Europäischer Gerichtshof Urteil, 07. Juli 2017 - T-215/15

ECLI:ECLI:EU:T:2017:479
07.07.2017

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

7. Juli 2017 ( *1 )

„Gemeinsame Außen und Sicherheitspolitik — Restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in der Ukraine — Einfrieren von Geldern — Liste der Personen, Organisationen und Einrichtungen, deren Gelder und wirtschaftliche Ressourcen eingefroren werden — Beibehaltung des Namens des Klägers auf der Liste — Begründungspflicht — Verteidigungsrechte — Eigentumsrecht — Recht auf Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit — Verhältnismäßigkeit — Ermessensmissbrauch — Grundsatz der guten Verwaltung — Offensichtlicher Ermessensfehler“

In der Rechtssache T‑215/15

Mykola Yanovych Azarov, wohnhaft in Kiew (Ukraine), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte G. Lansky und A. Egger,

Kläger,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch J.-P. Hix und F. Naert als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses (GASP) 2015/364 des Rates vom 5. März 2015 zur Änderung des Beschlusses 2014/119/GASP über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in der Ukraine (ABl. 2015, L 62, S. 25) und der Durchführungsverordnung (EU) 2015/357 des Rates vom 5. März 2015 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 208/2014 über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in der Ukraine (ABl. 2015, L 62, S. 1), soweit diese Rechtsakte den Namen des Klägers auf der Liste der Personen belassen, gegen die sich die betreffenden restriktiven Maßnahmen richten,

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten G. Berardis (Berichterstatter) sowie der Richter D. Spielmann und Z. Csehi,

Kanzler: S. Bukšek Tomac, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2016

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1

Der Kläger, Herr Mykola Yanovych Azarov, war vom 11. März 2010 bis 28. Januar 2014 Premierminister der Ukraine.

2

Die vorliegende Rechtssache fügt sich in den Rahmen der Rechtssachen ein, die die restriktiven Maßnahmen betreffen, die angesichts der Lage in der Ukraine nach der Unterdrückung der Demonstrationen auf dem Platz der Unabhängigkeit in Kiew (Ukraine) vom Februar 2014 ergriffen wurden.

3

Am 5. März 2014 erließ der Rat der Europäischen Union den Beschluss 2014/119/GASP über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in der Ukraine (ABl. 2014, L 66, S. 26). Am selben Tag erließ der Rat die Verordnung (EU) Nr. 208/2014 über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in der Ukraine (ABl. 2014, L 66, S. 1) (im Folgenden zusammen: Rechtsakte vom März 2014).

4

Art. 1 Abs. 1 und 2 des Beschlusses 2014/119 bestimmt:

„(1)   Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die im Besitz oder im Eigentum der Personen, die als für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine verantwortlich identifiziert wurden, sowie der für Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine verantwortlichen Personen und der mit ihnen verbundenen, in der Liste im Anhang aufgeführten, natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen stehen oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, werden eingefroren.

(2)   Den im Anhang aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen dürfen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugutekommen.“

5

Die Modalitäten des Einfrierens werden in den weiteren Absätzen dieses Artikels festgelegt.

6

Dem Beschluss 2014/119 entsprechend schreibt die Verordnung Nr. 208/2014 den Erlass von Maßnahmen zum Einfrieren von Geldern vor und legt deren Modalitäten mit im Wesentlichen demselben Wortlaut wie der Beschluss fest.

7

Die Namen der von den Rechtsakten vom März 2014 betroffenen Personen sind in ein und derselben Liste im Anhang des Beschlusses 2014/119 und im Anhang I der Verordnung Nr. 208/2014 (im Folgenden: Liste) u. a. mit der Begründung für ihre Aufnahme verzeichnet.

8

Der Name des Klägers wurde mit den Identifizierungsinformationen „Premierminister der Ukraine bis Januar 2014“ und folgender Begründung in die Liste aufgenommen:

„Person ist in der Ukraine Gegenstand von Ermittlungen wegen der Beteiligung an Straftaten im Zusammenhang mit der Veruntreuung öffentlicher Gelder der Ukraine und des illegalen Transfers dieser Gelder in das Ausland.“

9

Am 6. März 2014 veröffentlichte der Rat im Amtsblatt der Europäischen Union die Mitteilung an die Personen, die den restriktiven Maßnahmen nach dem Beschluss 2014/119 und der Verordnung Nr. 208/2014 unterliegen (ABl. 2014, C 66, S. 1). Nach dieser Mitteilung „[können d]ie betroffenen Personen beim Rat unter Vorlage von entsprechenden Nachweisen beantragen, dass der Beschluss, sie in die … Liste aufzunehmen, überprüft wird“.

10

Am 12. Mai 2014 erhob der Kläger eine Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses 2014/119 und der Verordnung Nr. 208/2014. Diese Klage wurde unter dem Aktenzeichen T‑331/14 in das Register der Kanzlei eingetragen.

11

Am 29. Januar 2015 erließ der Rat den Beschluss (GASP) 2015/143 zur Änderung des Beschlusses 2014/119 (ABl. 2015, L 24, S. 16) und die Verordnung (EU) 2015/138 zur Änderung der Verordnung Nr. 208/2014 (ABl. 2015, L 24, S. 1) (im Folgenden zusammen: Rechtsakte vom Januar 2015).

12

Mit dem Beschluss 2015/143 wurden mit Wirkung ab dem 31. Januar 2015 die Benennungskriterien für die vom Einfrieren von Geldern betroffenen Personen präzisiert. Insbesondere wurde dabei Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2014/119 durch folgenden Text ersetzt:

„(1)   Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die im Besitz oder im Eigentum der Personen, die als für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine verantwortlich identifiziert wurden, sowie der für Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine verantwortlichen Personen und der mit ihnen verbundenen, in der Liste im Anhang aufgeführten, natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen stehen oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, werden eingefroren.

Für die Zwecke dieses Beschlusses zählen zu Personen, die als für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine verantwortlich erklärt wurden, Personen, die Gegenstand von Untersuchungen der ukrainischen Behörden sind:

a)

wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte der Ukraine oder wegen Beihilfe hierzu oder

b)

wegen Amtsmissbrauchs als Inhaber eines öffentlichen Amtes, um sich selbst oder einer dritten Partei einen ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen und wodurch ein Verlust staatlicher Gelder oder Vermögenswerte der Ukraine verursacht wird, oder wegen Beihilfe hierzu.“

13

Mit der Verordnung 2015/138 wurde die Verordnung Nr. 208/2014 entsprechend dem Beschluss 2015/143 geändert.

14

Mit Schreiben vom 2. Februar 2015 teilte der Rat dem Kläger mit, dass er beabsichtige, die restriktiven Maßnahmen in Bezug auf ihn beizubehalten, übermittelte ihm ein Schreiben [vertraulich] ( 1 ) vom 10. Oktober 2014 (im Folgenden: Schreiben vom 10. Oktober 2014) und informierte ihn über die Möglichkeit zur Stellungnahme. Mit Schreiben vom 18. Februar 2015 nahm der Kläger Stellung.

15

Am 5. März 2015 erließ der Rat den Beschluss (GASP) 2015/364 zur Änderung des Beschlusses 2014/119 (ABl. 2015, L 62, S. 25) und die Durchführungsverordnung (EU) 2015/357 zur Durchführung der Verordnung Nr. 208/2014 (ABl. 2015, L 62, S. 1) (im Folgenden zusammen: angefochtene Rechtsakte).

16

Mit dem Beschluss 2015/364 wurde Art. 5 des Beschlusses 2014/119 insoweit geändert, als die restriktiven Maßnahmen in Bezug auf den Kläger bis zum 6. März 2016 verlängert wurden. Infolgedessen wurde die Liste entsprechend den angefochtenen Rechtsakten ersetzt.

17

Aufgrund dieser Änderungen wurde der Name des Klägers mit den Identifizierungsinformationen „Premierminister der Ukraine bis Januar 2014“ und mit folgender neuer Begründung auf der Liste belassen:

„Person ist Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung seitens der ukrainischen Behörden wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte.“

18

Mit Schreiben vom 6. März 2015 unterrichtete der Rat den Kläger, dass die gegen ihn getroffenen restriktiven Maßnahmen aufrechterhalten blieben.

Ereignisse nach Erhebung der Klage

19

Mit Urteil vom 28. Januar 2016, Azarov/Rat (T‑331/14, EU:T:2016:49), erklärte das Gericht den Beschluss 2014/119 und die Verordnung Nr. 208/2014, soweit sie den Kläger betrafen, für nichtig.

20

Am 4. März 2016 erließ der Rat den Beschluss (GASP) 2016/318 zur Änderung des Beschlusses 2014/119 (ABl. 2016, L 60, S. 76) und die Durchführungsverordnung (EU) 2016/311 zur Durchführung der Verordnung Nr. 208/2014 (ABl. 2016, L 60, S. 1). Durch diese Rechtsakte wurden die restriktiven Maßnahmen u. a. in Bezug auf den Kläger bis zum 6. März 2017 verlängert.

21

Der Beschluss 2016/318 und die Durchführungsverordnung 2016/311 sind Gegenstand einer neuen, vom Kläger am 27. April 2016 beim Gericht eingereichten Klage (Rechtssache T‑190/16, Azarov/Rat).

Verfahren und Anträge der Parteien

22

Der Kläger hat mit Klageschrift, die am 29. April 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben. Er hat außerdem einen Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren nach Art. 76a der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 eingereicht.

23

Mit Beschluss vom 28. Mai 2015 hat das Gericht (Neunte Kammer) den Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren zurückgewiesen.

24

Am 7. Juli 2015 hat der Rat seine Klagebeantwortung eingereicht. Am 8. Juli 2015 hat er außerdem gemäß Art. 66 der Verfahrensordnung des Gerichts einen begründeten Antrag gestellt, den Inhalt bestimmter Dokumente in den Anlagen zur Klagebeantwortung in den öffentlich zugänglichen Unterlagen der vorliegenden Rechtssache nicht zu zitieren. Der Kläger hat seine Einwände gegen den Antrag auf vertrauliche Behandlung mitgeteilt.

25

Am 27. August 2015 haben der Kläger die Erwiderung und am 12. Oktober 2015 der Rat die Gegenerwiderung eingereicht.

26

Am 14. Oktober 2015 hat der Rat gemäß Art. 66 der Verfahrensordnung einen begründeten Antrag gestellt, den Inhalt einer Anlage zur Klageschrift und einer Anlage zur Gegenerwiderung in den öffentlich zugänglichen Unterlagen der vorliegenden Rechtssache nicht zu zitieren.

27

Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Sechsten Kammer zugeteilt worden, der deshalb die vorliegende Rechtssache zugewiesen worden ist.

28

Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht (Sechste Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

29

In der Sitzung vom 15. Dezember 2016 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

30

Der Kläger beantragt,

die angefochtenen Rechtsakte für nichtig zu erklären, soweit sie sie ihn betreffen;

bestimmte prozessleitende Maßnahmen zu beschließen;

dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

31

Der Rat beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise, die Wirkungen des Beschlusses 2015/364 bis zum Wirksamwerden der teilweisen Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung 2015/357 aufrechtzuerhalten;

dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

32

Der Kläger macht fünf Klagegründe geltend: erstens eine Verletzung der Begründungspflicht, zweitens eine Verletzung von Grundrechten, drittens einen Ermessensmissbrauch, viertens einen Verstoß gegen den Grundsatz der guten Verwaltung und fünftens einen offensichtlichen Beurteilungsfehler.

Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht

33

Nach Ansicht des Klägers hat der Rat seinen Beschluss, den Namen des Klägers auf der Liste zu belassen, nicht begründet. Insbesondere seien in der Spalte „Begründung“ weder die konkreten und spezifischen Gründe noch die sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte mitgeteilt worden, die zum Erlass der angefochtenen Rechtsakte geführt hätten; die Angaben entsprächen folglich nicht den von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an die Begründung und die Wahrung der Verteidigungsrechte. Zudem stelle es einen Verstoß gegen Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) dar, dass der Rat diese Begründung weder zeitgleich mit dem Erlass der restriktiven Maßnahmen noch so bald wie möglich nach deren Erlass mitgeteilt habe.

34

Der Kläger trägt weiter vor, dass die Begründungen der angefochtenen Rechtsakte, nach denen er „Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung“ sei, nicht stimmten, da sich das gegen ihn eingeleitete Strafverfahren erst im Anfangsstadium befinde. Der Vorwurf der Täterschaft der Veruntreuung sei unbegründet. Aus dem Dokument, auf das sich der Rat gestützt habe, ergebe sich nämlich nicht, dass der dort dargelegte Sachverhalt eine Veruntreuung darstelle.

35

In der Erwiderung wirft der Kläger dem Rat außerdem vor, den Inhalt der von den ukrainischen Behörden stammenden Dokumente lediglich übernommen zu haben, ohne eine eigenständige Beurteilung vorzunehmen.

36

Der Rat tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

37

Nach Art. 296 Abs. 2 AEUV sind „[d]ie Rechtsakte … mit einer Begründung zu versehen“.

38

Gemäß Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta, der Art. 6 Abs. 1 EUV den gleichen rechtlichen Rang wie den Verträgen zuerkennt, umfasst das Recht auf eine gute Verwaltung insbesondere „die Verpflichtung der Verwaltung, ihre Entscheidungen zu begründen.

39

Nach ständiger Rechtsprechung muss die nach Art. 296 AEUV und Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts und dem Kontext, in dem er erlassen worden ist, angepasst sein. Sie muss die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass der Betroffene ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen kann und das zuständige Gericht seine Kontrolle durchführen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. Urteil vom 14. April 2016, Ben Ali/Rat, T‑200/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:216, Rn. 94 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40

In der Begründung eines Rechtsakts brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung den Erfordernissen von Art. 296 AEUV und Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta genügt, nicht nur im Hinblick auf den Wortlaut des Rechtsakts zu beurteilen ist, sondern auch im Hinblick auf dessen Kontext und sämtliche Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet. Somit ist ein beschwerender Rechtsakt hinreichend begründet, wenn er in einem Zusammenhang ergangen ist, der dem Betroffenen bekannt war und ihm gestattet, die Tragweite der ihm gegenüber getroffenen Maßnahme zu verstehen. Ferner müssen die Anforderungen an die Genauigkeit, die an die Begründung eines Rechtsakts zu stellen sind, den tatsächlichen Möglichkeiten sowie den technischen und zeitlichen Bedingungen angepasst werden, unter denen der Rechtsakt ergeht (vgl. Urteil vom 14. April 2016, Ben Ali/Rat, T‑200/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:216, Rn. 95 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41

Insbesondere darf die Begründung für eine Maßnahme des Einfrierens von Geldern grundsätzlich nicht nur aus einer allgemeinen und stereotypen Formulierung bestehen. Sie muss vielmehr unter den oben in Rn. 40 gemachten Einschränkungen die spezifischen und konkreten Gründe enthalten, die den Rat zu der Annahme veranlasst haben, dass die einschlägige Regelung auf den Betroffenen anwendbar ist (vgl. Urteil vom 14. April 2016, Ben Ali/Rat, T‑200/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:216, Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42

Schließlich ist zu beachten, dass es sich bei der Verpflichtung, einen Rechtsakt zu begründen, um ein wesentliches Formerfordernis handelt, das von der Frage der sachlichen Richtigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört. Denn die Begründung eines Rechtsakts soll förmlich die Gründe zum Ausdruck bringen, auf denen dieser Rechtsakt beruht. Weisen diese Gründe Fehler auf, so beeinträchtigen diese die materielle Rechtmäßigkeit des Rechtsakts, nicht aber dessen Begründung, die, obwohl sie fehlerhafte Gründe enthält, zureichend sein kann (Urteile vom 22. März 2001, Frankreich/Kommission, C‑17/99, EU:C:2001:178, Rn. 35, und vom 15. November 2012, Rat/Bamba, C‑417/11 P, EU:C:2012:718, Rn. 60 und 61).

43

Vorliegend ist festzustellen, dass der Grund für die Aufnahme des Namens des Klägers in die Liste mit der anlässlich der Beibehaltung des Namens auf der Liste durch die angefochtenen Rechtsakte geänderten Formulierung (siehe oben, Rn. 17) spezifisch und konkret ist und die Anhaltspunkte genannt werden, auf die sich die Beibehaltung seines Namens auf der Liste gründet, nämlich der Umstand, dass der Kläger Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung seitens der ukrainischen Behörden wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte ist.

44

Außerdem ist die Aufrechterhaltung der restriktiven Maßnahmen gegen den Kläger in einem Kontext erfolgt, der ihm bekannt war, hatte er doch im Rahmen seines Schriftwechsels mit dem Rat von dem Schreiben vom 10. Oktober 2014 Kenntnis erlangt, auf das der Rat die Aufrechterhaltung dieser Maßnahmen gestützt hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. November 2012, Rat/Bamba, C‑417/11 P, EU:C:2012:718, Rn. 53 und 54 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 6. September 2013, Bank Melli Iran/Rat, T‑35/10 und T‑7/11, EU:T:2013:397, Rn. 88). In diesem Schreiben werden [vertraulich] angeführt. Zu dem betreffenden Kontext gehört ferner auch der Schriftwechsel zwischen dem Kläger und dem Rat im Rahmen der Rechtssache, in der das Urteil vom 28. Januar 2016, Azarov/Rat (T‑331/14, EU:T:2016:49), ergangen ist.

45

Aus alledem lässt sich folgern, dass in den angefochtenen Rechtsakten die tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, auf die sie sich ihrem Urheber zufolge gründen, rechtlich hinreichend angegeben sind.

46

Das Vorbringen des Klägers vermag diese Schlussfolgerung nicht in Frage zu stellen.

47

Was erstens den angeblich stereotypen Charakter des Grundes für die Aufnahme in die Liste betrifft, ist festzustellen, dass die in diesem Grund genannten Erwägungen zwar die gleichen sind, aus denen die anderen in der Liste aufgeführten natürlichen Personen restriktiven Maßnahmen unterworfen wurden, sie aber gleichwohl die konkrete Situation des Klägers umreißen sollen, gegen den – ebenso wie gegen andere – nach Angaben des Rates justizielle Verfahren im Zusammenhang mit Ermittlungen wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder in der Ukraine anhängig waren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 2014, Ezz u. a./Rat, T‑256/11, EU:T:2014:93, Rn. 115).

48

Was zweitens den Umstand betrifft, dass die Begründung der angefochtenen Rechtsakte von denen der Rechtsakte vom März 2014 abweicht, ist – wie der Rat hervorhebt – festzustellen, dass die Begründung der angefochtenen Rechtsakte ausreichend ist und der Umstand, dass andere Rechtsakte eine leicht abweichende Begründung enthalten, daher keinen Grund für die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Rechtsakte darstellen kann.

49

Drittens ist zu dem Vorbringen des Klägers, die Begründung in den angefochtenen Rechtsakten weiche von den Angaben im Schreiben vom 10. Oktober 2014 ab, festzustellen, dass dieses Schreiben auf [vertraulich] Bezug nimmt. Dass dieses Schreiben auch auf [vertraulich] Bezug nimmt, ist für die Frage, ob die Begründungspflicht verletzt ist, unerheblich.

50

Was schließlich das Vorbringen des Klägers zur Glaubhaftigkeit der Begründung betrifft, ist festzustellen, dass es hierbei um die sachliche Richtigkeit der Begründung geht, so dass es gemäß der oben in Rn. 42 angeführten Rechtsprechung nachstehend im Rahmen des fünften Klagegrundes geprüft werden wird.

51

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund: Verletzung von Grundrechten

52

Der zweite Klagegrund besteht aus vier Teilen; mit dem ersten wird eine Verletzung des Eigentumsrechts, mit dem zweiten eine Verletzung der unternehmerischen Freiheit, mit dem dritten die Unverhältnismäßigkeit der betreffenden restriktiven Maßnahmen und mit dem vierten eine Verletzung der Verteidigungsrechte gerügt.

53

Zunächst ist der vierte Teil zu prüfen, mit dem eine Verletzung der Verteidigungsrechte gerügt wird, und anschließend nacheinander die Teile, mit denen eine Verletzung des Eigentumsrechts bzw. der unternehmerischen Freiheit sowie eine Unverhältnismäßigkeit der restriktiven Maßnahmen beanstandet werden.

Zum vierten Teil: Verletzung der Verteidigungsrechte

54

Der Kläger wirft dem Rat im Wesentlichen vor, sein Recht auf Anhörung verletzt zu haben, da er ihm Informationen mitgeteilt habe, die nicht hinreichend genau gewesen seien, um ihm zu ermöglichen, zu den ihm zur Last gelegten Gesichtspunkten sachdienlich Stellung zu nehmen. Insbesondere habe das Schreiben vom 10. Oktober 2014 nur vage und allgemeine Erwägungen enthalten und daher den Anforderungen an einen effektiven Rechtsschutz nicht genügt. Außerdem habe sich der Rat nicht mit seinen Ausführungen auseinandergesetzt, die belegen sollten, dass er die ihm vorgeworfenen Delikte gar nicht habe begehen können. Ferner habe der Rat auch zahlreiche von den ukrainischen Behörden begangene Verstöße gegen die am 4. November 1950 in Rom unterzeichnete Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) nicht berücksichtigt.

55

Der Rat tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

56

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Grundrecht auf Wahrung der Verteidigungsrechte in einem Verfahren, das dem Erlass einer restriktiven Maßnahme vorausgeht, ausdrücklich in Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta verankert ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2011, Frankreich/People’s Mojahedin Organization of Iran, C‑27/09 P, EU:C:2011:853, Rn. 66).

57

Vor dem Erlass eines Folgebeschlusses über das Einfrieren von Geldern, nach dem eine Person oder Organisation, die bereits auf der Liste der Personen und Organisationen, deren Gelder eingefroren werden, aufgeführt ist, dort verbleibt, müssen grundsätzlich die belastenden Umstände mitgeteilt und muss der betroffenen Person oder Organisation Gelegenheit zur Anhörung gegeben werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2011, Frankreich/People’s Mojahedin Organization of Iran, C‑27/09 P, EU:C:2011:853, Rn. 62).

58

Dieses Recht auf vorherige Anhörung muss gewahrt werden, wenn der Rat zulasten der Person, gegen die sich die restriktive Maßnahme richtet und deren Name auf der fraglichen Liste verbleibt, neue Erkenntnisse berücksichtigt hat (Urteile vom 18. Juni 2015, Ipatau/Rat, C‑535/14 P, EU:C:2015:407, Rn. 26, und vom 13. September 2013, Makhlouf/Rat, T‑383/11, EU:T:2013:431, Rn. 43).

59

Vorliegend ist zu bemerken, dass Art. 2 Abs. 2 und 3 des Beschlusses 2014/119 und Art. 14 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 208/2014 vorsehen, dass der Rat die betreffende natürliche oder juristische Person, Organisation oder Einrichtung entweder unmittelbar, falls ihre Anschrift bekannt ist, oder durch die Veröffentlichung einer Bekanntmachung von seinem Beschluss, einschließlich der Gründe für die Aufnahme ihres Namens in die Liste, in Kenntnis setzt und dabei dieser Person, Organisation oder Einrichtung Gelegenheit zur Stellungnahme gibt. Wird eine Stellungnahme abgegeben oder werden stichhaltige neue Beweise vorgelegt, so überprüft der Rat seinen Beschluss und unterrichtet die betreffende natürliche oder juristische Person, Organisation oder Einrichtung entsprechend. Zudem wird der Beschluss 2014/119 seinem Art. 5 Abs. 3 zufolge fortlaufend überprüft und nach Art. 14 Abs. 4 der Verordnung Nr. 208/2014 wird die Liste regelmäßig, mindestens alle zwölf Monate überprüft. Die angefochtenen Akte stützen sich auf diese ursprünglichen Rechtsakte, nämlich die Rechtsakte vom März 2014, und wirken sich dahin aus, dass die Gelder nach der entsprechenden Überprüfung der Liste durch den Rat weiter eingefroren bleiben.

60

Insoweit ist im Hinblick auf den oben in Rn. 58 dargestellten Rechtsprechungsgrundsatz festzustellen, dass der Rat, als er den Namen des Klägers auf der Liste belassen hat, neue Erkenntnisse zugrunde gelegt hat, die dem Kläger nach der erstmaligen Aufnahme seines Namens in die Liste noch nicht mitgeteilt worden waren.

61

Zum einen nämlich stimmt die Begründung der angefochtenen Rechtsakte nicht mit der Begründung für die erstmalige Aufnahme des Namens des Klägers in die Liste überein (vgl. oben, Rn. 7 und 16). Zum anderen stützt sich der Rat auf neue Beweise, nämlich das Schreiben vom 10. Oktober 2014.

62

Somit war der Rat verpflichtet, den Kläger vor dem Erlass der angefochtenen Rechtsakte anzuhören.

63

Aus den Akten der Rechtssache geht hervor, dass der Rat, nachdem er mit seinem Schreiben vom 2. Februar 2015 den Kläger darauf aufmerksam gemacht hatte, dass das Benennungskriterium durch die diesem Schreiben beigefügten Rechtsakte vom Januar 2015 geändert worden sei (siehe oben, Rn. 12 und 13), und er die ihm zur Kenntnis gebrachten Argumente des Klägers geprüft hatte, dem Kläger mitteilte, dass er beabsichtige, die gegenüber diesem getroffenen restriktiven Maßnahmen aufrechtzuerhalten. So verwies er auf das Schreiben vom 10. Oktober 2014, das er dem Schreiben vom 2. Februar 2015 als Beweis beifügte, um die Aufnahme des Namens des Klägers in die Liste zu rechtfertigen, und gab ihm schließlich Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Schreiben vom 18. Februar 2015 wandte sich der Kläger tatsächlich an den Rat und legte ihm dabei ergänzende Beweise zur Stützung seines Antrags auf Überprüfung der Aufnahme seines Namens in die Liste vor.

64

Darüber hinaus nahm der Rat unmittelbar nach dem Erlass der angefochtenen Rechtsakte mit Schreiben vom 6. März 2015 zu den Bemerkungen, die der Kläger in seinem Schreiben vom 18. Februar 2015 gemacht hatte, Stellung und wies diese zurück. Ferner übermittelte der Rat dem Kläger die angefochtenen Rechtsakte und gab ihm Gelegenheit zu einer weiteren Stellungnahme. Mit Schreiben vom 27. März 2015 gab der Rat darüber hinaus dem in einer E‑Mail vom 9. März 2015 enthaltenen Ersuchen des Klägers statt, ihm Zugang zu bestimmten Dokumenten des Rates zu gewähren.

65

In Anbetracht dieser Umstände ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass der Rat in dem Verfahren, das mit dem Erlass der angefochtenen Rechtsakte abgeschlossen wurde, seinen Pflichten in Bezug auf die Wahrung der Verteidigungsrechte des Klägers Genüge getan hat. Der Kläger hatte nämlich Zugang zu den Informationen und Beweisen, mit denen die Aufrechterhaltung der restriktiven Maßnahmen ihm gegenüber begründet wurde, und konnte rechtzeitig Stellung nehmen sowie die vorliegende Klage erheben und sich dabei zu seiner Verteidigung auf den einschlägigen Akteninhalt berufen.

66

Das weitere Vorbringen des Klägers vermag diese Schlussfolgerung nicht in Frage zu stellen.

67

Erstens soll – wie der Rat bemerkt – mit dem Vorbringen des Klägers, die ihm mitgeteilten Informationen seien vage und nicht hinreichend genau, eher eine angebliche Verletzung der Begründungspflicht durch den Rat gerügt werden. Insoweit ist auf die obige Würdigung des ersten Klagegrundes zu verweisen.

68

Was zweitens das Vorbringen des Klägers betrifft, dass seine Verteidigungsrechte von den ukrainischen Behörden verletzt worden seien, ist in Übereinstimmung mit dem Rat zu bemerken, dass sich der Kläger nicht auf eine Verletzung seiner Verteidigungsrechte oder eine andere Unregelmäßigkeit berufen kann, die im Rahmen der in der Ukraine anhängigen Verfahren begangen worden sein soll, um eine Verletzung seiner Verteidigungsrechte im Rahmen des Verfahrens geltend zu machen, das den Rat zur Verlängerung der streitigen restriktiven Maßnahmen veranlasst hat; denn eine Verletzung der Verteidigungsrechte kann sich nur auf deren Verletzung durch die Organe der Europäischen Union beziehen. Was zudem speziell die angebliche Rechtswidrigkeit der Verweigerung der Akteneinsicht betrifft, die durch eine Entscheidung des Bezirksgerichts Petschersk in Kiew vom 5. März 2015 festgestellt worden sei, genügt der Hinweis, dass diese Gerichtsentscheidung am selben Tag erlassen wurde wie die angefochtenen Rechtsakte und sich deshalb in keiner Weise auf deren Rechtmäßigkeit auswirken kann.

69

Drittens ist zu dem Vorbringen, der Rat habe sich mit den Informationen begnügt, die er [vertraulich] erhalten habe, ohne in Anbetracht der ihm vom Kläger genannten Gesichtspunkte ergänzende Informationen anzufordern, festzustellen, dass dieses Vorbringen nicht zwangsläufig bedeutet, dass der Kläger keine Möglichkeit hatte, seinen Standpunkt darzulegen, und dieses Vorbringen somit keine Verletzung der Verteidigungsrechte des Klägers erkennen lässt.

70

Soweit im Übrigen dieses Vorbringen so zu verstehen ist, dass mit ihm sinngemäß gerügt werden soll, dass der Rat bei der Würdigung der ihm vorliegenden Beweise einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe, ist es nachstehend im Rahmen des fünften Klagegrundes zu prüfen.

71

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist der vierte Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.

Zum ersten Teil: Verletzung des Eigentumsrechts

72

Der Kläger hält die angefochtenen Rechtsakte für einen Eingriff in sein in Art. 17 Abs. 1 der Charta verankertes Eigentumsrecht. Das gegen ihn angeordnete Einfrieren von Vermögenswerten komme einer faktischen Enteignung gleich, was sich auch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ergebe. Die Beschränkungen, die mit den angefochtenen Rechtsakten auferlegt worden seien, die auf bloßen Behauptungen beruhten, seien ohne die vom Unionsrecht vorgesehenen Verfahrensgarantien erlassen worden. Der Rat habe nicht nachgewiesen, dass der Kläger bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Rechtsakte wegen der Taten verfolgt worden sei, die in der Begründung für die Aufnahme in die Liste angeführt würden. Die Beschränkung seines Eigentumsrechts könne daher nicht als „gesetzlich vorgesehen“ im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Grundrechtecharta angesehen werden. Außerdem habe der Rat das Vorliegen der Voraussetzungen für Eingriffe in Grundrechte nicht nachgewiesen.

73

Der Rat tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

74

In Art. 17 Abs. 1 der Charta heißt es:

„Jede Person hat das Recht, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn aus Gründen des öffentlichen Interesses in den Fällen und unter den Bedingungen, die in einem Gesetz vorgesehen sind, sowie gegen eine rechtzeitige angemessene Entschädigung für den Verlust des Eigentums. Die Nutzung des Eigentums kann gesetzlich geregelt werden, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist.“

75

Art. 52 Abs. 1 der Charta sieht zum einen vor, dass jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten muss, und zum anderen, dass Einschränkungen unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nur vorgenommen werden dürfen, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

76

Nach der Rechtsprechung bedeutet das Einfrieren von Geldern unbestreitbar eine Beschränkung der Ausübung des Eigentumsrechts (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461, Rn. 358).

77

Im vorliegenden Fall ist das Eigentumsrecht des Klägers tatsächlich eingeschränkt, da er u. a. über seine im Unionsgebiet befindlichen Gelder nicht oder nur mit Sondergenehmigungen verfügen kann und ihm weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden dürfen. Da sich die angefochtenen Rechtsakte dahin ausgewirkt haben, dass die Guthaben des Klägers bis zum 6. März 2016 eingefroren blieben, haben sie den Kläger bis zu diesem Zeitpunkt zwangsläufig in der Ausübung seines Eigentumsrechts eingeschränkt.

78

Das von Art. 17 Abs. 1 der Charta geschützte Eigentumsrecht beansprucht allerdings keine absolute Geltung und kann folglich unter den in Art. 52 Abs. 1 der Charta genannten Voraussetzungen eingeschränkt werden (vgl. Urteil vom 27. Februar 2014, Ezz u. a./Rat, T‑256/11, EU:T:2014:93, Rn. 195 und die dort angeführte Rechtsprechung).

79

Wie aus Art. 52 Abs. 1 der Charta hervorgeht, muss eine Einschränkung der Ausübung dieses Rechts, um unionsrechtskonform zu sein, drei Voraussetzungen genügen.

80

Erstens muss die Einschränkung „gesetzlich vorgesehen sein“. Mit anderen Worten: Die Maßnahme muss eine gesetzliche Grundlage haben. Zweitens muss die Einschränkung eine dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung haben, die als solche von der Union anerkannt ist. Dazu gehören die im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) verfolgten und in Art. 21 Abs. 2 EUV genannten Ziele. Drittens darf die Einschränkung nicht unverhältnismäßig sein. Zum einen muss sie in Bezug auf das verfolgte Ziel erforderlich und angemessen sein. Zum anderen darf der „Wesensgehalt“, d. h. die Substanz, des fraglichen Rechts oder der in Rede stehenden Freiheit nicht beeinträchtigt werden (vgl. Urteil vom 27. Februar 2014, Ezz u. a./Rat, T‑256/11, EU:T:2014:93, Rn. 197 bis 200 und die dort angeführte Rechtsprechung).

81

Im vorliegenden Fall ist jede dieser drei Voraussetzungen erfüllt.

82

Erstens nämlich ist die Einschränkung gesetzlich vorgesehen, da die Beibehaltung des Namens des Klägers auf der Liste dem Kriterium für die Aufnahme in die Liste entspricht, das ursprünglich in Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2014/119 in der durch den Beschluss 2015/143 geänderten Fassung vorgesehen war und das die angefochtenen Rechtsakte nicht geändert haben, wonach gegen die betreffende Person ein Strafverfahren wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder anhängig sein muss.

83

Zweitens stehen die angefochtenen Rechtsakte im Einklang mit dem in Art. 21 Abs. 2 Buchst. b EUV genannten Ziel, wie sich aus dem zweiten Erwägungsgrund des Beschlusses 2014/119 ergibt, wonach die in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen die Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine stärken und unterstützen sollen. Damit sind diese Rechtsakte Teil einer Politik zur Unterstützung der ukrainischen Behörden, die der politischen und wirtschaftlichen Stabilisierung der Ukraine dienen und speziell den Behörden dieses Landes bei ihrem Kampf gegen die Veruntreuung öffentlicher Gelder helfen soll.

84

Was drittens die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in das Eigentumsrecht des Klägers betrifft, ist daran zu erinnern, dass nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als allgemeinem Grundsatz des Unionsrechts die Handlungen der Unionsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten dürfen, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist. Somit ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen; ferner müssen die verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen (vgl. Urteil vom 5. März 2015, Ezz u. a./Rat, C‑220/14 P, EU:C:2015:147, Rn. 205 und die dort angeführte Rechtsprechung).

85

Der Rechtsprechung zufolge sind die mit den restriktiven Maßnahmen verbundenen Nachteile im Hinblick auf die angestrebten Ziele nicht unverhältnismäßig, da diese Maßnahmen zum einen ihrer Natur nach befristet und reversibel sind und daher den „Wesensgehalt“ des Eigentumsrechts nicht beeinträchtigen und von ihnen zum anderen Ausnahmen gemacht werden dürfen, um die Grundbedürfnisse, die Gerichtskosten oder auch die außergewöhnlichen Kosten der betroffenen Personen zu decken (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 2014, Ezz u. a./Rat, T‑256/11, EU:T:2014:93, Rn. 209 und die dort angeführte Rechtsprechung).

86

Im Übrigen tragen die in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen auf wirksame Weise dazu bei, die Feststellung der Veruntreuung öffentlicher Gelder und zudem deren Rückerstattung zu erleichtern; der Kläger trägt außerdem nichts vor, was belegen könnte, dass diese Maßnahmen nicht geeignet seien oder andere, weniger belastende Maßnahmen zur Erreichung der angestrebten Ziele zur Verfügung stünden.

87

Daher ist auch der erste Teil des zweiten Klagegrundes zu verwerfen.

Zum zweiten Teil: Verletzung der unternehmerischen Freiheit

88

Nach Ansicht des Klägers verstoßen die angefochtenen Rechtsakte gegen Art. 16 der Charta, der die Freiheit, eine Wirtschafts- oder Geschäftstätigkeit auszuüben, die Vertragsfreiheit und den freien Wettbewerb umfasse. Da die angefochtenen Rechtsakte nicht nur das Einfrieren von Geldern, sondern das Einfrieren aller wirtschaftlichen Ressourcen vorsähen, machten sie die Ausübung einer unternehmerischen Tätigkeit praktisch unmöglich. Diese Maßnahmen seien im Hinblick auf die verfolgten Ziele auch unverhältnismäßig, da zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Rechtsakte insbesondere durch den Kläger keine Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte in der Ukraine mehr ausgegangen sei, weil er kein politisches Amt mehr ausgeübt und sich außer Landes befunden habe.

89

Der Rat tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

90

Nach Art. 16 der Charta „[wird d]ie unternehmerische Freiheit … nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten anerkannt“.

91

Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass eine restriktive Maßnahme zwar erhebliche negative Folgen für das Berufsleben der betroffenen Person haben und einen bedeutenden Eingriff in dieses darstellen kann, sie aber lediglich die Vermögenswerte des Klägers einfrieren soll, und zwar zur Sicherung. Dabei verfolgt sie nicht das unmittelbare Ziel, die betroffene Person zu hindern, gewerbliche Tätigkeiten mit Gewinnerzielungsabsicht innerhalb der Union auszuüben (vgl. Urteil vom 14. April 2016, Ben Ali/Rat, T‑200/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:216, Rn. 253 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im Übrigen hat der Kläger keinen konkreten Anhaltspunkt genannt, der belegt, dass er eine Wirtschaftstätigkeit in der Union ausübt oder auszuüben beabsichtigt oder dass das Einfrieren seiner Gelder bestehenden Wirtschaftstätigkeiten schadete.

92

Jedenfalls hat der Gerichtshof in Bezug auf die Freiheit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit entschieden, dass diese angesichts des Wortlauts von Art. 16 der Charta einer Vielzahl von Eingriffen der öffentlichen Gewalt unterworfen werden kann, die im allgemeinen Interesse die Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit beschränken können (vgl. Urteil vom 28. November 2013, Rat/Manufacturing Support & Procurement Kala Naft, C‑348/12 P, EU:C:2013:776, Rn. 123 und die dort angeführte Rechtsprechung).

93

Sofern im vorliegenden Fall davon auszugehen sein sollte, dass die streitigen Maßnahmen tatsächlich die wirtschaftlichen Rechte, auf die sich der Kläger beruft, einschränken, ist erstens festzustellen, dass diese Einschränkung, die der Beschluss 2014/119 in einer Vorschrift mit allgemeiner Geltung vorgibt, gesetzlich vorgesehen ist (siehe oben, Rn. 82).

94

Zweitens dient diese Einschränkung dem von den streitigen Maßnahmen verfolgten Gemeinwohlziel (siehe oben, Rn. 83).

95

Drittens steht eine solche Einschränkung auch nicht außer Verhältnis zu diesem Ziel. Der Kläger nennt insoweit keinen Gesichtspunkt, der geeignet wäre, die Verhältnismäßigkeit einer solchen Einschränkung in Frage zu stellen. Er macht insbesondere nicht geltend, dass es eine weniger belastende Maßnahme gebe als die streitige, die gleichwohl zur Verwirklichung der von den angefochtenen Rechtsakten verfolgten Ziele geeignet wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. April 2016, Ben Ali/Rat, T‑200/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:216, Rn. 257 und die dort angeführte Rechtsprechung).

96

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist der zweite Teil des zweiten Klagegrundes zu verwerfen.

Zum dritten Teil: Unverhältnismäßigkeit der restriktiven Maßnahmen

97

Nach Ansicht des Klägers ist die Verhängung der restriktiven Maßnahmen unverhältnismäßig, da das Vermögen in unbeschränkter Höhe eingefroren worden sei, was in keinem Verhältnis zum Zweck dieser Maßnahmen stehe. Im vorliegenden Fall sei nämlich weder die Höhe der von dem vorgeworfenen Delikt betroffenen staatlichen Gelder noch die Höhe der eingefrorenen Gelder bzw. wirtschaftlichen Ressourcen ermittelt worden. Die Überlegungen des Rates in Bezug auf die Schwierigkeiten bei der Begrenzung der Vermögenswerte seien nicht gerechtfertigt. Zudem habe der Rat die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen nachzuweisen.

98

Der Rat tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

99

Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als allgemeinem Grundsatz des Unionsrechts dürfen die Handlungen der Unionsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist. Somit ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen; ferner müssen die verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen (vgl. Urteil vom 27. Februar 2014, Ezz u. a./Rat, T‑256/11, EU:T:2014:93, Rn. 205 und die dort angeführte Rechtsprechung).

100

Allerdings konnte der Rat – worauf er zutreffend hinweist – mangels einer gerichtlichen Entscheidung über die Begründetheit der gegen den Kläger in der Ukraine erhobenen Vorwürfe zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidungen weder die Art der mutmaßlich veruntreuten staatlichen Gelder kennen noch selbst deren Umfang angeben. Er war somit nicht in der Lage, zwischen den Vermögenswerten, die möglicherweise infolge der fraglichen Veruntreuungen in das Vermögen des Klägers gelangt sind, und den übrigen Gütern, aus denen sich dessen Vermögen zusammensetzt, zu unterscheiden. Unter diesen Bedingungen war es dem Rat unmöglich, eine Entscheidung zu erlassen, mit der z. B. ein Teil der Gelder des Klägers eingefroren wird.

101

Außerdem ist – selbst wenn anzunehmen wäre, dass der Kläger geltend macht, dass ein Einfrieren von Geldern nicht gerechtfertigt sei, soweit es den Wert der mutmaßlich veruntreuten Vermögenswerte übersteige, wie er sich aus den Informationen ergebe, über die der Rat verfügte – festzustellen, dass [vertraulich] nur einen Anhaltspunkt für den Wert der Vermögenswerte, die unterschlagen worden sein sollen, darstellt und jedes Bestreben, den Umfang der eingefrorenen Gelder zu beschränken – wie der Rat zutreffend hervorhebt –, äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich in die Praxis umzusetzen wäre.

102

Im Übrigen sind – wie oben in Rn. 85 ausgeführt worden ist – die streitigen Maßnahmen zum einen ihrer Natur nach befristet und reversibel und beeinträchtigen daher den „Wesensgehalt“ des Eigentumsrechts nicht; zum anderen dürfen von ihnen Ausnahmen gemacht werden, um die Grundbedürfnisse, die Gerichtskosten oder auch die außergewöhnlichen Kosten der betroffenen Personen zu decken.

103

Nach alledem ist der dritte Teil des zweiten Klagegrundes zu verwerfen und somit der zweite Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

Zum dritten Klagegrund: Ermessensmissbrauch

104

Der Kläger trägt vor, dass der Rat restriktive Maßnahmen gegen ihn verhängt habe, ohne über Beweise für die Taten zu verfügen, die als Begründung dafür geltend gemacht worden seien, die Beibehaltung seines Namens auf der Liste zu rechtfertigen. Ermessensmissbrauch liege auch dann vor, wenn ein rechtmäßiges Ziel verfolgt werde, das Ergebnis des Rechtsakts jedoch der Erreichung dieses Ziels nicht diene. Durch das Einfrieren von Geldern könne das Ziel der Stärkung und Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit sowie der Achtung der Menschenrechte in der Ukraine weder generell noch in Bezug auf den Kläger erreicht werden, da dieser, als die angefochtenen Maßnahmen erlassen worden seien, kein politisches Amt mehr ausgeübt habe. Im Übrigen hätten die ukrainischen Behörden auch mehrere Monate nach der Verhängung dieser Maßnahmen keine Nachweise erbracht, die die Aufnahme des Namens des Klägers in die Liste rechtfertigten. Schließlich würden die betreffenden Maßnahmen unter den vorliegenden Umständen den ukrainischen Behörden nicht bei der Wiedererlangung der veruntreuten öffentlichen Gelder helfen.

105

Der Rat tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

106

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass eine Rechtshandlung nach ständiger Rechtsprechung nur dann ermessensmissbräuchlich ist, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, dass sie ausschließlich oder zumindest vorwiegend zu anderen als den angegebenen Zwecken oder mit dem Ziel erlassen worden ist, ein Verfahren zu umgehen, das speziell vorgesehen ist, um die konkrete Sachlage zu bewältigen (vgl. Urteil vom 14. Oktober 2009, Bank Melli Iran/Rat, T‑390/08, EU:T:2009:401, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

107

Im vorliegenden Fall wurden mit den Rechtsakten vom März 2014, sowohl in ihrer ursprünglichen Fassung als auch in den durch die Rechtsakte vom Januar 2015 und die angefochtenen Rechtsakte geänderten Fassungen, restriktive Maßnahmen gegen Personen verhängt, die als für die Veruntreuung von Geldern des ukrainischen Staates verantwortlich identifiziert worden waren, um die Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine zu unterstützen.

108

Wie bereits oben in Rn. 83 ausgeführt, ist festzustellen, dass das Ziel des Beschlusses 2014/119 einem der Ziele entspricht, die in Art. 21 Abs. 2 Buchst. b EUV genannt sind, der vorsieht, dass die Union die gemeinsame Politik sowie Maßnahmen festlegt, diese durchführt und sich für ein hohes Maß an Zusammenarbeit auf allen Gebieten der internationalen Beziehungen einsetzt, um u. a. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, die Menschenrechte und die Grundsätze des Völkerrechts zu festigen und zu fördern; dieses Ziel kann mit den streitigen Maßnahmen erreicht werden.

109

Dieses Ziel lässt sich insbesondere durch ein Einfrieren von Geldern erreichen, dessen Anwendungsbereich sich wie hier auf die als für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine verantwortlich identifizierten Personen und die mit den Erstgenannten verbundenen Personen beschränkt, d. h. auf Personen, deren Handlungen das ordnungsgemäße Funktionieren der öffentlichen Organe und der mit ihnen verbundenen Einrichtungen beeinträchtigt haben können (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteile vom 28. Mai 2013, Trabelsi u. a./Rat, T‑187/11, EU:T:2013:273, Rn. 92, vom 28. Mai 2013, Chiboub/Rat, T‑188/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:274, Rn. 53, und vom 2. April 2014, Ben Ali/Rat, T‑133/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:176, Rn. 70).

110

Der Kläger hat im Übrigen nicht dargetan, dass der Rat durch den Erlass der angefochtenen Rechtsakte oder der Rechtsakte vom März 2014 in der durch die Rechtsakte vom Januar 2015 geänderten Fassung in erster Linie ein anderes Ziel als das der Stärkung und Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine verfolgte.

111

Erstens ist nämlich in Übereinstimmung mit dem Rat festzustellen, dass das angebliche Fehlen konkreter Beweise zur Rechtfertigung der Beibehaltung des Namens des Klägers auf der Liste unerheblich ist, da die Frage, ob sich die restriktiven Maßnahmen auf eine hinreichend gesicherte tatsächliche Grundlage stützen, keine Auswirkung auf die Frage hat, ob der Rat zu anderen als den angegebenen Zwecken gehandelt oder versucht hat, das Verfahren für den Erlass restriktiver Maßnahmen zu umgehen.

112

Was zweitens das Vorbringen betrifft, dass das von den angefochtenen Rechtsakten verfolgte Ziel, nämlich die Stärkung und Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine, in Bezug auf den Kläger nicht habe erreicht werden können, da dieser dort kein politisches Amt mehr ausübe, ist darauf hinzuweisen, dass dieses Ziel auch Hilfe für die ukrainischen Behörden bei der Wiedererlangung veruntreuter öffentlicher Gelder einschließt und die angefochtenen Rechtsakte zur Verwirklichung dieses Ziels beitragen (siehe oben, Rn. 86), was unabhängig davon gilt, ob der Kläger noch politische Funktionen innerhalb der ukrainischen Regierung ausübt.

113

Der dritte Klagegrund ist folglich zurückzuweisen.

Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der guten Verwaltung

114

Der Kläger trägt vor, dass die angefochtenen Rechtsakte in mehrfacher Hinsicht den in Art. 41 der Charta verankerten Grundsatz der guten Verwaltung verletzten. Dieser Grundsatz umfasse das Recht, gehört zu werden, das ein Recht des Betroffenen auf Unterrichtung über die Eröffnung eines Verfahrens und dessen Gegenstand sowie die Möglichkeit zur Stellungnahme zu den Tatsachen und rechtlichen Aspekten einschließe. Dazu gehöre, dass die zuständige Behörde diese Stellungnahme bei ihrer Entscheidungsfindung zu berücksichtigen habe; Ausnahmen seien eng auszulegen. Das Recht, gehört zu werden, schließe außerdem das Recht auf unparteiische Behandlung ein, was den Rat daran hindere, auf Basis einseitiger Angaben restriktive Maßnahmen zu verhängen.

115

Weiter sei das Recht auf eine faire Behandlung, das sich aus dem Grundsatz der guten Verwaltung ergebe, im vorliegenden Fall verletzt worden, da die für die Beibehaltung seines Namens auf der Liste angeführte Begründung nicht durch Fakten untermauert gewesen sei. Es habe daher kein unparteiisches Verfahren gegeben, da der Rat Schreiben eines Drittstaats ohne Ermittlungen in die Akte übernommen habe.

116

Schließlich trägt der Kläger vor, dass der Grundsatz der guten Verwaltung eine sorgfältige Sachverhaltsermittlung erfordere, die im vorliegenden Fall nicht erfolgt sei. Im Übrigen belege die Tatsache, dass es der Rat versäumt habe, insbesondere unter Berücksichtigung der Informationen, die er ihm vorgelegt habe, die Fakten und die Rechtslage in der Ukraine zu überprüfen, dessen Parteilichkeit und die unfaire Behandlung des Klägers.

117

Der Rat tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

118

Im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes rügt der Kläger einen Verstoß gegen den Grundsatz der guten Verwaltung, indem er eine Reihe von Rechten – wie das Recht, angehört zu werden, das das Recht auf Unterrichtung über die Eröffnung eines Verfahrens und dessen Gegenstand sowie das Recht zur Stellungnahme zu den Tatsachen und rechtlichen Aspekten einschließe – und bestimmte Pflichten – wie die Pflicht der Verwaltung zur Begründung von Entscheidungen, zu sorgfältiger Ermittlung des Sachverhalts sowie zu Unparteilichkeit und zu fairer Behandlung – anführt.

119

Die Mehrzahl der angeblichen Verstöße gegen diese Rechte hat der Kläger aber bereits im Rahmen des ersten und des zweiten Klagegrundes geltend gemacht. In Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger sein Vorbringen nicht konkretisiert, ist eine erneute Prüfung dieser Rügen im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes nicht geboten.

120

Was speziell die Rüge der angeblichen Verletzung der Pflicht zu Unparteilichkeit und zu fairer Behandlung betrifft, ist, soweit der Kläger damit beanstandet, dass es für die angeführte Begründung der restriktiven Maßnahmen „an den dafür erforderlichen Fakten [fehlt]“, darauf hinzuweisen, dass diese Rüge im Rahmen der Beurteilung des fünften Klagegrundes geprüft werden wird. Soweit der Kläger diese Rüge auf den Umstand stützt, dass der Rat „Schreiben von Drittstaaten ohne Ermittlungen in einen Rechtsakt [übernommen hat]“, ist daran zu erinnern, dass der Rat zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Rechtsakte über das Schreiben vom 10. Oktober 2014 sowie die Stellungnahme des Klägers verfügte und unter Berücksichtigung dieser beiden Schriftstücke beschlossen hat, den Namen des Klägers auf der Liste zu belassen. Der Rat hat somit keinen Fehler begangen, als er gestützt auf diese beiden Schriftstücke die Beibehaltung des Namens des Klägers auf der Liste beschlossen hat. Im Übrigen ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass der Rat nicht zu systematischen eigenen Untersuchungen oder Nachprüfungen zur Erlangung ergänzender Informationen verpflichtet ist, wenn er sich für den Erlass restriktiver Maßnahmen gegenüber Personen, die aus einem Drittstaat stammen und dort Gegenstand justizieller Verfahren sind, auf von diesem Drittstaat vorgelegte Beweise stützt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. April 2016, Ben Ali/Rat, T‑200/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:216, Rn. 175).

121

Was schließlich die angebliche Verletzung der Pflicht zur sorgfältigen Ermittlung des Sachverhalts betrifft, ist festzustellen, dass der Kläger sein Vorbringen nicht substantiiert hat. Soweit diese Rüge so zu verstehen ist, dass damit beanstandet werden soll, dass der Rat keine weiter gehenden Ermittlungen durchgeführt und sich mit dem Schreiben vom 10. Oktober 2014 begnügt habe, gehört sie zum fünften Klagegrund, mit dem ein offensichtlicher Beurteilungsfehler beanstandet wird, und wird daher im Rahmen der Beurteilung dieses Klagegrundes geprüft werden.

122

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen.

Zum fünften Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler

123

Dem Kläger zufolge hat der Rat einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als er die betreffenden restriktiven Maßnahmen auf der Grundlage des Schreibens vom 10. Oktober 2014 verlängert habe; dieses Schreiben sei lediglich ein untauglicher Versuch, eine dem Kläger vorwerfbare Straftat zu konstruieren.

124

Die angefochtenen Rechtsakte enthielten nur sehr vage und lapidare Begründungen. Der Rat hätte, anstatt sich auf die Begründung in der Liste zu beschränken, zusätzliche konkretere Informationen vorlegen müssen.

125

Der Kläger beruft sich zudem auf mehrere Gesichtspunkte, um nachzuweisen, dass er die Veruntreuung öffentlicher Gelder [vertraulich] aus dem Staatshaushalt [vertraulich] nicht habe begehen können.

126

Erstens sei die Beschlussfassung [vertraulich] daher rechtmäßig gewesen. Zweitens habe der Kläger als Premierminister keine Befugnisse gehabt, die die Begehung der Straftat, derer ihn die ukrainischen Behörden verdächtigten, ermöglicht hätten. Jedenfalls ergebe sich aus einem rechtskräftigen Urteil eines unabhängigen ukrainischen Gerichts, dass die Verwendung der staatlichen Mittel für [vertraulich] rechtlich zulässig gewesen sei. Drittens sei bereits zuvor in der Entscheidung des Bezirksverwaltungsgerichts Kiew festgestellt worden, dass [vertraulich]. Somit seien keine staatlichen Mittel veruntreut worden. Die zweckentsprechende Verwendung der Haushaltsmittel sei ferner durch die betreffenden Unternehmen selbst bestätigt worden. Viertens habe es auch keine geheime Verabredung gegeben. Fünftens sei der Rat der Pflicht nicht nachgekommen, sorgfältig zu prüfen, ob die einschlägigen Regelungen der Ukraine einen Schutz seiner Verteidigungsrechte und des Rechts auf einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gewährleisteten und ob die Aufnahme seines Namens in die Liste auf eine hinreichend gesicherte tatsächliche Grundlage gestützt gewesen sei.

127

In der Erwiderung macht der Kläger zunächst geltend, dass, selbst wenn es [vertraulich] gegeben hätte [vertraulich] – wofür der Rat im Übrigen keinen Beweis habe –, dies den Anforderungen an eine sorgfältige Ermittlung des Sachverhalts nicht genüge. Außerdem habe der Rat mit dem Hinweis auf die Möglichkeit des Klägers, im Rahmen des ukrainischen Strafverfahrens den Wahrheitsgehalt des Verdachts gegen ihn zu bestreiten, die Möglichkeit verneint, den in Art. 48 der Charta verankerten Grundsatz der Unschuldsvermutung anzuwenden.

128

Ferner seien die ukrainischen Behörden trotz der Zeit, die seit der Einleitung des Verfahrens verstrichen sei, Beweise für das Delikt, dessen Begehung er verdächtigt werde, schuldig geblieben.

129

Weiter sei es ihm nicht möglich gewesen, seinen Standpunkt in der Ukraine zu vertreten, wie zahlreiche Gerichtsentscheidungen belegten, die er als Anlagen beifüge.

130

Schließlich sei es – entgegen der Ansicht des Rates – zum einen irrelevant, wenn ein Urteil in einem verwaltungsrechtlichen und nicht in einem strafrechtlichen Verfahren erlassen worden sei, da sich die Bedeutung eines Urteils daraus ergebe, dass es Vorfragen, die sich im Strafprozess stellten, rechtlich beantworte, und seien zum anderen Urteile zweiter Instanz nach ukrainischem Recht rechtskräftig.

131

Der Rat tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

132

Zunächst ist festzustellen, dass ab dem 7. März 2015 mit den angefochtenen Rechtsakten gegen den Kläger neue restriktive Maßnahmen auf der Grundlage des in Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2014/119 aufgestellten und durch den Beschluss 2015/143 präzisierten Aufnahmekriteriums verhängt wurden (siehe oben, Rn. 12). Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem Beschluss 2015/364 um eine selbständige Entscheidung handelt, die der Rat nach einer durch Art. 5 Abs. 3 des Beschlusses 2014/119 vorgesehenen regelmäßigen Überprüfung erlassen hat.

133

Außerdem ist daran zu erinnern, dass dieses Kriterium zum einen vorsieht, dass restriktive Maßnahmen gegen Personen erlassen werden, die „als … verantwortlich identifiziert“ wurden, dass öffentliche Gelder veruntreut wurden – wozu Personen zählen, die wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte der Ukraine „Gegenstand von Untersuchungen der ukrainischen Behörden sind“ –, und es zum anderen dahin auszulegen ist, dass es nicht abstrakt jede Veruntreuung öffentlicher Vermögenswerte erfasst, sondern nur solche Veruntreuungen öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte, die geeignet sind, die Achtung der Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine zu beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. September 2016, Klyuyev/Rat, T‑340/14, EU:T:2016:496, Rn. 91).

134

Der Name des Klägers wurde durch die angefochtenen Rechtsakte mit der Begründung auf der Liste belassen, er sei „Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung seitens der ukrainischen Behörden wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte“ (siehe oben, Rn. 17).

135

Auf dieser Grundlage ist zu prüfen, ob der Rat mit den angefochtenen Rechtsakten die Entscheidung, den Namen des Klägers auf der Liste zu belassen, unter Berücksichtigung der ihm zur Verfügung stehenden Beweise, des Grundes für die Beibehaltung des Namens auf der Liste sowie des vorgenannten maßgeblichen Kriteriums unparteilich und fair getroffen hat.

136

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Rat zwar über ein weites Ermessen verfügt, was die im Hinblick auf den Erlass restriktiver Maßnahmen zu berücksichtigenden allgemeinen Kriterien betrifft; die durch Art. 47 der Charta garantierte Wirksamkeit der gerichtlichen Kontrolle erfordert jedoch, dass der Unionsrichter, wenn er die Rechtmäßigkeit der Begründung prüft, die der Entscheidung zugrunde liegt, den Namen einer bestimmten Person in die Liste der restriktiven Maßnahmen unterliegenden Personen aufzunehmen oder darin zu belassen, sich vergewissert, dass diese Entscheidung, die eine individuelle Betroffenheit dieser Person begründet, auf einer hinreichend gesicherten tatsächlichen Grundlage beruht. Dies setzt eine Überprüfung der der Begründung dieser Entscheidung zugrunde liegenden Tatsachen voraus, so dass sich die gerichtliche Kontrolle nicht nur auf die Beurteilung der abstrakten Wahrscheinlichkeit der angeführten Gründe, sondern auch auf die Frage erstreckt, ob diese Gründe – oder zumindest einer von ihnen, der für sich genommen als ausreichend angesehen wird, um die betreffende Entscheidung zu stützen – hinreichend genau und konkret belegt sind (vgl. Urteil vom 21. April 2015, Anbouba/Rat, C‑605/13 P, EU:C:2015:248, Rn. 41 und 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

137

Außerdem ist – nach der Rechtsprechung, die zu Beschlüssen, Namen in einer Liste der von restriktiven Maßnahmen betroffenen Personen zu belassen, ergangen ist – die zuständige Unionsbehörde, wenn die betroffene Person oder Organisation zu der Begründung Stellung nimmt, verpflichtet, die Stichhaltigkeit der angeführten Gründe im Licht dieser Stellungnahme und der ihr gegebenenfalls beigefügten entlastenden Gesichtspunkte sorgfältig und unparteiisch zu prüfen (vgl. Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 114 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil vom 30. April 2015, Al-Chihabi/Rat, T‑593/11, EU:T:2015:249, Rn. 51).

138

Aus der Rechtsprechung ergibt sich außerdem, dass bei der Beurteilung der Natur, der Art und der Intensität des Beweises, der vom Rat verlangt werden kann, die Natur und der konkrete Umfang der restriktiven Maßnahmen sowie ihr Zweck zu berücksichtigen sind (vgl. Urteil vom 30. Juni 2016, Al Matri/Rat, T‑545/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:376, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

139

Der Beschluss 2014/119 fügt sich, wie sich aus seinen Erwägungsgründen 1 und 2 ergibt, in den allgemeineren Rahmen einer Politik zur Unterstützung der ukrainischen Behörden ein, die die politische Stabilisierung der Ukraine begünstigen soll. Er entspricht somit den Zielen der GASP, die insbesondere in Art. 21 Abs. 2 Buchst. b EUV definiert werden, wonach sich die Union für eine internationale Zusammenarbeit einsetzt, um Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, die Menschenrechte und die Grundsätze des Völkerrechts zu festigen und zu fördern (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 30. Juni 2016, Al Matri/Rat, T‑545/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:376, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

140

In diesem Rahmen sehen die streitigen restriktiven Maßnahmen das Einfrieren der Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen insbesondere der Personen vor, die „als für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine verantwortlich identifiziert“ wurden. Die Erleichterung der Wiedererlangung dieser Vermögenswerte ermöglicht es nämlich, die Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine zu stärken und zu unterstützen.

141

Folglich sollen die streitigen restriktiven Maßnahmen weder Fehlverhalten der betroffenen Personen ahnden noch diese durch Zwang von Fehlverhalten abbringen. Diese Maßnahmen bezwecken allein, den ukrainischen Behörden die Feststellung der begangenen Veruntreuungen öffentlicher Gelder zu erleichtern und die Möglichkeit zu erhalten, die veruntreuten Beträge wiedereinzuziehen. Sie haben somit reinen Sicherungscharakter (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 30. Juni 2016, Al Matri/Rat, T‑545/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:376, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

142

Die streitigen restriktiven Maßnahmen, die der Rat aufgrund der ihm durch die Art. 21 und 29 EUV verliehenen Befugnisse verhängt hat, haben somit keine strafrechtliche Konnotation. Sie können daher nicht einer Entscheidung über das Einfrieren von Vermögenswerten gleichgesetzt werden, die eine nationale Justizbehörde eines Mitgliedstaats im Rahmen des einschlägigen Strafverfahrens und unter Beachtung der entsprechenden Verfahrensgarantien erlässt. Die für den Rat geltenden Anforderungen an die Beweise, auf die die Aufnahme einer Person in die Liste der Personen, deren Vermögenswerte eingefroren werden, gestützt ist, können daher nicht dieselben sein wie die, die für die nationale Justizbehörde in dem vorgenannten Fall gelten (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 30. Juni 2016, Al Matri/Rat, T‑545/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:376, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

143

Außerdem ist der Rat nicht verpflichtet, von Amts wegen und systematisch eigene Untersuchungen oder Nachprüfungen zur Erlangung ergänzender Informationen durchzuführen, wenn er für den Erlass restriktiver Maßnahmen gegenüber Personen, die aus einem Drittstaat stammen und dort Gegenstand gerichtlicher Verfahren sind, bereits über von den Behörden dieses Drittstaats vorgelegte Beweise verfügt (Urteil vom 30. Juni 2016, Al Matri/Rat, T‑545/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:376, Rn. 57).

144

Was der Rat im vorliegenden Fall prüfen muss, ist zum einen, inwieweit sich mit den [vertraulich] Dokumenten, auf die er sich stützen möchte, nachweisen lässt, dass der Kläger, wie in der oben in Rn. 134 wiedergegebenen Begründung für die Aufnahme seines Namens in die betreffende Liste ausgeführt wird, Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung seitens der ukrainischen Behörden wegen Tatsachen ist, die möglicherweise eine Veruntreuung öffentlicher Gelder darstellen, und zum anderen, ob die strafrechtliche Verfolgung seitens der ukrainischen Behörden ermöglicht, die Handlungen des Klägers gemäß dem vorgenannten Kriterium einzustufen. Nur wenn der Rat dabei nicht zu diesem Ergebnis gelangt, muss er gemäß der oben in Rn. 137 angeführten Rechtsprechung zusätzliche Überprüfungen vornehmen (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 30. Juni 2016, Al Matri/Rat, T‑545/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:376, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

145

Im Übrigen ist es im Rahmen der durch die angefochtenen Rechtsakte geregelten Zusammenarbeit (siehe oben, Rn. 139) grundsätzlich nicht Aufgabe des Rates, selbst zu prüfen und zu beurteilen, ob die Anhaltspunkte, auf die sich die ukrainischen Behörden stützen, um den Kläger wegen Tatsachen strafrechtlich zu verfolgen, die sich als Veruntreuung öffentlicher Gelder einstufen lassen, zutreffend und einschlägig sind. Wie oben in Rn. 141 ausgeführt worden ist, will der Rat mit dem Erlass der angefochtenen Maßnahmen die Veruntreuung öffentlicher Gelder, derentwegen die ukrainischen Behörden ermitteln, nämlich nicht selbst ahnden, sondern den ukrainischen Behörden die Möglichkeit erhalten, diese Veruntreuungen festzustellen und zugleich, die veruntreuten Beträge wiederzuerlangen. Es obliegt daher den ukrainischen Behörden, im Rahmen der Strafverfolgungsmaßnahmen die Anhaltspunkte, auf die sie sich stützen, zu überprüfen und gegebenenfalls daraus die Konsequenzen für den Ausgang der Strafverfahren zu ziehen (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 30. Juni 2016, Al Matri/Rat, T‑545/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:376, Rn. 66).

146

Diese Auslegung wird durch die Rechtsprechung bestätigt, wonach es nicht Aufgabe des Rates ist, die Begründetheit der gegen die betroffene Person eingeleiteten Ermittlungen zu überprüfen, sondern der Rat nur die Begründetheit des Beschlusses über das Einfrieren der Gelder im Hinblick auf diese Ermittlungen zu überprüfen hat (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 5. März 2015, Ezz u. a./Rat, C‑220/14 P, EU:C:2015:147, Rn. 77).

147

Zwar darf der Rat nicht unter allen Umständen von den Feststellungen der ukrainischen Behörden ausgehen, die in den [vertraulich] Dokumenten enthalten sind. Ein solches Vorgehen stünde weder mit dem Grundsatz der guten Verwaltung noch allgemein mit der den Unionsorganen nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 EUV in Verbindung mit Art. 51 Abs. 1 der Charta obliegenden Pflicht im Einklang, bei der Anwendung des Unionsrechts die Grundrechte zu beachten (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 30. Juni 2016, Al Matri/Rat, T‑545/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:376, Rn. 67).

148

Es ist jedoch Aufgabe des Rates, je nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, ob es notwendig ist, zusätzliche Überprüfungen durchzuführen, insbesondere die ukrainischen Behörden um die Übermittlung ergänzender Beweise zu ersuchen, wenn sich die bereits vorgelegten Beweise als unzureichend oder inkohärent erweisen. Es lässt sich nämlich nicht ausschließen, dass Anhaltspunkte, die dem Rat entweder durch die ukrainischen Behörden selbst oder auf andere Weise zur Kenntnis gebracht worden sind, diesen dazu veranlassen, daran zu zweifeln, dass die von diesen Behörden bislang vorgelegten Beweise hinreichend sind. Im Übrigen können die betroffenen Personen im Rahmen der ihnen einzuräumenden Möglichkeit, zu den Gründen Stellung zu nehmen, die der Rat der Beibehaltung ihrer Namen auf der betreffenden Liste zugrunde zu legen beabsichtigt, solche Anhaltspunkte und sogar entlastende Gesichtspunkte nennen, die es erforderlich machen, dass der Rat zusätzliche Überprüfungen durchführt. Insbesondere lässt sich – auch wenn es nicht Sache des Rates ist, seine Beurteilung an die Stelle der Beurteilung der ukrainischen Justizbehörden zu setzen, was die Begründetheit der [vertraulich] Strafverfahren betrifft – nicht ausschließen, dass der Rat vor allem in Anbetracht der Stellungnahme des Klägers gehalten ist, die ukrainischen Behörden um nähere Informationen zu den Anhaltspunkten zu ersuchen, auf die diese Verfahren gestützt werden (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 30. Juni 2016, Al Matri/Rat, T‑545/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:376, Rn. 68).

149

Im vorliegenden Fall stützt der Rat die Aufrechterhaltung der restriktiven Maßnahmen gegen den Kläger hauptsächlich auf das Schreiben vom 10. Oktober 2014. [vertraulich] Das Schreiben nennt außerdem [vertraulich]. Nur eines der beiden Verfahren, das mit dem Aktenzeichen [vertraulich], ist einschlägig, da es sich auf eine Veruntreuung öffentlicher Gelder bezieht, die dem Grund entspricht, der in den angefochtenen Rechtsakten als Rechtfertigung für die Beibehaltung des Namens des Klägers angeführt wird. Der Gegenstand dieses Verfahrens ist im Übrigen von den ukrainischen Behörden rechtlich als Veruntreuung von Geldern eingestuft worden, [vertraulich]. Aus diesem Schreiben geht hervor, dass der Kläger Vermögenswerte veruntreut haben soll [vertraulich].

150

Demzufolge stützte sich die Aufrechterhaltung der restriktiven Maßnahmen gegen den Kläger auf Beweise, die es dem Rat ermöglichten, eindeutig die Existenz eines von der ukrainischen Justizverwaltung eingeleiteten Verfahrens gegen den Kläger wegen einer strafbaren Veruntreuung öffentlicher Gelder festzustellen.

151

Das Schreiben vom 10. Oktober 2014 bescheinigt nämlich, dass [vertraulich], so dass es keinen Zweifel an der mutmaßlichen Beteiligung des Klägers lässt, zumal die die strafbare Handlung beschreibenden tatsächlichen Anhaltspunkte gleichbleibend und kohärent sind und von den ukrainischen Behörden rechtlich als Veruntreuung öffentlicher Gelder eingestuft werden, was dem oben genannten maßgeblichen Kriterium entspricht.

152

Außerdem sind die dem Rat vorgelegten Beweise [vertraulich] enthalten [vertraulich] (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. September 2016, Klyuyev/Rat, T‑340/14, EU:T:2016:496, Rn. 41 und 93). Insoweit kann dem Rat daher nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er die [vertraulich] Informationen als zutreffend und belegt angesehen hat.

153

Ferner ist festzustellen, dass in dem Schreiben angegeben wird, dass der Kläger verdächtigt wird, bestimmte Wirtschaftsstraftaten begangen zu haben [vertraulich].

154

Hierzu ist zu bemerken, dass die streitigen restriktiven Maßnahmen die Anstrengungen der ukrainischen Behörden, die veruntreuten öffentlichen Gelder wiederzuerlangen, erleichtern und ergänzen, was – wie in den Rn. 140 und 141 ausgeführt worden ist – unter das Ziel der Stärkung der Rechtsstaatlichkeit fällt.

155

Schließlich ist der Hinweis angebracht, dass die Verfolgung von Wirtschaftsverbrechen wie der Veruntreuung öffentlicher Gelder ein wesentliches Mittel zur Bekämpfung der Korruption ist und dass die Bekämpfung der Korruption im Kontext des auswärtigen Handelns der Union einen dem Begriff der Rechtsstaatlichkeit innewohnenden Grundsatz darstellt. Außerdem ist die dem Kläger vorgeworfene strafbare Handlung in einem breiteren Kontext zu sehen, der darin besteht, dass ein nicht unbedeutender Teil der früheren Führungsschicht der Ukraine in dem Verdacht steht, schwere Straftaten bei der Verwaltung der öffentlichen Mittel begangen und dadurch die institutionellen und rechtlichen Grundlagen des Landes ernsthaft in Gefahr gebracht und namentlich gegen die Grundsätze der Rechtmäßigkeit, des Verbots der Willkür der Exekutive, der wirksamen gerichtlichen Kontrolle und der Gleichheit vor dem Gesetz verstoßen zu haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. September 2016, Klyuyev/Rat, T‑340/14, EU:T:2016:496, Rn. 117). Folglich tragen die in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der Funktionen, die der Kläger innerhalb der früheren Führungsschicht in der Ukraine ausgeübt hat, wirksam dazu bei, die Verfolgung der zum Schaden der ukrainischen Institutionen begangenen Verbrechen der Veruntreuung öffentlicher Gelder zu erleichtern, und machen es für die ukrainischen Behörden einfacher, das durch solche Veruntreuungen Erlangte zurückzuerhalten Dies erleichtert, wenn die Ermittlungen der Justiz erfolgreich sein sollten, die gerichtliche Bestrafung der den Mitgliedern der früheren Regierung zur Last gelegten Korruptionshandlungen und trägt auf diese Weise zur Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit in diesem Land bei (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. September 2016, Klyuyev/Rat, T‑340/14, EU:T:2016:496, Rn. 118).

156

Somit hat der Rat beim Erlass der angefochtenen Rechtsakte, soweit sie den Kläger betreffen, keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen.

157

Das weitere Vorbringen des Klägers vermag dieses Ergebnis nicht in Frage zu stellen.

158

Erstens ist das Vorbringen des Klägers zu verwerfen, wonach die Ermittlungen gegen ihn in der Ukraine in Anbetracht [vertraulich] sowie der diesbezüglichen ukrainischen Rechtsvorschriften und der beschränkten Entscheidungsbefugnisse, über die er verfügt habe, nicht zu der Feststellung führen könnten, dass er eine Straftat begangen habe.

159

Der Kläger bestreitet nämlich nicht die Echtheit des Schreibens vom 10. Oktober 2014. Somit ist davon auszugehen, dass der Rat einen Beweis für die Existenz eines Strafverfahrens gegen den Kläger in der Ukraine erbracht hat. Insoweit ist zu bemerken, dass der Kläger dem Rat vor dem Erlass der angefochtenen Rechtsakte lediglich Gesichtspunkte genannt hatte, mit denen im Wesentlichen die Begründetheit der Ermittlungen bestritten werden sollte und die sich auf die Befugnisse des Premierministers in der ukrainischen Rechtsordnung und die ukrainischen Haushaltsbestimmungen bezogen. Anhand dieser Gesichtspunkte lässt sich daher nicht in Zweifel ziehen, dass der Beschluss über das Einfrieren von Geldern in Anbetracht der Ermittlungen begründet war.

160

Jedenfalls ist das gesamte Vorbringen des Klägers, mit dem er die Richtigkeit der Anschuldigungen gegen ihn bestreitet und die Tatsachen entkräften will, die den Tatvorwurf, um den es in der Ukraine geht, begründen, nicht einschlägig, da es gemäß der oben in den Rn. 141, 143, 145 und 146 angeführten Rechtsprechung grundsätzlich nicht Aufgabe des Rates ist, selbst zu prüfen und zu beurteilen, ob die Anhaltspunkte, auf die sich die ukrainischen Behörden bei den Ermittlungen der Justiz gegen den Kläger gestützt haben, zutreffend und einschlägig sind, und es den ukrainischen Behörden obliegt, im Rahmen der genannten Ermittlungen die Anhaltspunkte, auf die sie sich stützen, zu überprüfen und daraus die Konsequenzen in Bezug auf den Ausgang der Ermittlungen zu ziehen (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 14. April 2016, Ben Ali/Rat, T‑200/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:216, Rn. 158).

161

Was zweitens die Urteile ukrainischer Verwaltungsgerichte betrifft, die nach Ansicht des Klägers inhaltlich belegen, dass der Sachverhalt, der den Ermittlungen gegen ihn zugrunde liegt, keine Veruntreuung öffentlicher Gelder darstellt, ist zu bemerken, dass der Kläger unabhängig von der Frage, ob diese Urteile maßgeblich sind oder nicht, nicht dargetan hat, dass der Rat vor Erlass der angefochtenen Rechtsakte davon Kenntnis hatte. Folglich kann ihm nicht vorgeworfen werden, insoweit einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen zu haben.

162

Ein Beschluss über das Einfrieren von Geldern ist anhand der Informationen zu beurteilen, über die der Rat zum Zeitpunkt seines Erlasses verfügen konnte (Urteil vom 28. Mai 2013, Trabelsi u. a./Rat, T‑187/11, EU:T:2013:273, Rn. 115). Nach ständiger Rechtsprechung ist nämlich die Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts der Union anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses zu beurteilen (vgl. Urteil vom 26. Oktober 2012, Oil Turbo Compressor/Rat, T‑63/12, EU:T:2012:579, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

163

Was drittens den angeblichen Verstoß gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung betrifft, der in der Unionsrechtsordnung in Art. 48 Abs. 1 der Charta festgeschrieben ist, ist in Übereinstimmung mit dem Rat festzustellen, dass die angefochtenen Rechtsakte weder den Kläger wegen einer Straftat nach ukrainischem Strafrecht oder dem Recht eines Mitgliedstaats der Union für schuldig befunden noch der Würdigung des Sachverhalts durch die zuständigen ukrainischen Behörden und Gerichte vorgegriffen haben. Außerdem hat der Rat mit dem Erlass der angefochtenen Rechtsakte in der öffentlichen Meinung nicht den Eindruck erweckt, dass der Kläger schuldig sei. In diesen Rechtsakten wird nämlich lediglich festgestellt, dass der Kläger wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder in der Ukraine strafrechtlich verfolgt wird (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 27. Februar 2014, Ezz u. a./Rat, T‑256/11, EU:T:2014:93, Rn. 82 bis 84).

164

Viertens ist zur mangelnden Glaubwürdigkeit [vertraulich], die sich negativ auf das Schreiben vom 10. Oktober 2014 auswirken soll, zu bemerken, dass die Ukraine seit 1995 ein Mitgliedstaat des Europarats ist, der die EMRK unterzeichnet hat, und dass die neue ukrainische Regierung von der Union und von der internationalen Gemeinschaft als rechtmäßig anerkannt worden ist. Der Rat hat daher keinen Fehler begangen, als er sich auf Beweise gestützt hat [vertraulich] und dabei die Rechtmäßigkeit und die Legitimität der ukrainischen Regierung und des ukrainischen Justizsystems nicht in Zweifel gezogen hat. Soweit die Prüfung des Vorbringens des Klägers bedeuten würde, dass das Gericht über die Rechtmäßigkeit des Regierungswechsels in der Ukraine befinden müsste, ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass eine solche Prüfung nicht zu der Kontrolle gehört, der das Gericht die im vorliegenden Verfahren in Rede stehenden Rechtsakte unterzieht (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 25. April 2013, Gbagbo/Rat, T‑119/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:216, Rn. 75).

165

Fünftens ist zur Rüge einer angeblich unzureichenden Begründung auf die Würdigung des ersten Klagegrundes zu verweisen, mit dem ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gerügt worden ist.

166

Schließlich hat der Kläger in seinen Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung unter Berufung auf erstens das Urteil vom 16. Oktober 2014, LTTE/Rat (T‑208/11 und T‑508/11, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2014:885), und zweitens die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Rat/LTTE (C‑599/14 P, EU:C:2016:723) geltend gemacht, dass der Rat, bevor er sich auf einen Beschluss einer Behörde eines Drittstaats stütze, sorgfältig prüfen müsse, ob die einschlägigen Regelungen dieses Staates einen Schutz der Verteidigungsrechte und des Rechts auf einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz wie in der Union gewährleisteten. Es könne jedoch in keiner Weise vorausgesetzt werden, dass das Niveau des Grundrechtsschutzes, der in der Ukraine gewährleistet sei, dem in der Union bestehenden Niveau des Grundrechtsschutzes mindestens gleichwertig sei. Der Rat müsse daher prüfen, ob die ukrainische Rechtsordnung einen solchen Schutz gewähre.

167

Dieses Vorbringen beruht auf falschen Prämissen. Der Ansatz, den das Gericht in der Rechtssache verfolgt hat, in der das Urteil vom 16. Oktober 2014, LTTE/Rat (T‑208/11 und T‑508/11, EU:T:2014:885), ergangen ist, lässt sich nämlich nicht auf den vorliegenden Fall übertragen.

168

Insbesondere sah in jener Rechtssache der Gemeinsame Standpunkt 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABl. 2001, L 344, S. 93) – mit dem ein Verfahren geschaffen wird, das es dem Rat ermöglicht, eine Person auf der Grundlage eines Beschlusses einer nationalen Behörde, die auch die eines Drittstaats sein kann, in eine Liste betreffend das Einfrieren von Geldern aufzunehmen – für die Bestimmung der Personen, auf die die vom Rat erlassenen restriktiven Maßnahmen abzielten, ein Kriterium vor, das wie folgt formuliert war:

„Die Liste … wird auf der Grundlage genauer Informationen bzw. der einschlägigen Akten erstellt, aus denen sich ergibt, dass eine zuständige Behörde – gestützt auf ernsthafte und schlüssige Beweise oder Indizien – gegenüber den betreffenden Personen, Vereinigungen oder Körperschaften einen Beschluss gefasst hat, bei dem es sich um die Aufnahme von Ermittlungen oder um Strafverfolgung wegen einer terroristischen Handlung oder des Versuchs, eine terroristische Handlung zu begehen, daran teilzunehmen oder sie zu erleichtern oder um eine Verurteilung für derartige Handlungen handelt. Personen, Vereinigungen und Körperschaften, die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als mit dem Terrorismus in Verbindung stehend bezeichnet worden sind oder gegen die er Sanktionen angeordnet hat, können in die Liste aufgenommen werden.“

169

Im vorliegenden Fall gehört die Existenz eines vorhergehenden Beschlusses der ukrainischen Behörden nicht zu den Kriterien, die in Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2014/119 in der durch den Beschluss 2015/143 geänderten Fassung als Vorbedingung für den Erlass der streitigen restriktiven Maßnahmen festgelegt sind; die von den ukrainischen Behörden eingeleiteten justiziellen Verfahren stellen lediglich die Tatsachengrundlage dar, auf der die restriktiven Maßnahmen beruhen. Das maßgebliche Kriterium verweist nämlich schlicht auf die Personen, „die als für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine verantwortlich identifiziert wurden“.

170

Insoweit ist ferner festzustellen, dass das maßgebliche Kriterium eher wie das Kriterium formuliert ist, um das es in der Rechtssache ging, in der das Urteil vom 27. Februar 2014, Ezz u. a./Rat (T‑256/11, EU:T:2014:93), ergangen ist. Speziell in Rn. 66 des Urteils vom 27. Februar 2014, Ezz u. a./Rat (T‑256/11, EU:T:2014:93), hat das Gericht entschieden, dass dieses Kriterium Personen einbegriff, die wegen „rechtswidriger Verwendung staatlicher Gelder“ strafrechtlich verfolgt wurden, ohne dabei zu prüfen, ob die Rechtsordnung des betreffenden Landes, dort die Ägyptens, Rechtsschutz bot, der dem in der Union gewährleisteten vergleichbar war.

171

Jedenfalls besteht – wie der Rat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat – ein wesentlicher Unterschied zwischen restriktiven Maßnahmen wie denen, um die es in der Rechtssache ging, in der das Urteil vom 16. Oktober 2014, LTTE/Rat (T‑208/11 und T‑508/11, EU:T:2014:885), ergangen ist, die die Bekämpfung des Terrorismus betreffen, und denen, die wie hier im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen der Union und den neuen Behörden eines Drittstaats, vorliegend der Ukraine, ergehen.

172

Die Bekämpfung des Terrorismus, zu der der Rat mit dem Erlass restriktiver Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Einrichtungen beiträgt, erfolgt nämlich nicht notwendigerweise im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Behörden eines Drittstaats, in dem ein Regierungswechsel stattgefunden hat und dessen Unterstützung der Rat beschlossen hat. Bei den in der vorliegenden Rechtssache streitigen Maßnahmen ist dies hingegen der Fall, wie es auch bei den Maßnahmen der Fall war, um die es in der Rechtssache ging, in der das Urteil vom 27. Februar 2014, Ezz u. a./Rat (T‑256/11, EU:T:2014:93), ergangen ist, das im Rechtsmittelverfahren mit Urteil vom 5. März 2015, Ezz u. a./Rat (C‑220/14 P, EU:C:2015:147), bestätigt worden ist.

173

Somit würde, wenn die hochpolitische Entscheidung des Rates, mit den neuen ukrainischen Behörden – die er als vertrauenswürdig erachtet – zusammenzuarbeiten, um ihnen „im Hinblick auf die Stärkung und Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit“ in der Ukraine u. a. die Wiedererlangung möglicherweise veruntreuter öffentlicher Gelder zu ermöglichen, von der Voraussetzung abhängig gemacht würde, dass der ukrainische Staat ungeachtet des Umstands, dass die Ukraine Mitglied des Europarats ist und die EMRK ratifiziert hat, sofort nach dem Regierungswechsel ein Niveau des Grundrechtsschutzes gewährleistet, das dem von der Union und ihren Mitgliedstaaten gebotenen gleichwertig ist, im Wesentlichen das weite Ermessen eingeschränkt, über das der Rat hinsichtlich der Festlegung der allgemeinen Kriterien zur Eingrenzung des Personenkreises verfügt, die Gegenstand restriktiver Maßnahmen sein können, mit denen die neuen ukrainischen Behörden unterstützt werden sollen (siehe oben, Rn. 136).

174

Bei der Ausübung dieses weiten Ermessens darf der Rat somit davon ausgehen, dass die ukrainischen Behörden nach dem Regierungswechsel Unterstützung verdienen, da sie das demokratische Leben und die Achtung der Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine im Vergleich zu dem vorher dort herrschenden Zustand verbessern, und dass eine der Möglichkeiten zur Stärkung und Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit darin besteht, die Gelder von Personen einzufrieren, die als für die Veruntreuung staatlicher Vermögenswerte der Ukraine verantwortlich identifiziert wurden, wobei dieser Begriff im Anschluss an die Rechtsakte vom Januar 2015 die Personen einschließt, die wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte der Ukraine oder Amtsmissbrauchs oder wegen Beihilfe hierzu Gegenstand von Untersuchungen der ukrainischen Behörden sind.

175

Daher könnte sich die fehlende Übereinstimmung des Grundrechtsschutzes in der Ukraine mit dem in der Union nur dann auf die Rechtmäßigkeit der Aufrechterhaltung der restriktiven Maßnahmen gegenüber dem Kläger auswirken, wenn die politische Entscheidung des Rates, die neue ukrainische Regierung zu unterstützen, einschließlich der Zusammenarbeit infolge der streitigen restriktiven Maßnahmen, sich als offensichtlich falsch erwiesen hätte, insbesondere weil die Menschenrechte in diesem Land nach dem Regierungswechsel systematisch verletzt würden. Dies ist hier jedoch, wie die Prüfung der vorliegenden Klage ergibt, nicht der Fall.

176

Vorliegend sind die vom Kläger angeführten Gesichtspunkte weder geeignet, die Stichhaltigkeit der Beschuldigungen in Frage zu stellen, die gegen den Kläger wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder erhoben worden sind – was vorstehend geprüft worden ist –, noch reichen sie als Nachweis dafür aus, dass die besondere Situation des Klägers durch die von ihm behaupteten Probleme des ukrainischen Justizsystems in dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren, auf das der Erlass restriktiver Maßnahmen gegen ihn gestützt wurde, beeinträchtigt worden wäre.

177

Nach alledem ist im Ergebnis festzustellen, dass der Rat der ihm obliegenden Beweispflicht genügt und keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, als er angenommen hat, dass das Schreiben vom 10. Oktober 2014 eine ausreichende tatsächliche Grundlage zum Beleg dafür darstelle, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Rechtsakte Gegenstand eines Strafverfahrens wegen der [vertraulich] Veruntreuung öffentlicher Gelder gewesen sei, und auf dieser Grundlage den Namen des Klägers auf der Liste belassen hat.

178

Unter diesen Umständen ist der fünfte Klagegrund zurückzuweisen.

179

Die Klage ist daher in vollem Umfang abzuweisen, ohne dass es erforderlich wäre, den Antrag des Klägers auf prozessleitende Maßnahmen oder den vom Rat hilfsweise gestellten Antrag auf Aufrechterhaltung der Wirkungen des Beschlusses 2015/364 zu prüfen.

Kosten

180

Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Kläger unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag des Rates die Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Klage wird abgewiesen.

 

2.

Herr Mykola Yanovych Azarov trägt die Kosten.

 

Berardis

Spielmann

Csehi

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. Juli 2017.

Inhaltsverzeichnis

 

Vorgeschichte des Rechtsstreits

 

Ereignisse nach Erhebung der Klage

 

Verfahren und Anträge der Parteien

 

Rechtliche Würdigung

 

Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht

 

Zum zweiten Klagegrund: Verletzung von Grundrechten

 

Zum vierten Teil: Verletzung der Verteidigungsrechte

 

Zum ersten Teil: Verletzung des Eigentumsrechts

 

Zum zweiten Teil: Verletzung der unternehmerischen Freiheit

 

Zum dritten Teil: Unverhältnismäßigkeit der restriktiven Maßnahmen

 

Zum dritten Klagegrund: Ermessensmissbrauch

 

Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der guten Verwaltung

 

Zum fünften Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler

 

Kosten


( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.

( 1 ) Nicht wiedergegebene vertrauliche Daten.

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