Europäischer Gerichtshof Urteil, 06. Juni 2018 - T-258/17

ECLI:ECLI:EU:T:2018:331
bei uns veröffentlicht am06.06.2018

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

6. Juni 2018 ( *1 )

„Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik - Restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in der Ukraine - Einfrieren von Geldern - Liste der Personen, Organisationen und Einrichtungen, deren Gelder und wirtschaftliche Ressourcen eingefroren werden - Beibehaltung des Namens des Klägers auf der Liste - Begründungspflicht - Offensichtlicher Beurteilungsfehler“

In der Rechtssache T‑258/17

Sergej Arbuzov, wohnhaft in Kiew (Ukraine), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M. Mleziva,

Kläger,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch R. Pekař und J.‑P. Hix als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses (GASP) 2017/381 des Rates vom 3. März 2017 zur Änderung des Beschlusses 2014/119/GASP über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in der Ukraine (ABl. 2017, L 58, S. 34), soweit der Name des Klägers auf der Liste der Personen, Organisationen und Einrichtungen belassen wurde, gegen die sich diese restriktiven Maßnahmen richten,

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten G. Berardis (Berichterstatter) sowie der Richter D. Spielmann und Z. Csehi,

Kanzler: E. Coulon,

folgendes

Urteil

Sachverhalt

1

Der Kläger, Herr Sergej Arbuzov, hatte u. a. das Amt des Gouverneurs der Nationalbank der Ukraine sowie das des Ministerpräsidenten der Ukraine inne.

2

Am 5. März 2014 erließ der Rat der Europäischen Union auf der Grundlage von Art. 29 EUV den Beschluss 2014/119/GASP über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in der Ukraine (ABl. 2014, L 66, S. 26). Am selben Tag erließ der Rat auf der Grundlage von Art. 215 Abs. 2 AEUV die Verordnung (EU) Nr. 208/2014 über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in der Ukraine (ABl. 2014, L 66, S. 1).

3

In den Erwägungsgründen 1 und 2 des Beschlusses 2014/119 heißt es:

„(1)

Der Rat hat am 20. Februar 2014 jede Gewaltanwendung in der Ukraine auf das Schärfste verurteilt. Er forderte die sofortige Beendigung der Gewalt in der Ukraine und die uneingeschränkte Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten. Er rief die Regierung der Ukraine zu größter Zurückhaltung auf und appellierte an die Oppositionsführer, sich von denjenigen zu distanzieren, die zu radikalen Handlungen, einschließlich Gewaltanwendung, übergehen.

(2)

Der Rat hat am 3. März 2014 beschlossen, im Hinblick auf die Stärkung und Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit sowie die Achtung der Menschenrechte in der Ukraine restriktive Maßnahmen für das Einfrieren und die Einziehung von Vermögenswerten auf Personen, die als für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine verantwortlich identifiziert wurden, sowie auf für Menschenrechtsverletzungen verantwortliche Personen zu konzentrieren.“

4

Art. 1 Abs. 1 und 2 des Beschlusses 2014/119 bestimmt:

„(1)   Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die im Besitz oder im Eigentum der Personen, die als für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine verantwortlich identifiziert wurden, sowie der für Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine verantwortlichen Personen und der mit ihnen verbundenen, in der Liste im Anhang aufgeführten, natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen stehen oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, werden eingefroren.

(2)   Den im Anhang aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen dürfen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugutekommen.“

5

Die Modalitäten dieses Einfrierens von Geldern werden in den weiteren Absätzen dieses Artikels festgelegt.

6

Dem Beschluss 2014/119 entsprechend schreibt die Verordnung Nr. 208/2014 den Erlass der betreffenden restriktiven Maßnahmen vor und legt deren Modalitäten mit im Wesentlichen demselben Wortlaut wie der Beschluss fest.

7

Die Namen der von den restriktiven Maßnahmen betroffenen Personen sind in ein und derselben Liste im Anhang des Beschlusses 2014/119 und im Anhang I der Verordnung Nr. 208/2014 (im Folgenden: streitige Liste) u. a. mit der Begründung für ihre Aufnahme verzeichnet. Ursprünglich stand der Name des Klägers nicht auf der streitigen Liste.

8

Am 14. April 2014 erließ der Rat den Durchführungsbeschluss 2014/216/GASP zur Durchführung des Beschlusses 2014/119 (ABl. 2014, L 111, S. 91) und die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 381/2014 zur Durchführung der Verordnung Nr. 208/2014 (ABl. 2014, L 111, S. 33).

9

Mit dem Durchführungsbeschluss 2014/216 und der Durchführungsverordnung Nr. 381/2014 wurde der Name des Klägers mit den Identifizierungsinformationen „ehemaliger Ministerpräsident der Ukraine“ und mit folgender Begründung in die Liste aufgenommen:

„Person ist in der Ukraine Gegenstand von Ermittlungen wegen der Beteiligung an Straftaten im Zusammenhang mit der Veruntreuung öffentlicher Gelder der Ukraine und des illegalen Transfers dieser Gelder in das Ausland.“

10

Am 16. Juni 2014 erhob der Kläger Klage gegen den Beschluss 2014/119 in der durch den Durchführungsbeschluss 2014/216 geänderten Fassung, soweit er ihn betraf. Diese Klage wurde unter dem Aktenzeichen T‑434/14 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen.

11

Am 29. Januar 2015 erließ der Rat den Beschluss (GASP) 2015/143 zur Änderung des Beschlusses 2014/119 (ABl. 2015, L 24, S. 16) und die Verordnung (EU) 2015/138 zur Änderung der Verordnung Nr. 208/2014 (ABl. 2015, L 24, S. 1).

12

Mit dem Beschluss 2015/143 wurden mit Wirkung vom 31. Januar 2015 die Benennungskriterien für die vom Einfrieren von Geldern betroffenen Personen präzisiert und Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2014/119 durch folgenden Text ersetzt:

„(1)   Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die im Besitz oder im Eigentum der Personen, die als für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine verantwortlich identifiziert wurden, sowie der für Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine verantwortlichen Personen und der mit ihnen verbundenen, in der Liste im Anhang aufgeführten, natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen stehen oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, werden eingefroren.

Für die Zwecke dieses Beschlusses zählen zu Personen, die als für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine verantwortlich erklärt wurden, Personen, die Gegenstand von Untersuchungen der ukrainischen Behörden sind

a)

wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte der Ukraine oder wegen Beihilfe hierzu oder

b)

wegen Amtsmissbrauchs als Inhaber eines öffentlichen Amtes, um sich selbst oder einer dritten Partei einen ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen und wodurch ein Verlust staatlicher Gelder oder Vermögenswerte der Ukraine verursacht wird, oder wegen Beihilfe hierzu.“

13

Mit der Verordnung 2015/138 wurde die Verordnung Nr. 208/2014 entsprechend dem Beschluss 2015/143 geändert.

14

Im Rahmen einer Überprüfung der Situation der Personen, deren Namen auf der streitigen Liste standen, erließ der Rat den Beschluss (GASP) 2015/364 vom 5. März 2015 zur Änderung des Beschlusses 2014/119 (ABl. 2015, L 62, S. 25) und die Durchführungsverordnung (EU) 2015/357 vom 5. März zur Durchführung der Verordnung Nr. 208/2014 (ABl. 2015, L 62, S. 1) (im Folgenden zusammen: Rechtsakte vom März 2015).

15

Der Beschluss 2015/364 änderte Art. 5 des Beschlusses 2014/119 dahin gehend, dass die den Kläger betreffenden restriktiven Maßnahmen bis zum 6. März 2016 verlängert wurden.

16

Mit den Rechtsakten vom März 2015 wurde die streitige Liste im Wesentlichen aktualisiert. Infolge der mit ihnen vorgenommenen Änderungen wurde der Name des Klägers mit den Identifizierungsinformationen „ehemaliger Ministerpräsident der Ukraine“ und folgender neuen Begründung auf der Liste belassen:

„Person ist Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung seitens der ukrainischen Behörden wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte.“

17

Mit seinem Urteil vom 28. Januar 2016, Arbuzov/Rat (T‑434/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:46), erklärte das Gericht den Beschluss 2014/119 in der durch den Durchführungsbeschluss 2014/216 geänderten Fassung für nichtig, soweit er den Kläger betraf.

18

Am 4. März 2016 erließ der Rat infolge einer Überprüfung der Situation der Personen, deren Namen auf der streitigen Liste standen, den Beschluss (GASP) 2016/318 zur Änderung des Beschlusses 2014/119 (ABl. 2016, L 60, S. 76) und die Durchführungsverordnung (EU) 2016/311 zur Durchführung der Verordnung Nr. 208/2014 (ABl. 2016, L 60, S. 1) (im Folgenden zusammen: Rechtsakte vom März 2016).

19

Mit dem Beschluss 2016/318 wurde insbesondere Art. 5 des Beschlusses 2014/119 dahin gehend geändert, dass die streitigen restriktiven Maßnahmen bis zum 6. März 2017 verlängert wurden. Die in der vorstehenden Rn. 16 wiedergegebene Begründung in Bezug auf den Kläger wurde weder durch den Beschluss 2016/318 noch durch die Durchführungsverordnung 2016/311 geändert.

20

Der Kläger erhob mit Klageschrift, die am 5. Mai 2015 bei der Kanzlei des Gerichts einging, Klage auf Nichtigerklärung der Rechtsakte vom März 2015, soweit sie ihn betreffen. Diese Klage wurde in der Kanzlei des Gerichts unter dem Aktenzeichen T‑221/15 in das Register eingetragen. Anschließend passte der Kläger die Klageschrift gemäß Art. 86 der Verfahrensordnung des Gerichts an, um auch die Nichtigerklärung der Rechtsakte vom März 2016, soweit sie ihn betreffen, zu beantragen.

21

Am 28. April 2016 stellte der Kläger beim Rat einen Antrag, in dem es im Wesentlichen darum ging, dass die gegen ihn gerichteten restriktiven Maßnahmen durch den Beschluss 2016/318 aufrechterhalten worden waren. Aufgrund der Bemerkungen des Klägers stellte der Rat der Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine (im Folgenden: Generalstaatsanwaltschaft) Fragen. Deren Antworten wurden dem Rat am 16. Juni und 7. Juli 2016 vorgelegt.

22

Mit Schreiben vom 4. August 2016 antwortete der Rat auf den Antrag des Klägers vom 28. April 2016 und wies dessen Vorbringen unter Hinweis auf dessen Ausführungen in der Rechtssache T‑221/15 zurück. Bei dieser Gelegenheit gewährte der Rat dem Kläger auch Zugang zu den von der Generalstaatsanwaltschaft übermittelten zusätzlichen Informationen.

23

Am 4. Oktober 2016 stellte der Kläger beim Rat einen neuen Antrag auf Überprüfung der ihn betreffenden restriktiven Maßnahmen.

24

Mit Schreiben vom 12. Dezember 2016 teilte der Rat dem Kläger mit, dass er beabsichtige, die gegen diesen gerichteten restriktiven Maßnahmen aufrechtzuerhalten, übermittelte ihm die Gründe für seine Entscheidung sowie zwei Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft, eines vom 25. Juli 2016 und ein weiteres vom 16. November 2016. Er wies den Kläger außerdem darauf hin, dass er gegebenenfalls bis zum 13. Januar 2017 hierzu Stellung nehmen könne.

25

Am 14. Dezember 2016 stellte der Kläger beim Rat einen neuen Antrag auf Überprüfung, den er mit Schreiben vom 13. Januar 2017 vervollständigte.

26

Der Rat richtete eine zusätzliche Frage an die Generalstaatsanwaltschaft. Deren Antwort wurde dem Rat am 11. Januar 2017 vorgelegt. Mit Schreiben vom 27. Januar 2017 übermittelte der Rat dem Kläger diese Antwort mit dem Hinweis, dass er bis zum 10. Februar 2017 gegebenenfalls hierzu Stellung nehmen könne.

27

Mit Schreiben vom 7. Februar leitete der Rat an den Kläger das Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft vom 27. Januar 2017 weiter, das er zwischenzeitlich erhalten hatte und aktualisierte Informationen über den Stand des Strafverfahrens gegen den Kläger enthielt, und setzte diesem eine Frist für eine eventuelle Stellungnahme hierzu bis zum 13. Februar 2017, die der Kläger mit Schreiben vom 10. Februar 2017 einreichte.

28

Am 3. März 2017 erließ der Rat infolge einer Überprüfung der Situation der Personen, deren Namen auf der streitigen Liste standen, den Beschluss (GASP) 2017/381 zur Änderung des Beschlusses 2014/119 (ABl. 2017, L 58, S. 34, im Folgenden zusammen: angefochtener Beschluss) und die Durchführungsverordnung (EU) 2017/374 zur Durchführung der Verordnung Nr. 208/2014 (ABl. 2017, L 58, S. 1).

29

Der angefochtene Beschluss änderte Art. 5 des Beschlusses 2014/119 dahin gehend, dass die streitigen restriktiven Maßnahmen bis zum 6. März 2018 verlängert wurden. Die in der vorstehenden Rn. 16 wiedergegebene Begründung in Bezug auf den Kläger wurde weder durch den angefochtenen Beschluss noch durch die Durchführungsverordnung 2017/374 geändert.

30

Am 6. März 2017 sandte der Rat an den Kläger ein Schreiben, in dem er die Argumente, die der Kläger in seinen Schreiben vom 14. Dezember 2016, 13. Januar und 10. Februar 2017 gegen die Verlängerung der gegen ihn gerichteten restriktiven Maßnahmen vorgebracht hatte, verwarf. Der Rat verwies den Kläger u. a. auf die Dokumente, die er diesem mit seinen früheren Schreiben zur Verfügung gestellt hatte, sowie auf seine Ausführungen in der Rechtssache T‑221/15. Er fügte seinem Schreiben ein Exemplar des angefochtenen Beschlusses bei und wies den Kläger darauf hin, dass er zu einer möglichen Verlängerung der betreffenden Maßnahmen über den 6. März 2018 hinaus bis zum 1. Dezember 2017 Stellung nehmen könne.

31

Mit seinem Urteil vom 7. Juli 2017, Arbuzov/Rat (T‑221/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:478), wies das Gericht die Klage des Klägers gegen die Rechtsakte vom März 2015 und die Rechtsakte vom März 2016 ab.

Verfahren und Anträge der Beteiligten

32

Mit Klageschrift, die am 3. Mai 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.

33

Der Rat hat am 14. Juli 2017 die Klagebeantwortung eingereicht. Am selben Tag hat er außerdem einen begründeten Antrag nach Art. 66 der Verfahrensordnung gestellt, den Inhalt bestimmter Dokumente in den Anlagen zur Klagebeantwortung in den öffentlich zugänglichen Unterlagen der vorliegenden Rechtssache nicht zu zitieren.

34

Mit Schriftsatz, der am 27. Juli 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger neue Beweise im Sinne von Art. 85 der Verfahrensordnung vorgelegt, wonach sein Name zwischenzeitlich von der durch die Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation (Interpol) erstellten Liste der international gesuchten Personen gestrichen worden sei.

35

Der Rat hat seine Stellungnahme zu den neuen Beweisen am 25. August 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht.

36

Da der Kläger innerhalb der ihm hierfür gesetzten Frist keine Erwiderung eingereicht hat, ist das schriftliche Verfahren am 28. September 2017 abgeschlossen worden.

37

Am 11. Dezember 2017 hat das Gericht (Sechste Kammer) beschlossen, den Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung Fragen zur schriftlichen Beantwortung zu stellen. Die Parteien haben diese Fragen innerhalb der ihnen gesetzten Frist unter Vorlage von Nachweisen beantwortet.

38

Nach Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht, wenn keine der Hauptparteien innerhalb der Frist von drei Wochen nach Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens einen Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung gestellt hat, beschließen, über die Klage ohne mündliches Verfahren zu entscheiden. Da sich das Gericht im vorliegenden Fall für durch die Aktenstücke der Rechtssache hinreichend unterrichtet hält und kein entsprechender Antrag gestellt worden ist, hat es beschlossen, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden.

39

Der Kläger beantragt,

den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit er ihn betrifft;

dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

40

Der Rat beantragt im Wesentlichen,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise für den Fall, dass der angefochtene Beschluss für nichtig erklärt werden sollte, anzuordnen, dass dessen Wirkungen bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung eines Rechtsmittels bzw., falls Rechtsmittel eingelegt wird, bis zur Entscheidung über das Rechtsmittel aufrechterhalten bleiben;

dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

41

Der Kläger macht im Wesentlichen vier Klagegründe geltend: Mit dem ersten rügt er eine Verletzung der Begründungspflicht, mit dem zweiten eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, mit dem dritten einen offensichtlichen Beurteilungsfehler und mit dem vierten eine Verletzung des Eigentumsrechts.

Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht

42

Unter Berufung auf Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass sich der Rat nicht auf die in der vorstehenden Rn. 16 wiedergegebene Begründung habe beschränken dürfen, um seinen Namen mit dem Erlass des angefochtenen Beschlusses auf der streitigen Liste zu belassen.

43

Der Rat tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

44

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 296 Abs. 2 AEUV „[d]ie Rechtsakte … mit einer Begründung zu versehen [sind]“.

45

Gemäß Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta, der Art. 6 Abs. 1 EUV den gleichen rechtlichen Rang wie den Verträgen zuerkennt, umfasst das Recht auf eine gute Verwaltung insbesondere „die Verpflichtung der Verwaltung, ihre Entscheidungen zu begründen“.

46

Nach ständiger Rechtsprechung muss die nach Art. 296 AEUV und Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta vorgeschriebene Begründung der Natur des angefochtenen Rechtsakts und dem Kontext, in dem er erlassen worden ist, angepasst sein. Sie muss die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass der Betroffene ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen kann und das zuständige Gericht seine Kontrolle durchführen kann. Die Begründungspflicht ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. Urteil vom 7. Juli 2017, Arbuzov/Rat, T‑221/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:478, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47

In der Begründung eines Rechtsakts brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung den Erfordernissen von Art. 296 Abs. 2 AEUV und Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta genügt, nicht nur im Hinblick auf den Wortlaut des Rechtsakts zu beurteilen ist, sondern auch im Hinblick auf dessen Kontext und sämtliche Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet. Somit ist ein beschwerender Rechtsakt hinreichend begründet, wenn er in einem Zusammenhang ergangen ist, der dem Betroffenen bekannt war und ihm gestattet, die Tragweite der ihm gegenüber getroffenen Maßnahme zu verstehen. Ferner müssen die Anforderungen an die Genauigkeit, die an die Begründung eines Rechtsakts zu stellen sind, den tatsächlichen Möglichkeiten sowie den technischen und zeitlichen Bedingungen angepasst werden, unter denen der Rechtsakt ergeht (vgl. Urteil vom 7. Juli 2017, Arbuzov/Rat, T‑221/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:478, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48

Insbesondere darf die Begründung für eine Maßnahme des Einfrierens von Vermögenswerten grundsätzlich nicht allein aus einer allgemeinen und stereotypen Formulierung bestehen. Sie muss vielmehr unter den in der vorstehenden Rn. 47 gemachten Einschränkungen die spezifischen und konkreten Gründe enthalten, die den Rat zu der Annahme veranlasst haben, dass die einschlägigen Bestimmungen auf den Betroffenen anwendbar sind (vgl. Urteil vom 7. Juli 2017, Arbuzov/Rat, T‑221/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:478, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49

Schließlich ist zu beachten, dass es sich bei der Verpflichtung, einen Rechtsakt zu begründen, um ein wesentliches Formerfordernis handelt, das von der Frage der sachlichen Richtigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört. Die Begründung eines Rechtsakts soll nämlich förmlich die Gründe zum Ausdruck bringen, auf denen er beruht. Weisen diese Gründe Fehler auf, so beeinträchtigen diese die materielle Rechtmäßigkeit des Rechtsakts, nicht aber dessen Begründung, die, obwohl sie fehlerhafte Gründe enthält, zureichend sein kann (vgl. Urteil vom 7. Juli 2017, Arbuzov/Rat, T‑221/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:478, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50

Vorliegend ist festzustellen, dass die Begründung für die Beibehaltung des Namens des Klägers auf der streitigen Liste (siehe oben, Rn. 16) spezifisch und konkret ist und die Anhaltspunkte genannt werden, auf die sich die Beibehaltung gründet, nämlich der Umstand, dass der Kläger Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung seitens der ukrainischen Behörden wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte ist.

51

Außerdem ist die Aufrechterhaltung der restriktiven Maßnahmen gegen den Kläger in einem Kontext erfolgt, der ihm bekannt war; hatte er doch im Rahmen seines Schriftwechsels mit dem Rat u. a. von den Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft vom 25. Juli und 16. November 2016 sowie vom 27. Januar 2017 und von den Antworten der Generalstaatsanwaltschaft auf die Fragen des Rates (siehe oben, Rn. 21, 22, 24, 26 und 27) (im Folgenden zusammen: neue Dokumente der Generalstaatsanwaltschaft), auf die der Rat die Aufrechterhaltung dieser Maßnahmen gestützt hat, Kenntnis erlangt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juli 2017, Arbuzov/Rat, T‑221/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:478, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52

Den neuen Dokumente der Staatsanwaltschaft lassen sich die mit den Ermittlungen betraute Behörde, das Aktenzeichen und das Datum der Eröffnung des betreffenden gegen den Kläger eingeleiteten Strafverfahrens, die ihm zur Last gelegten Tatsachen, die anderen betroffenen Personen und Einrichtungen, der Betrag der mutmaßlich veruntreuten öffentlichen Gelder, die einschlägigen Artikel des ukrainischen Strafgesetzbuchs sowie der Umstand entnehmen, dass der Kläger schriftlich über die gegen ihn bestehenden Verdachtsmomente in Kenntnis gesetzt worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juli 2017, Arbuzov/Rat, T‑221/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:478, Rn. 69); in diesen Dokumenten wird außerdem erwähnt, dass das Bezirksgericht [vertraulich] ( 1 ) (im Folgenden: Bezirksgericht) am 15. Februar 2016 eine Entscheidung erlassen hat (im Folgenden: Entscheidung vom 15. Februar 2016), mit dem die Staatsanwaltschaft ermächtigt wird, das Verfahren in Abwesenheit des Beschuldigten durchzuführen.

53

Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die vom Rat gegebene Begründung auf die Wiedergabe des Wortlauts der Benennungskriterien beschränkt und nicht die besonderen und konkreten Gründe für die Belassung des Namens des Klägers auf der Liste nennt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juli 2017, Arbuzov/Rat, T‑221/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:478, Rn. 70).

54

Da der angefochtene Beschluss hinsichtlich des Klägers hinreichend begründet ist, ist der erste Klagegrund zurückzuweisen und der dritte Klagegrund daraufhin zu prüfen, ob die Gründe, auf die sich der Rat für die Belassung des Namens des Klägers auf der streitigen Liste gestützt hat, mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet sind, wie der Kläger rügt.

Zum dritten Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler

55

Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, dass der Rat, als dieser die ihn betreffenden restriktiven Maßnahmen mit dem Erlass des angefochtenen Beschlusses aufrechterhalten habe, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe, weil er sich auf die von der Generalstaatsanwaltschaft erstellte kurze Zusammenfassung seiner Situation gestützt habe, ohne zusätzliche Informationen anzufordern und ohne die ihm vom Kläger vorgelegten Entlastungsbeweise sorgfältig geprüft zu haben.

56

Der Rat entgegnet, der angefochtene Beschluss beruhe auf einer hinreichend gesicherten tatsächlichen Grundlage in Gestalt vor allem der neuen Dokumente der Generalstaatsanwaltschaft.

Vorbemerkungen

57

Es ist zum einen darauf hinzuweisen, dass das Benennungskriterium nach Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2014/119 in der durch den Beschluss 2015/143 geänderten Fassung (im Folgenden: maßgebliches Kriterium), auf dessen Grundlage der Name des Klägers mit dem angefochtenen Beschluss auf der streitigen Liste belassen worden ist, auf Personen Anwendung findet, die „als … verantwortlich identifiziert“ wurden, dass öffentliche Gelder veruntreut wurden – wozu Personen zählen, die wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte der Ukraine „Gegenstand von Untersuchungen der ukrainischen Behörden sind“ –, und zum anderen darauf, dass das maßgebliche Kriterium dahin auszulegen ist, dass es nicht abstrakt jede Veruntreuung öffentlicher Vermögenswerte erfasst, sondern nur solche Veruntreuungen öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte, die geeignet sind, die Achtung der Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine zu beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juli 2017, Arbuzov/Rat, T‑221/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:478, Rn. 97 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58

Der Name des Klägers wurde durch den angefochtenen Beschluss mit der Begründung auf der Liste belassen, er sei „Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung seitens der ukrainischen Behörden wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte“.

59

Auf dieser Grundlage ist zu prüfen, ob der Rat die Entscheidung, den Namen des Klägers auf der Liste zu belassen, unter Berücksichtigung der ihm zur Verfügung stehenden Beweise, des Grundes für die Beibehaltung des Namens auf der Liste sowie des maßgeblichen Kriteriums unparteilich und fair getroffen hat.

60

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Rat zwar über einen weiten Beurteilungsspielraum verfügt, was die im Hinblick auf den Erlass restriktiver Maßnahmen zu berücksichtigenden allgemeinen Kriterien betrifft, dass aber die durch Art. 47 der Charta garantierte Wirksamkeit der gerichtlichen Kontrolle erfordert, dass sich der Unionsrichter, wenn er die Rechtmäßigkeit der Begründung prüft, die der Entscheidung zugrunde liegt, den Namen einer bestimmten Person in die Liste der restriktiven Maßnahmen unterliegenden Personen aufzunehmen oder auf ihr zu belassen, vergewissert, dass diese Entscheidung, die eine individuelle Betroffenheit dieser Person begründet, auf einer hinreichend gesicherten tatsächlichen Grundlage beruht. Dies setzt eine Überprüfung der in der Begründung dieser Entscheidung angeführten Tatsachen voraus, so dass sich die gerichtliche Kontrolle nicht nur auf die Beurteilung der abstrakten Wahrscheinlichkeit der angeführten Gründe, sondern auch auf die Frage erstreckt, ob diese Gründe – oder zumindest einer von ihnen, der für sich genommen als ausreichend angesehen wird, um die betreffende Entscheidung zu stützen – hinreichend genau und konkret belegt sind (vgl. Urteil vom 7. Juli 2017, Arbuzov/Rat, T‑221/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:478, Rn. 100 und die dort angeführte Rechtsprechung).

61

Nach der Rechtsprechung zu Entscheidungen, den Namen einer Person auf einer Liste der von restriktiven Maßnahmen betroffenen Personen zu belassen, ist die zuständige Unionsbehörde außerdem, wenn die betroffene Person oder Organisation zu der Begründung Stellung nimmt, verpflichtet, die Stichhaltigkeit der angeführten Gründe im Licht dieser Stellungnahme und der ihr gegebenenfalls beigefügten entlastenden Gesichtspunkte sorgfältig und unparteiisch zu prüfen. Im Übrigen trifft den Rat beim Erlass restriktiver Maßnahmen die Verpflichtung, den in Art. 41 der Charta verankerten Grundsatz der guten Verwaltung zu beachten, aus dem nach ständiger Rechtsprechung die Verpflichtung des zuständigen Organs folgt, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen (vgl. Urteil vom 7. Juli 2017, Arbuzov/Rat, T‑221/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:478, Rn. 101 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62

Aus der Rechtsprechung ergibt sich zudem, dass bei der Beurteilung der Natur, der Art und der Intensität des Beweises, der vom Rat verlangt werden kann, die Natur und der konkrete Umfang der restriktiven Maßnahmen sowie ihr Zweck zu berücksichtigen sind (vgl. Urteil vom 7. Juli 2017, Arbuzov/Rat, T‑221/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:478, Rn. 102 und die dort angeführte Rechtsprechung).

63

Der Beschluss 2014/119 fügt sich, wie sich aus seinen Erwägungsgründen 1 und 2 ergibt, in den allgemeineren Rahmen einer Politik der Union zur Unterstützung der ukrainischen Behörden ein, die die politische Stabilisierung der Ukraine begünstigen soll. Er entspricht somit den Zielen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, die insbesondere in Art. 21 Abs. 2 Buchst. b EUV definiert werden, wonach sich die Union für eine internationale Zusammenarbeit einsetzt, um Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, die Menschenrechte und die Grundsätze des Völkerrechts zu festigen und zu fördern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juli 2017, Arbuzov/Rat, T‑221/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:478, Rn. 103 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64

In diesem Rahmen sehen die streitigen restriktiven Maßnahmen das Einfrieren der Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen insbesondere der Personen vor, die als für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine verantwortlich identifiziert wurden. Die Erleichterung der Wiedererlangung dieser Vermögenswerte ermöglicht es nämlich, die Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine zu stärken und zu unterstützen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juli 2017, Arbuzov/Rat, T‑221/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:478, Rn. 104).

65

Folglich sollen die streitigen restriktiven Maßnahmen weder Fehlverhalten der betroffenen Personen ahnden noch diese durch Zwang von Fehlverhalten abbringen. Diese Maßnahmen bezwecken allein, den ukrainischen Behörden die Feststellung der begangenen Veruntreuungen öffentlicher Gelder zu erleichtern und die Möglichkeit zu erhalten, die veruntreuten Beträge wiedereinzuziehen. Sie haben somit reinen Sicherungscharakter (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juli 2017, Arbuzov/Rat, T‑221/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:478, Rn. 105 und die dort angeführte Rechtsprechung).

66

Die streitigen restriktiven Maßnahmen, die der Rat aufgrund der ihm durch die Art. 21 und 29 EUV verliehenen Befugnisse verhängt hat, haben somit keine strafrechtliche Konnotation. Sie können daher nicht einer Entscheidung über das Einfrieren von Vermögenswerten gleichgesetzt werden, die eine nationale Justizbehörde eines Mitgliedstaats im Rahmen des einschlägigen Strafverfahrens und unter Beachtung der entsprechenden Verfahrensgarantien erlässt. Die für den Rat geltenden Anforderungen hinsichtlich der Beweise, auf die die Aufnahme einer Person in die Liste der Personen, deren Vermögenswerte eingefroren werden, gestützt ist, können daher nicht dieselben sein wie die, die für die nationale Justizbehörde in dem vorgenannten Fall gelten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juli 2017, Arbuzov/Rat, T‑221/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:478, Rn. 106 und die dort angeführte Rechtsprechung).

67

Außerdem ist der Rat nicht verpflichtet, von Amts wegen und systematisch eigene Untersuchungen oder Nachprüfungen zur Erlangung ergänzender Informationen durchzuführen, wenn er für den Erlass restriktiver Maßnahmen gegenüber Personen, die aus einem Drittstaat stammen und dort Gegenstand gerichtlicher Verfahren sind, bereits über von den Behörden dieses Drittstaats vorgelegte Beweise verfügt (vgl. Urteil vom 7. Juli 2017, Arbuzov/Rat, T‑221/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:478, Rn. 107 und die dort angeführte Rechtsprechung).

68

Im vorliegenden Fall muss der Rat zum einen prüfen, inwieweit sich mit den neuen Dokumenten der Generalstaatsanwaltschaft, auf die er sich stützen möchte, nachweisen lässt, dass der Kläger Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung seitens der ukrainischen Behörden wegen Tatsachen ist, die möglicherweise eine Veruntreuung öffentlicher Gelder darstellen – wie in der oben in Rn. 58 wiedergegebenen Begründung für die Aufnahme seines Namens in die streitige Liste ausgeführt wird –, und zum anderen, ob dieses Strafverfahren ermöglicht, die Handlungen des Klägers gemäß dem maßgeblichen Kriterium einzustufen. Nur wenn der Rat dabei nicht zu diesem Ergebnis gelangt, muss er gemäß der oben in Rn. 61 angeführten Rechtsprechung zusätzliche Überprüfungen vornehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juli 2017, Arbuzov/Rat, T‑221/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:478, Rn. 108 und die dort angeführte Rechtsprechung).

69

Im Übrigen ist es im Rahmen der durch die streitigen restriktiven Maßnahmen geregelten Zusammenarbeit (siehe oben, Rn. 63) grundsätzlich nicht Aufgabe des Rates, selbst zu prüfen und zu beurteilen, ob die Anhaltspunkte, auf die sich die ukrainischen Behörden stützen, um den Kläger wegen Tatsachen strafrechtlich zu verfolgen, die sich als Veruntreuung öffentlicher Gelder einstufen lassen, zutreffend und einschlägig sind. Wie oben in Rn. 65 ausgeführt worden ist, will der Rat nämlich mit dem Erlass der streitigen restriktiven Maßnahmen die Veruntreuung öffentlicher Gelder, derentwegen die ukrainischen Behörden ermitteln, nicht selbst ahnden, sondern den ukrainischen Behörden die Möglichkeit erhalten, diese Veruntreuungen festzustellen und zugleich, die veruntreuten Beträge wiederzuerlangen. Es obliegt daher den ukrainischen Behörden, im Rahmen der Strafverfolgungsmaßnahmen die Anhaltspunkte, auf die sie sich stützen, zu überprüfen und gegebenenfalls daraus die Konsequenzen für den Ausgang der Strafverfahren zu ziehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juli 2017, Arbuzov/Rat, T‑221/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:478, Rn. 109 und die dort angeführte Rechtsprechung).

70

Diese Auslegung wird durch die Rechtsprechung bestätigt, wonach es nicht Aufgabe des Rates ist, die Begründetheit der gegen die betroffene Person eingeleiteten Ermittlungen zu überprüfen, sondern lediglich, die Begründetheit des Beschlusses über das Einfrieren der Gelder in Anbetracht dieser Ermittlungen (vgl. Urteil vom 7. Juli 2017, Arbuzov/Rat, T‑221/15, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:478, Rn. 110 und die dort angeführte Rechtsprechung).

71

Zwar darf der Rat nicht unter allen Umständen von den Feststellungen der ukrainischen Behörden ausgehen, die in den von diesen übermittelten Dokumenten enthalten sind. Ein solches Vorgehen stünde weder mit dem Grundsatz der guten Verwaltung noch allgemein mit der Pflicht, bei der Anwendung des Unionsrechts die Grundrechte zu beachten – die den Unionsorganen nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 EUV in Verbindung mit Art. 51 Abs. 1 der Charta obliegt – im Einklang (vgl. Urteil vom 7. Juli 2017, Arbuzov/Rat, T‑221/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:478, Rn. 111 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72

Es ist jedoch Aufgabe des Rates, je nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, ob es notwendig ist, zusätzliche Überprüfungen durchzuführen, insbesondere die ukrainischen Behörden um die Übermittlung ergänzender Beweise zu ersuchen, wenn sich die bereits vorgelegten als unzureichend oder inkohärent erweisen. Es lässt sich nämlich nicht ausschließen, dass Anhaltspunkte, die dem Rat entweder durch die ukrainischen Behörden selbst oder auf andere Weise zur Kenntnis gebracht worden sind, diesen dazu veranlassen, daran zu zweifeln, dass die von diesen Behörden bislang vorgelegten Beweise hinreichend sind. Im Übrigen können die betroffenen Personen im Rahmen der ihnen einzuräumenden Möglichkeit, zu den Gründen Stellung zu nehmen, die der Rat der Beibehaltung ihrer Namen auf der betreffenden Liste zugrunde zu legen beabsichtigt, solche Anhaltspunkte und sogar entlastende Gesichtspunkte nennen, die es erforderlich machen, dass der Rat zusätzliche Überprüfungen durchführt. Insbesondere lässt sich – auch wenn es nicht Sache des Rates ist, seine Beurteilung an die Stelle der Beurteilung der ukrainischen Justizbehörden zu setzen, was die Begründetheit der in den Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft erwähnten Strafverfahren betrifft – nicht ausschließen, dass der Rat vor allem in Anbetracht der Stellungnahme des Klägers gehalten ist, die ukrainischen Behörden um nähere Informationen zu den Anhaltspunkten zu ersuchen, auf die diese Verfahren gestützt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juli 2017, Arbuzov/Rat, T‑221/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:478, Rn. 112 und die dort angeführte Rechtsprechung).

73

Im Licht dieser Erwägungen müssen die einzelnen Argumente des Klägers geprüft werden, die sich auf den Gegenstand des ihn betreffenden Strafverfahrens und dessen Stand beziehen.

Zum Gegenstand des Strafverfahrens gegen den Kläger

74

Der Kläger macht gestützt auf mehrere Dokumente geltend, die Straftat, deren er beschuldigt werde und die den streitigen restriktiven Maßnahmen zugrunde liege, habe der Nationalbank der Ukraine und somit auch dem ukrainischen Staat keine Vermögensverluste verursacht. Ihm könne daher keine Veruntreuung von Vermögenswerten zur Last gelegt werden.

75

Der Rat vertritt im Wesentlichen die Ansicht, dass die dem Kläger vorgeworfenen Handlungen unter den Begriff „Veruntreuung öffentlicher Vermögenswerte“ fielen, ohne dass es darauf ankäme, ob der Kläger oder ein Dritter von dieser Veruntreuung profitiert habe. Die vom Kläger beigebrachten Beweise belegten nicht, dass dem ukrainischen Staat durch diese Handlungen kein Schaden entstanden sei.

76

Im vorliegenden Fall stützt der Rat die Aufrechterhaltung der restriktiven Maßnahmen gegen den Kläger hauptsächlich auf die Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft vom 25. Juli und 16. November 2016 sowie vom 27. Januar 2017.

77

Im Schreiben vom 25. Juli 2016 führt die Generalstaatsanwaltschaft Folgendes aus:

[vertraulich];

[vertraulich];

[vertraulich];

[vertraulich];

[vertraulich];

[vertraulich].

78

Im Schreiben vom 16. November 2016 hat die Generalstaatsanwaltschaft angegeben, es gebe keine zusätzlichen Informationen in Bezug auf das Verfahren [vertraulich].

79

Im Schreiben vom 27. Januar 2017 hat die Generalstaatsanwaltschaft Angaben gemacht, die im Wesentlichen mit den im Schreiben vom 25. Juli 2016 enthaltenen übereinstimmen, und ergänzend ausgeführt, dass [vertraulich] die Veruntreuung dieses Betrags die Möglichkeiten der Nationalbank der Ukraine, die Stabilität der Landeswährung zu gewährleisten, eingeschränkt und somit dem ukrainischen Staat einen Schaden verursacht habe. In ihrem Schreiben hat die Generalstaatsanwaltschaft die Entscheidung vom 15. Februar 2016 erwähnt und angegeben, dass die fraglichen vorgerichtlichen Untersuchungen noch im Gange seien.

80

Darüber hinaus verfügte der Rat beim Erlass des angefochtenen Beschlusses auch über die Angaben, die ihm die Generalstaatsanwaltschaft in Beantwortung seiner Fragen gemacht hatte.

81

So hatte die Generalstaatsanwaltschaft in ihren Antworten, die sie dem Rat am 7. Juli 2016 vorgelegt hatte, im Wesentlichen ausgeführt [vertraulich].

82

[vertraulich].

83

[vertraulich].

84

Demzufolge stützte sich die Aufrechterhaltung der restriktiven Maßnahmen gegen den Kläger auf Beweise, die es dem Rat ermöglichten, eindeutig die Existenz eines von der ukrainischen Justizverwaltung eingeleiteten Verfahrens gegen den Kläger wegen einer strafbaren Veruntreuung öffentlicher Gelder festzustellen.

85

Den neuen Dokumenten der Generalstaatsanwaltschaft konnte der Rat nämlich das Aktenzeichen des einschlägigen Verfahrens, das Datum seiner Eröffnung, die Straftat, deren der Kläger verdächtigt wurde, den entsprechenden Artikel des ukrainischen Strafgesetzbuchs, die maßgeblichen Tatsachen und das Datum der Mitteilung an den Kläger über den gegen ihn bestehenden Verdacht entnehmen. Diese Dokumente bescheinigen, dass das genannte Verfahren wegen Tatsachen geführt wird, die hinreichend konkret und präzise beschrieben sind, so dass sie keinen Zweifel an der mutmaßlichen Beteiligung des Klägers lassen, zumal die tatsächlichen Anhaltspunkte, mit denen die strafbare Handlung beschrieben wird, gleichbleibend und kohärent sind und nach Ansicht der ukrainischen Behörden rechtlich den Tatbestand der Veruntreuung öffentlicher Gelder erfüllen, was dem maßgeblichen Kriterium entspricht.

86

Zudem stammen die dem Rat zur Kenntnis gebrachten Dokumente von der Generalstaatsanwaltschaft, also einer der obersten Justizbehörden der Ukraine. Diese fungiert nämlich in der Ukraine als öffentliche Anklagebehörde in Strafsachen und führt Voruntersuchungen im Rahmen von Strafverfahren wegen u. a. der Veruntreuung öffentlicher Gelder durch (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Oktober 2017, Yanukovych/Rat, C‑598/16 P, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:786, Rn. 53). Insoweit kann dem Rat daher nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er die von der Generalstaatsanwaltschaft übermittelten Informationen als zutreffend und belegt angesehen hat.

87

Im Übrigen ist festzustellen, dass in den fraglichen Dokumenten angegeben wird, dass der Kläger verdächtigt werde, eine Wirtschaftsstraftat begangen zu haben, bei der es um eine sehr erhebliche Geldsumme gehe, [vertraulich].

88

Hierzu ist zu bemerken, dass die streitigen restriktiven Maßnahmen die Anstrengungen der ukrainischen Behörden, die veruntreuten öffentlichen Gelder wiederzuerlangen, erleichtern und ergänzen, was – wie in den vorstehenden Rn. 64 und 65 ausgeführt worden ist – unter das Ziel der Stärkung der Rechtsstaatlichkeit fällt.

89

Insoweit ergibt sich aus dem Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft vom 25. Juli 2016, dass das Bezirksgericht [vertraulich] im Zuge der Ermittlungen mehrmals auf Vorschlag des Ermittlers den Kläger betreffende Sicherungsmaßnahmen erlassen hat (siehe oben, Rn. 77, letzter Gedankenstrich). Somit wird durch das vom Rat beschlossene Einfrieren der Gelder in der gesamten Union die Wirksamkeit der auf nationaler Ebene eingeleiteten Bemühungen verstärkt.

90

Schließlich ist zum einen der Hinweis angebracht, dass die Verfolgung von Wirtschaftsverbrechen wie der Veruntreuung öffentlicher Gelder ein wesentliches Mittel zur Bekämpfung der Korruption ist und dass deren Bekämpfung im Kontext des auswärtigen Handelns der Union einen unter den Begriff der Rechtsstaatlichkeit fallenden Grundsatz darstellt. Zum anderen ist die dem Kläger vorgeworfene strafbare Handlung in einem breiteren Kontext zu sehen, der darin besteht, dass ein nicht unbedeutender Teil der früheren Führungsschicht der Ukraine in dem Verdacht steht, schwere Straftaten bei der Verwaltung der öffentlichen Mittel begangen und dadurch die institutionellen und rechtlichen Grundlagen des Landes ernsthaft in Gefahr gebracht und namentlich gegen die Grundsätze der Rechtmäßigkeit, des Verbots der Willkür der Exekutive, der wirksamen gerichtlichen Kontrolle und der Gleichheit vor dem Gesetz verstoßen zu haben. Folglich tragen die in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der Ämter, die der Kläger innerhalb der früheren Führungsschicht in der Ukraine sowie an der Spitze der Nationalbank der Ukraine zum Zeitpunkt der Straftat, deren er verdächtigt wird, bekleidet hat, wirksam dazu bei, die Verfolgung der zum Schaden der ukrainischen Institutionen begangenen Straftaten der Veruntreuung öffentlicher Gelder zu erleichtern, und machen es für die ukrainischen Behörden einfacher, das durch solche Veruntreuungen Erlangte zurückzuerhalten. Dies erleichtert, falls die gerichtlichen Ermittlungen erfolgreich sind, die gerichtliche Bestrafung der den Mitgliedern der früheren Regierung zur Last gelegten Korruptionshandlungen und trägt auf diese Weise zur Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit in diesem Land bei (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juli 2017, Arbuzov/Rat, T‑221/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:478, Rn. 128 und die dort angeführte Rechtsprechung).

91

Somit hat der Rat keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler hinsichtlich des Gegenstands des Strafverfahrens und dessen Einschlägigkeit im Hinblick auf das maßgebliche Kriterium begangen, als er den angefochtenen Beschluss erlassen hat, soweit er den Kläger betrifft.

92

Das Vorbringen des Klägers, mit dem er diese Feststellung in Zweifel ziehen möchte, vermag nicht zu überzeugen.

93

Was nämlich erstens die Mitteilung an den Kläger vom 18. Mai 2017 über den gegen ihn bestehenden Verdacht betrifft, die dieser als entlastenden Gesichtspunkt anführt, so bestätigt diese Mitteilung vielmehr die betreffende Feststellung, da aus ihr im Wesentlichen hervorgeht, dass der Kläger verdächtigt wird, Vermögenswerte veruntreut zu haben, indem er seine Position als Gouverneur der Nationalbank der Ukraine missbraucht habe [vertraulich].

94

Was zweitens das Vorbringen angeht, der Nationalbank der Ukraine sei kein Schaden entstanden, so ist dieses Vorbringen nicht stichhaltig, da aus mehreren neuen Dokumenten der Generalstaatsanwaltschaft hervorgeht, dass der Kläger verdächtigt wird, Vermögenswerte rechtswidrig anderen Zwecken zugeführt zu haben als denen, für die sie bestimmt gewesen seien. Dieser Sachverhalt entspricht der Definition des Begriffs „Veruntreuung öffentlicher Gelder“ im Sinne der Rechtsprechung, wonach dieser jede Handlung erfasst, die eine unrechtmäßige Verwendung von Mitteln, die einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft gehören oder deren Kontrolle unterstellt sind, zu bestimmungswidrigen, insbesondere privaten Zwecken darstellt. Um unter diesen Begriff zu fallen, muss die betreffende Verwendung also zu einer Beeinträchtigung der finanziellen Interessen der betroffenen Körperschaft geführt und einen in Geld zu bemessenden Schaden verursacht haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juli 2017, Arbuzov/Rat, T‑221/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:478, Rn. 138 und die dort angeführte Rechtsprechung).

95

[vertraulich].

Zum Stand des Strafverfahrens gegen den Kläger

96

Der Kläger betont, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses mehr als ein Jahr vergangen gewesen sei, seit das Bezirksgericht die Generalstaatsanwaltschaft mit der Entscheidung vom 15. Februar 2016 ermächtigt habe, das Verfahren in Abwesenheit des Beschuldigten durchzuführen, ohne dass diese die Sache vor ein Gericht gebracht habe. Die Ermittlungen seien lediglich der Form halber u. a. deshalb geführt worden, damit der Rat die restriktiven Maßnahmen gegen den Kläger auf unbestimmte Zeit habe verlängern können.

97

Der Rat vertritt die Ansicht, dass die Dauer des Strafverfahrens gegen den Kläger für sich genommen keine unmittelbare Auswirkung auf die Frage habe, ob der Kläger immer noch die Voraussetzungen erfülle, damit sein Name weiterhin auf der streitigen Liste geführt werde. Allerdings berücksichtige der Rat den zeitlichen Aspekt bei der Überprüfung der streitigen Liste und ersuche die Generalstaatsanwaltschaft regelmäßig um Auskünfte über den Gang der laufenden Verfahren.

98

Es steht fest, dass das Bezirksgericht die Generalstaatsanwaltschaft mit der Entscheidung vom 15. Februar 2016 ermächtigt hat, das Verfahren [vertraulich] in Abwesenheit des Betroffenen durchzuführen. Außerdem steht fest, dass der Rat mehr als ein Jahr nach dieser Entscheidung des Bezirksgerichts die den Kläger betreffenden restriktiven Maßnahmen verlängert hat, obschon er von der Generalstaatsanwaltschaft die Auskunft erhalten hatte, dass sich das betreffende Verfahren noch im Stadium der vorgerichtlichen Untersuchungen befinde, da es noch nicht vor ein ukrainisches Strafgericht gebracht worden sei.

99

Zunächst ist zu bemerken, dass der vom Rat angeführte Umstand, dass sich Verfahren wegen der Abwesenheit des Betroffenen verzögern können, im vorliegenden Fall keine Rolle spielt, da es die Entscheidung vom 15. Februar 2016 der Generalstaatsanwaltschaft ja gerade ermöglicht hat, das Verfahren in dessen Abwesenheit durchzuführen.

100

Sodann hat der Kläger – wie sich aus den Dokumenten ergibt, die der Rat in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts eingereicht hat (siehe oben, Rn. 37) – im Verfahren vor dem Rat darauf aufmerksam gemacht, dass das Verfahren [vertraulich] trotz der Entscheidung vom 15. Februar 2016, die der Generalstaatsanwaltschaft ermöglichte, dass Verfahren in seiner Abwesenheit durchzuführen, nicht vorankomme. So hat der Kläger erstens in seinem Schreiben vom 4. Oktober 2016 angeregt, der Rat möge die Generalstaatsanwaltschaft um Auskunft ersuchen, warum die Ermittler, wenn sie die Ansicht verträten, die Schuld des Klägers nachgewiesen zu haben, die Sache noch nicht vor ein Gericht gebracht hätten, obgleich die Ermittlungen seit fast zweieinhalb Jahren liefen. Zweitens hat der Kläger in seinem Schreiben an den Rat vom 14. Dezember 2016 unmittelbar nach seinem Hinweis auf die Existenz der Entscheidung vom 15. Februar 2016 erneut betont, dass das betreffende Verfahren nicht vorankomme, und vorgetragen, dass die ukrainischen Behörden dieses so lange wie möglich aufrechterhalten wollten, um dem Rat eine Grundlage für die gegen ihn gerichteten restriktiven Maßnahmen zu liefern. Drittens hat der Kläger in seinem Schreiben an den Rat vom 13. Januar 2017 klar zum Ausdruck gebracht, dass es erstaunlich sei, dass die Generalstaatsanwaltschaft das Verfahren [vertraulich] noch nicht vor ein Gericht gebracht habe, insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Durchführung des Verfahrens in seiner Abwesenheit – wenn auch seiner Ansicht nach rechtswidrig – zugelassen worden sei.

101

In Anbetracht des in der vorstehenden Rn. 100 zusammengefassten Vorbringens des Klägers sowie der Tatsache, dass der Rat seit dem Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft vom 25. Juli 2016 (siehe oben, Rn. 77) über die Existenz der Entscheidung vom 15. Februar 2016 informiert war, ist das Vorbringen des Rates zu verwerfen, dass der Kläger seine Argumentation, die sich darauf stützt, dass das ihn betreffende Verfahren trotz des Erlasses dieser Entscheidung nicht vorangekommen sei, nicht hinreichend substantiiert habe.

102

Unter diesen Umständen hätte der Rat die ukrainischen Behörden um Aufklärung zu den Gründen ersuchen müssen, die es rechtfertigen können, dass das Verfahren [vertraulich] trotz der Entscheidung vom 15. Februar 2016 nicht vorankam – so wie er es, u. a. auf vom Kläger eingereichte Stellungnahmen hin, getan hat, was andere Aspekte dieses Verfahrens betrifft, die ihm nicht hinreichend klar erschienen.

103

Folglich hat der Rat die ihm obliegende Sorgfaltspflicht nicht erfüllt, da die Bemerkungen des Klägers bei ihm berechtigte Zweifel hätten wecken müssen, die es gerechtfertigt hätten, dass er zusätzliche Überprüfungen bei den ukrainischen Behörden durchführt.

104

Insoweit ist klarzustellen, dass es nicht um die Frage geht, ob der Rat aufgrund der ihm zur Kenntnis gebrachten Anhaltspunkte verpflichtet war, den Namen des Klägers von der Liste zu nehmen, sondern lediglich darum, ob er verpflichtet war, diese Anhaltspunkte zu berücksichtigen und zusätzliche Überprüfungen bei den ukrainischen Behörden durchzuführen oder diese um Aufklärung zu ersuchen. Daher reicht es, dass diese Anhaltspunkte – wie im vorliegenden Fall – geeignet sind, berechtigte Zweifel am Ablauf des Verfahrens und daran wecken, dass die von der Generalstaatsanwaltschaft übermittelten Informationen ausreichend sind.

105

Nach alledem hat der Rat einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als er angenommen hat, dass das Vorbringen des Klägers, dass das Verfahren [vertraulich] nicht vorangekommen sei, keine zusätzlichen Überprüfungen bei den ukrainischen Behörden gerechtfertigt habe, obwohl dieses Vorbringen geeignet war, gerechtfertigte Zweifel zu wecken, ob die Informationen der Generalstaatsanwaltschaft zu dem gegen den Kläger geführten Verfahren [vertraulich] ausreichend waren.

106

Infolgedessen ist dem dritten Klagegrund stattzugeben und der angefochtene Beschluss für nichtig zu erklären, ohne dass es einer Entscheidung über den zweiten und den vierten Klagegrund oder die neuen Beweise (siehe oben, Rn. 34) bedarf.

107

Hinsichtlich des vom Rat hilfsweise gestellten Antrags, die Wirkungen des angefochtenen Beschlusses bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung eines Rechtsmittels bzw., falls Rechtsmittel eingelegt wird, bis zur Entscheidung über das Rechtsmittel aufrechtzuerhalten, genügt der Hinweis, dass der angefochtene Beschluss nur bis zum 6. März 2018 Wirkungen entfaltet hat. Seine Nichtigerklärung durch das vorliegende Urteil hat daher keine Auswirkungen auf den Zeitraum nach diesem Datum, so dass eine Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Wirkungen dieses Beschlusses nicht erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 28. Januar 2016, Azarov/Rat, T‑331/14, EU:T:2016:49, Rn. 70 bis 72).

Kosten

108

Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Rat unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag des Klägers die Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Der Beschluss (GASP) 2017/381 des Rates vom 3. März 2017 zur Änderung des Beschlusses 2014/119/GASP über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in der Ukraine wird für nichtig erklärt, soweit der Name von Herrn Sergej Arbuzov auf der Liste der Personen, Organisationen und Einrichtungen belassen wurde, gegen die sich diese restriktiven Maßnahmen richten.

 

2.

Der Rat der Europäischen Union trägt die Kosten.

 

Berardis

Spielmann

Csehi

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 6. Juni 2018.

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Tschechisch.

( 1 ) Nicht wiedergegebene vertrauliche Daten.

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