Europäischer Gerichtshof Urteil, 15. Sept. 2016 - T-348/14

ECLI:ECLI:EU:T:2016:508
bei uns veröffentlicht am15.09.2016

URTEIL DES GERICHTS (Neunte erweiterte Kammer)

15. September 2016 ( *1 )

„Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik — Restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in der Ukraine — Einfrieren von Geldern — Liste der Personen, Organisationen und Einrichtungen, deren Gelder und wirtschaftliche Ressourcen eingefroren werden — Aufnahme des Namens des Klägers — Begründungspflicht — Rechtsgrundlage — Verteidigungsrechte — Anspruch auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz — Ermessensmissbrauch — Nichtbeachtung der Kriterien für die Aufnahme in die Liste — Offensichtlicher Beurteilungsfehler — Eigentumsrecht“

In der Rechtssache T‑348/14

Oleksandr Viktorovych Yanukovych, wohnhaft in Donezk (Ukraine), Prozessbevollmächtigte: T. Beazley, P. Saini, S. Fatima, QC, J. Hage, K. Howard, Barristers, und C. Kennedy, Solicitor,

Kläger,

gegen

Rat der Europäischen Union, zunächst vertreten durch E. Finnegan und J.‑P. Hix, dann durch J.‑P. Hix und P. Mahnič Bruni als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch

Europäische Kommission, vertreten durch S. Bartelt und D. Gauci als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

wegen eines auf Art. 263 AEUV gestützten Antrags auf Nichtigerklärung erstens des Beschlusses 2014/119/GASP des Rates vom 5. März 2014 über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in der Ukraine (ABl. 2014, L 66, S. 26) und der Verordnung (EU) Nr. 208/2014 des Rates vom 5. März 2014 über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in der Ukraine (ABl. 2014, L 66, S. 1) in der Fassung des Durchführungsbeschlusses 2014/216/GASP des Rates vom 14. April 2014 zur Durchführung des Beschlusses 2014/119 (ABl. 2014, L 111, S. 91) bzw. der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 381/2014 des Rates vom 14. April 2014 zur Durchführung der Verordnung Nr. 208/2014 (ABl. 2014, L 111, S. 33), zweitens des Beschlusses (GASP) 2015/143 des Rates vom 29. Januar 2015 zur Änderung des Beschlusses 2014/119 (ABl. 2015, L 24, S. 16) und der Verordnung (EU) 2015/138 des Rates vom 29. Januar 2015 zur Änderung der Verordnung Nr. 208/2014 (ABl. 2015, L 24, S. 1) und drittens des Beschlusses (GASP) 2015/364 des Rates vom 5. März 2015 zur Änderung des Beschlusses 2014/119 (ABl. 2015, L 62, S. 25) und der Durchführungsverordnung (EU) 2015/357 des Rates vom 5. März 2015 zur Durchführung der Verordnung Nr. 208/2014 (ABl. 2015, L 62, S. 1), soweit der Name des Klägers in die Liste der Personen, Organisationen und Einrichtungen, die diesen restriktiven Maßnahmen unterliegen, aufgenommen oder in ihr belassen wurde,

erlässt

DAS GERICHT (Neunte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten G. Berardis (Berichterstatter), des Richters O. Czúcz, der Richterin I. Pelikánová sowie der Richter A. Popescu und E. Buttigieg,

Kanzler: L. Grzegorczyk, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 2016

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1

Der Kläger Oleksandr Viktorovych Yanukovych ist Geschäftsmann und Sohn des ehemaligen Staatspräsidenten der Ukraine Viktor Fedorovych Yanukovych.

2

Die vorliegende Rechtssache fügt sich in den Rahmen der restriktiven Maßnahmen ein, die angesichts der Lage in der Ukraine nach der Unterdrückung der Demonstrationen auf dem Platz der Unabhängigkeit in Kiew (Ukraine) vom Februar 2014 ergriffen wurden.

3

Am 5. März 2014 erließ der Rat der Europäischen Union auf der Grundlage von Art. 29 EUV den Beschluss 2014/119/GASP über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in der Ukraine (ABl. 2014, L 66, S. 26). Am selben Tag erließ der Rat auf der Grundlage von Art. 215 Abs. 2 AEUV die Verordnung (EU) Nr. 208/2014 über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in der Ukraine (ABl. 2014, L 66, S. 1).

4

Im zweiten Erwägungsgrund des Beschlusses 2014/119 heißt es:

„Der Rat hat am 3. März 2014 beschlossen, im Hinblick auf die Stärkung und Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit sowie die Achtung der Menschenrechte in der Ukraine restriktive Maßnahmen für das Einfrieren und die Einziehung von Vermögenswerten auf Personen, die als für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine verantwortlich identifiziert wurden, sowie auf für Menschenrechtsverletzungen verantwortliche Personen zu konzentrieren.“

5

Art. 1 Abs. 1 und 2 des Beschlusses 2014/119 bestimmt:

„(1)   Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die im Besitz oder im Eigentum der Personen, die als für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine verantwortlich identifiziert wurden, sowie der für Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine verantwortlichen Personen und der mit ihnen verbundenen, in der Liste im Anhang aufgeführten, natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen stehen oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, werden eingefroren.

(2)   Den im Anhang aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen dürfen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugutekommen.“

6

Die Modalitäten des Einfrierens werden in den weiteren Absätzen dieses Artikels festgelegt.

7

Die Verordnung Nr. 208/2014 schreibt gemäß dem Beschluss 2014/119 den Erlass von Maßnahmen zum Einfrieren von Geldern vor und regelt die Modalitäten hierfür mit im Wesentlichen demselben Wortlaut wie der genannte Beschluss.

8

Die Namen der Personen, auf die der Beschluss 2014/119 und die Verordnung Nr. 208/2014 (im Folgenden zusammen als Rechtsakte vom März 2014 bezeichnet) anwendbar sind, stehen auf der für beide Rechtsakte identischen Liste, die sich im Anhang des Beschlusses 2014/119 und im Anhang I der Verordnung Nr. 208/2014 findet und in der die Gründe für die Eintragung angegeben werden.

9

Der Name des Klägers wurde mit den Identifizierungsinformationen „Sohn des ehemaligen Staatspräsidenten [Yanukovych], Geschäftsmann“ und folgender Begründung in die Liste aufgenommen:

„Person ist in der Ukraine Gegenstand von Ermittlungen wegen der Beteiligung an Straftaten im Zusammenhang mit der Veruntreuung öffentlicher Gelder der Ukraine und des illegalen Transfers dieser Gelder in das Ausland.“

10

Am 6. März 2014 veröffentlichte der Rat im Amtsblatt der Europäischen Union eine Mitteilung an die Personen, die den restriktiven Maßnahmen nach den Rechtsakten vom März 2014 unterliegen (ABl. 2014, C 66, S. 1). Nach dieser Mitteilung „[können d]ie betroffenen Personen … beim Rat unter Vorlage von entsprechenden Nachweisen beantragen, dass der Beschluss, sie in die … Liste aufzunehmen, überprüft wird“.

11

Der Beschluss 2014/119 und die Verordnung Nr. 208/2014 wurden durch den Durchführungsbeschluss 2014/216/GASP des Rates vom 14. April 2014 zur Durchführung des Beschlusses 2014/119 (ABl. 2014, L 111, S. 91) bzw. durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 381/2014 des Rates vom 14. April 2014 zur Durchführung der Verordnung Nr. 208/2014 (ABl. 2014, L 111, S. 33) geändert. In dem Durchführungsbeschluss 2014/216 und der Durchführungsverordnung Nr. 381/2014 wurden die den Kläger betreffenden Identifizierungsinformationen geändert.

12

In einem Schriftwechsel im Jahr 2014 widersprach der Kläger der Begründung für die Aufnahme seines Namens in die Liste und ersuchte den Rat um ihre Überprüfung und um Zugang zu den Informationen und Beweisen, auf die die Aufnahme gestützt war.

13

Der Rat führte auf den Überprüfungsantrag des Klägers hin aus, dass nach seiner Meinung die restriktiven Maßnahmen gegen ihn aus den in der Begründung der Rechtsakte vom März 2014 dargelegten Gründen nach wie vor gerechtfertigt seien. Ferner übersandte er ihm auf sein Ersuchen um Zugang zu den Akten mehrere Schriftstücke aus diesen Akten, darunter namentlich Dokumente der ukrainischen Behörden vom 3. März 2014 (im Folgenden: Schreiben vom 3. März 2014), vom 8. Juli 2014 und vom 10. Oktober 2014.

14

Am 29. Januar 2015 erließ der Rat den Beschluss (GASP) 2015/143 zur Änderung des Beschlusses 2014/119 (ABl. 2015, L 24, S. 16) und die Verordnung (EU) 2015/138 zur Änderung der Verordnung Nr. 208/2014 (ABl. 2015, L 24, S. 1) (im Folgenden zusammen als Rechtsakte vom Januar 2015 bezeichnet).

15

Mit dem Beschluss 2015/143 wurden mit Wirkung ab dem 31. Januar 2015 die Benennungskriterien für die vom Einfrieren von Geldern betroffenen Personen präzisiert. Dabei wurde Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2014/119 durch folgenden Text ersetzt:

„(1)   Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die im Besitz oder im Eigentum der Personen, die als für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine verantwortlich identifiziert wurden, sowie der für Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine verantwortlichen Personen und der mit ihnen verbundenen, in der Liste im Anhang aufgeführten, natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen stehen oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, werden eingefroren.

Für die Zwecke dieses Beschlusses zählen zu Personen, die als für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine verantwortlich erklärt wurden, Personen, die Gegenstand von Untersuchungen der ukrainischen Behörden sind

a)

wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte der Ukraine oder wegen Beihilfe hierzu oder

b)

wegen Amtsmissbrauchs als Inhaber eines öffentlichen Amtes, um sich selbst oder einer dritten Partei einen ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen und wodurch ein Verlust staatlicher Gelder oder Vermögenswerte der Ukraine verursacht wird, oder wegen Beihilfe hierzu.“

16

Die Verordnung 2015/138 änderte die Verordnung Nr. 208/2014 nach Maßgabe des Beschlusses 2015/143.

17

Der Rat teilte dem Kläger mit Schreiben vom 2. Februar 2015 mit, dass er beabsichtige, die gegen ihn ergriffenen restriktiven Maßnahmen beizubehalten, übersandte ihm ein Dokument der ukrainischen Behörden vom 30. Dezember 2014 (im Folgenden: Schreiben vom 30. Dezember 2014) und informierte ihn über die Möglichkeit, Erklärungen abzugeben. Der Kläger ersuchte den Rat mit Schreiben vom 17. Februar 2015, seinen Standpunkt zu überprüfen und ihm gegebenenfalls die übrigen zur Rechtfertigung dieses Standpunkts herangezogenen Tatsachen zu nennen.

18

Am 5. März 2015 erließ der Rat den Beschluss (GASP) 2015/364 zur Änderung des Beschlusses 2014/119 (ABl. 2015, L 62, S. 25) und die Durchführungsverordnung (EU) 2015/357 zur Durchführung der Verordnung Nr. 208/2014 (ABl. 2015, L 62, S. 1) (im Folgenden zusammen als Rechtsakte vom März 2015 bezeichnet).

19

Art. 5 des Beschlusses 2014/119 wurde durch den Beschluss 2015/364 dahin gehend geändert, dass die restriktiven Maßnahmen gegen den Kläger bis zum 6. März 2016 verlängert wurden. Folglich wurde die Liste durch den Beschluss 2015/364 und die Durchführungsverordnung 2015/357 ersetzt.

20

Nach diesen Änderungen verblieb der Name des Klägers auf der Liste mit der Identifizierungsinformation „Sohn des ehemaligen Staatspräsidenten, Geschäftsmann“ und folgender neuer Begründung

„Person ist Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung seitens der ukrainischen Behörden wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte.“

21

Der Rat unterrichtete den Kläger mit Schreiben vom 6. März 2015, dass die gegen ihn getroffenen restriktiven Maßnahmen aufrechterhalten blieben.

22

Der Beschluss 2014/119 und die Verordnung Nr. 208/2014 wurden letztmalig durch den Beschluss (GASP) 2016/318 des Rates vom 4. März 2016 (ABl. 2016, L 60, S. 76) bzw. durch die Durchführungsverordnung (EU) 2016/311 des Rates vom 4. März 2016 zur Durchführung der Verordnung Nr. 208/2014 (ABl. 2016, L 60, S. 1) geändert.

23

Art. 5 des Beschlusses 2014/119 wurde durch den Beschluss 2016/318 dahin gehend geändert, dass die restriktiven Maßnahmen gegen den Kläger bis zum 6. März 2017 verlängert wurden.

Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

24

Der Kläger hat mit Klageschrift, die am 14. Mai 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

25

Der Rat hat am 22. September 2014 die Klagebeantwortung eingereicht. Am 26. September 2014 hat er eine Ergänzung zu den Anlagen der Klagebeantwortung und am 3. Oktober 2014 ein weiteres Schriftstück eingereicht. Ferner hat er gemäß Art. 18 Abs. 4 Unterabs. 2 der Dienstanweisung für den Kanzler des Gerichts den begründeten Antrag gestellt, den Inhalt dieses Schriftstücks in öffentlich zugänglichen Unterlagen dieser Rechtssache nicht wiederzugeben. Der Kläger hat gegen diesen Antrag auf vertrauliche Behandlung Einwendungen erhoben.

26

Die Europäische Kommission hat mit am 16. September 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz beantragt, im vorliegenden Verfahren als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen zu werden. Der Präsident der Neunten Kammer des Gerichts hat diesen Streitbeitritt mit Beschluss vom 12. November 2014 zugelassen. Die Kommission hat ihren Streithilfeschriftsatz am 22. Dezember 2014 eingereicht. Der Kläger und der Rat haben dazu fristgemäß Stellung genommen.

27

Mit Schriftsatz, der am 16. September 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Ukraine ihre Zulassung in diesem Verfahren als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates beantragt. Mit Schriftsatz, der am 24. Dezember 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Ukraine diesen Antrag zurückgenommen. Der Präsident der Neunten Kammer des Gerichts hat mit Beschluss vom 11. März 2015 die Streichung der Ukraine als Streithelferin verfügt.

28

Die Erwiderung bzw. die Gegenerwiderung sind vom Kläger am 21. November 2014 und vom Rat am 15. Januar 2015 eingereicht worden.

29

Der Kläger hat mit Schriftsatz, der am 8. April 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, seine Anträge dahin gehend angepasst, dass sie nunmehr auch auf die Nichtigerklärung des Beschlusses 2015/143, der Verordnung 2015/138, des Beschlusses 2015/364 und der Durchführungsverordnung 2015/357, soweit sie ihn betreffen, gerichtet sind. Die anderen Verfahrensbeteiligten haben dazu fristgemäß Stellung genommen. Mit Schriftsatz, der am 30. November 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger neue Beweismittel vorgelegt.

30

Das Gericht hat die Rechtssache auf Vorschlag der Neunten Kammer gemäß Art. 28 seiner Verfahrensordnung an einen erweiterten Spruchkörper verwiesen.

31

Das Gericht (Neunte erweiterte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

32

Durch Beschluss des Präsidenten der Neunten erweiterten Kammer des Gerichts vom 5. April 2016 wurden die vorliegende Rechtssache und die Rechtssache T‑346/14, Yanukovych/Rat, nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten gemäß Art. 68 der Verfahrensordnung des Gerichts zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung verbunden.

33

In der Sitzung vom 29. April 2016 haben die Verfahrensbeteiligten mündliche Ausführungen gemacht und Fragen des Gerichts beantwortet.

34

Der Kläger beantragt,

erstens den Beschluss 2014/119 in der Fassung des Durchführungsbeschlusses 2014/216 und die Verordnung Nr. 208/2014 in der Fassung der Durchführungsverordnung Nr. 381/2014, zweitens den Beschluss 2015/143 und die Verordnung 2015/138 und drittens den Beschluss 2015/364 und die Durchführungsverordnung 2015/357, soweit sie ihn betreffen, für nichtig zu erklären;

dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

35

Der Rat, unterstützt von der Kommission, beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise, für den Fall der teilweisen Nichtigerklärung der Rechtsakte vom März 2014 anzuordnen, dass die Wirkungen des Beschlusses 2014/119 dem Kläger gegenüber bis zum Wirksamwerden der teilweisen Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 208/2014 fortbestehen, und für den Fall der teilweisen Nichtigerklärung der Rechtsakte vom März 2015 anzuordnen, dass die Wirkungen des Beschlusses 2014/119 in der geänderten Fassung dem Kläger gegenüber bis zum Wirksamwerden der teilweisen Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 208/2014 in der durch die Durchführungsverordnung 2015/357 geänderten Fassung fortbestehen;

dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

1. Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Rechtsakte vom März 2014 in der Fassung des Durchführungsbeschlusses 2014/216 bzw. der Durchführungsverordnung Nr. 381/2014, soweit sie den Kläger betreffen

36

Der Kläger stützt seine Klage auf Nichtigerklärung der Rechtsakte vom März 2014 in der Fassung des Durchführungsbeschlusses 2014/216 und der Durchführungsverordnung Nr. 381/2014 auf sieben Gründe: erstens fehlende Rechtsgrundlage, zweitens Ermessensmissbrauch, drittens Begründungsmangel, viertens Nichtbeachtung der Kriterien für die Aufnahme in die Liste, fünftens offensichtlicher Beurteilungsfehler, sechstens Verletzung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf und siebtens Verletzung des Eigentumsrechts.

37

Mit seinem vierten Klagegrund, der als erster zu prüfen ist, trägt der Kläger namentlich vor, die Aufnahme seines Namens in die Liste allein aufgrund der Einleitung einer Untersuchung gegen ihn genüge angesichts der einschlägigen Rechtsprechung nicht den in den Rechtsakten vom März 2014 aufgestellten Kriterien, die „Personen“ erfassten, die als für die Veruntreuung öffentlicher Vermögenswerte „verantwortlich identifiziert wurden“. Jedenfalls habe der Rat seiner Beweislast nicht genügt.

38

Ferner hat der Kläger in seinem Anpassungsschriftsatz vorgetragen, dass für die Zeit vom 31. Januar 2015 bis zum 6. März 2015, d. h. ab Inkrafttreten der Rechtsakte vom Januar 2015 bis zum Inkrafttreten der Rechtsakte vom März 2015, die ursprünglichen Gründe für die Aufnahme seines Namens in die Liste auch nicht den durch den Beschluss 2015/143 geänderten Aufnahmekriterien entsprächen.

39

Der Rat führt, unterstützt von der Kommission, zunächst aus, dass es nach der einschlägigen Rechtsprechung ihm zukomme, auf der Grundlage übereinstimmender Informationen selbst die Personen zu ermitteln, die möglicherweise als für die Veruntreuung öffentlicher Vermögenswerte verantwortlich identifiziert werden könnten, wobei der Begriff „identifiziert“ so weit auszulegen sei, dass er insbesondere diejenigen Personen erfasse, die wegen derartiger Handlungen strafrechtlich verfolgt würden.

40

Er trägt weiter vor, aus den ihm vorliegenden Beweisen ergebe sich, dass gegen den Kläger ein Strafverfahren eingeleitet worden sei und dass die Veruntreuung öffentlicher Gelder in beträchtlicher Höhe und deren illegaler Transfer ins Ausland belegt seien. Im Übrigen verneint er eine generelle Verpflichtung zur Prüfung, ob das Recht des betreffenden Staates die Wahrung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz gewährleiste.

41

Dazu ist zu bemerken, dass der Rat zwar in Bezug auf die allgemeinen Kriterien, die beim Erlass restriktiver Maßnahmen anzuwenden sind, über ein weites Ermessen verfügt. Die durch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierte Wirksamkeit der gerichtlichen Kontrolle erfordert jedoch, dass der Unionsrichter bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Begründung der Entscheidung, den Namen einer bestimmten Person in die Liste der restriktiven Maßnahmen unterliegenden Personen aufzunehmen oder darin zu belassen, sich vergewissert, dass diese Entscheidung, die eine individuelle Betroffenheit dieser Person begründet, auf einer hinreichend gesicherten tatsächlichen Grundlage beruht. Dies setzt eine Überprüfung der der Begründung dieser Entscheidung zugrunde liegenden Tatsachen voraus, so dass sich die gerichtliche Kontrolle nicht nur auf die Beurteilung der abstrakten Wahrscheinlichkeit der angeführten Gründe, sondern auch auf die Frage erstreckt, ob diese Gründe – oder zumindest einer von ihnen, der für sich genommen als ausreichend angesehen wird, um die betreffende Entscheidung zu stützen – hinreichend genau und konkret belegt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. April 2015, Anbouba/Rat, C‑605/13 P, EU:C:2015:248, Rn. 41 und 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42

Was den vorliegenden Fall betrifft, besagt das in Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2014/119 aufgestellte Kriterium, dass restriktive Maßnahmen gegen Personen ergehen, die als für die Veruntreuung öffentlicher Vermögenswerte verantwortlich identifiziert wurden. Aus dem zweiten Erwägungsgrund dieses Beschlusses geht weiter hervor, dass der Rat diese Maßnahmen „im Hinblick auf die Stärkung und Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit … in der Ukraine“ erlassen hat.

43

Der Name des Klägers wurde mit folgender Begründung in die Liste aufgenommen: „Person ist in der Ukraine Gegenstand von Ermittlungen wegen der Beteiligung an Straftaten im Zusammenhang mit der Veruntreuung öffentlicher Gelder der Ukraine und des illegalen Transfers dieser Gelder in das Ausland.“

44

Zur Begründung der Aufnahme des Klägers in die Liste beruft sich der Rat auf das Schreiben vom 3. März 2014. Im ersten Teil dieses Schreibens heißt es, dass die „Strafverfolgungsbehörden der Ukraine“ eine Reihe von Strafverfahren eingeleitet hätten, um wegen strafbarer Handlungen zu ermitteln, die von ehemaligen hohen Amtsträgern begangen worden seien, deren Namen auf einer unmittelbar folgenden Liste genannt wurden; hinsichtlich dieser Amtsträger seien im Zuge dieser Ermittlungen die Veruntreuung öffentlicher Gelder in erheblichem Umfang und ihr späterer illegaler Transfer aus dem Hoheitsgebiet der Ukraine festgestellt worden. Im zweiten Teil dieses Schreibens heißt es weiter, dass „bei den Ermittlungen die Beteiligung anderer hoher Amtsträger früherer Regierungen an gleichartigen Straftaten geprüft wird“ und dass diese Personen in Kürze von der Einleitung der Ermittlungen in Kenntnis gesetzt würden. Die Namen dieser anderen Personen, darunter der des Klägers, wurden ebenfalls auf einer unmittelbar folgenden Liste genannt.

45

Unstreitig wurde der Kläger allein auf dieser Grundlage „als für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine verantwortlich“ im Sinne des Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2014/119 identifiziert. Das Schreiben vom 3. März 2014 ist nämlich das einzige unter den vom Rat im vorliegenden Verfahren eingereichten Beweismitteln, das aus der Zeit vor Erlass der Rechtsakte vom März 2014 stammt. Deshalb ist deren Rechtmäßigkeit ausschließlich anhand dieses Beweismittels zu prüfen.

46

Dieses Schreiben stammt zwar von einer hohen Justizbehörde eines Drittlands, enthält aber nur eine allgemeine und vage Behauptung, die den Namen des Klägers wie auch den Namen anderer ehemaliger hoher Amtsträger mit einem Ermittlungsverfahren in Verbindung bringt, in dem Handlungen festgestellt worden sein sollen, die eine Veruntreuung öffentlicher Gelder darstellen. Das Schreiben enthält keine genauen Angaben zur Feststellung der Handlungen, die im Zuge der von den ukrainischen Behörden geführten Ermittlungen geprüft werden sollten, und erst recht keine Angaben zu einer – zumindest mutmaßlichen – entsprechenden individuellen Verantwortung des Klägers (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Januar 2016, Azarov/Rat, T‑332/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:48, Rn. 46, vgl. auch entsprechend Urteil vom 26. Oktober 2015, Portnov/Rat, T‑290/14, EU:T:2015:806, Rn. 43 und 44).

47

Anders als in der Rechtssache, in der das Urteil vom 27. Februar 2014, Ezz u. a./Rat (T‑256/11, EU:T:2014:93, Rn. 57 bis 61), ergangen ist, das im Rechtsmittelverfahren durch Urteil vom 5. März 2015, Ezz u. a./Rat (C‑220/14 P, EU:C:2015:147), bestätigt wurde – die beide vom Rat im vorliegenden Verfahren angeführt worden sind –, verfügte dieser hier über keine Informationen zu dem Sachverhalt oder dem Verhalten, das die ukrainischen Behörden dem Kläger konkret vorwarfen; auch stellte das Schreiben vom 3. März 2014, auch wenn man es in seinem Kontext betrachtet, keine hinreichend gesicherte tatsächliche Grundlage im Sinne der oben in Rn. 41 angeführten Rechtsprechung dar, um den Namen des Klägers in die Liste mit der Begründung aufnehmen zu können, dass er „als verantwortlich“ für die Veruntreuung öffentlicher Gelder identifiziert worden sei (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Oktober 2015, Portnov/Rat, T‑290/14, EU:T:2015:806, Rn. 46 bis 48).

48

Unabhängig von dem Stadium, in dem sich das angeblich gegen den Kläger eingeleitete Verfahren befand, durfte der Rat keine restriktiven Maßnahmen gegen ihn erlassen, ohne die als Veruntreuung staatlicher Mittel gewerteten Handlungen, die die ukrainischen Behörden dem Kläger konkret zur Last legten, zu kennen. Denn nur bei Kenntnis dieser Handlungen hätte der Rat feststellen können, ob sie möglicherweise als Veruntreuung öffentlicher Mittel einzustufen waren und die Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine gefährdeten, die – wie oben in Rn. 42 ausgeführt – mit dem Erlass der in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen gestärkt und unterstützt werden sollte (Urteile vom 28. Januar 2016, Klyuyev/Rat, T‑341/14, EU:T:2016:47, Rn. 50, und vom 28. Januar 2016, Azarov/Rat, T‑331/14, EU:T:2016:49, Rn. 55).

49

Im Übrigen ist es im Streitfall Sache der zuständigen Unionsbehörde, die Stichhaltigkeit der gegen die betroffene Person angeführten Begründung nachzuweisen, und nicht Sache der betroffenen Person, den Negativbeweis der fehlenden Stichhaltigkeit dieser Begründung zu erbringen (Urteile vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 120 und 121, und vom 28. November 2013, Rat/Fulmen und Mahmoudian, C‑280/12 P, EU:C:2013:775, Rn. 65 und 66).

50

Aus diesen Gründen stützt sich die Aufnahme des Namens des Klägers in die Liste nicht auf eine hinreichend gesicherte tatsächliche Grundlage und garantiert somit nicht die Beachtung der im Beschluss 2014/119 aufgestellten Kriterien für die Benennung der von den restriktiven Maßnahmen betroffenen Personen.

51

Im Übrigen bestand diese rechtswidrige Situation bis zum Inkrafttreten der Rechtsakte vom März 2015 fort, welche die Liste durch eine neue Liste ersetzt und die Begründung für die Aufnahme des Klägers geändert haben.

52

Aufgrund dieser Feststellung erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag des Klägers, die Aufnahme seines Namens in die Liste durch die Rechtsakte vom März 2014 für den Zeitraum vom 31. Januar 2015 bis zum 6. März 2015, d. h. vom Inkrafttreten der Rechtsakte vom Januar 2015 bis zum Inkrafttreten der Rechtsakte vom März 2015, für nichtig zu erklären. Denn aufgrund der Nichtigerklärung der Rechtsakte vom März 2014, soweit sie den Kläger betreffen, ist dieser während dieses Zeitraums nicht als von den restriktiven Maßnahmen betroffen anzusehen.

53

Folglich ist dem vierten Klagegrund stattzugeben und der Beschluss 2014/119 in der Fassung des Durchführungsbeschlusses 2014/216 für nichtig zu erklären, soweit er den Kläger betrifft, ohne dass über die anderen Klagegründe entschieden zu werden braucht.

54

Als Folge der Nichtigerklärung des Beschlusses 2014/119 ist auch die Verordnung Nr. 208/2014 in der Fassung der Durchführungsverordnung Nr. 381/2014, die gemäß Art. 215 Abs. 2 AEUV einen nach Titel V Kapitel 2 des EU-Vertrags erlassenen Beschluss voraussetzt, für nichtig zu erklären, soweit sie den Kläger betrifft.

2. Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Rechtsakte vom März 2014 in der Fassung der Rechtsakte vom Januar und vom März 2015, soweit sie den Kläger betreffen

55

Im Schriftsatz zur Anpassung seiner Anträge hat der Kläger seine Klage dahin erweitert, dass sie auch gegen die Rechtsakte vom Januar und vom März 2015 gerichtet ist, soweit sie ihn betreffen.

56

In seiner Stellungnahme zu diesem Anpassungsschriftsatz hat der Rat geltend gemacht, zum einen sei das Gericht nach Art. 275 AEUV nicht zuständig, um über die Erweiterung der Klageanträge auf den Beschluss 2015/143 zu entscheiden, der namentlich auf der Grundlage von Art. 29 EUV erlassen worden sei, und zum anderen sei die Erweiterung der Klageanträge auf die Verordnung 2015/138 mangels Klagebefugnis des Klägers unzulässig. Im Übrigen hält der Rat die Anpassung der Klage für unbegründet.

Zur Zuständigkeit des Gerichts für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses 2015/143

57

Wie sich namentlich aus der Prüfung des ersten Klagegrundes ergibt, rügt der Kläger, ohne förmlich eine Einrede der Rechtswidrigkeit nach Art. 277 AEUV zu erheben, im Rahmen seines Antrags auf Nichtigerklärung der Rechtsakte vom März 2015, durch die sein Name in der Liste belassen wurde, dass das Aufnahmekriterium nicht mit den Zielen des EU-Vertrags in Einklang stehe. Da der Beschluss 2015/143 gerade dieses Aufnahmekriterium geändert hat, ist davon auszugehen, dass der Kläger mit seinem Antrag auf Nichtigerklärung dieses Beschlusses in Wirklichkeit eine Einrede der Rechtswidrigkeit zur Stützung seines Antrags auf Nichtigerklärung der Rechtsakte vom März 2015 erheben will (vgl. entsprechend Urteil vom 6. September 2013, Post Bank Iran/Rat, T‑13/11, EU:T:2013:402, Rn. 37).

58

Art. 275 Abs. 2 AEUV sieht nämlich abweichend von Art. 275 Abs. 1 AEUV ausdrücklich vor, dass der Unionsrichter zuständig ist „für die unter den Voraussetzungen des Artikels 263 Absatz 4 [AEUV] erhobenen Klagen im Zusammenhang mit der Überwachung der Rechtmäßigkeit von Beschlüssen über restriktive Maßnahmen gegenüber natürlichen oder juristischen Personen, die der Rat auf der Grundlage von Titel V Kapitel 2 des [EU-]Vertrags erlassen hat“. Diese Bestimmung erfasst somit entgegen der vom Rat vertretenen Auffassung alle Entscheidungen des Rates über restriktive Maßnahmen gegenüber natürlichen oder juristischen Personen, die unter Titel V Kapitel 2 des EU-Vertrags fallen, ohne dass zwischen Entscheidungen mit allgemeiner Wirkung und Einzelfallentscheidungen unterschieden wird. Insbesondere schließt sie nicht die Möglichkeit aus, zur Stützung einer Klage auf Nichtigerklärung einer individuellen restriktiven Maßnahme die Rechtmäßigkeit einer Bestimmung mit allgemeiner Wirkung mit einer Einrede anzufechten (Urteil vom 16. Juli 2014, National Iranian Oil Company/Rat, T‑578/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:678, Rn. 92 und 93, vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 28. Januar 2016, Azarov/Rat, T‑331/14, EU:T:2016:49, Rn. 62).

59

Folglich ist das Gericht entgegen dem Vorbringen des Rates dafür zuständig, die Rechtmäßigkeit des Beschlusses 2015/143 zu prüfen, soweit er Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2014/119 ändert.

60

Diese Einrede der Rechtswidrigkeit wird deshalb im Rahmen des ersten Klagegrundes geprüft werden, der zur Stützung des Antrags auf Nichtigerklärung der Rechtsakte vom März 2015 vorgebracht worden ist und mit dem der Kläger geltend macht, dass das auf ihn angewandte Aufnahmekriterium nicht mit den Zielen des EU-Vertrags in Einklang stehe.

Zur Einrede der Unzulässigkeit wegen mangelnder Klagebefugnis des Klägers im Hinblick auf die Verordnung 2015/138

61

Zu der vom Rat im Hinblick auf die Verordnung 2015/138 aufgeworfenen Frage der Klagebefugnis des Klägers ist festzustellen, dass diese die Verordnung Nr. 208/2014 nur insoweit geändert hat, als die Benennungskriterien für das Einfrieren der Gelder in Bezug auf die Personen, die für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine verantwortlich waren, präzisiert wurden.

62

Die Verordnung 2015/138 nennt den Kläger nicht namentlich, und sie wurde auch nicht nach einer vollständigen Überprüfung der Liste erlassen. Tatsächlich enthält sie nur allgemeine Kriterien für die Aufnahme in die Liste, die für objektiv festgelegte Sachverhalte gelten und Rechtsfolgen für allgemein und abstrakt umschriebene Gruppen von Personen und Organisationen haben, und sieht nicht die Aufnahme des Namens des Klägers in die Liste vor. Folglich betrifft sie den Kläger nicht unmittelbar und individuell, so dass dieser nicht befugt ist, im Wege der Klageanpassung ihre Nichtigerklärung zu beantragen (vgl. Urteil vom 28. Januar 2016, Azarov/Rat, T‑331/14, EU:T:2016:49, Rn. 64 und 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

63

Die Rüge des Rates greift durch, und die Klage ist insoweit als unzulässig abzuweisen, als sie auf die Nichtigerklärung der Verordnung 2015/138 gerichtet ist.

Zur Begründetheit

64

Der Kläger stützt seinen Antrag auf Nichtigerklärung der Rechtsakte vom März 2014 in der Fassung der Rechtsakte vom Januar und vom März 2015 auf sieben Gründe: erstens fehlende Rechtsgrundlage, zweitens Ermessensmissbrauch, drittens Begründungsmangel, viertens Nichtbeachtung der Kriterien für die Aufnahme in die Liste, fünftens offensichtlicher Beurteilungsfehler, sechstens Verletzung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf und siebtens Verletzung des Eigentumsrechts.

65

Zuerst ist der sechste Klagegrund zu prüfen, mit dem die Verletzung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz geltend gemacht wird, danach der dritte Klagegrund, mit dem die Verletzung der Begründungspflicht gerügt wird, und schließlich die übrigen Klagegründe in der aufgeführten Reihenfolge.

Zum sechsten Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz

66

Mit seinem sechsten Klagegrund rügt der Kläger, dass er vor der Entscheidung, seinen Namen in der Liste zu belassen, nicht ordnungsgemäß angehört worden sei und namentlich nicht genug Zeit und nicht genug Informationen gehabt habe, um diese Entscheidung anzufechten.

67

Der Rat tritt, unterstützt von der Kommission, dem Vorbringen des Klägers entgegen.

68

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass das Recht auf Achtung der Verteidigungsrechte – das in Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta der Grundrechte der Union niedergelegt ist, die nach dem EU-Vertrag den Verträgen rechtlich gleichwertig ist – den Anspruch auf rechtliches Gehör und das Recht auf Akteneinsicht umfasst, während der in Art. 47 der Charta verankerte Anspruch auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz verlangt, dass der Betroffene Kenntnis von den Gründen, auf denen die ihm gegenüber ergangene Entscheidung beruht, erlangen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 98 bis 100).

69

Folglich muss der Rat beim Erlass eines Beschlusses, durch den die Aufnahme einer Person, einer Organisation oder einer Einrichtung in die Liste der Personen, Organisationen oder Einrichtungen, gegen die restriktive Maßnahmen erlassen werden, beibehalten wird, das Recht dieser Person, Organisation oder Einrichtung auf vorherige Anhörung beachten, wenn er sich ihr gegenüber in dem Beschluss über die Beibehaltung der Aufnahme in die Liste auf neue Tatsachen stützt, d. h. auf Tatsachen, die im ursprünglichen Beschluss über die Aufnahme nicht genannt waren (Urteil vom 4. Juni 2014, Sina Bank/Rat, T‑67/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:348, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2011, Frankreich/People's Mojahedin Organization of Iran, C‑27/09 P, EU:C:2011:853, Rn. 62).

70

Im vorliegenden Fall wird die Beibehaltung des Namens des Klägers in der Liste nach den Rechtsakten vom März 2015 allein auf das Schreiben vom 30. Dezember 2014 gestützt.

71

Der Rat hat dem Kläger vor Erlass des Beschlusses, durch den sein Name in der Liste belassen wurde, das Schreiben vom 30. Dezember 2014 übersandt (siehe oben, Rn. 17). Ferner teilte er ihm mit Schreiben vom 2. Februar 2015 mit, dass er beabsichtige, die gegen ihn ergriffenen restriktiven Maßnahmen beizubehalten, und informierte ihn über die Möglichkeit, Erklärungen abzugeben (siehe oben, Rn. 17).

72

Somit hatte der Kläger Zugang zu den Informationen und den Beweisen, die den Rat dazu veranlassten, die restriktiven Maßnahmen gegen ihn aufrechtzuerhalten, und konnte rechtzeitig dazu Stellung nehmen (siehe oben, Rn. 17).

73

Im Übrigen hat der Kläger nicht dargetan, dass die von ihm geltend gemachten Schwierigkeiten hinsichtlich der ihm gegebenen Informationen und der Zeit für die Beantwortung der Behauptungen des Rates ihn gehindert hätten, seine Anträge rechtzeitig anzupassen oder Argumente zu seiner Verteidigung vorzubringen.

74

Nach alledem war die Übermittlung der Beweismittel während des Verfahrens ausreichend, um die Ausübung der Verteidigungsrechte des Klägers und seines Rechts auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz zu gewährleisten.

75

Der sechste Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Zum dritten Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht

76

Mit dem dritten Klagegrund rügt der Kläger, dass die Begründung für die Aufnahme seines Namens in die Liste keine näheren Angaben zu den bestrittenen Tatsachen und das ihn betreffende Verfahren enthalte, die die Behauptung stützen könnten, dass er öffentliche Gelder veruntreut und illegal ins Ausland verbracht habe. Zudem enthalte diese Begründung lediglich stereotype Formulierungen.

77

Der Rat tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

78

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die nach Art. 296 AEUV und Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta der Grundrechte vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts und dem Kontext, in dem er erlassen worden ist, angepasst sein muss. Sie muss die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass der Betroffene ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen kann und das zuständige Gericht seine Rechtmäßigkeitskontrolle durchführen kann. Das Begründungserfordernis ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. Urteil vom 14. April 2016, Ben Ali/Rat, T‑200/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:216, Rn. 94 und die dort angeführte Rechtsprechung).

79

In der Begründung eines Rechtsakts brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung den Erfordernissen von Art. 296 AEUV und Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta der Grundrechte genügt, nicht nur im Hinblick auf den Wortlaut des Rechtsakts zu beurteilen ist, sondern auch im Hinblick auf dessen Kontext und sämtliche Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet. Daher ist ein beschwerender Rechtsakt hinreichend begründet, wenn er in einem Zusammenhang ergangen ist, der dem Betroffenen bekannt war und ihm gestattet, die Tragweite der ihm gegenüber getroffenen Maßnahme zu verstehen. Außerdem müssen die Anforderungen an die Genauigkeit, die an die Begründung eines Rechtsakts zu stellen sind, den tatsächlichen Möglichkeiten sowie den technischen und zeitlichen Bedingungen angepasst werden, unter denen der Rechtsakt ergeht (vgl. Urteil vom 14. April 2016, Ben Ali/Rat, T‑200/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:216, Rn. 95 und die dort angeführte Rechtsprechung).

80

Insbesondere darf die Begründung für eine Maßnahme des Einfrierens von Vermögenswerten grundsätzlich nicht aus einer allgemeinen und stereotypen Formulierung bestehen. Sie muss vielmehr unter den oben in Rn. 79 gemachten Einschränkungen die besonderen und konkreten Gründe enthalten, die den Rat zu der Annahme veranlasst haben, dass die einschlägigen Bestimmungen auf den Betroffenen anwendbar sind (vgl. Urteil vom 14. April 2016, Ben Ali/Rat, T‑200/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:216, Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung).

81

In der vorliegenden Rechtssache werden in der durch die Rechtsakte vom März 2015 geänderten Begründung (siehe oben, Rn. 20) ebenso wie auch schon in der ursprünglichen Aufnahmebegründung die Tatsachen genannt, auf denen die Aufnahme des Klägers in die Liste beruht, nämlich seine strafrechtliche Verfolgung durch die ukrainischen Behörden wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte.

82

Zudem erfolgte die Aufrechterhaltung der Maßnahmen gegenüber dem Kläger in einem Zusammenhang, der ihm bekannt war, da er im Rahmen des Schriftwechsels in dieser Sache von dem Schreiben vom 30. Dezember 2014 Kenntnis genommen hatte, auf das der Rat die Beibehaltung der gegen ihn ergriffenen restriktiven Maßnahmen stützte und in dem er genauere Angaben zur Aufnahme seines Namens in die Liste machte (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. November 2012, Rat/Bamba, C‑417/11 P, EU:C:2012:718, Rn. 53 und 54 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 6. September 2013, Bank Melli Iran/Rat, T‑35/10 und T‑7/11, EU:T:2013:397, Rn. 88), wobei er namentlich die dem Kläger zur Last gelegten Handlungen genau beschrieb.

83

Was ferner die angeblich stereotype Formulierung der Aufnahmebegründung angeht, so werden dort zwar die gleichen Erwägungen angeführt wie die, auf die die restriktiven Maßnahmen gegen die übrigen in die Liste aufgenommenen natürlichen Personen gestützt wurden, doch sollen diese Erwägungen die konkrete Situation des Klägers umreißen, gegen den, wie gegen andere, nach den Angaben des Rates gerichtliche Verfahren im Zusammenhang mit Ermittlungen wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder in der Ukraine anhängig waren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 2014, Ezz u. a./Rat, T‑256/11, EU:T:2014:93, Rn. 115).

84

Nach alledem geben die Rechtsakte vom März 2014 in der Fassung der Rechtsakte vom Januar und vom März 2015 rechtlich ausreichend die rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten wieder, auf denen sie dem Rat zufolge beruhen.

85

Der dritte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Zum ersten Klagegrund, mit dem das Fehlen einer Rechtsgrundlage geltend gemacht wird

86

Der erste Klagegrund geht dahin, dass der Beschluss 2014/119 in der Fassung der Rechtsakte vom Januar und vom März 2015 nicht mit den Zielen von Art. 29 EUV in Einklang stehe und deshalb der rechtlichen Grundlage entbehre. Angesichts der Ungültigkeit dieses Beschlusses sei auch die Verordnung Nr. 208/2014 in der Fassung der Rechtsakte vom Januar und vom März 2015 nichtig, denn es fehle an einem gültigen Beschluss nach Titel V Kapitel 2 des EU-Vertrags, der die Grundlage für die Heranziehung von Art. 215 AEUV bilde.

87

Der Rat tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

– Zum Hauptargument des Klägers, dass das Aufnahmekriterium im Hinblick auf die Ziele des EU-Vertrags unverhältnismäßig sei

88

Der Kläger macht mit seinem Hauptargument geltend, der Beschluss 2014/119 verfolge weder die beiden dort aufgeführten Ziele, nämlich die Stärkung und Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit sowie die Gewährleistung der Achtung der Menschenrechte in der Ukraine noch die anderen in Art. 21 Abs. 2 Buchst. b EUV genannten Ziele der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP). Auch sei die Änderung der ihn betreffenden Begründung durch die Rechtsakte vom März 2015 nach der Erweiterung des Aufnahmekriteriums durch die Rechtsakte vom Januar 2015 nicht gerechtfertigt, denn der Rat habe nicht nachgewiesen, dass er, der Kläger, die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit oder die Menschenrechte in der Ukraine oder die nachhaltige wirtschaftliche oder soziale Entwicklung der Ukraine beeinträchtigt habe.

89

Somit ist zu prüfen, ob das in Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2014/119 in der Fassung des Beschlusses 2015/143 aufgestellte Aufnahmekriterium mit den Zielen der GASP in Einklang steht, und insbesondere, ob es im Hinblick auf diese Ziele verhältnismäßig ist.

90

Die die GASP betreffenden Ziele des EU-Vertrags werden in Art. 21 Abs. 2 Buchst. b EUV wie folgt beschrieben:

„Die Union legt die gemeinsame Politik sowie Maßnahmen fest, führt diese durch und setzt sich für ein hohes Maß an Zusammenarbeit auf allen Gebieten der internationalen Beziehungen ein, um … Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, die Menschenrechte und die Grundsätze des Völkerrechts zu festigen und zu fördern.“

91

Weiter heißt es im zweiten Erwägungsgrund des Beschlusses 2014/119:

„Der Rat hat am 3. März 2014 beschlossen, im Hinblick auf die Stärkung und Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit sowie die Achtung der Menschenrechte in der Ukraine restriktive Maßnahmen für das Einfrieren und die Einziehung von Vermögenswerten auf Personen, die als für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine verantwortlich identifiziert wurden, sowie auf für Menschenrechtsverletzungen verantwortliche Personen zu konzentrieren.“

92

Auf dieser Grundlage wurde in Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2014/119 in der Fassung des Beschlusses 2015/143 folgendes Aufnahmekriterium aufgestellt:

„Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die im Besitz oder im Eigentum der Personen, die als für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine verantwortlich identifiziert wurden, sowie der für Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine verantwortlichen Personen und der mit ihnen verbundenen, in der Liste im Anhang aufgeführten, natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen stehen oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, werden eingefroren.

Für die Zwecke dieses Beschlusses zählen zu Personen, die als für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine verantwortlich erklärt wurden, Personen, die Gegenstand von Untersuchungen der ukrainischen Behörden sind

a)

wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte der Ukraine oder wegen Beihilfe hierzu …“

93

Schließlich lautete die Begründung für die Aufnahme des Namens des Klägers in die Liste im Anschluss an die Rechtsakte vom März 2015 wie folgt:

„Person ist Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung seitens der ukrainischen Behörden wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte.“

94

Vorab ist festzustellen, dass die restriktiven Maßnahmen gegen den Kläger, wie der Rat in seinen Schriftsätzen anerkannt hat, allein zu dem Zweck erlassen wurden, die Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine zu stärken und zu unterstützen. Folglich liegt das Argument des Klägers, dass das im Beschluss 2014/119 aufgestellte Aufnahmekriterium keine weiteren Ziele der GASP verfolge, neben der Sache.

95

Deshalb ist zu prüfen, ob das im Beschluss 2014/119 aufgestellte und durch den Beschluss 2015/143 geänderte Aufnahmekriterium, das Personen erfasst, die als für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine verantwortlich identifiziert wurden, mit dem in demselben Beschluss genannten Ziel der Stärkung und Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine in Einklang steht.

96

Nach der Rechtsprechung zu den restriktiven Maßnahmen betreffend die Situation in Tunesien und Ägypten können Ziele wie die in Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und d EUV genannten durch das Einfrieren von Vermögenswerten erreicht werden, dessen Anwendungsbereich wie hier auf Personen beschränkt wird, die als für die Veruntreuung öffentlicher Gelder verantwortlich identifiziert wurden, sowie auf mit ihnen verbundene Personen, Organisationen und Einrichtungen, d. h. auf Personen, deren Handlungen das ordnungsgemäße Funktionieren der öffentlichen Einrichtungen und der zu ihnen gehörenden Stellen beeinträchtigt haben können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. Mai 2013, Trabelsi u. a./Rat, T‑187/11, EU:T:2013:273, Rn. 92, vom 27. Februar 2014, Ezz u. a./Rat, T‑256/11, EU:T:2014:93, Rn. 44, und vom 14. April 2016, Ben Ali/Rat, T‑200/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:216, Rn. 68).

97

Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass das Aufnahmekriterium zum einen, was den Kläger angeht, auf Straftaten der „Veruntreuung öffentlicher Gelder“ abstellt und sich zum anderen in einen im Beschluss 2014/119 klar definierten rechtlichen Rahmen einfügt und der Verfolgung des im zweiten Erwägungsgrund dieses Beschlusses angegebenen einschlägigen Ziels des EU-Vertrags dient, nämlich der Stärkung und Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine.

98

Die Achtung der Rechtsstaatlichkeit ist, wie sich aus Art. 2 EUV und aus den Präambeln des EU-Vertrags und der Charta der Grundrechte ergibt, einer der grundlegenden Werte, auf denen die Union beruht. Sie ist zudem nach Art. 49 EUV eine Voraussetzung für den Beitritt zur Union. Der Begriff der Rechtsstaatlichkeit findet sich im Übrigen auch in der Präambel der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten.

99

In der Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie den Arbeiten der Europäischen Kommission für Demokratie durch Recht, einer Einrichtung des Europarats, findet sich eine nicht erschöpfende Aufzählung der Grundsätze und Normen, die die Rechtsstaatlichkeit ausmachen. Dazu gehören die Grundsätze der Rechtmäßigkeit, der Rechtssicherheit und des Verbots der Willkür der Exekutive; unabhängige und unparteiische Gerichte, eine wirksame gerichtliche Kontrolle einschließlich der Wahrung der Grundrechte sowie die Gleichheit vor dem Gesetz (vgl. dazu die Liste der Kriterien der Rechtsstaatlichkeit, die die Europäische Kommission für Demokratie durch Recht in ihrer 106. Vollsitzung am 11./12. März 2016 in Venedig verabschiedet hat). Ferner wird in bestimmten Rechtsakten im Zusammenhang mit dem auswärtigen Handeln der Union u. a. die Bekämpfung der Korruption als ein der Rechtsstaatlichkeit innewohnender Grundsatz genannt (vgl. z. B. die Verordnung [EG] Nr. 1638/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 2006 zur Festlegung allgemeiner Bestimmungen zur Schaffung eines Europäischen Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstruments [ABl. 2006, L 310, S. 1]).

100

Zwar lässt sich nicht ausschließen, dass bestimmte Handlungen, die die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte betreffen, geeignet sind, die Rechtsstaatlichkeit zu beeinträchtigen; es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass jede in einem Drittland begangene Veruntreuung öffentlicher Vermögenswerte ein Eingreifen der Union im Rahmen ihrer Zuständigkeiten im Bereich der GASP mit dem Ziel einer Stärkung und Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit in diesem Land rechtfertigt. Eine Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte kann ein Eingreifen der Union im Rahmen der GASP mit dem Ziel der Stärkung und Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit in diesem Land nur dann rechtfertigen, wenn die streitigen Handlungen geeignet sind, die institutionellen und rechtlichen Grundlagen des betreffenden Landes zu beeinträchtigen.

101

In diesem Zusammenhang ist das Aufnahmekriterium nur insoweit als mit der Rechtsordnung der Union vereinbar anzusehen, als es so ausgelegt werden kann, dass es mit den Erfordernissen der von ihm zu beachtenden höherrangigen Normen, genauer mit dem Ziel der Stärkung und Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine, in Einklang steht. Diese Auslegung ermöglicht es im Übrigen, dem weiten Ermessensspielraum Rechnung zu tragen, über den der Rat bei der Aufstellung der allgemeinen Aufnahmekriterien verfügt, und gewährleistet zugleich eine grundsätzlich umfassende Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Union im Hinblick auf die Grundrechte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2014, National Iranian Oil Company/Rat, T‑578/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:678, Rn. 108 und die dort angeführte Rechtsprechung).

102

Folglich ist dieses Kriterium dahin auszulegen, dass es nicht abstrakt jede Veruntreuung öffentlicher Vermögenswerte erfasst, sondern nur solche Veruntreuungen öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte, die angesichts der Höhe oder der Natur der veruntreuten Gelder oder Vermögenswerte oder in Anbetracht der Tatumstände zumindest geeignet sind, die institutionellen und rechtlichen Grundlagen der Ukraine, namentlich die Grundsätze der Rechtmäßigkeit, des Verbots der Willkür der Exekutive, der wirksamen gerichtlichen Kontrolle und der Gleichheit vor dem Gesetz und letzten Endes die Achtung der Rechtsstaatlichkeit in diesem Land zu beeinträchtigen (siehe oben, Rn. 100). So ausgelegt steht das Aufnahmekriterium mit den einschlägigen Zielen des EU-Vertrags in Einklang und in einem angemessenen Verhältnis zu ihnen.

– Zum übrigen Vorbringen des Klägers

103

Der Kläger macht erstens geltend, das Ziel der Stärkung und Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit sei verspätet, nämlich in der Stellungnahme des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ zur Ukraine vom 3. März 2014, erstmals berücksichtigt worden.

104

Soweit er damit geltend machen will, dass die Aufnahme seines Namens in die Liste politisch motiviert gewesen sei, genügt das Argument der angeblich verspäteten Bezugnahme auf das Ziel der Stärkung und Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit für sich allein nicht als Nachweis dafür, dass sich der Rat beim Erlass der Rechtsakte vom März 2014 nicht auf das dort angegebene rechtmäßige Ziel der Stärkung und Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine gestützt hat und dass dieses Ziel nicht auch der Grund für die Aufrechterhaltung der Maßnahmen gegen den Kläger durch die Rechtsakte vom März 2015 gewesen ist.

105

Soweit der Kläger mit diesem Vorbringen in Wirklichkeit einen Ermessensmissbrauch geltend machen will, wird es im Rahmen des zweiten Klagegrundes geprüft werden.

106

Zweitens trägt der Kläger vor, die Erweiterung des Aufnahmekriteriums durch die Rechtsakte vom Januar 2015 (siehe oben, Rn. 15) könne richtigerweise nicht dahin verstanden werden, dass schon bloße Untersuchungen dieses Kriterium erfüllten. Anderenfalls würde der Rat den ukrainischen Behörden die Befugnis zur Entscheidung über die Verhängung von restriktiven Maßnahmen der Union übertragen, ohne dass die Union die geringste Kontrolle darüber hätte.

107

Dazu hat der Unionsrichter zwar festgestellt, dass die Identifizierung einer Person als für eine Straftat verantwortlich nicht zwingend eine Verurteilung wegen dieser Straftat voraussetzt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. März 2015, Ezz u. a./Rat, C‑220/14 P, EU:C:2015:147, Rn. 71 und 72). Aus der oben in Rn. 49 angeführten Rechtsprechung geht jedoch hervor, dass es im Streitfall Sache der zuständigen Unionsbehörde ist, die Stichhaltigkeit der gegen die betroffene Person angeführten Begründung nachzuweisen, und nicht Sache der betroffenen Person, den Negativbeweis der fehlenden Stichhaltigkeit dieser Begründung zu erbringen.

108

Hier gestattete es das in den Rechtsakten vom März 2014 in der Fassung der Rechtsakte vom Januar 2015 enthaltene Aufnahmekriterium dem Rat, im Einklang mit dem Urteil vom 27. Februar 2014, Ezz u. a./Rat (T‑256/11, EU:T:2014:93), Untersuchungen wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder als einen Faktor zu berücksichtigen, der gegebenenfalls die Verhängung restriktiver Maßnahmen rechtfertigen konnte, unbeschadet des Umstands, dass nach der oben in Rn. 107 angeführten Rechtsprechung und der oben in den Rn. 89 bis 102 vorgenommenen Auslegung des Aufnahmekriteriums die bloße Tatsache, dass eine Person Gegenstand von Untersuchungen wegen Veruntreuung ist, das Eingreifen des Rates nach den Art. 21 und 29 EUV nicht rechtfertigen kann. Somit kann das Aufnahmekriterium nicht dahin verstanden werden, dass es die Befugnis zur Entscheidung über die Verhängung von Maßnahmen auf die ukrainischen Behörden überträgt.

109

Drittens trägt der Kläger vor, die durch die Rechtsakte vom Januar 2015 vorgenommene Erweiterung des Kriteriums auf „Personen, die Gegenstand von Untersuchungen der ukrainischen Behörden sind, … wegen Amtsmissbrauchs als Inhaber eines öffentlichen Amtes, um sich selbst oder einer dritten Partei einen ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen und wodurch ein Verlust staatlicher Gelder oder Vermögenswerte der Ukraine verursacht wird, oder wegen Beihilfe hierzu“ entspreche nicht den Zielen der GASP.

110

Dazu genügt die Feststellung, dass diese Erweiterung des Aufnahmekriteriums hier keine Rolle spielt, denn der Name des Klägers war allein mit der Begründung, dass die ukrainischen Behörden gegen ihn ein Strafverfahren wegen Veruntreuung von staatlichen Geldern oder Vermögenswerten eingeleitet hatten, und nicht wegen Amtsmissbrauchs in seiner Eigenschaft als Inhaber eines öffentlichen Amtes in die Liste aufgenommen worden.

111

Viertens sucht der Kläger die Rechtmäßigkeit des Regierungswechsels in der Ukraine nach den Ereignissen vom Februar 2014 in Frage zu stellen und trägt vor, es gebe zahlreiche Beweise dafür, dass die jetzige Regierung der Ukraine selbst die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit verletze und systematisch gegen die Menschenrechte verstoße und weiter zu verstoßen bereit sei. Er macht geltend, dass er seitens der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte in der Ukraine keine gerechte, unabhängige oder unparteiische Behandlung zu erwarten habe, und verweist auf das Fehlen von Verteidigungsrechten sowie des Rechts auf ein faires Verfahren in der Ukraine und die beklagenswerte Situation der Menschenrechte in diesem Land.

112

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Ukraine seit 1995 ein Mitgliedstaat des Europarats ist und die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ratifiziert hat und dass die neue ukrainische Regierung von der Union und von der internationalen Gemeinschaft als rechtmäßig anerkannt wurde. Dem Rat ist somit kein Fehler unterlaufen, als er sich auf die ihm von einer hohen gerichtlichen Instanz dieses Landes vorgelegten Beweise für die Einleitung eines Strafverfahrens gegen den Kläger wegen ihm vorgeworfener Veruntreuung staatlicher Gelder oder Vermögenswerte gestützt und dabei die Rechtmäßigkeit und die Legitimität der ukrainischen Regierung und Gerichtsbarkeit nicht in Zweifel gezogen hat.

113

Zwar lässt sich nicht ausschließen, dass der Rat die ihm gegebenen Informationen nachprüfen und gegebenenfalls zusätzliche Informationen oder Beweise anfordern muss, wenn der Kläger mögliche Beweise dafür beibringt, dass der ihm zur Last gelegte Sachverhalt offenkundig verfälscht oder entstellt worden ist.

114

Der Kläger behauptet jedoch erstens, dass er politisch verfolgt werde, wie sich aus den zahlreichen gegen ihn erhobenen Beschuldigungen ergebe, von denen einige falsch und politisch motiviert seien. Zweitens werde er in zahlreichen öffentlichen Erklärungen von Mitgliedern der jetzigen Regierung verschiedener Straftaten bezichtigt, und drittens sei es in den gegen ihn eingeleiteten Gerichtsverfahren zu Verfahrensverstößen gekommen. Ganz allgemein äußert der Kläger Bedenken hinsichtlich der Legitimität der neuen ukrainischen Regierung, des unparteiischen Charakters der ukrainischen Gerichtsbarkeit und der Situation der Menschenrechte in der Ukraine.

115

Diese Umstände sind jedoch nicht geeignet, die Stichhaltigkeit der Beschuldigungen in Frage zu stellen, die gegen den Kläger wegen spezifischer Handlungen der Veruntreuung staatlicher Gelder erhoben worden sind, was im Rahmen des vierten Klagegrundes untersucht werden wird. Sie reichen auch nicht als Nachweis dafür aus, dass die besondere Situation des Klägers durch die von ihm behaupteten Probleme der ukrainischen Gerichtsbarkeit in den gegen ihn eingeleiteten Verfahren, auf die der Erlass restriktiver Maßnahmen gegen ihn gestützt wurde, beeinträchtigt worden wäre. Deshalb war der Rat unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen nicht verpflichtet, die ihm von den ukrainischen Behörden vorgelegten Beweise einer weiteren Prüfung zu unterziehen.

116

Sollte im Übrigen die Untersuchung des Vorbringens des Klägers dazu führen, dass das Gericht über die Rechtmäßigkeit des Regierungswechsels in der Ukraine befinden und die Stichhaltigkeit der entsprechenden Beurteilungen der verschiedenen internationalen Stellen einschließlich der politischen Beurteilungen des Rates prüfen müsste, so ist darauf hinzuweisen, dass eine solche Prüfung nicht zu der Kontrolle gehört, der das Gericht die im vorliegenden Verfahren in Rede stehenden Rechtsakte unterzieht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. April 2013, Gbagbo/Rat, T‑119/11, EU:T:2013:216, Rn. 75).

– Ergebnis betreffend den ersten Klagegrund

117

Aufgrund aller dieser Erwägungen kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass das in Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2014/119 aufgestellte und durch den Beschluss 2015/143 geänderte Aufnahmekriterium mit den in Art. 21 EUV genannten Zielen der GASP in Einklang steht, soweit es die Personen erfasst, die als verantwortlich für eine Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine, die geeignet ist, die Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine zu beeinträchtigen, identifiziert wurden.

118

Das Gleiche gilt für den Antrag auf Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 208/2014. Diese schreibt das Einfrieren der Gelder durch einen gemäß Titel V Kapitel 2 des EU-Vertrags erlassenen Beschluss vor und ist demnach mit Art. 215 AEUV vereinbar, da ein gültiger Beschluss im Sinne dieses Artikels vorliegt.

119

Demnach ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund, der auf einen Ermessensmissbrauch gestützt wird

120

Mit dem zweiten Klagegrund macht der Kläger geltend, dass der Rat mit den in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen in Wirklichkeit nicht bezweckt habe, die Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine zu stärken und zu unterstützen, sondern vielmehr die Gunst der sogenannten Übergangsregierung der Ukraine zu gewinnen, damit eine ukrainische Regierung komme, die der Union freundlich gesinnt sei, was ein politisches Ziel der Union sei. Dies werde dadurch bestätigt, dass der Rat keinen Beweis dafür erbracht habe, dass gegen den Kläger ein Strafverfahren wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder und illegalen Transfers dieser Gelder ins Ausland anhängig sei.

121

Was im Einzelnen die Rechtsakte vom Januar und vom März 2015 angehe, sei der Ermessensmissbrauch umso deutlicher, als der Rat zum einen die Aufnahmekriterien erweitert habe, statt den Namen des Klägers in der Liste zu streichen, und zum anderen durch die Erweiterung dieser Kriterien faktisch der ukrainischen Regierung die vollständige Kontrolle über diese Kriterien übertragen habe.

122

Der Rat tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

123

Vorab ist daran zu erinnern, dass eine Maßnahme nur dann ermessensmissbräuchlich ist, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, dass sie ausschließlich oder zumindest hauptsächlich zu anderen als den angegebenen Zwecken oder mit dem Ziel erlassen worden ist, ein Verfahren zu umgehen, das der Vertrag speziell vorsieht, um die konkrete Sachlage zu bewältigen (vgl. Urteil vom 14. Oktober 2009, Bank Melli Iran/Rat, T‑390/08, EU:T:2009:401, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

124

In der vorliegenden Rechtssache haben die Rechtsakte vom März 2014 in ihrer ursprünglichen und in der durch die Rechtsakte vom Januar und vom März 2015 geänderten Fassung zur Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine restriktive Maßnahmen gegen Personen verhängt, die als für die Veruntreuung von Geldern des ukrainischen Staates verantwortlich identifiziert worden waren.

125

In Übereinstimmung mit den Schlussfolgerungen im Rahmen des ersten Klagegrundes ist festzustellen, dass das mit dem Beschluss 2014/119 verfolgte Ziel einem der in Art. 21 Abs. 2 Buchst. b EUV genannten Ziele entspricht und dass dieses Ziel mit den streitigen Maßnahmen erreicht werden kann.

126

Der Kläger hat somit nicht dargetan, dass der Rat durch den Erlass der Rechtsakte vom März 2014 oder ihre Änderung durch die Rechtsakte vom Januar und vom März 2015 in erster Linie ein anderes Ziel als die Stärkung und Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine verfolgte.

127

Diesem Ergebnis steht auch nicht der vom Kläger hervorgehobene Umstand entgegen, dass die genannten restriktiven Maßnahmen tatsächlich oder beabsichtigt auch eine Annäherung zwischen der Ukraine und der Union begünstigt haben.

128

Im Übrigen liefert das angebliche Fehlen eines Strafverfahrens oder die Einleitung bloßer Vorermittlungen in der Ukraine noch keinen Beweis für einen Ermessensmissbrauch des Rates, denn der Rat hatte, wie sich aus der Prüfung des vierten Klagegrundes ergibt (siehe unten, Rn. 131 bis 153), gestützt auf eine gesicherte tatsächliche Grundlage, Kenntnis von den dem Kläger vorgeworfenen Handlungen, die ein Eingreifen zum Zweck der Festigung und Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine rechtfertigen konnten.

129

Ferner hat der Rat entgegen dem Vorbringen des Klägers durch die Rechtsakte vom Januar 2015 die Aufnahmekriterien nicht erweitert, sondern lediglich den Begriff der Veruntreuung von Vermögenswerten präzisiert. Ohnehin ist die Präzisierung des Aufnahmekriteriums unerheblich für die Beurteilung, ob die ursprüngliche Aufnahme des Namens des Klägers in die Liste durch die Rechtsakte vom März 2014 rechtmäßig war (siehe oben, Rn. 50 bis 52), und konnte somit nicht die Streichung seines Namens in der Liste nach sich ziehen. Zudem kann das Aufnahmekriterium, wie oben in Rn. 108 dargelegt worden ist, nicht so verstanden werden, dass es die Befugnis zur Entscheidung über die Verhängung der in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen auf die ukrainischen Behörden übertragen hat.

130

Der zweite Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Zum vierten Klagegrund, mit dem die Nichtbeachtung der Kriterien für die Aufnahme in die Liste gerügt wird

131

Der vierte Klagegrund geht dahin, dass bei der Aufnahme des Namens des Klägers in die Liste die im Beschluss 2014/119 in der Fassung des Beschlusses 2015/143 aufgestellten Kriterien nicht eingehalten worden seien.

132

Der Rat tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

– Zu dem Hauptargument des Klägers

133

Der Kläger trägt als Hauptargument vor, dass die durch die Rechtsakte vom März 2015 geänderte Begründung für die Aufnahme seines Namens in die Liste den durch die Rechtsakte vom Januar 2015 geänderten Aufnahmekriterien nicht genüge.

134

Vorab ist festzustellen, dass durch die Rechtsakte vom März 2015 gegen den Kläger mit Wirkung vom 7. März 2015 neue restriktive Maßnahmen aufgrund des Aufnahmekriteriums verhängt wurden, das in Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2014/119 aufgestellt und durch die Rechtsakte vom Januar 2015 „präzisiert“ worden war. Bei dem Beschluss 2015/364 handelt es sich nämlich nicht um einen bloß bestätigenden Rechtsakt, sondern um eine selbständige Entscheidung, die der Rat nach der durch Art. 5 Abs. 3 des Beschlusses 2014/119 vorgeschriebenen regelmäßigen Überprüfung erlassen hat.

135

Die Rechtmäßigkeit der Aufnahme des Namens des Klägers in die Liste durch die Rechtsakte vom März 2015 ist also zunächst anhand des in den Rechtsakten vom Januar 2015 präzisierten Aufnahmekriteriums, weiter anhand ihrer Begründung und schließlich anhand der Beweismittel, auf die sie gestützt wurde, zu prüfen.

136

Was zunächst das Aufnahmekriterium betrifft, so geht dieses in seiner durch die Rechtsakte vom Januar 2015 geänderten Fassung dahin, dass die fraglichen restriktiven Maßnahmen namentlich gegen Personen verhängt werden, die „als für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine verantwortlich erklärt wurden“, wozu solche Personen zählen, die „Gegenstand von Untersuchungen der ukrainischen Behörden“ wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte der Ukraine sind (siehe oben, Rn. 15). Außerdem ist dieses Kriterium, wie im Rahmen des ersten Klagegrundes ausgeführt worden ist, dahin zu verstehen, dass es nicht abstrakt jede Veruntreuung öffentlicher Gelder erfasst, sondern nur solche Veruntreuungen öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte, die geeignet sind, die Achtung der Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine zu beeinträchtigen (siehe oben, Rn. 102).

137

Was weiter die Begründung für die Aufnahme des Namens des Klägers in die Liste betrifft, so wurde er mit Wirkung vom 7. März 2015 in die Liste aufgenommen, weil er „Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung seitens der ukrainischen Behörden wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte“ war (siehe oben, Rn. 20).

138

Was schließlich die Beweismittel angeht, auf die die Aufnahme des Namens des Klägers in die Liste gestützt wurde, so ist, wie der Rat einräumt, die Stichhaltigkeit der geänderten Begründung für diese Aufnahme in erster Linie anhand des Schreibens vom 30. Dezember 2014 zu beurteilen, in dem der Fortgang der verschiedenen den Kläger betreffenden Untersuchungen beschrieben wurde.

139

In diesem Schreiben wurde auf eine Voruntersuchung im Rahmen eines Strafverfahrens gegen den Kläger wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder hingewiesen, die die Grundlage für die Aufnahme seines Namens in die Liste bildete. Gegenstand dieser Voruntersuchung waren genauer gesagt zwei strafbare Handlungen: eine Hinterziehung von Steuern und anderer Pflichtabgaben namentlich im Wege der Urkundenfälschung und eine versuchte Veruntreuung öffentlicher Gelder mittels einer mit der Mehrwertsteuer zusammenhängenden fiktiven Steuergutschrift.

140

Somit ist erstens festzustellen, dass dieses Schreiben, bei dem es sich um das Beweismittel handelt, auf das sich der Rat für den Erlass der Rechtsakte vom März 2015 stützte, einen ausreichenden Nachweis dafür erbringt, dass gegen den Kläger zur Zeit des Erlasses dieser Rechtsakte Strafverfahren wegen Veruntreuung staatlicher Gelder oder Vermögenswerte anhängig waren.

141

Zweitens ist zu prüfen, ob die Beibehaltung des Namens des Klägers in der Liste im Anschluss an die Rechtsakte vom März 2015 aufgrund der Anhängigkeit eines Strafverfahrens gegen ihn wegen dieser Straftaten dem Aufnahmekriterium genügt, wie es durch die Rechtsakte vom Januar 2015 präzisiert wurde und im Rahmen des ersten Klagegrundes ausgelegt worden ist (siehe oben, Rn. 136).

142

Angesichts der dem Kläger vorgeworfenen Straftaten, auf die im Schreiben vom 30. Dezember 2014 verwiesen wurde, ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Verfolgung von Wirtschaftsverbrechen wie der Veruntreuung öffentlicher Vermögensgegenstände ein wesentliches Mittel zur Bekämpfung der Korruption ist und dass die Bekämpfung der Korruption im Zusammenhang mit dem äußeren Handeln der Union einen der Rechtsstaatlichkeit innewohnenden Grundsatz darstellt (siehe oben, Rn. 99).

143

Zum anderen sind die dem Kläger vorgeworfenen strafbaren Handlungen in einem breiteren Kontext zu sehen, der darin besteht, dass ein nicht unbedeutender Teil der früheren herrschenden Klasse der Ukraine in dem Verdacht steht, schwere Straftaten bei der Verwaltung der öffentlichen Mittel begangen und dadurch die institutionellen und rechtlichen Grundlagen des Landes ernsthaft in Gefahr gebracht zu haben und namentlich gegen die Grundsätze der Rechtmäßigkeit, des Verbots der Willkür der Exekutive, der wirksamen gerichtlichen Kontrolle und der Gleichheit vor dem Gesetz verstoßen zu haben (siehe oben, Rn. 100 bis 102).

144

Folglich tragen die in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der Nähe des Klägers zur herrschenden Klasse in der Ukraine, namentlich zum ehemaligen Staatspräsidenten, wirksam dazu bei, die Verfolgung der zum Schaden der ukrainischen Institutionen begangenen Straftaten der Veruntreuung öffentlicher Vermögenswerte zu erleichtern, und machen es für die ukrainischen Behörden einfacher, das durch diese Veruntreuungen Erlangte zurückzuerhalten. Dies erleichtert, wenn die gerichtlichen Ermittlungen erfolgreich sind, die gerichtliche Bestrafung der den Mitgliedern der früheren Regierung zur Last gelegten Korruptionshandlungen und trägt auf diese Weise zur Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit in diesem Land bei (vgl. in diesem Sinne die oben in Rn. 96 angeführte Rechtsprechung).

145

Somit ergibt sich, dass die Aufnahme des Namens des Klägers in die Liste durch die Rechtsakte vom März 2015 aufgrund der im Schreiben vom 30. Dezember 2014 erbrachten Beweise dem Aufnahmekriterium entspricht, wie es durch die Rechtsakte vom Januar 2015 abgeändert und im Licht des mit ihm verfolgten Ziels der Stärkung und Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine auszulegen ist.

– Zu den übrigen Argumenten des Klägers

146

Der Kläger macht zunächst geltend, gegen ihn sei eine einfache Untersuchung eingeleitet worden, die das Aufnahmekriterium nicht erfülle, da sie nicht Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sei.

147

Dazu ist zum einen darauf hinzuweisen, dass das in den Rechtsakten vom März 2014 in der Fassung der Rechtsakte vom Januar 2015 enthaltene Aufnahmekriterium dem Rat gestattet, Untersuchungen wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder als einen Faktor zu berücksichtigen, der gegebenenfalls die Verhängung restriktiver Maßnahmen rechtfertigen konnte. Zum anderen war es Sache des Rates, gestützt auf eine hinreichend gesicherte tatsächliche Grundlage im Sinne der oben in Rn. 41 angeführten Rechtsprechung, die Stichhaltigkeit der gegen die betroffene Person angeführten Begründung nachzuweisen, unabhängig davon, ob sich die gegen den Kläger eingeleitete Voruntersuchung in ein wirkliches gerichtliches Verfahren im Sinne der ukrainischen Strafprozessordnung einfügte (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. Januar 2016, Klyuyev/Rat, T‑341/14, EU:T:2016:47, Rn. 50, und vom 28. Januar 2016, Azarov/Rat, T‑331/14, EU:T:2016:49, Rn. 55).

148

Zwar handelt es sich bei der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens nach der ukrainischen Strafprozessordnung um einen Umstand, dem der Rat Rechnung tragen kann, um die Begehung der Handlungen, die den Erlass restriktiver Maßnahmen auf der Ebene der Union rechtfertigen, festzustellen und zu beurteilen, ob der Erlass dieser Maßnahmen notwendig war, um die Wirkungen des Vorgehens der nationalen Behörden zu garantieren. Der Erlass restriktiver Maßnahmen fällt jedoch in die Zuständigkeit des Rates, der unter Berücksichtigung der Ziele der GASP eigenständig über die Notwendigkeit und die Zweckmäßigkeit des Erlasses derartiger Maßnahmen entscheidet, und dies unabhängig von einem dahin gehenden Antrag der Behörden des betreffenden Drittlandes und von jeder anderen von diesen auf nationaler Ebene erlassenen Bestimmung, sofern er sich auf eine gesicherte tatsächliche Grundlage im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung stützt (siehe oben, Rn. 41).

149

Ferner trägt der Kläger vor, entgegen den Ausführungen in dem Schreiben vom 30. Dezember 2014 stelle die Hinterziehung von Steuern und anderer Pflichtabgaben keine Veruntreuung öffentlicher Gelder dar, und die in diesem Schreiben erhobene Beschuldigung der versuchten Veruntreuung staatlicher Gelder sei haltlos und genüge nicht den Aufnahmekriterien, da sie auf eine versuchte Straftat gestützt werde.

150

Zwar ist zu bedauern, dass der Rat keine genaueren Informationen über die gegen den Kläger erhobenen Beschuldigungen erhalten hat. Dieser stellt jedoch mit seinem Vorbringen weder die von den ukrainischen Behörden eingeleitete Untersuchung noch die Wahrscheinlichkeit der Begehung der Handlungen, die Gegenstand dieser Untersuchung sind und die den Rat zum Erlass der in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen veranlasst haben, in Frage. Er will vielmehr Verfahrensaspekte wie das Fehlen eines wirklichen „gerichtlichen Verfahrens“ monieren oder die von diesen Behörden gegen ihn erhobenen Beschuldigungen einschließlich der Einstufung der ihm vorgeworfenen Handlungen nach ukrainischem Recht zurückweisen. Dies ist eine Frage, die die Stichhaltigkeit der fraglichen Behauptungen betrifft.

151

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Rat nicht die Berechtigung der gegen den Kläger eingeleiteten Untersuchungen, sondern nur die Rechtmäßigkeit der Entscheidung über das Einfrieren der Gelder anhand der verfügbaren Beweismittel zu prüfen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. März 2015, Ezz u. a./Rat, C‑220/14 P, EU:C:2015:147, Rn. 77).

152

Schließlich trägt der Kläger vor, der Rat hätte die Tatsachen, auf deren Grundlage er die restriktiven Maßnahmen im vorliegenden Fall erlassen hat, unter Berücksichtigung der besonderen Lage in der Ukraine einer besonders strengen Kontrolle unterziehen müssen. Der Kläger stützt sich insoweit auf folgende Umstände: Erstens sei die Ukraine kein Mitgliedstaat der Union, zweitens seien die über ihn aufgestellten Behauptungen politisch motiviert, drittens habe es in der fraglichen Strafsache keine Fortschritte gegeben, viertens gebe es in der Ukraine, was den Erlass von Entscheidungen vor der Anklage betreffe, kein unparteiisches oder faires Verfahren, fünftens hätten Gerichte festgestellt, dass bestimmte Auskünfte der ukrainischen Behörden falsch gewesen seien, und sechstens habe der Rat genug Zeit gehabt, um die Beweise und die Informationen zur Rechtfertigung der erneuten Benennung des Klägers beizubringen oder nachzuprüfen.

153

Diese Argumente sind schon im Rahmen der Prüfung des ersten Klagegrundes zurückgewiesen worden (siehe oben, Rn. 111 bis 116). Soweit damit dargetan werden soll, dass dem Rat insoweit ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen ist, werden sie im Rahmen der Prüfung des fünften Klagegrundes untersucht.

Zum fünften Klagegrund, mit dem ein offensichtlicher Beurteilungsfehler geltend gemacht wird

154

Mit dem fünften Klagegrund macht der Kläger geltend, der Rat könne sich nicht mit Erfolg allein auf ihm von einem Mitgliedstaat oder einem Drittstaat übermittelte Behauptungen stützen, sondern sei verpflichtet, die sachliche Richtigkeit dieser Behauptungen nachzuprüfen. Deshalb sei dem Rat ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen, als er den Namen des Klägers aufgrund haltloser Behauptungen in die Liste aufgenommen und dort belassen habe.

155

Der Rat wendet sich gegen dieses Vorbringen des Klägers.

156

Dazu ist zu bemerken, dass der Rat unter Berücksichtigung der oben in Rn. 41 angeführten Rechtsprechung der ihm obliegenden Beweislast genügt hat, denn er verfügte bei Erlass der Rechtsakte vom März 2015 über besser belegte Informationen über die Veruntreuungen öffentlicher Gelder, die nach Auffassung der ukrainischen Behörden die Einleitung von Untersuchungen gegen den Kläger rechtfertigten. Der Rat hatte von diesen Veruntreuungen namentlich durch das Schreiben vom 30. Dezember 2014 Kenntnis erlangt, das dem Kläger vor dem Erlass dieser Rechtsakte übermittelt worden war.

157

Da die Aufnahme des Klägers in die Liste auf einen im Schreiben vom 30. Dezember 2014 angeführten Rechtsakt der ukrainischen Justizbehörden gestützt wurde, nämlich auf die Einleitung einer Untersuchung wegen Straftaten der Veruntreuung öffentlicher Vermögenswerte, kann dem Rat nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er nicht nachgeprüft hat, ob die Informationen eines der höchsten Gerichte des Landes, durch die solche Untersuchungen bestätigt wurden, zutreffend und belegt waren (siehe oben, Rn. 111 bis 116).

158

Im Übrigen hat der Rat nicht die Berechtigung der gegen den Kläger eingeleiteten Untersuchungen, sondern nur die Rechtmäßigkeit der Entscheidung über das Einfrieren der Gelder aufgrund dieser Untersuchungen zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. März 2015, Ezz u. a./Rat, C‑220/14 P, EU:C:2015:147, Rn. 77). Dies hat er beim Erlass der Rechtsakte vom März 2015 auf der Grundlage der Beweismittel getan, durch die bestätigt wurde, dass Strafverfahren wegen konkret bezeichneter Handlungen der Veruntreuung öffentlicher Gelder anhängig waren.

159

Nach alledem ist der fünfte Klagegrund zurückzuweisen.

Zum siebten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen das Eigentumsrecht geltend gemacht wird

160

Mit dem siebten Klagegrund trägt der Kläger erstens vor, dass die restriktiven Maßnahmen gegen ihn ohne Beachtung der angemessenen Garantien verhängt worden seien, die es ihm ermöglicht hätten, sich gegenüber dem Rat zu verteidigen. Zweitens seien diese Maßnahmen unter Verletzung des Aufnahmekriteriums erlassen worden. Drittens sei in der Begründung für die Aufnahme in die Liste die Straftat des illegalen Transfers staatlicher Vermögenswerte der Ukraine ins Ausland nicht mehr aufgeführt. Viertens habe der Rat nicht dargetan, dass das vollständige Einfrieren der Gelder – im Unterschied zu einem teilweisen Einfrieren – im vorliegenden Fall verhältnismäßig gewesen sei, da zu berücksichtigen sei, dass zum einen aus den gegen den Kläger erhobenen Beschuldigungen nicht hervorgehe, dass die angeblich unrechtmäßig verwendeten Immobilien verkauft worden seien oder auch sonst nicht mehr zurückerlangt werden könnten, und dass zum anderen das Einfrieren von Geldern in einer Höhe, die über den sich aus dem Schreiben vom 30. Dezember 2014 ergebenden Wert der angeblich unrechtmäßig verwendeten Güter hinausgehe, nicht gerechtfertigt sei.

161

Der Rat bestreitet das Vorbringen des Klägers.

162

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass das erste und das zweite Argument im Rahmen des sechsten und des vierten Klagegrundes geprüft und zurückgewiesen worden sind.

163

Zurückzuweisen ist auch das dritte Argument, wonach in der Begründung für die Aufnahme in die Liste die Straftat des illegalen Transfers staatlicher Vermögenswerte der Ukraine ins Ausland nicht mehr aufgeführt sei. Denn obwohl der illegale Transfer staatlicher Vermögenswerte ins Ausland in der durch die Rechtsakte vom März 2015 geänderten Begründung nicht mehr aufgeführt ist, genügt die Bezugnahme auf die Veruntreuung öffentlicher Vermögenswerte – wenn sie begründet ist – zur Rechtfertigung der gegen den Kläger ergriffenen restriktiven Maßnahmen.

164

Zum vierten Argument, mit dem im Wesentlichen die Unverhältnismäßigkeit der restriktiven Maßnahmen gerügt wird, ist festzustellen, dass nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als allgemeinem Grundsatz des Unionsrechts die Handlungen der Unionsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten dürfen, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist. So ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen, und die verursachten Nachteile müssen in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen (vgl. Urteil vom 27. Februar 2014, Ezz u. a./Rat, T‑256/11, EU:T:2014:93, Rn. 205 und die dort angeführte Rechtsprechung).

165

Im vorliegenden Fall ist das Eigentumsrecht des Klägers tatsächlich eingeschränkt, da er u. a. über seine im Unionsgebiet befindlichen Gelder nicht oder nur mit Sondergenehmigungen verfügen kann und ihm weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden können.

166

Wie schon im Rahmen des ersten und des vierten Klagegrundes festgestellt worden ist, steht das in Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2014/119 in der Fassung des Beschlusses 2015/143 aufgestellte Aufnahmekriterium mit den Zielen der GASP in Einklang, und die Aufnahme des Namens des Klägers in die Liste steht mit dem Aufnahmekriterium in Einklang (siehe oben, Rn. 89 bis 117 und 135 bis 145).

167

Weiter ist auch das Vorbringen des Klägers zurückzuweisen, dass zum einen nicht behauptet worden sei, dass die angeblich unrechtmäßig verwendeten Immobilien verkauft worden seien oder auch sonst nicht mehr zurückerlangt werden könnten, und dass zum anderen das Einfrieren von Geldern in einer Höhe, die über den sich aus dem Schreiben vom 30. Dezember 2014 ergebenden Wert der angeblich unrechtmäßig verwendeten Güter hinausgehe, nicht gerechtfertigt sei.

168

Wie der Rat hervorgehoben hat, geben nämlich die in diesem Schreiben genannten Zahlen nur den Wert der angeblich unrechtmäßig verwendeten Vermögensgegenstände an, und jeder Versuch, die eingefrorenen Gelder der Höhe nach zu begrenzen, ist in der Praxis nur sehr schwer oder gar nicht möglich.

169

Im Übrigen sind die mit den restriktiven Maßnahmen verbundenen Nachteile im Hinblick auf die verfolgten Ziele nicht unverhältnismäßig, da zum einen diese Maßnahmen ihrer Natur nach befristet und reversibel sind und daher den „Wesensgehalt“ des Eigentumsrechts nicht antasten und zum anderen eine Ausnahme gemacht werden kann, um die Grundbedürfnisse, die Gerichtskosten oder auch die außergewöhnlichen Kosten der betroffenen Personen zu decken (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 2014, Ezz u. a./Rat, T‑256/11, EU:T:2014:93, Rn. 209).

170

Deshalb ist der siebte Klagegrund zurückzuweisen, mit der Folge, dass die Klage insgesamt abzuweisen ist, soweit sie auf die Nichtigerklärung der Beibehaltung des Namens des Klägers in der Liste durch die Rechtsakte vom März 2015 gerichtet ist.

Zur Aufrechterhaltung der Wirkungen des Beschlusses 2014/119

171

Der Rat beantragt, hilfsweise, für den Fall, dass das Gericht die Rechtsakte vom März 2014 teilweise für nichtig erklärt, aus Gründen der Rechtssicherheit festzustellen, dass die Wirkungen des Beschlusses 2014/119 bis zum Wirksamwerden der teilweisen Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 208/2014 fortbestehen. Er beantragt ferner für den Fall, dass das Gericht die Rechtsakte vom März 2015 teilweise für nichtig erklärt, festzustellen, dass die Wirkungen des Beschlusses 2014/119 in der geänderten Fassung bis zum Wirksamwerden der teilweisen Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 208/2014 in der Fassung der Durchführungsverordnung 2015/357 fortbestehen.

172

Der Kläger widersetzt sich dem Antrag des Rates.

173

Das Gericht hat den Beschluss 2014/119 und die Verordnung Nr. 208/2014 in ihrer ursprünglichen Fassung für nichtig erklärt, soweit sie den Kläger betreffen, und die Klage insoweit abgewiesen, als sie gegen die Verordnung 2015/138 und die Rechtsakte vom März 2015, soweit sie den Kläger betreffen, gerichtet ist.

174

Wie oben in Rn. 134 festgestellt worden ist, handelt es sich bei dem Beschluss 2015/364 nicht um einen bloß bestätigenden Rechtsakt, sondern um eine selbständige Entscheidung, die der Rat nach der durch Art. 5 Abs. 3 des Beschlusses 2014/119 vorgeschriebenen regelmäßigen Überprüfung erlassen hat. Deshalb führt die Nichtigerklärung der Rechtsakte vom März 2014, soweit sie den Kläger betreffen, zwar zur Nichtigerklärung der Aufnahme seines Namens in die Liste für die Zeit vor dem Inkrafttreten der Rechtsakte vom März 2015, sie kann aber nicht die Rechtmäßigkeit dieser Aufnahme für die Zeit danach in Frage stellen.

175

Folglich erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag des Rates auf Aufrechterhaltung der Wirkungen des Beschlusses 2014/119.

Kosten

176

Wenn mehrere Parteien unterliegen, entscheidet das Gericht nach Art. 134 Abs. 2 der Verfahrensordnung über die Verteilung der Kosten.

177

Da im vorliegenden Fall der Rat in Bezug auf den in der Klageschrift gestellten Antrag auf Nichtigerklärung unterlegen ist, sind ihm entsprechend dem Antrag des Klägers die Kosten aufzuerlegen, die mit diesem Antrag auf Nichtigerklärung zusammenhängen. Da der Kläger in Bezug auf den im Schriftsatz zur Anpassung der Klageanträge gestellten Antrag auf Nichtigerklärung unterlegen ist, sind ihm entsprechend dem Antrag des Rates die mit diesem Antrag auf Nichtigerklärung zusammenhängenden Kosten aufzuerlegen.

178

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Die Kommission trägt daher ihre eigenen Kosten.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Neunte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Der Beschluss 2014/119/GASP des Rates vom 5. März 2014 über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in der Ukraine in der Fassung des Durchführungsbeschlusses 2014/216/GASP des Rates vom 14. April 2014 zur Durchführung des Beschlusses 2014/119 und die Verordnung (EU) Nr. 208/2014 des Rates vom 5. März 2014 über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in der Ukraine in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 381/2014 des Rates vom 14. April 2014 zur Durchführung der Verordnung Nr. 208/2014 werden insoweit für nichtig erklärt, als der Name von Oleksandr Viktorovych Yanukovych in die Liste der Personen, Organisationen und Einrichtungen, die diesen restriktiven Maßnahmen unterliegen, aufgenommen wurde, und zwar bis zum Inkrafttreten des Beschlusses (GASP) 2015/364 des Rates vom 5. März 2015 zur Änderung des Beschlusses 2014/119 sowie der Durchführungsverordnung (EU) 2015/357 des Rates vom 5. März 2015 zur Durchführung der Verordnung Nr. 208/2014.

 

2.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

3.

Der Rat der Europäischen Union trägt außer seinen eigenen Kosten die Kosten von Herrn Yanukovych, soweit diese mit dem in der Klageschrift gestellten Antrag auf Nichtigerklärung zusammenhängen.

 

4.

Herr Yanukovych trägt außer seinen eigenen Kosten die Kosten des Rates, soweit diese mit dem im Schriftsatz zur Anpassung der Klageanträge gestellten Antrag auf Nichtigerklärung zusammenhängen.

 

5.

Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten.

 

Berardis

Czúcz

Pelikánová

Popescu

Buttigieg

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. September 2016.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis

 

Vorgeschichte des Rechtsstreits

 

Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

 

Rechtliche Würdigung

 

1. Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Rechtsakte vom März 2014 in der Fassung des Durchführungsbeschlusses 2014/216 bzw. der Durchführungsverordnung Nr. 381/2014, soweit sie den Kläger betreffen

 

2. Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Rechtsakte vom März 2014 in der Fassung der Rechtsakte vom Januar und vom März 2015, soweit sie den Kläger betreffen

 

Zur Zuständigkeit des Gerichts für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses 2015/143

 

Zur Einrede der Unzulässigkeit wegen mangelnder Klagebefugnis des Klägers im Hinblick auf die Verordnung 2015/138

 

Zur Begründetheit

 

Zum sechsten Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz

 

Zum dritten Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht

 

Zum ersten Klagegrund, mit dem das Fehlen einer Rechtsgrundlage geltend gemacht wird

 

– Zum Hauptargument des Klägers, dass das Aufnahmekriterium im Hinblick auf die Ziele des EU-Vertrags unverhältnismäßig sei

 

– Zum übrigen Vorbringen des Klägers

 

– Ergebnis betreffend den ersten Klagegrund

 

Zum zweiten Klagegrund, der auf einen Ermessensmissbrauch gestützt wird

 

Zum vierten Klagegrund, mit dem die Nichtbeachtung der Kriterien für die Aufnahme in die Liste gerügt wird

 

– Zu dem Hauptargument des Klägers

 

– Zu den übrigen Argumenten des Klägers

 

Zum fünften Klagegrund, mit dem ein offensichtlicher Beurteilungsfehler geltend gemacht wird

 

Zum siebten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen das Eigentumsrecht geltend gemacht wird

 

Zur Aufrechterhaltung der Wirkungen des Beschlusses 2014/119

 

Kosten


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Europäischer Gerichtshof Urteil, 15. Sept. 2016 - T-348/14

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