten Arbeitnehmer und Mitglieder zuzüglich einer Verwaltungspauschale erstatte. Das W.-Klinikum habe somit die Organisationshoheit für alle Arbeitszeitfragen und auch die sich daraus ergebenden vergütungsrechtlichen Konsequenzen zu tragen. Dass die Entscheidungsbefugnis daher beim W.-Klinikum liege und damit einhergehend dessen Betriebsrat zuständig sei, habe das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt.

36

Der Arbeitgeberin beantragt,

37

den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 22.01.2014 (16 BV 24/13) abzuändern und den Antrag des Betriebsrats zurückzuweisen.

38

Der Betriebsrat beantragt,

39

die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückzuweisen.

40

Er verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts.

41

Der Antrag sei zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt. Er beziehe sich auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs. Davon gebe es vorliegend nur diesen einen. Eine Unklarheit bestehe nicht.

42

Das Arbeitsgericht habe auch zu Recht entschieden, dass die Ausgleichszeiträume und die Festlegung der zulässigen Schwankungsbreiten dem Mitbestimmungsrecht des Antragstellers im vorliegenden Verfahren unterfielen.

43

Das Mitbestimmungsrecht folge sowohl aus § 87 I Nr. 10 BetrVG – wie das Arbeitsgericht zu Recht angenommen habe – als auch aus § 87 I Nr. 2 BetrVG. Die Regelung des § 6 II TV-KAH sei hinsichtlich des Ausgleichszeitraums nicht abschließend.

44

Der Betriebsrat sei zuständig, weil die mitbestimmungspflichtige Entscheidung von der Arbeitgeberin getroffen werde. Mit der Festlegung des Ausgleichszeitraums werde bestimmt, in welchem Maße der Arbeitgeber von der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit abweichen dürfe und in welcher Grenze er das Vergütungsrisiko für die flexible Gestaltung der Arbeitszeit trage. Mit der Festlegung des Ausgleichszeitraums sei zudem notwendigerweise ein Arbeitszeitkonto zu schaffen, da die auszugleichenden Plus- und Minusstunden erfasst werden müssten. Beide Regelungen beträfen unmittelbar vergütungsrechtliche Aspekte der Arbeitszeit. Eine Entscheidung über die konkrete Lage der Arbeitszeit stehe dagegen nicht im Raum. Diese Zuständigkeitsabgrenzung entspreche auch der betrieblichen Praxis, da die Arbeitgeberin über die Auszahlung aufgelaufener Überstunden entscheide.

45

Dass der Betriebsrat des W.-Klinikums mit dem W.-Klinikum bereits eine Betriebsvereinbarung „Arbeitszeit“ mit einer Regelung über Ausgleichszeiträume abgeschlossen habe, sei für das hiesige Verfahren irrelevant. Zum einen sei eine solche Regelung für die Arbeitnehmer und Mitglieder der Arbeitgeberin nicht anwendbar. Der Betriebsrat des W.-Klinikums wolle zum anderen den Betriebsrat der Arbeitgeberin nicht aus seinem Zuständigkeitsbereich verdrängen. Die für das W.-Klinikum abgeschlossene Betriebsvereinbarung erfasse die Arbeitnehmer und Mitglieder der Arbeitgeberin nur im Rahmen des gesetzlich Zulässigen.

46

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die zu Protokoll gegebenen Erklärungen verwiesen.

II.

47

Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist zulässig (1), aber nicht begründet (2).

48

1) Die gemäß § 87 I ArbGG statthafte Beschwerde ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§ 87 II 1 i. V. m. § 66 I 1, 2 ArbGG).

49

2) Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats zu Recht als zulässig angesehen (a). Der Antrag des Betriebsrats ist zwar nicht bereits deshalb begründet, weil der Spruch der Einigungsstelle aus formalen Gründen unwirksam wäre (b). Der antragstellende Betriebsrat ist jedoch für die Festlegung eines Ausgleichszeitraums und der zulässigen Schwankungsbreite gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG zuständig (c).

50

a) Der Antrag des Betriebsrats ist zulässig.

51

aa) Ob der Feststellungsantrag des Betriebsrats innerhalb der Frist des § 76 V 4 BetrVG bei Gericht eingegangen ist, kann dahinstehen. Das Arbeitsgericht hat zu der Frage, wann der am 03.09.2013 abgesetzte Spruch der Einigungsstelle den Beteiligten in schriftlicher Form übersandt worden ist, zu Recht keine Feststellungen getroffen. Die Frist ist nämlich nur einzuhalten, wenn geltend gemacht wird, die Einigungsstelle habe ihr Ermessen überschritten. Sonstige Mängel des Spruchs der Einigungsstelle können unabhängig von der Frist des § 76 V 4 BetrVG geltend gemacht werden (vgl. ErfK/Kania, 15. Aufl. 2015, § 76 BetrVG Tz 28).

52

Im vorliegenden Verfahren rügt der Betriebsrat eine Rechtsverletzung durch die Einigungsstelle bei der Beurteilung ihrer Zuständigkeit. Es kann deshalb offen bleiben, wann den Beteiligten der Spruch der Einigungsstelle zugegangen ist. Der handschriftliche Fristvermerk „not. 18.09.“ auf Bl. 6 des vom Betriebsrat als Anlage Ast 7 (Bl. 30 – 35) zur Akte gereichten Spruchs der Einigungsstelle spricht für eine Zustellung am 04.09.2013. In diesem Fall wäre die 2-Wochen-Frist durch den am 18.09.2013 bei Gericht eingegangenen Antrag ohnehin gewahrt.

53

bb) Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin fehlt es nicht an der Bestimmtheit des Antrags, die auch im Beschlussverfahren erforderlich ist (vgl. BAG v. 18.03.2014 – 1 ABR 73/12 – Tz 13). Der Antrag richtet sich auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle vom 29.08.2013. Dass im Antrag auch der 03.09.2013, der Tag der Sitzungsniederschrift, genannt ist, lässt keine Zweifel daran aufkommen, um welchen Spruch der Einigungsstelle es geht. Am 29.08.2013 hat nur eine Einigungsstelle der Beteiligten des vorliegenden Verfahrens stattgefunden. Ob der Betriebsrat bereits bei Einleitung des Einigungsstellenverfahrens einen hinreichend bestimmten Antrag gestellt hatte, ist für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung. Die Einigungsstelle kann angerufen werden, wenn die Betriebsparteien über eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit keine einvernehmliche Regelung erzielt haben. Auf den Antrag auf Einleitung eines Einigungsstellenverfahrens ist § 253 II Nr. 2 ZPO weder direkt noch analog anwendbar.

54

cc) Das nach § 256 I ZPO erforderliche Feststellungsinteresse des Betriebsrats ist gegeben. Der angegriffene Spruch der Einigungsstelle beruht auf der Annahme, der Betriebsrat sei für die Festlegung von Ausgleichszeiträumen und Schwankungsbreiten für die im W.-Klinikum tätigen Mitglieder und Arbeitnehmer nicht zuständig. Der Betriebsrat hat ein rechtliches Interesse daran, die Richtigkeit dieser Annahme überprüfen zu lassen, um gegebenenfalls sein Mitbestimmungsrecht ausüben zu können.

55

b) Der Antrag des Betriebsrats ist nicht bereits deshalb begründet, weil der Spruch der Einigungsstelle vom 29.08.2013 formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist.

56

aa) Die Einhaltung des ordnungsgemäßen Verfahrens bei der Einigungsstelle wurde von den Beteiligten zwar nicht gerügt. Die gerichtliche Rechtskontrolle von Einigungsstellensprüchen beschränkt sich aber nicht auf die inhaltliche Prüfung des Spruchs, sondern es sind auch Verstöße gegen elementare Verfahrensvorschriften über Bildung, Verhandlung und Beschlussfassung der Einigungsstelle zu berücksichtigen, selbst wenn dies von keinem Beteiligten gerügt worden ist (BAG v. 18.01.1994 – 1 ABR 43/93 –Tz 11).

57

bb) Formelle Fehler können nicht festgestellt werden.

58

(1) Nach § 76 III 2, 3 BetrVG fasst die Einigungsstelle ihre Beschlüsse nach mündlicher Beratung. Kommt bei der ersten Abstimmung (ohne den Vorsitzenden) keine Mehrheit zustande, muss der zweiten Abstimmung, an welcher der Vorsitzende teilnimmt, eine erneute Beratung vorausgehen. Auf eine erneute Beratung kann nur verzichtet werden, wenn sämtliche Mitglieder der Einigungsstelle keine weitere Behandlung und Beratung wünschen (BAG v. 30.01.1990 – 1 ABR 2/89 – Tz 42).

59

(2) Die Sitzungsniederschrift der Einigungsstelle vom 29.08.2013 (Anl. ASt 7, Bl. 30 ff. d. A.) lässt nicht erkennen, ob zwischen der ersten und zweiten Abstimmung eine erneute Beratung stattgefunden hat. In der Niederschrift heißt es, dass in der ersten Abstimmung über den Antrag des Arbeitgebers eine Mehrheit nicht zustande gekommen und dass sodann eine zweite Abstimmung vorgenommen worden sei, „da die Frage der Zuständigkeit der Einigungsstelle bereits eingehend erörtert wurde“. Dem ist nicht zu entnehmen, ob die Beteiligten aus diesem Grunde auf eine erneute Beratung verzichtet haben.

60

(3) In der Anhörung der Beteiligten am 18.08.2014 haben der Vorsitzende des Betriebsrats und die instruierte Vertreterin der Arbeitgeberin, die beide Beisitzer der Einigungsstelle waren, übereinstimmend bekundet, dass vor der zweiten Abstimmungsrunde in der Einigungsstelle erneut beraten worden sei (Bl. 158 d. A.). Die Vorsitzende der Einigungsstelle erklärte auf schriftliche Nachfrage der Kammer (Bl. 159f d.A.), nach ihrer Erinnerung habe sie im Rahmen der Beratung nach der ersten Abstimmungsrunde die Beteiligten gefragt, ob noch weiterer Beratungs-/Erörterungsbedarf vorhanden sei, was allseits verneint worden sei. Die Kammer hat aufgrund dessen keine Zweifel daran, dass den Beteiligten nach der ersten Abstimmung jedenfalls Gelegenheit zu einer weiteren Erörterung eingeräumt worden ist.

61

c) Der Spruch der Einigungsstelle ist unwirksam, weil er zu Unrecht davon ausgeht, dass dem antragstellenden Betriebsrat bei der Festlegung des Ausgleichszeitraums und der Schwankungsbreite kein Mitbestimmungsrecht zusteht. Dies hat das Arbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt.

62

aa) Entgegen der von der Arbeitgeberin vertretenen Ansicht steht § 87 I 1 Eingangssatz BetrVG der Zuständigkeit des Betriebsrats nicht entgegen, denn § 6 II TV-KAH regelt Ausgleichszeiträume und Schwankungsbreiten nicht abschließend. Eine abschließende tarifliche Regelung würde im Übrigen auch der von der Arbeitgeberin präferierten Vereinbarung mit dem von den eigenen Arbeitnehmern des W.-Klinikums gebildeten Betriebsrat entgegen stehen.

63

(1) Nach dem Eingangssatz des § 87 I BetrVG hat der Betriebsrat in den dort aufgezählten Angelegenheiten ein Mitbestimmungsrecht nur, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. An dieser Voraussetzung fehlt es nur, wenn ein Tarifvertrag gemäß § 4 I TVG oder § 5 TVG im Betrieb mit unmittelbarer und zwingender Wirkung gilt. Für eine Anwendbarkeit gemäß § 4 I TVG muss bei einem Verbandstarifvertrag, wie er hier vorliegt, zumindest der Arbeitgeber Mitglied im tarifschließenden Arbeitgeberverband sein (ErfK/Kania, 15. Auflage 2015, § 87 Tz 15; Richardi, BetrVG/Richardi, 14. Auflage 2014, § 87 Tz 143). Der Arbeitgeberin ist jedoch nicht Mitglied des tarifschließenden Krankenhausarbeitgeberverbands Hamburg, sodass die Regelungssperre des Eingangssatzes des § 87 I BetrVG für das Verhältnis der Beteiligten ohne Bedeutung ist.

64

(2) Unabhängig davon enthält § 6 II 1 TV-KAH auch keine abschließenden Regelungen. Geregelt wird, dass für die Berechnung eines Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen ist. Daraus ergibt sich, dass für die Festlegung von Ausgleichszeiträumen unter einem Jahr in den einzelnen Betrieben Raum ist. Auch für die Schwankungsbreite enthält § 6 II 1 TV-KAG eine Öffnungsklausel. Entscheidungen über Ausfüllung der tariflichen Rahmenregelungen hinsichtlich Schwankungsbreite und Ausgleichszeitraum unterliegen somit der Mitbestimmung.

65

bb) Für die Festlegung von Ausgleichszeiträumen und zulässigen Schwankungsbreiten besteht ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 I Nr. 10 BetrVG. Es handelt sich jedenfalls in erster Linie um eine Frage der Entgeltstruktur.

66

(1) Die herrschende Lehre ordnet die Festlegung von Ausgleichszeiträumen allerdings der Mitbestimmung zur Lage der Arbeitszeit gemäß § 87 I Nr. 2 BetrVG zu (DKKW/BetrVG, 14. Auflage 2014, § 87 Tz 92; GK BetrVG/Wiese, 10. Auflage 2014, § 87 Tz 296; Richardi/BetrVG, 14. Auflage 2014, § 87 Tz 269, 283; BeckOK/Kock, Stand: 1. 6. 2015, Ed. 36, § 3 ArbZG Tz 17; Anzinger/Kobeski/ArbZG, 3. Auflage 2009, § 3 Tz 34; Baeck/Deutsch ArbZG/Baeck/Deutsch, 3. Auflage 2014, § 3 Tz 55; Zmarzlik, BB 1993, 2009, 2011; zum wortgleichen § 6 II 1 TVöD: Burger/TVöD/Burger, 2. Auflage 2012, § 6 Tz 21).

67

(2) Dem ist auch das LAG München gefolgt (Bes. v. 27.03.2012 – 6 TaBV 101/11 – Tz 89).

68

(3) Das Bundesarbeitsgericht hat sich zu der Frage, unter welches Mitbestimmungsrecht die Festlegung von Ausgleichszeiträumen im Rahmen von Dreiecksverhältnissen, insb. also der Arbeitnehmerüberlassung fällt, soweit ersichtlich noch nicht geäußert. Allerdings hat es die Frage der Ausgleichszeiträume in Fällen, in denen Arbeitnehmer im Betrieb ihres Vertragsarbeitgebers tätig sind, unter das Mitbestimmungsrecht des § 87 I Nr. 2 BetrVG subsumiert (BAG v. 30.05.2006 – 1 ABR 21/05 – Tz 21; Beschluss v. 22.07.2003 – 1 ABR 28/02 – Tz 60).

69

(4) Die Kammer geht davon aus, dass die Festlegung von Ausgleichszeiträumen und zulässiger Schwankungsbreiten im Sinne des § 6 II 1 TV-KAH in erster Linie die Lohngestaltung i.S.v. § 87 I Nr. 10 BetrVG betrifft.

70

Die Festlegung eines Ausgleichszeitraums bedeutet, dass bei der konkreten Personaleinsatzplanung die betriebsübliche Arbeitszeit in einzelnen Planungszeiträumen keine zwingende Vorgabe darstellt. Die vorgegebene Wochenstundenzahl darf ggf. auch mehrere Wochen hintereinander über- bzw. unterschritten werden, solange innerhalb des Ausgleichszeitraums der vorgegebene Jahresdurchschnitt erreicht wird (Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrink, TVöD, § 6 (gleichlautend mit § 6 TV-KAH) Tz 82). Gelingt die Einhaltung des Durchschnitts am Ende nicht, so wird nicht etwa – nachträglich – die Personaleinsatzplanung rechtswidrig. Alles was über die zulässige Höchstarbeitszeit nach diesen Regelungen im Rahmen der Durchschnittsberechnung hinausgeht, ist den Arbeitnehmern als überstundenzuschlagspflichtige Arbeitszeit zu vergüten. Das ergibt sich aus § 7 TV-KAH. Schöpft der Arbeitgeber die zulässige Arbeitszeit im Ausgleichszeitraum nicht aus, so bleibt seine Vergütungspflicht davon unberührt. Die vom Betriebsrat angestrebten Regelungen dienen also lediglich dazu, den Zeitraum zu begrenzen, in dem überstundenzuschlagfreie Arbeitszeit angeordnet und geleistet werden kann (Breier/Dassau/Kiefer, § 6 II 1 TVöD (gleichlautend mit § 6 II 1 TV-KAH) Tz 165, 155).

71

cc) Ist die Festlegung von Ausgleichszeiträumen unter § 87 I Nr. 10 BetrVG zu subsumieren, ergibt sich daraus zwangsläufig die Zuständigkeit des beim Vertragsarbeitgeber gebildeten Betriebsrats. § 87 I Nr. 10 BetrVG dient der Wahrung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit und der Transparenz des jeweiligen Entlohnungssystems (BAG v. 11.02.1992 – 1 ABR 51/91 – Tz 32). Dies kann nur der Vertragsarbeitgeber gewährleisten.

72

Daran ändert auch die von der Arbeitgeberin vorgetragene besondere Situation nicht, dass ihre Arbeitnehmer und Mitglieder dauerhaft an das W.-Klinikum gestellt werden. Denn auch im Rahmen dieses Gestellungsvertrages trifft die Vergütungspflicht ausschließlich den Vertragsarbeitgeber. Dass im Gestellungsvertrag letztlich ein Ausgleich vereinbart ist, betrifft lediglich die wirtschaftliche Lastenverteilung, nicht die rechtliche Situation.

73

Dem entspricht auch die Praxis der Beteiligten. Nach dem vom Betriebsrat vorgelegten E-Mailverkehr (Anlage ASt 9, Bl. 59ff. d. A.) hält sich das W.-Klinikum bei Fragen der Überstundenvergütung nicht für zuständig und verweist auf die Arbeitgeberin, die darüber zu entscheiden habe.

74

(dd) Geht man hilfsweise davon aus, die Festlegung von Ausgleichszeiträumen unterläge der Mitbestimmung zur Lage und Verteilung der Arbeitszeit gemäß § 87 I Nr. 2 BetrVG, wäre der antragstellende Betriebsrat ebenfalls als zuständig anzusehen. Welcher Betriebsrat bei Entscheidungen, die Leiharbeitnehmer betreffen, zuständig ist, richtet sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts danach, welcher Arbeitgeber die maßgebliche Entscheidung trifft (vgl. BAG v. 19.06.2001 – 1 ABR 43/00 – Tz 27). Nach Ansicht der Kammer ist dieser Grundsatz ohne Einschränkung auf die Gestellung von Arbeitnehmern übertragbar.

75

Die Festlegung von Schwankungsbreite und Übertragungszeitraum betrifft die Rahmenbedingungen, innerhalb derer der Arbeitnehmer eingesetzt werden soll. Diese Rahmenbedingungen sollen vom Arbeitgeber, in dessen Betrieb der Arbeitnehmer tätig wird, beachtet werden. Die Beachtung der Bedingungen des Einsatzes ist jedoch im Regelfall keine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Personaleinsatzplanung, sondern dient lediglich dazu, unerwünschte Folgen für die Vertragsabwicklung (zuschlagpflichtige Überstunden bzw. Annahmeverzug) zu vermeiden. Dies liegt, auch wenn man die Regelungen § 87 I Nr. 3 BetrVG zuordnet, allein in der Kompetenz des Vertragsarbeitgebers.

III.

76

Die Entscheidung ergeht gemäß § 2 II GKG in Verbindung mit § 2a I Nr. 1 ArbGG gerichtskostenfrei.

IV.

77

Die Rechtsbeschwerde wird nach §§ 92 I, 72 II Nr. 2 ArbGG zugelassen.

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(1) Leiharbeitnehmer bleiben auch während der Zeit ihrer Arbeitsleistung bei einem Entleiher Angehörige des entsendenden Betriebs des Verleihers.

(2) Leiharbeitnehmer sind bei der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat im Entleiherunternehmen und bei der Wahl der betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretungen im Entleiherbetrieb nicht wählbar. Sie sind berechtigt, die Sprechstunden dieser Arbeitnehmervertretungen aufzusuchen und an den Betriebs- und Jugendversammlungen im Entleiherbetrieb teilzunehmen. Die §§ 81, 82 Abs. 1 und die §§ 84 bis 86 des Betriebsverfassungsgesetzes gelten im Entleiherbetrieb auch in bezug auf die dort tätigen Leiharbeitnehmer. Soweit Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes mit Ausnahme des § 112a, des Europäische Betriebsräte-Gesetzes oder der auf Grund der jeweiligen Gesetze erlassenen Wahlordnungen eine bestimmte Anzahl oder einen bestimmten Anteil von Arbeitnehmern voraussetzen, sind Leiharbeitnehmer auch im Entleiherbetrieb zu berücksichtigen. Soweit Bestimmungen des Mitbestimmungsgesetzes, des Montan-Mitbestimmungsgesetzes, des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes, des Drittelbeteiligungsgesetzes, des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung, des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung, des SE- und des SCE-Beteiligungsgesetzes oder der auf Grund der jeweiligen Gesetze erlassenen Wahlordnungen eine bestimmte Anzahl oder einen bestimmten Anteil von Arbeitnehmern voraussetzen, sind Leiharbeitnehmer auch im Entleiherunternehmen zu berücksichtigen. Soweit die Anwendung der in Satz 5 genannten Gesetze eine bestimmte Anzahl oder einen bestimmten Anteil von Arbeitnehmern erfordert, sind Leiharbeitnehmer im Entleiherunternehmen nur zu berücksichtigen, wenn die Einsatzdauer sechs Monate übersteigt.

(3) Vor der Übernahme eines Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung ist der Betriebsrat des Entleiherbetriebs nach § 99 des Betriebsverfassungsgesetzes zu beteiligen. Dabei hat der Entleiher dem Betriebsrat auch die schriftliche Erklärung des Verleihers nach § 12 Absatz 1 Satz 3 vorzulegen. Er ist ferner verpflichtet, Mitteilungen des Verleihers nach § 12 Abs. 2 unverzüglich dem Betriebsrat bekanntzugeben.

(4) Die Absätze 1 und 2 Satz 1 und 2 sowie Absatz 3 gelten für die Anwendung des Bundespersonalvertretungsgesetzes sinngemäß.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 11. September 2012 - 1 TaBV 5/12 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Übertragung von Unternehmerpflichten nach dem Arbeitsschutzgesetz auf eine Arbeitnehmergruppe.

2

Die Arbeitgeberin betreibt ein Unternehmen, das sich mit der Herstellung, dem Vertrieb, der Installation und der Wartung von Aufzügen, Fahrtreppen und anderen Transportsystemen befasst. Antragsteller ist der Betriebsrat ihres H Betriebs. Dort sind insgesamt 48 Monteure beschäftigt, denen als fachliche Vorgesetzte vier Meister im Servicegeschäft und zwei Meister im Neubaugeschäft vorstehen.

3

Mit Schreiben vom 16. September 2010 teilte die Arbeitgeberin ihren Meistern Folgendes mit:

        

„Für die von Ihnen betreuten Mitarbeiter der O werden Ihnen die dem Unternehmer hinsichtlich des Arbeitsschutzes und Umweltschutzes obliegenden Pflichten übertragen.

        

Dazu gehört insbesondere, dass Sie zur Gewährleistung von Arbeitssicherheit, Brandschutz, Gesundheits- und Umweltschutz an den Arbeitsplätzen

        

-       

Auf die Anwendung und Einhaltung der Sicherheits- und Umweltschutzvorschriften achten

        

-       

Mitarbeiter einsetzen, unterweisen, informieren

        

-       

Anordnungen treffen und Anweisungen geben

        

-       

Überwachung der Einhaltung der Anweisungen

        

-       

Auf Benutzung der erforderlichen Körperschutzmittel achten

        

-       

Arbeitsplätze/Baustellen kontrollieren

        

-       

Gefahren und Gesundheitsschäden und jeden Unfall melden, die Unfallursache analysieren und durch geeignete Maßnahmen Wiederholungen ausschließen

        

-       

Vorläufige Regelungen im Falle plötzlicher Gefahren treffen

        

-       

Mit Betriebsarzt, Sicherheitsfachkraft, Sicherheitsbeauftragten sowie den Betriebsräten im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben zusammenarbeiten

        

-       

Vorgeschriebene ärztliche Vorsorgeuntersuchungen von Beschäftigten veranlassen

        

-       

Die Aufgaben nach §§ 3 - 14 des Arbeitsschutzgesetzes und die geltenden O Vorschriften wahrnehmen

        

Sie haben die Verantwortung für die Arbeitssicherheit in Ihrem Bereich            

        

Soweit Ihnen Mitarbeiter mit Vorgesetztenfunktion unterstellt sind, haben Sie diesen Vorgesetzten ebenfalls die entsprechenden Aufgaben und Verantwortlichkeiten zu delegieren.

        

Die Verantwortung der Ihnen überstellten Vorgesetzten und die der Geschäftsführung bleiben hiervon unberührt.

        

…“    

4

Den Betriebsrat beteiligte die Arbeitgeberin vor Bekanntgabe dieser Anweisung nicht.

5

Dieser hat geltend gemacht, mit der Anordnung vom 16. September 2010 habe die Arbeitgeberin eine organisatorische Maßnahme nach § 3 Abs. 2 ArbSchG getroffen, die seiner Mitbestimmung unterliege.

6

Der Betriebsrat hat beantragt

        

festzustellen, dass die Übertragung von Unternehmerpflichten gemäß §§ 3 bis 14 ArbSchG durch Schreiben der Arbeitgeberin vom 16. September 2010 auf die Gruppe der Meister der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG unterliegt.

7

Die Arbeitgeberin hat Antragsabweisung beantragt und gemeint, es handele sich um eine mitbestimmungsfreie Beauftragung fachkundiger Personen nach § 13 Abs. 2 ArbSchG.

8

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihm stattgegeben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihren Abweisungsantrag weiter.

9

B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die im Schreiben vom 16. September 2010 erfolgte Anweisung der vorherigen Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG unterlag.

10

I. Der Antrag ist in der gebotenen Auslegung zulässig.

11

1. Der Betriebsrat begehrt mit seinem Antrag die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts bei der Übertragung von Unternehmerpflichten nach §§ 3 bis 14 ArbSchG, wie sie die Arbeitgeberin im Anschreiben vom 16. September 2010 auf die Gruppe der in ihrem Betrieb beschäftigten Meister vorgenommen hat. Es geht dem Betriebsrat damit nach der Antragsformulierung und seinen prozessualen Darlegungen nicht um die abstrakte Feststellung eines Mitbestimmungsrechts in allen Fällen der Übertragung von Aufgaben nach dem Arbeitsschutzgesetz, sondern nur um die Feststellung des Mitbestimmungsrechts bei der Übertragung der in jenem Anschreiben formulierten Aufgaben auf die im Betrieb der Arbeitgeberin beschäftigten Meister. Hierin sieht er eine mitbestimmungspflichtige Organisationsentscheidung der Arbeitgeberin. Dieses Antragsverständnis hat der Betriebsrat in der Anhörung vor dem Senat bestätigt.

12

2. So verstanden ist der Antrag hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

13

a) Im Beschlussverfahren muss ein Antrag ebenso bestimmt sein wie im Urteilsverfahren. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist auf das Beschlussverfahren und die in ihm gestellten Anträge entsprechend anwendbar. Der jeweilige Streitgegenstand muss so konkret umschrieben werden, dass der Umfang der Rechtskraftwirkung für die Beteiligten nicht zweifelhaft ist.

14

b) Hiernach genügt der Antrag dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dem steht nicht entgegen, dass der Senat im Beschluss vom 18. August 2009 (- 1 ABR 43/08 - Rn. 10, BAGE 131, 351) angenommen hat, ein Antrag sei nicht hinreichend bestimmt, wenn er auf die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts in all den Fällen gerichtet sei, in denen der Arbeitgeber gemäß § 13 Abs. 2 ArbSchG Aufgaben auf externe Personen übertrage. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde geht es im vorliegenden Fall dem Betriebsrat nicht um die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts bei der Übertragung unbestimmter Aufgaben des Arbeitsschutzes auf externe Personen, sondern darum festzustellen, dass die von der Arbeitgeberin vorgenommene betriebliche Organisation des Arbeitsschutzes der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt.

15

3. Der Antrag ist auf die Feststellung eines betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet. Das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei einem bestimmten Regelungstatbestand ist ein Rechtsverhältnis, das einer gerichtlichen Feststellung zugänglich ist (BAG 17. Januar 2012 - 1 ABR 45/10 - Rn. 16, BAGE 140, 223).

16

4. Für die begehrte Feststellung besteht auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse, da zwischen den Beteiligten das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts in der im Antrag bezeichneten Angelegenheit in Streit steht.

17

II. Der Antrag ist begründet. Die Übertragung von Unternehmerpflichten auf die Arbeitnehmergruppe der Meister entsprechend dem Schreiben der Arbeitgeberin vom 16. September 2010 unterliegt der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG.

18

1. Nach dieser Bestimmung hat der Betriebsrat bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber diese aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschrift zu treffen hat und ihm bei der Gestaltung Handlungsspielräume verbleiben. Dadurch soll im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer eine möglichst effiziente Umsetzung des gesetzlichen Arbeitsschutzes im Betrieb erreicht werden. Das Mitbestimmungsrecht setzt ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv besteht und wegen des Fehlens einer zwingenden Vorgabe betriebliche Regelungen verlangt, um das vom Gesetz vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen. Eine näher ausgestaltbare Rahmenvorschrift liegt vor, wenn die gesetzliche Regelung Maßnahmen zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes erfordert, diese aber nicht selbst im Einzelnen beschreibt, sondern dem Arbeitgeber lediglich ein zu erreichendes Schutzziel vorgibt. Ob die Rahmenvorschrift dem Gesundheitsschutz unmittelbar oder mittelbar dient, ist dabei unerheblich. Ebenso wenig kommt es auf eine subjektive Regelungsbereitschaft des Arbeitgebers an (BAG 11. Dezember 2012 - 1 ABR 81/11 - Rn. 17).

19

2. Der Begriff des Gesundheitsschutzes in § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG stimmt mit dem des Arbeitsschutzgesetzes überein. Erfasst werden Maßnahmen, die dazu dienen, die psychische und physische Integrität des Arbeitnehmers zu erhalten, der arbeitsbedingten Beeinträchtigungen ausgesetzt ist, die zu medizinisch feststellbaren Verletzungen oder Erkrankungen führen oder führen können. Erfasst werden auch vorbeugende Maßnahmen. Des Weiteren ist Voraussetzung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, dass die Anwendung der Rahmenvorschrift eine betriebliche Regelung notwendig macht, in der Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam festlegen, in welcher Weise das vorgegebene Schutzziel erreicht werden soll. Eine solche Regelung muss sich auf einen kollektiven Tatbestand beziehen, für den eine abstrakt-generelle Lösung erforderlich ist. Keine Regelung ist notwendig, wenn der Arbeitgeber nach den gesetzlichen Rahmenregelungen Einzelmaßnahmen zu treffen hat. Diese werden vom Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG nicht erfasst(BAG 18. August 2009 - 1 ABR 43/08 - Rn. 17 und Rn. 19, BAGE 131, 351).

20

3. Bei der Übertragung von Aufgaben auf Mitarbeiter oder Dritte ist mitbestimmungsrechtlich danach zu unterscheiden, ob der Arbeitgeber lediglich eine Einzelmaßnahme oder eine Organisationsentscheidung trifft:

21

a) Erschöpft sich die Maßnahme des Arbeitgebers in der Übertragung einzelner Aufgaben auf Dritte nach § 13 Abs. 2 ArbSchG liegt typischerweise eine Einzelmaßnahme vor, die nicht der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG unterliegt(BAG 18. August 2009 - 1 ABR 43/08 - Rn. 23, BAGE 131, 351; Steffek in Kollmer/Klindt ArbSchG 2. Aufl. § 13 Rn. 62). In diesem Fall ist eine betriebliche Regelung, in der Arbeitgeber und Betriebsrat abstrakt-generell festlegen, in welcher Weise das vorgegebene Ziel des Arbeitsschutzes erreicht werden soll, nicht erforderlich.

22

b) Hiervon abzugrenzen ist jedoch die Schaffung einer Aufbau- und Ablauforganisation zum Gesundheitsschutz.

23

aa) Nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten zur Planung und Durchführung der erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes für eine geeignete Organisation zu sorgen. Weiterhin hat er gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 ArbSchG Vorkehrungen dafür zu treffen, dass die Maßnahmen erforderlichenfalls bei allen Tätigkeiten und eingebunden in die betrieblichen Führungsstrukturen beachtet werden und die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können. Der Arbeitgeber hat damit durch den Aufbau einer geeigneten Organisation dafür Sorge zu tragen, dass die sich aus dem Arbeitsschutzgesetz ergebenden Aufgaben auf Mitarbeiter, insbesondere Führungskräfte verteilt werden (Kohte in Kollmer/Klindt ArbSchG 2. Aufl. § 3 Rn. 47). Hierbei handelt es sich um generell-abstrakte Regelungen des Arbeitsschutzes, die über den Einzelfall hinausgehen. Sie betreffen nicht nur die Übertragung einzelner Aufgaben des Arbeitsschutzes auf bestimmte Personen, sondern den Aufbau einer Organisationsstruktur. Die Zuweisung von Aufgaben an einzelne Führungskräfte ist in diesem Fall lediglich Teil dieser Organisationsmaßnahme.

24

bb) Derartige Maßnahmen unterliegen der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. § 3 ArbSchG ist gewissermaßen der „Prototyp“ einer allgemein gehaltenen Rahmenvorschrift(Fitting 27. Aufl. § 87 Rn. 295; Pieper ArbSchR § 3 ArbSchG Rn. 5a; Kohte in Kollmer/Klindt ArbSchG 2. Aufl. § 3 Rn. 80; Wiese/Gutzeit in GK-BetrVG 10. Aufl. § 87 Rn. 585). Sie gibt dem Arbeitgeber kein bestimmtes, verallgemeinerungsfähiges Organisationsmodell vor, sondern setzt einen Rahmen für die Entwicklung einer an den betrieblichen Gegebenheiten ausgerichteten Organisation. Diese ist maßgeblich vom konkreten Ausmaß der jeweils bestehenden Unfall- und Gesundheitsgefahren sowie von der Betriebsgröße abhängig (Kohte in Kollmer/Klindt ArbSchG 2. Aufl. § 3 Rn. 80). § 3 ArbSchG stellt damit entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht nur eine umfassende Generalklausel ohne konkreten Regelungsgegenstand dar, die nicht der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG unterliegt (zu dieser Unterscheidung BAG 8. Juni 2004 - 1 ABR 13/03 - zu B I 2 b bb (2) der Gründe, BAGE 111, 38). Diese Vorschrift enthält vielmehr von den Betriebsparteien auszufüllende Regelungsspielräume (ebenso bereits BAG 16. Juni 1998 - 1 ABR 68/97 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 89, 139).

25

cc) Unzutreffend ist weiterhin die Annahme der Rechtsbeschwerde, aus § 10 Abs. 2 Satz 3 ArbSchG folge, dass nur in den im Arbeitsschutzgesetz ausdrücklich genannten Fällen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bestünden und im Übrigen nur freiwillige Betriebsvereinbarungen nach § 88 BetrVG geschlossen werden könnten. Hiergegen spricht bereits, dass diese Vorschrift nach der Gesetzesbegründung allein darauf zielt, die unionsrechtliche Vorgabe aus Art. 11 Abs. 2 Buchst. b) der Richtlinie 89/391/EWG über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit vom 12. Juni 1989 umzusetzen (BT-Drs. 13/3540 S. 18 f.). Weitergehende Beteiligungsrechte des Betriebsrats, wie sie sich insbesondere aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ergeben können, bleiben hiervon unberührt, wie § 10 Abs. 2 Satz 4 ArbSchG ausdrücklich klarstellt(Steffek in Kollmer/Klindt ArbSchG 2. Aufl. § 10 Rn. 42).

26

4. Nach diesen Grundsätzen ist die von der Arbeitgeberin mit Schreiben vom 16. September 2010 vorgenommene Übertragung der Unternehmerpflichten aus §§ 3 bis 14 ArbSchG auf die Arbeitnehmergruppe der Meister nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitbestimmungspflichtig.

27

Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Aufgabenübertragung über eine Einzelübertragung nach § 13 Abs. 2 ArbSchG hinausgeht. Die Arbeitgeberin hat mit der Anweisung vom 16. September 2010 die Grundlagen einer Aufbau- und Ablauforganisation zum Gesundheitsschutz geschaffen. Sie hat hierin ua. bestimmt, dass die Meister auf die Anwendung und Einhaltung der Gesundheitsschutzvorschriften zu achten, die erforderlichen Anweisungen zu erteilen und deren Einhaltung zu überwachen haben. Sie haben die Arbeitsplätze/Baustellen zu kontrollieren, etwaige Unfallursachen zu analysieren und durch geeignete Maßnahmen auszuschließen und mit Betriebsarzt, Sicherheitsfachkraft, Sicherheitsbeauftragten sowie den Betriebsräten im Rahmen ihrer gesetzlichen Vorschriften zusammenzuarbeiten. Die Arbeitgeberin hat den Meistern weiterhin die Befugnis übertragen, vorläufige Regelungen zu treffen. Schließlich haben die Meister, soweit ihnen Mitarbeiter mit Vorgesetztenfunktion unterstellt sind, diesen die entsprechenden Aufgaben und Verantwortlichkeiten zu übertragen. Die Arbeitgeberin hat damit eine betriebliche Organisationsstruktur im Arbeitsschutz aufgebaut und Verantwortungsbereiche ihrer Meister festgelegt. Dass diese nur recht allgemein gefasst sind, steht dem nicht entgegen. Mit der Anweisung vom 16. September 2010 hat die Arbeitgeberin damit erkennbar bezweckt, ihren Pflichten aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG nachzukommen und den Arbeitsschutz in ihre betriebliche Führungsstruktur einzubauen.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    Linck    

        

        

        

    Wisskirchen    

        

    Seyboth    

                 

(1) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann einen Tarifvertrag im Einvernehmen mit einem aus je drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bestehenden Ausschuss (Tarifausschuss) auf gemeinsamen Antrag der Tarifvertragsparteien für allgemeinverbindlich erklären, wenn die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Die Allgemeinverbindlicherklärung erscheint in der Regel im öffentlichen Interesse geboten, wenn

1.
der Tarifvertrag in seinem Geltungsbereich für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen überwiegende Bedeutung erlangt hat oder
2.
die Absicherung der Wirksamkeit der tarifvertraglichen Normsetzung gegen die Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklung eine Allgemeinverbindlicherklärung verlangt.

(1a) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann einen Tarifvertrag über eine gemeinsame Einrichtung zur Sicherung ihrer Funktionsfähigkeit im Einvernehmen mit dem Tarifausschuss auf gemeinsamen Antrag der Tarifvertragsparteien für allgemeinverbindlich erklären, wenn der Tarifvertrag die Einziehung von Beiträgen und die Gewährung von Leistungen durch eine gemeinsame Einrichtung mit folgenden Gegenständen regelt:

1.
den Erholungsurlaub, ein Urlaubsgeld oder ein zusätzliches Urlaubsgeld,
2.
eine betriebliche Altersversorgung im Sinne des Betriebsrentengesetzes,
3.
die Vergütung der Auszubildenden oder die Ausbildung in überbetrieblichen Bildungsstätten,
4.
eine zusätzliche betriebliche oder überbetriebliche Vermögensbildung der Arbeitnehmer,
5.
Lohnausgleich bei Arbeitszeitausfall, Arbeitszeitverkürzung oder Arbeitszeitverlängerung.
Der Tarifvertrag kann alle mit dem Beitragseinzug und der Leistungsgewährung in Zusammenhang stehenden Rechte und Pflichten einschließlich der dem Verfahren zugrunde liegenden Ansprüche der Arbeitnehmer und Pflichten der Arbeitgeber regeln. § 7 Absatz 2 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes findet entsprechende Anwendung.

(2) Vor der Entscheidung über den Antrag ist Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die von der Allgemeinverbindlicherklärung betroffen werden würden, den am Ausgang des Verfahrens interessierten Gewerkschaften und Vereinigungen der Arbeitgeber sowie den obersten Arbeitsbehörden der Länder, auf deren Bereich sich der Tarifvertrag erstreckt, Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme sowie zur Äußerung in einer mündlichen und öffentlichen Verhandlung zu geben. In begründeten Fällen kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Teilnahme an der Verhandlung mittels Video- oder Telefonkonferenz vorsehen.

(3) Erhebt die oberste Arbeitsbehörde eines beteiligten Landes Einspruch gegen die beantragte Allgemeinverbindlicherklärung, so kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales dem Antrag nur mit Zustimmung der Bundesregierung stattgeben.

(4) Mit der Allgemeinverbindlicherklärung erfassen die Rechtsnormen des Tarifvertrags in seinem Geltungsbereich auch die bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Ein nach Absatz 1a für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag ist vom Arbeitgeber auch dann einzuhalten, wenn er nach § 3 an einen anderen Tarifvertrag gebunden ist.

(5) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags im Einvernehmen mit dem in Absatz 1 genannten Ausschuß aufheben, wenn die Aufhebung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend. Im übrigen endet die Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrags mit dessen Ablauf.

(6) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann der obersten Arbeitsbehörde eines Landes für einzelne Fälle das Recht zur Allgemeinverbindlicherklärung sowie zur Aufhebung der Allgemeinverbindlichkeit übertragen.

(7) Die Allgemeinverbindlicherklärung und die Aufhebung der Allgemeinverbindlichkeit bedürfen der öffentlichen Bekanntmachung. Die Bekanntmachung umfasst auch die von der Allgemeinverbindlicherklärung erfassten Rechtsnormen des Tarifvertrages.

Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.