Europäischer Gerichtshof Urteil, 04. Okt. 2018 - T-128/14

ECLI:ECLI:EU:T:2018:643
bei uns veröffentlicht am04.10.2018

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

4. Oktober 2018 ( *1 )

„Zugang zu Dokumenten – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Dokumente betreffend ein Verfahren nach Art. 29 der Richtlinie 2007/46/EG, der es einem Mitgliedstaat erlaubt, die Zulassung von Fahrzeugen, die ein erhebliches Risiko für die Sicherheit im Straßenverkehr darstellen oder die Umwelt oder die öffentliche Gesundheit ernsthaft gefährden, zu untersagen – Verweigerung des Zugangs – Ausnahme zum Schutz von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten – Allgemeine Vermutung – Übereinkommen von Aarhus – Verweigerung der Akteneinsicht – Art. 41 der Charta der Grundrechte“

In der Rechtssache T‑128/14

Daimler AG mit Sitz in Stuttgart (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte C. Arhold, B. Schirmer und N. Wimmer,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, zunächst vertreten durch F. Clotuche‑Duvieusart, dann durch G. Wilms und F. Clotuche-Duvieusart und zuletzt durch H. Krämer und F. Clotuche-Duvieusart als Bevollmächtigte im Beistand zunächst des Rechtsanwalts R. Van der Hout und dann der Rechtsanwälte R. Van der Hout und C. Wagner,

Beklagte,

unterstützt durch

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Simm und A. Jensen als Bevollmächtigte,

und

Europäisches Parlament, vertreten durch N. Görlitz und L. Visaggio als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses Ares(2013) 3715941 der Kommission vom 13. Dezember 2013, mit dem der Klägerin der Zugang zu Dokumenten in Bezug auf das von der Französischen Republik eingeleitete Verfahren nach Art. 29 der Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie) (ABl. 2007, L 263, S. 1) verweigert wurde,

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten D. Gratsias sowie der Richter A. Dittrich und P. G. Xuereb (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

folgendes

Urteil

Sachverhalt

1

Durch die Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie) (ABl. 2007, L 263, S. 1, im Folgenden: Rahmenrichtlinie) wurden die Genehmigungssysteme der Mitgliedstaaten für Fahrzeuge durch ein innerhalb der Europäischen Union harmonisiertes Verfahren, die „EG-Typgenehmigung“, ersetzt. Sie wird in Art. 3 Nr. 5 der Rahmenrichtlinie als das Verfahren definiert, nach dem ein Mitgliedstaat bescheinigt, dass ein Typ eines Fahrzeugs, eines Systems, eines Bauteils oder einer selbständigen technischen Einheit den einschlägigen Verwaltungsvorschriften und technischen Anforderungen dieser Richtlinie und der in bestimmten ihrer Anhänge aufgeführten Rechtsakte entspricht.

2

Nach Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2006/40/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Emissionen aus Klimaanlagen in Kraftfahrzeugen und zur Änderung der Richtlinie 70/156/EWG des Rates (ABl. 2006, L 161, S. 12, im Folgenden: Klimaanlagenrichtlinie) erteilen die Mitgliedstaaten mit Wirkung vom 1. Januar 2011 keine EG-Typgenehmigung mehr für einen Fahrzeugtyp, dessen Klimaanlage darauf ausgelegt ist, fluorierte Treibhausgase mit einem Treibhauspotenzial-Wert über 150 zu enthalten. Die Richtlinie schreibt jedoch keine bestimmte Art von Kältemittel vor. Die Umsetzung dieses Verbots wurde von der Europäischen Kommission auf den 1. Januar 2013 verschoben.

3

Die europäischen Fahrzeughersteller sind im Jahr 2009 in einem internationalen Normungsprozess übereingekommen, das Kältemittel mit der Bezeichnung „R1234yf“ zu verwenden.

4

2013 äußerte die Klägerin, die Daimler AG, ein Automobilhersteller mit Sitz in Deutschland, der u. a. Autos der Marke Mercedes herstellt, Zweifel in Bezug auf die Sicherheit der Verwendung dieses Kältemittels.

5

Im Mai 2013 gab das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA, Deutschland) einem Antrag von Daimler auf Verlängerung der Typgenehmigung 245G statt. Da der Typ 245G ursprünglich im Jahr 2008 genehmigt worden war, fiel er nicht unter die Verpflichtung, ein mit der Klimaanlagenrichtlinie vereinbares Kältemittel zu verwenden. Die Verlängerung dieser Typgenehmigung wurde der Kommission mit Schreiben vom 22. Mai 2013 mitgeteilt.

6

Am 10. Juni 2013 leitete die Kommission das EU-Pilotverfahren 5160/11/ENTR ein, um zu überprüfen, inwieweit die Bundesrepublik Deutschland bei den der Klägerin gewährten Verlängerungen von EG‑Typgenehmigungen die Rahmenrichtlinie und die Klimaanlagenrichtlinie eingehalten hatte.

7

Am 26. Juli 2013 erließ der französische Minister für Ökologie, nachhaltige Entwicklung und Energie eine Entscheidung, mit der er die Zulassung bestimmter Fahrzeuge der Marke Mercedes, für die die deutschen Behörden eine Verlängerung der EG-Typgenehmigungen erteilt hatten, in Frankreich mit der Begründung untersagte, dass diese Fahrzeuge mit Klimaanlagen ausgerüstet seien, die entgegen Art. 5 Abs. 4 der Klimaanlagenrichtlinie darauf ausgelegt seien, fluorierte Treibhausgase mit einem Treibhauspotenzial-Wert über 150 zu enthalten.

8

Diese Untersagung der Zulassung wurde auf die französische Bestimmung gestützt, mit der Art. 29 Abs. 1 Satz 1 der Rahmenrichtlinie umgesetzt wird. Nach diesem Artikel, der in Kapitel XII („Schutzklauseln“) enthalten ist, kann ein Mitgliedstaat die Zulassung von Fahrzeugen, die eine EG-Typgenehmigung erhalten haben, für eine Dauer von höchstens sechs Monaten untersagen, wenn er feststellt, dass diese Fahrzeuge die Umwelt oder die öffentliche Gesundheit ernsthaft gefährden.

9

Am 26. Juli 2013 unterrichtete die Französische Republik die Kommission im Einklang mit Art. 29 Abs. 1 Satz 2 der Rahmenrichtlinie über die von ihr ausgesprochene Untersagung der Zulassung bestimmter Fahrzeuge der Marke Mercedes. Gemäß Art. 29 Abs. 2 der Rahmenrichtlinie hörte die Kommission die betreffenden Parteien an, um eine Entscheidung über diese Untersagung vorzubereiten.

10

Am 2. August 2013 erhob Mercedes-Benz France, ein Unternehmen des Daimler-Konzerns, Klage gegen die Entscheidung des französischen Ministers für Ökologie, nachhaltige Entwicklung und Energie vom 26. Juli 2013, mit der dieser die Zulassung bestimmter Fahrzeuge der Marke Mercedes im französischen Staatsgebiet untersagt hatte.

11

Mit einem an die Kommission gerichteten Schreiben vom 19. August 2013 nahm die Klägerin zur Untersagung durch die Französische Republik Stellung. In diesem Schreiben führte die Klägerin u. a. Folgendes aus:

„[N]ach Art. 41 Abs. 2 lit. b) Grundrechtecharta [ist] auch das Recht auf Akteneinsicht Teil der Grundrechtsverbürgung. Wir möchten auch von diesem Recht Gebrauch machen und beantragen daher die Möglichkeit zur vollumfänglichen Einsicht in alle das vorliegende Verfahren nach Art. 29 [der Rahmenrichtlinie] betreffenden und damit zusammenhängenden Akten (insbesondere auch in beigezogene anderweitige Vorgänge, die vorliegend Berücksichtigung finden sollen), insbesondere eventuelle Stellungnahmen etwa des Rechtsdienstes der Kommission zur Anwendbarkeit des Art. 29 [der Rahmenrichtlinie].“

12

Mit einer an die Klägerin gerichteten E‑Mail vom 17. September 2013 bestätigte die Kommission den Eingang dieses Schreibens und des darin enthaltenen Antrags auf Zugang zu Dokumenten, den sie als einen auf die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43) gestützten Antrag betrachtete und der unter der Referenz GESTDEM 2013/4643 in das Register eingetragen wurde. In dieser E‑Mail bat die Kommission die Klägerin ferner um Bestätigung, dass sie Zugang zu den oben in Rn. 11 genannten Dokumenten beantrage.

13

Mit E‑Mail vom 20. September 2013 bestätigte die Klägerin, dass sich ihr Zugangsantrag auf alle Dokumente beziehe, die das nach Art. 29 der Rahmenrichtlinie eingeleitete Verfahren beträfen, insbesondere auf etwaige Stellungnahmen des Juristischen Dienstes der Kommission zur Anwendbarkeit von Art. 29 der Rahmenrichtlinie. Sie teilte der Kommission mit, falls sie eine Präzisierung des Antrags wünsche, solle sie ihr eine Liste aller dieses Verfahren betreffenden Dokumente übermitteln. Außerdem hob die Klägerin hervor, dass ihr Zugangsantrag auf ihr Recht auf Akteneinsicht nach Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) gestützt sei. Dieser Artikel sei anwendbar, weil das Verfahren nach Art. 29 der Rahmenrichtlinie sie unmittelbar und individuell betreffe. Art. 29 Abs. 2 der Rahmenrichtlinie verpflichte nämlich die Kommission, sie vor dem Erlass einer Entscheidung anzuhören.

14

Mit Beschluss vom 16. Oktober 2013 gab die Kommission an, dass sie über 14 vom Zugangsantrag der Klägerin umfasste Dokumente verfüge, die im Anhang aufgeführt seien. Sie gewährte Zugang zu fünf dieser Dokumente und verweigerte den Zugang zu den neun anderen. Bei sechs Dokumenten stützte die Kommission die Verweigerung des Zugangs auf Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001, der den Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten betrifft. Die Verweigerung des Zugangs zu den drei weiteren Dokumenten stützte sie auf die in Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme zum Schutz von Entscheidungsprozessen. Sie fügte hinzu, dass ein teilweiser Zugang zu diesen neun Dokumenten nicht möglich sei. Außerdem bestehe kein überwiegendes öffentliches Interesse, das ihre Verbreitung rechtfertige.

15

Am 30. Oktober 2013 stellte die Klägerin einen Zweitantrag gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001. In diesem Antrag wies sie darauf hin, dass von ihrem Zugangsantrag mehr als die von der Kommission in ihrem Beschluss vom 16. Oktober 2013 genannten 14 Dokumente erfasst sein müssten. Die von der Kommission geltend gemachten Ausnahmen seien nicht einschlägig, und aufgrund der Bedeutung der Rechtssache für die Verwirklichung des freien Warenverkehrs bestehe ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung der Dokumente. In ihrem Zweitantrag berief sich die Klägerin nicht nur auf das Recht auf Zugang zu Dokumenten nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001, sondern auch auf ihr Recht auf Akteneinsicht nach Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta.

16

Mit Beschluss vom 13. Dezember 2013 (im Folgenden: angefochtener Beschluss) bestätigte die Kommission ihre Verweigerung des Zugangs zu den neun Dokumenten, die sie in ihrem Beschluss vom 16. Oktober 2013 als diejenigen identifiziert hatte, die der Klägerin nicht übermittelt werden könnten.

17

Sie fügte hinzu, weitere Recherchen hätten ergeben, dass sie neben den 14 in ihrem Beschluss vom 16. Oktober 2013 genannten Dokumenten über weitere 349 E‑Mails verfüge. Dabei handele es sich um

55 interne E‑Mails, die zwischen Mitarbeitern des Referats „Automobilindustrie“ der Generaldirektion (GD) „Unternehmen und Industrie“ ausgetauscht worden seien;

170 interne E‑Mails der GD „Unternehmen und Industrie“;

25 E‑Mails, die mit dem Juristischen Dienst gewechselt worden seien;

25 E‑Mails, die mit anderen Generaldirektionen der Kommission gewechselt worden seien;

45 E‑Mails, die mit den Mitgliedstaaten ausgetauscht worden seien;

29 E‑Mails, die mit juristischen Personen gewechselt worden seien.

18

Die Kommission ging von einem engen Zusammenhang zwischen der auf der Grundlage von Art. 29 der Rahmenrichtlinie durchgeführten Untersuchung in Bezug auf die Untersagung der Zulassung bestimmter Fahrzeuge der Marke Mercedes durch die Französische Republik und der gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleiteten Voruntersuchung zwecks Feststellung, ob eine Vertragsverletzung vorliege, aus und kam zu dem Ergebnis, dass alle angeforderten Dokumente zur jeweiligen Verwaltungsakte dieser Untersuchungen gehörten.

19

Sodann prüfte die Kommission, ob die Verbreitung dieser Dokumente zum einen den Zweck der nach Art. 29 der Rahmenrichtlinie durchgeführten Untersuchung und zum anderen den Zweck der die Bundesrepublik Deutschland betreffenden Voruntersuchung beeinträchtigen würde.

20

Hinsichtlich der Beeinträchtigung des Zwecks der nach Art. 29 der Rahmenrichtlinie durchgeführten Untersuchung war die Kommission im Wesentlichen der Auffassung, dass die Freigabe der beantragten Dokumente die Wirkung hätte, die praktische Wirksamkeit der in Art. 29 der Rahmenrichtlinie vorgesehenen Schutzklausel und insbesondere den Zweck der in diesem Kontext durchgeführten Untersuchungen auszuhöhlen, der darin bestehe, zu ermitteln, ob die Mitgliedstaaten diese Klausel ordnungsgemäß angewandt hätten, und ein hohes Maß an Straßenverkehrssicherheit, Gesundheit und Umweltschutz zu gewährleisten.

21

Die Kommission kam daher zu dem Ergebnis, dass für die beantragten Dokumente, die alle Teil der Verwaltungsakte der auf der Grundlage von Art. 29 der Rahmenrichtlinie eingeleiteten Untersuchung gewesen seien, eine allgemeine Vermutung der Nichtverbreitung gelte, die auf den in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Schutz von Untersuchungen gestützt sei.

22

Was die Beeinträchtigung des Zwecks der gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleiteten Voruntersuchung zwecks Feststellung, ob eine Vertragsverletzung vorliege, betrifft, stellte die Kommission im Wesentlichen fest, dass, damit sie ihre Aufgaben effektiv durchführen könne, zwischen ihr und den Mitgliedstaaten ein Klima des gegenseitigen Vertrauens herrschen müsse, bis der Fall endgültig abgeschlossen sei, und dass sie sich auf eine allgemeine Vermutung der Nichtverbreitung stützen könne, um den Zugang zu den beantragten Dokumenten zu verweigern.

23

Überdies war die Kommission der Auffassung, dass kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung der beantragten Dokumente bestehe und dass dem öffentlichen Interesse besser gedient sei, wenn der Zweck der laufenden Untersuchungen geschützt werde.

24

Ferner vertrat die Kommission den Standpunkt, dass sie keinen teilweisen Zugang zu den beantragten Dokumenten gewähren könne.

25

Was den Verweis der Klägerin auf die Charta und insbesondere auf das in ihrem Art. 41 Abs. 2 vorgesehene Recht auf Akteneinsicht betrifft, war die Kommission der Auffassung, dass sie ihren Beschluss nicht unmittelbar auf diese Bestimmung stützen könne und sie vielmehr die im AEU-Vertrag und in der Verordnung Nr. 1049/2001 für die Ausübung dieses Rechts festgelegten Bedingungen und Grenzen beachten müsse.

Verfahren

26

Mit Klageschrift, die am 21. Februar 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

27

In der am 7. Mai 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung hat die Kommission die Aussetzung des Verfahrens beantragt.

28

Mit Beschluss vom 1. Juli 2014 hat der Präsident der Fünften Kammer nach Anhörung der Parteien gemäß Art. 77 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichts die Aussetzung des Verfahrens in der vorliegenden Rechtssache bis zu den Entscheidungen des Gerichtshofs, die die Verfahren in den Rechtssachen C‑612/13 P, ClientEarth/Kommission, und C‑673/13 P, Kommission/Stichting Greenpeace, beenden, angeordnet.

29

Am 5. März 2015 hat die Klägerin einen Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens gestellt. Am 20. März 2015 hat die Kommission zu diesem Antrag Stellung genommen. Mit Entscheidung vom 8. April 2015 hat der Präsident der Fünften Kammer diesen Antrag zurückgewiesen.

30

Mit Schriftsätzen, die am 4. bzw. am 14. April 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union beantragt, als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden.

31

Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist die vorliegende Rechtssache der Fünften Kammer in ihrer neuen Zusammensetzung und einem neuen Berichterstatter zugewiesen worden.

32

Die Entscheidungen, bis zu deren Erlass das Verfahren in der vorliegenden Rechtssache ausgesetzt worden war, sind mit den Urteilen vom 16. Juli 2015, ClientEarth/Kommission (C‑612/13 P, EU:C:2015:486), und vom 23. November 2016, Kommission/Stichting Greenpeace Nederland und PAN Europe (C‑673/13 P, EU:C:2016:889), ergangen.

33

Mit Entscheidungen vom 7. Dezember 2016 hat der Präsident der Fünften Kammer die Streitbeitritte des Parlaments und des Rates zugelassen. Die Streithelfer haben ihre Streithilfeschriftsätze eingereicht, und die Hauptparteien haben hierzu innerhalb der gesetzten Frist Stellung genommen.

34

Im Rahmen der in Art. 89 der Verfahrensordnung vorgesehenen prozessleitenden Maßnahmen hat das Gericht mit Schreiben vom 3. Oktober 2017, vom 3. und vom 24. Januar und vom 17. Mai 2018 der Kommission und der Klägerin schriftliche Fragen gestellt, die von ihnen fristgerecht beantwortet worden sind.

35

Im Rahmen der in Art. 91 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts vorgesehenen Maßnahmen der Beweisaufnahme hat das Gericht der Kommission aufgegeben, eine vollständige Kopie der zwischen ihr und juristischen Personen ausgetauschten 29 E‑Mails vorzulegen, die sich nach ihren Angaben in dem angefochtenen Beschluss auf das gemäß Art. 29 der Rahmenrichtlinie eingeleitete Verfahren beziehen. Die Kommission ist diesem Beschluss fristgerecht nachgekommen.

36

Angesichts der von der Kommission am 28. Mai 2018 auf eine schriftliche Frage des Gerichts gegebenen Antwort hat die Klägerin mit Schreiben vom 8. Juni 2018 beantragt, das Gericht möge eine neue prozessleitende Maßnahme erlassen, um der Kommission zwei Fragen zu stellen.

37

Nach Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht, wenn keine der Hauptparteien innerhalb der Frist von drei Wochen nach Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens einen Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung gestellt hat, beschließen, über die Klage ohne mündliches Verfahren zu entscheiden. Da sich das Gericht im vorliegenden Fall für durch die Aktenstücke der Rechtssache hinreichend unterrichtet hält und kein entsprechender Antrag gestellt worden ist, hat es beschlossen, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden.

Anträge der Parteien

38

Die Klägerin beantragt,

den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären und

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

39

Die Kommission, unterstützt durch das Parlament und den Rat, beantragt,

die Klage abzuweisen und

der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

40

Zur Stützung ihrer Klage macht die Klägerin vier Klagegründe geltend: erstens einen Verstoß gegen das in Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta vorgesehene Recht auf Akteneinsicht, zweitens einen Verstoß gegen das am 25. Juni 1998 in Aarhus unterzeichnete Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (im Folgenden: Übereinkommen von Aarhus) und die Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Aarhus auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft (ABl. 2006, L 264, S. 13), drittens einen Verstoß gegen Art. 42 der Charta, Art. 15 Abs. 3 AEUV, die Verordnung Nr. 1049/2001 und die Verordnung Nr. 1367/2006 und viertens einen Verstoß gegen die Begründungspflicht.

41

Die Kommission tritt sämtlichen Klagegründen entgegen. Der Rat und das Parlament gehen nur auf das Vorbringen der Klägerin im Rahmen des zweiten Klagegrundes, der einen Verstoß gegen das Übereinkommen von Aarhus betrifft, ein.

Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen das in Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta vorgesehene Recht auf Akteneinsicht

42

Im Rahmen des ersten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die Kommission habe gegen ihr durch Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta garantiertes Grundrecht auf Akteneinsicht verstoßen.

43

Hierzu trägt sie vor, dass das Recht auf Akteneinsicht entgegen dem, was aus dem angefochtenen Beschluss hervorgehe, nicht durch die Vorgaben des primären und sekundären Unionsrechts bestimmt, ausgestaltet oder begrenzt werde. Das in Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta vorgesehene Recht jeder Person auf Zugang zu den sie betreffenden Akten sei vielmehr unabhängig vom Recht auf Zugang zu den Dokumenten der Organe nach Art. 42 der Charta. Während das letztgenannte ein Unionsbürgerrecht sei, sei das Recht auf Akteneinsicht ein Anspruch, der einer Partei eines spezifischen Verfahrens eingeräumt werde. Diesen grundlegenden Unterschied habe die Kommission in dem angefochtenen Beschluss verkannt. Die Verordnung Nr. 1049/2001 betreffe nur das für jedermann geltende Unionsbürgerrecht auf Zugang zu Dokumenten, nicht aber das Grundrecht auf Akteneinsicht. Dem Akteneinsichtsrecht komme ein wesentlich höherer Schutzgehalt zu als dem Recht auf Zugang zu Dokumenten.

44

Ferner weist die Klägerin darauf hin, dass in Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta „das Recht jeder Person auf Zugang zu den sie betreffenden Akten unter Wahrung des berechtigten Interesses der Vertraulichkeit sowie des Berufs- und Geschäftsgeheimnisses“ verankert sei. Die Dokumente zu dem von der Französischen Republik auf der Grundlage von Art. 29 der Rahmenrichtlinie eingeleiteten Verfahren beträfen sie unmittelbar und individuell.

45

Überdies hebt die Klägerin hervor, dass das Recht auf Akteneinsicht zwar durch die Wahrung des berechtigten Interesses der Vertraulichkeit sowie des Berufs- und Geschäftsgeheimnisses begrenzt werde, dass die Frage, ob das Akteneinsichtsrecht zu gewähren oder aus Gründen des Schutzes dieser berechtigten Interessen zu versagen sei, jedoch einer Abwägung im Einzelfall bedürfe. Die Kommission habe indessen pauschal und ohne nähere Erläuterung sämtliche Dokumente, die ihrer Ansicht nach vertraulich gewesen seien, der Akteneinsicht entzogen, was der Rechtsprechung des Gerichtshofs zuwiderlaufe.

46

In der Erwiderung hebt die Klägerin hervor, dass ihr ursprünglicher Antrag auf Akteneinsicht und ihr Zweitantrag auf Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta gestützt gewesen seien und dass die Kommission in dem angefochtenen Beschluss diese Bestimmung geprüft und den Antrag auf Akteneinsicht abgelehnt habe. Das Akteneinsichtsrecht nach Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta sei daher entgegen dem Vorbringen der Kommission Gegenstand des streitigen Beschlusses gewesen.

47

Darüber hinaus macht die Klägerin geltend, dass die in Kartellsachen ergangene Rechtsprechung, auf die sich die Kommission berufe und nach der die Verweigerung der Akteneinsicht keine anfechtbare Handlung sei, nicht einschlägig sei. Diese Rechtsprechung basiere nämlich maßgeblich auf dem Umstand, dass das Akteneinsichtsrecht als Verfahrensgarantie in Fällen dieser Art vollständig anerkannt und seine Durchführung in einer Verordnung detailliert geregelt sei. Ferner hat die Klägerin in Beantwortung einer Frage des Gerichts hervorgehoben, dass nicht feststehe, dass die Rechtswidrigkeit der Verweigerung der Akteneinsicht im Rahmen einer Klage gegen einen endgültigen Beschluss geltend gemacht werden könne. Art. 29 der Rahmenrichtlinie sehe nämlich für den Hersteller nicht die Möglichkeit vor, eine Klage gegen einen endgültigen Beschluss zu erheben. Ferner könne ihr die Kommission nicht entgegenhalten, dass sie ihre Stellungnahme innerhalb der kurz gesetzten Frist eingereicht habe, ohne zuvor Akteneinsicht genommen zu haben, wenn ihr diese Akteneinsicht nicht vorher angeboten worden sei. Sie wäre offensichtlich berechtigt gewesen, nach Akteneinsicht ihre Stellungnahme zu ergänzen.

48

Des Weiteren macht die Klägerin auch geltend, dass nach Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta der „Betroffenheit“ durch ein Verfahren maßgebliches Gewicht zukomme und dass der Betroffene sein Recht, gehört zu werden, nur dann effektiv ausüben könne, wenn er dies in voller Kenntnis der Aktenlage tun könne. Daher impliziere das Recht zu einer Stellungnahme, das demjenigen, der eine Stellungnahme abgebe, die Eigenschaft als Betroffener zuerkenne, regelmäßig auch das Recht auf Akteneinsicht. Art. 29 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie hebe die besondere Verfahrensstellung des von der Zulassungsuntersagung betroffenen Herstellers hervor, indem er bestimme, dass der diese Maßnahme ergreifende Mitgliedstaat unverzüglich die Kommission, die anderen Mitgliedstaaten und den betroffenen Hersteller zu informieren habe. Art. 29 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie gewähre dem Hersteller insofern die Eigenschaft als von dem Verfahren betroffene Partei mit der Folge, dass er von der Kommission gemäß Art. 29 Abs. 2 der Rahmenrichtlinie anzuhören sei.

49

Schließlich macht die Klägerin geltend, es sei offensichtlich, dass Akteneinsicht durch sie Einfluss auf das sie betreffende Verfahren haben könne. Als von dem von der Französischen Republik auf der Grundlage von Art. 29 der Rahmenrichtlinie eingeleiteten Verfahren betroffene Herstellerin könne sie sehr genaue Angaben zu den im Raum stehenden technischen Aspekten machen und für die zu treffende Entscheidung erhebliche Informationen liefern.

50

Die Kommission gesteht zu, dass sich das in Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta vorgesehene Recht auf Akteneinsicht von dem Recht auf Zugang zu Dokumenten, das durch Art. 42 der Charta, Art. 15 Abs. 2 AEUV und durch die Verordnung Nr. 1049/2001 verbürgt werde, unterscheide. Folglich könne die Klägerin die Nichtigerklärung eines von der Kommission auf der Grundlage von Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 erlassenen Beschlusses nicht wegen einer Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht verlangen. Des Weiteren habe die Kommission den Antrag der Klägerin auf Akteneinsicht nicht geprüft, da dies nicht Gegenstand eines auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001 eingeleiteten Verfahrens sei. In dem angefochtenen Beschluss habe sie lediglich über den Anspruch der Klägerin auf Zugang zu Dokumenten nach der Verordnung Nr. 1049/2001 entschieden. Die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss zu Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta wiesen entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht darauf hin, dass sie über den Antrag auf Akteneinsicht entschieden habe. Vielmehr habe sie in dem angefochtenen Beschluss ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie den Antrag ausschließlich auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001 geprüft habe. Die Klägerin könne die durch das Sekundärrecht ausgestalteten Voraussetzungen dieses Zugangsanpruchs daher nicht verdrängen oder umgehen, indem sie sich auf ein Akteneinsichtsrecht berufe, das ihr als Beteiligte in einem von der Kommission geführten Verwaltungsverfahren zustehe.

51

Zudem weist die Kommission darauf hin, dass das Recht auf Akteneinsicht die Beteiligung der Klägerin in einem Verfahren nach Art. 29 der Rahmenrichtlinie betroffen habe und dass durch die dieses Verfahren betreffende Verweigerung der Akteneinsicht keine abschließende, am Ende dieses Verfahrens erlassene Entscheidung der Kommission vorgelegen habe, so dass nach der Rechtsprechung die Verweigerung der Akteneinsicht noch keine anfechtbare Rechtshandlung dargestellt habe. Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit einer Zwischenmaßnahme – wie einer Entscheidung über den Antrag auf Akteneinsicht – könnten nur inzident im Rahmen der Anfechtung des verfahrensabschließenden Beschlusses vorgetragen werden. Die Klägerin habe auch nicht dargelegt, dass ihr eine Klage gegen einen endgültigen Beschluss keinen hinreichenden Rechtsschutz biete.

52

Auf die Fragen des Gerichts hat die Kommission hervorgehoben, dass Art. 29 der Rahmenrichtlinie kein Akteneinsichtsrecht des Herstellers bestimme und dass sich ein solches Recht der betroffenen Hersteller allenfalls aus Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta ergeben könne. Ein Verfahrensrecht, das dem Betroffenen eine ordnungsgemäße Verteidigung ermögliche, stehe nur den Verfahrensbeteiligten zu. Die Hersteller seien allerdings nicht Beteiligte des Verfahrens gemäß Art. 29 der Rahmenrichtlinie. Aus dem Umstand, dass die Kommission die betroffenen Wirtschaftsakteure anhöre, um alle relevanten Tatsachen zu ermitteln, folge nämlich nicht, dass diese eine Stellung im Verfahren hätten, die mit der Gewährung von besonderen Rechten verbunden sei.

53

Die Kommission fügt hinzu, dass das Akteneinsichtsrecht der Verfahrensbeteiligten nicht vorbehaltlos gewährt sei, da ihnen Akteneinsicht verwehrt werden könne, wenn überwiegende Interessen der Vertraulichkeit einer Einsichtnahme entgegenstünden. Die Grenzen des Rechts auf Akteneinsicht aus Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta entsprächen den in Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahmen zum Schutz von Untersuchungen. Somit hätte das Akteneinsichtsrecht, wenn es Gegenstand des angefochtenen Beschlusses gewesen wäre, aus vergleichbaren Gründen wie der beschiedene Dokumentenzugangsanspruch in verhältnismäßiger Weise eingeschränkt werden können.

54

Schließlich trägt die Kommission vor, dass die Klägerin nach der Rechtsprechung für den Nachweis einer Verletzung des Akteneinsichtsrechts darlegen müsse, dass die Verweigerung der Akteneinsicht den Verfahrensablauf und den Inhalt der Entscheidung der Kommission habe beeinflussen können. Das habe die Klägerin jedoch nicht getan. Außerdem sei ein solcher Einfluss aufgrund des zeitlichen Ablaufs ausgeschlossen, da die Klägerin im Verfahren nach Art. 29 der Rahmenrichtlinie am 19. August 2013 Stellung genommen habe, d. h., bevor sie ihren Antrag auf Zugang zu Dokumenten mit Schreiben vom selben Tag gestellt habe.

55

Zunächst ist zu prüfen, ob die Kommission in dem angefochtenen Beschluss, wie sie vorträgt, lediglich über den auf die Verordnung Nr. 1049/2001 gestützten Antrag auf Zugang zu Dokumenten entschieden hat oder ob sie auch über den auf Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta gestützten Antrag auf Akteneinsicht entschieden hat.

56

In dem Schreiben an die Kommission vom 19. August 2013, in dem die Klägerin zur Untersagung der Zulassung bestimmter Fahrzeuge der Marke Mercedes durch die Französische Republik Stellung genommen hat, hat die Klägerin ihren Antrag auf Zugang zu sämtlichen Dokumenten, die das von der Französischen Republik eingeleitete Verfahren nach Art. 29 der Rahmenrichtlinie betreffen, nur auf Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta gestützt.

57

Außerdem hat die Klägerin nach der an sie gerichteten E‑Mail der Kommission, wonach die Kommission der Auffassung war, dass der im Schreiben vom 19. August 2013 enthaltene Antrag auf Zugang auf die Verordnung Nr. 1049/2001 gestützt gewesen sei, in einer E‑Mail vom 20. September 2013 hervorgehoben, dass ihr Antrag auf Zugang auf ihr Recht auf Akteneinsicht gemäß Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta gestützt sei.

58

Schließlich berief sich die Klägerin in ihrem Zweitantrag auf Zugang vom 30. Oktober 2013 nicht nur auf das Recht auf Zugang zu Dokumenten nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001, sondern auch auf das Recht auf Akteneinsicht nach Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta.

59

Somit waren die ursprünglichen im Schreiben vom 19. August 2013 bzw. in der E‑Mail vom 20. September 2013 gestellten Anträge auf Zugang zu Dokumenten nur auf Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta gestützt, und der Zweitantrag auf Zugang war sowohl auf das Recht auf Zugang zu Dokumenten nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 als auch auf das Akteneinsichtsrecht nach Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta gestützt.

60

Zudem trifft es zu, dass der angefochtene Beschluss überschrieben ist mit „Beschluss der Generalsekretärin gemäß Artikel 4 der Durchführungsbestimmungen zur Verordnung [Nr. 1049/2001]“ und „Ihr[en] Zweitantrag auf Zugang zu Dokumenten gemäß Verordnung [Nr. 1049/2001] – GESTDEM 2013/4643“ zum Gegenstand hat und dass die Kommission unter der Überschrift „Bewertung und Schlussfolgerungen gemäß Verordnung Nr. 1049/2001“ des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, dass „[b]ei der Beurteilung eines Antrags auf öffentliche Verbreitung von Dokumenten gemäß der Verordnung [Nr. 1049/2001] die Kommission etwaige Verstöße gegen ein Anrecht auf privilegierte Akteneinsicht auf der Grundlage anderer Rechtsakte (wie der [Rahmenrichtlinie] oder der [Klimaanlagenrichtlinie], soweit diese ein entsprechendes Recht auf Akteneinsicht enthalten) nicht behandeln [kann]“ und dass „[d]ieser Einwand … somit nicht Gegenstand dieses Beschlusses [ist]“.

61

Allerdings enthält der angefochtene Beschluss nicht nur eine Überschrift „Bewertung und Schlussfolgerungen gemäß Verordnung Nr. 1049/2001“, sondern auch eine Überschrift „Bezugnahme auf die Charta“. Unter dieser Überschrift hat der angefochtene Beschluss folgenden Wortlaut:

„In Ihrem Zweitantrag verweisen Sie ferner auf die [Charta] und insbesondere auf das Recht einer jeden Person auf Zugang zu den sie betreffenden Akten nach Artikel 41 Absatz 2 und bitten darum, Ihren Antrag auch im Lichte dieser Bestimmungen zu prüfen.

Die Verordnung [Nr. 1049/2001] steht zwar in Einklang mit der [Charta], wurde aber auf der Grundlage von Artikel 15 Absatz 3 [AEUV] erlassen und dient der Umsetzung dieser Vertragsbestimmung.

Nach Artikel 52 Absatz 2 der [Charta] erfolgt die Ausübung der durch diese Charta anerkannten Rechte, die in den Verträgen geregelt sind, … im Rahmen der dort festgelegten Bedingungen und Grenzen.

Dementsprechend ist das in der [Charta] definierte Zugangsrecht im Rahmen der in Artikel 15 Absatz 3 AEUV und der Verordnung [Nr. 1049/2001] festgelegten Bedingungen und Grenzen auszuüben.

Deshalb kann die Kommission ihren Beschluss über Ihren Zugangsantrag nicht unmittelbar auf das in der [Charta] verankerte Zugangsrecht stützen. Vielmehr muss sie die im AEUV und in der Verordnung [Nr. 1049/2001] festgelegten Bedingungen und Grenzen beachten.“

62

Aus dieser Passage des angefochtenen Beschlusses geht somit hervor, dass die Kommission den auf Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta gestützten Antrag auf Akteneinsicht geprüft und ihn im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen hat, dass auch das Akteneinsichtsrecht durch die in der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahmen beschränkt sei.

63

Des Weiteren ist festzustellen, dass die Kommission in der Klagebeantwortung in ihrem Vorbringen zum ersten Klagegrund zwar geltend gemacht hat, dass sie sich nicht zu dem auf Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta gestützten Antrag auf Akteneinsicht geäußert habe, sie jedoch in ihrem Vorbringen zum vierten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gerügt wird, geltend macht, dass sie sich in dem angefochtenen Beschluss „sehr wohl zum Recht auf Akteneinsicht geäußert hat“ und dass „[s]ie … zu erkennen gegeben [hat], dass das Recht auf Akteneinsicht letztlich aus dem gleichen Grund zu versagen ist wie der allgemeine Zugang zu Dokumenten nach der Verordnung [Nr. 1049/2001]“.

64

Überdies stellen das Vorbringen der Kommission, dass ein Antrag auf Akteneinsicht grundsätzlich nicht Gegenstand eines auf die Verordnung Nr. 1049/2001 gestützten Verfahrens sei, und das Vorbringen, sie sei nicht verpflichtet gewesen, sich in dem angefochtenen Beschluss zu diesem Antrag zu äußern, nicht die Tatsache in Frage, dass sich die Kommission in dem angefochtenen Beschluss zu diesem Antrag geäußert hat.

65

Folglich ist davon auszugehen, dass der angefochtene Beschluss eine Verweigerung der von der Klägerin auf der Grundlage von Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta beantragten Akteneinsicht enthält.

66

Daher ist zu prüfen, ob die Kommission zutreffend geltend macht, dass eine solche Zugangsverweigerung keine anfechtbare Handlung darstelle.

67

Nach ständiger Rechtsprechung stellen im Fall von Handlungen oder Entscheidungen, die in einem mehrphasigen Verfahren ergehen, grundsätzlich nur jene Maßnahmen Handlungen, die Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein können, dar, die den Standpunkt des betreffenden Organs zum Abschluss des Verfahrens endgültig festlegen; vorläufige Maßnahmen oder solche rein vorbereitender Natur können nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein (vgl. Beschluss vom 15. Februar 2012, Internationaler Hilfsfonds/Kommission, C‑208/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:76, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

68

Nach der im Bereich des Wettbewerbs ergangenen Rechtsprechung bringen Handlungen der Kommission, mit denen eine Akteneinsicht verweigert wird, auch wenn sie Anhörungsrechte verletzen können, im Grundsatz doch lediglich beschränkte Wirkungen hervor, wie sie für eine vorbereitende Maßnahme in einem Verwaltungsverfahren kennzeichnend sind. Nur gegen Handlungen, die die Rechtslage der betreffenden Unternehmen unmittelbar und irreversibel berühren, sind Nichtigkeitsklagen bereits vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens zulässig (Urteil vom 18. Dezember 1992, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T‑10/92 bis T‑12/92 und T‑15/92, EU:T:1992:123, Rn. 42; Beschlüsse vom 5. Dezember 2001, Reisebank/Kommission, T‑216/01 R, EU:T:2001:277, Rn. 46, und vom 27. Januar 2009, Intel/Kommission, T‑457/08 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2009:18, Rn. 53).

69

Die Tatsache, auf die sich die Klägerin beruft, dass im Bereich des Wettbewerbs das Recht auf Akteneinsicht in einer Verordnung vorgesehen ist, rechtfertigt es nicht, dass das Gericht im vorliegenden Fall einen anderen Ansatz verfolgt. Die oben in Rn. 68 angeführten Entscheidungen waren im Wesentlichen auf den Umstand gestützt, dass die Verweigerung der Akteneinsicht bis zum Erlass eines Beschlusses der Kommission am Ende eines Verwaltungsverfahrens grundsätzlich umkehrbar war und dass die eventuelle Rechtswidrigkeit der Verweigerung der Akteneinsicht zur Stützung einer Klage gegen den am Ende des Verwaltungsverfahrens ergangenen Beschluss geltend gemacht werden konnte.

70

Im vorliegenden Fall geht aus Art. 29 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie hervor, dass die Mitgliedstaaten der Kommission die Untersagung der Zulassung von Fahrzeugen oder des Verkaufs oder der Inbetriebnahme von Fahrzeugen, Bauteilen oder selbständigen technischen Einheiten in ihrem Hoheitsgebiet sowie die Gründe für diese Untersagung mitteilen. Ferner sieht Art. 29 Abs. 2 der Rahmenrichtlinie vor, dass die Kommission die betreffenden Parteien anhört, um ihre Entscheidung vorzubereiten.

71

Diese Entscheidung stellt den rechtlichen Standpunkt der Kommission zur Vereinbarkeit der von dem Mitgliedstaat mitgeteilten Zulassungsuntersagung u. a. mit dem freien Warenverkehr im Binnenmarkt klar.

72

Die Klägerin erläutert nicht, warum sie die eventuelle Rechtswidrigkeit der Verweigerung der Akteneinsicht nicht im Rahmen einer Klage gegen die Entscheidung gemäß Art. 29 Abs. 2 der Rahmenrichtlinie, die von der Kommission erlassen werden wird, rügen kann.

73

Im Übrigen ist festzustellen, dass Art. 11 der Richtlinie 2006/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Maschinen und zur Änderung der Richtlinie 95/16/EG (ABl. 2006, L 157, S. 24) eine Schutzklausel vorsieht, die es den Mitgliedstaaten ermöglicht, bestimmte mit der CE-Kennzeichnung versehene Maschinen, die die Sicherheit und Gesundheit von Personen zu gefährden drohen, aus dem Verkehr zu ziehen. Diese Schutzklausel ähnelt der, die in Art. 29 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie vorgesehen ist. Im Urteil vom 15. Juli 2015, CSF/Kommission (T‑337/13, EU:T:2015:502, Rn. 16 bis 35), hat das Gericht jedoch eine Nichtigkeitsklage für zulässig gehalten, die von einem Hersteller einer Maschine gegen einen Beschluss der Kommission erhoben worden war, in dem festgestellt wurde, dass die Maßnahmen der dänischen Behörden, die auf die in Art. 11 der Richtlinie 2006/42 vorgesehene Schutzklausel gestützt waren und die Bedingungen betrafen, unter denen diese Maschine in Dänemark in Verkehr gebracht wurde, gerechtfertigt sind.

74

Daraus folgt, dass die in dem angefochtenen Beschluss enthaltene Verweigerung der Akteneinsicht nicht geeignet ist, Rechtswirkungen zu erzeugen, die bereits jetzt vor dem eventuellen Ergehen eines endgültigen Beschlusses der Kommission die Interessen der Klägerin beeinträchtigen können.

75

Der erste Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen das Übereinkommen von Aarhus und die Verordnung Nr. 1367/2006

76

Die Klägerin macht geltend, dass die beantragten Dokumente Umweltinformationen enthielten und die Kommission daher durch die Weigerung, ihr diese Dokumente zu übermitteln, das auf das Übereinkommen von Aarhus und die Verordnung Nr. 1367/2006 gestützte Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe missachtet habe.

77

Dieser Klagegrund gliedert sich in zwei Teile. Mit dem ersten Teil wird im Wesentlichen die Unvereinbarkeit von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 mit Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. c des Übereinkommens von Aarhus geltend gemacht. Mit dem zweiten Teil wird ein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 des Übereinkommens von Aarhus und Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 1367/2006 geltend gemacht.

Zum ersten Teil: Unvereinbarkeit von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 mit Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. c des Übereinkommens von Aarhus

78

Die Klägerin trägt vor, dass Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1367/2006, soweit er eine Ausnahme vom Zugang zu Umweltinformationen vorsehe, die in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. c des Übereinkommens von Aarhus nicht vorgesehen sei, nämlich die in Bezug auf Untersuchungen, gegen diesen letztgenannten Artikel verstoße. Zwar sehe Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. c des Übereinkommens von Aarhus vor, dass ein Antrag auf Zugang zu Informationen über die Umwelt abgelehnt werden könne, um den Zweck von Untersuchungen strafrechtlicher oder disziplinarischer Art zu schützen. Dieser Artikel sehe jedoch nicht die Möglichkeit vor, einen solchen Antrag abzulehnen, um den Zweck von behördlichen Untersuchungen wie einer von der Kommission aufgrund von Art. 29 der Rahmenrichtlinie eingeleiteten Untersuchung oder einer Untersuchung im Vorfeld eines Vertragsverletzungsverfahrens zu schützen.

79

Zudem verfügten die Vertragsparteien des Übereinkommens von Aarhus, zu denen die Union gehöre, zwar über einen Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung der Vorgaben dieses Übereinkommens, dieser Gestaltungsspielraum erlaube es der Kommission jedoch nicht, neue, im Übereinkommen von Aarhus nicht vorgesehene Gründe für die Ablehnung des Zugangs zu Umweltinformationen einzuführen. Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. c des Übereinkommens von Aarhus sei hinreichend präzise formuliert, so dass er unmittelbar anwendbar sei.

80

Ferner rügt die Klägerin das Vorbringen der Kommission, wonach die Rechtmäßigkeit von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 nicht anhand des Übereinkommens von Aarhus beurteilt werden könne. Die Union habe durch den Erlass der Verordnung Nr. 1367/2006 und insbesondere von Art. 6 Abs. 1 dieser Verordnung die sich aus dem Übereinkommen von Aarhus ergebenden Verpflichtungen umsetzen wollen. Nach den vom Gerichtshof in den Urteilen vom 22. Juni 1989, Fediol/Kommission (70/87, EU:C:1989:254), und vom 7. Mai 1991, Nakajima/Rat (C‑69/89, EU:C:1991:186), entwickelten Grundsätzen könnten daher die Rechtmäßigkeit, die Auslegung und die Anwendung der Verordnung Nr. 1367/2006 und insbesondere ihres Art. 6 am Übereinkommen von Aarhus gemessen werden. Im Übrigen stehe das Urteil vom 16. Juli 2015, ClientEarth/Kommission (C‑612/13 P, EU:C:2015:486), einer Kontrolle von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 anhand des Übereinkommens von Aarhus nicht entgegen.

81

Die Kommission entgegnet zunächst, dass sie, da sich die Klägerin weder in ihrem Erstantrag auf Zugang zu Dokumenten noch in ihrem Zweitantrag auf ein Recht auf Zugang zu Umweltinformationen nach dem Übereinkommen von Aarhus berufen habe, in dem angefochtenen Beschluss das Bestehen eines solchen Rechts weder bejaht noch verneint habe und es daher nicht Gegenstand der vorliegenden Klage sein könne.

82

Die Kommission macht ferner geltend, dass das Übereinkommen von Aarhus im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, da die beantragten Dokumente keine Informationen über die Umwelt im Sinne dieses Übereinkommens enthielten. Außerdem sei es nicht möglich, die Gültigkeit von Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 anhand von Art. 4 Abs. 4 dieses Übereinkommens zu prüfen, da dieser letztgenannte Artikel keine unmittelbare Wirkung entfalte. Überdies macht sie geltend, dass Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 mit dem Übereinkommen von Aarhus vereinbar sei und dass – wenn man davon ausgehe, dass dies nicht der Fall sei – die in der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahmen vom Zugang zu Dokumenten nicht für unanwendbar gehalten werden könnten, da diese Verordnung nicht zur Umsetzung des Übereinkommens von Aarhus erlassen worden sei.

83

Der Rat und das Parlament machen im Wesentlichen geltend, dass sich aus dem Urteil vom 16. Juli 2015, ClientEarth/Kommission (C‑612/13 P, EU:C:2015:486), ergebe, dass sich die Klägerin nicht auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. c des Übereinkommens von Aarhus berufen könne.

84

Es ist festzustellen, dass der erste Teil die Frage betrifft, ob Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1367/2006, soweit er eine Ausnahme hinsichtlich „Untersuchungen, insbesondere solchen, die mögliche Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht zum Gegenstand haben“, vorsieht, mit Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. c des Übereinkommens von Aarhus vereinbar ist.

85

Art. 6 der Verordnung Nr. 1367/2006 ergänzt die Verordnung Nr. 1049/2001 um spezielle Regeln für Anträge auf Zugang zu Umweltinformationen. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 sieht vor, dass Art. 4 Abs. 2 erster und dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001, mit Ausnahme von Untersuchungen, insbesondere solchen, die mögliche Verstöße gegen das Unionsrecht zum Gegenstand haben, dahin ausgelegt wird, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung besteht, wenn die angeforderten Informationen Emissionen in die Umwelt betreffen.

86

Nach Art. 216 Abs. 2 AEUV binden die von der Union geschlossenen Übereinkünfte ihre Organe und haben daher Vorrang vor den durch sie erlassenen Rechtsakten (vgl. Urteil vom 16. Juli 2015, ClientEarth/Kommission, C‑612/13 P, EU:C:2015:486, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

87

Daraus folgt, dass die Gültigkeit eines Unionsrechtsakts durch die Unvereinbarkeit mit derartigen völkerrechtlichen Regeln berührt werden kann (vgl. Urteil vom 16. Juli 2015, ClientEarth/Kommission (C‑612/13 P, EU:C:2015:486, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

88

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann der Unionsrichter die behauptete Unvereinbarkeit eines Unionsrechtsakts mit den Bestimmungen einer internationalen Übereinkunft, deren Vertragspartei die Union ist, jedoch nur prüfen, wenn die Art und Struktur der Übereinkunft dem nicht entgegenstehen und die Bestimmungen der Übereinkunft außerdem inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen (vgl. Urteil vom 16. Juli 2015, ClientEarth/Kommission (C‑612/13 P, EU:C:2015:486, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

89

Hierzu ist festzustellen, dass aus dem Urteil vom 16. Juli 2015, ClientEarth/Kommission (C‑612/13 P, EU:C:2015:486, Rn. 40 bis 43), hervorgeht, dass Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. c des Übereinkommens von Aarhus inhaltlich nicht so unbedingt und hinreichend genau ist, dass der Unionsrichter in Anwendung der oben in Rn. 88 angeführten Rechtsprechung die Vereinbarkeit eines Unionsrechtsakts mit diesem Artikel prüfen kann.

90

Zwar hat der Gerichtshof, worauf die Klägerin hinweist, auch entschieden, dass, wenn die Union eine bestimmte, durch im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) geschlossene Übereinkünfte übernommene Verpflichtung erfüllen wollte oder wenn der betreffende Unionsrechtsakt ausdrücklich auf spezielle Bestimmungen solcher Übereinkünfte verweist, es gegebenenfalls seine Sache ist, die Rechtmäßigkeit des betreffenden Unionsrechtsakts an den WTO-Regeln zu messen (vgl. Urteil vom 18. Dezember 2014, LVP, C‑306/13, EU:C:2014:2465, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 22. Juni 1989, Fediol/Kommission, 70/87, EU:C:1989:254, Rn. 19 bis 22, und vom 7. Mai 1991, Nakajima/Rat, C‑69/89, EU:C:1991:186, Rn. 29 bis 32).

91

Allerdings hat der Gerichtshof klargestellt, dass diese beiden Ausnahmen nur durch die Besonderheiten der Übereinkünfte gerechtfertigt waren, die zu ihrer Anwendung geführt haben (Urteil vom 13. Januar 2015, Rat/Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, C‑401/12 P bis C‑403/12 P, EU:C:2015:4, Rn. 57 bis 59).

92

Im vorliegenden Fall verweist Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 nicht unmittelbar auf bestimmte Vorschriften des Übereinkommens von Aarhus und räumt Privatpersonen nicht das Recht ein, sich auf die Bestimmungen dieses Übereinkommens zu berufen. Folglich kann mangels eines solchen ausdrücklichen Verweises auf Bestimmungen eines internationalen Übereinkommens das Urteil vom 22. Juni 1989, Fediol/Kommission (70/87, EU:C:1989:254), für den vorliegenden Fall nicht als einschlägig erachtet werden (Urteil vom 16. Juli 2015, ClientEarth/Kommission, C‑612/13 P, EU:C:2015:486, Rn. 37).

93

Außerdem sieht Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. c des Übereinkommens von Aarhus keine besondere Verpflichtung im Sinne des Urteils vom 7. Mai 1991, Nakajima/Rat (C‑69/89, EU:C:1991:186), vor, da die Vertragsparteien dieses Übereinkommens über einen Wertungsspielraum bei der Auslegung des Begriffs „Untersuchungen strafrechtlicher oder disziplinarischer Art“ in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. c des Übereinkommens von Aarhus und damit bei der Umsetzung der sich aus diesem Artikel ergebenden Verpflichtung verfügen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2015, ClientEarth/Kommission, C‑612/13 P, EU:C:2015:486, Rn. 42).

94

Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass sich die Klägerin nicht auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. c des Übereinkommens von Aarhus berufen kann, um die Rechtmäßigkeit von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 in Abrede zu stellen.

95

Der erste Teil des zweiten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

Zum zweiten Teil: Verstoß gegen Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 des Übereinkommens von Aarhus und Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 1367/2006

96

Die Klägerin trägt vor, dass nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 1367/2006 die Ausnahme nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 eng auszulegen sei und ein Bezug zu Umweltemissionen besonders zu berücksichtigen sei. Die enge Auslegung der Ausnahmebestimmung in Bezug auf Untersuchungsverfahren, die Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 des Übereinkommens von Aarhus und Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 1367/2006 verlangten, erfordere, dass alle Dokumente eines Untersuchungsverfahrens mit Emissionsrelevanz individuell darauf geprüft würden, ob das öffentliche Interesse an ihrer Verbreitung dem Interesse an der Vertraulichkeit der Untersuchung vorgehe.

97

Die Kommission entgegnet, dass die vom Zugangsantrag der Klägerin erfassten Dokumente keine Informationen zu Emissionen in die Umwelt im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 1367/2006 enthielten. Sie macht ferner geltend, dass, selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 1367/2006 gleichwohl nicht anwendbar wäre.

98

Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 des Übereinkommens von Aarhus sieht vor, dass die Gründe für die Ablehnung von Anträgen auf Informationen über die Umwelt eng auszulegen sind.

99

Der Unionsrichter hat den Standpunkt eingenommen, dass die in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 des Übereinkommens von Aarhus vorgesehene Pflicht, die Ablehnungsgründe eng auszulegen, nicht so verstanden werden kann, dass sie eine ganz bestimmte Verpflichtung zur Folge hat (Urteil vom 16. Juli 2015, ClientEarth/Kommission, C‑612/13 P, EU:C:2015:486, Rn. 42). Die Klägerin kann sich daher nicht unmittelbar auf diese Bestimmung berufen.

100

Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 1367/2006 bestimmt: „Bei den übrigen Ausnahmen nach Artikel 4 der Verordnung [Nr. 1049/2001] sind die Gründe für die Verweigerung eng auszulegen, wobei das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe und ein etwaiger Bezug der beantragten Informationen zu Emissionen in die Umwelt zu berücksichtigen sind.“

101

Aus dem Wortlaut und der Struktur von Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 geht jedoch hervor, dass die „übrigen Ausnahmen“ im Sinne des zweiten Satzes dieses Absatzes nicht den Schutz des Zwecks von „Untersuchungen, insbesondere solchen, die mögliche Verstöße gegen das [Unions]recht zum Gegenstand haben“, beinhalten.

102

Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 stellt nämlich eine Regel in Bezug auf die in Art. 4 Abs. 2 erster und dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 enthaltenen Ausnahmen auf. Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 1367/2006 spricht nicht einfach von den „übrigen Ausnahmen“, sondern von den „übrigen Ausnahmen nach Artikel 4 der Verordnung [Nr. 1049/2001]“. Diese Bestimmung erfasst somit die in Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 zweiter Gedankenstrich, Abs. 3 und Abs. 5 der Verordnung Nr. 1049/2001 enthaltenen Ausnahmen. Untersuchungstätigkeiten im Sinne von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001, die unter Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 fallen, werden nicht vom Begriff „übrige Ausnahmen“ in Satz 2 dieser Bestimmung umfasst (Urteil vom 14. November 2013, LPN und Finnland/Kommission, C‑514/11 P und C‑605/11 P, EU:C:2013:738, Rn. 83).

103

Demzufolge hat Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 1367/2006 keine Auswirkung auf die Prüfung, die die Kommission nach der Verordnung Nr. 1049/2001 vornehmen muss, wenn ein Antrag auf Zugang Dokumente eines Untersuchungsverfahrens zum Gegenstand hat.

104

Jedenfalls ist festzustellen, dass Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 als Sondervorschrift gegenüber Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 zwar Klarstellungen hinsichtlich der engen Auslegung der in den genannten Vorschriften vorgesehenen Ausnahmen sowie in Bezug auf die Abwägung der widerstreitenden Interessen enthält, was auf einen umfassenderen Zugang zu Umweltdaten, verglichen mit dem Zugang zu anderen Informationen in Dokumenten der Organe, hinauslaufen kann. Diese Feststellung hat allerdings keine Auswirkung auf die Frage, ob das betreffende Organ eine konkrete und individuelle Prüfung der beantragten Dokumente oder der begehrten Informationen anzustellen hat (Urteil vom 9. September 2011, LPN/Kommission, T‑29/08, EU:T:2011:448, Rn. 117).

105

Die Klägerin macht daher zu Unrecht geltend, dass die Kommission in Anbetracht der Art der beantragten Dokumente eine individuelle Prüfung jedes Dokuments hätte anstellen müssen.

106

Der zweite Teil des zweiten Klagegrundes ist deshalb zurückzuweisen.

107

Daraus folgt, dass der zweite Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen ist, ohne dass es notwendig wäre, über das Vorbringen der Kommission, die Dokumente, zu denen die Klägerin Zugang beantrage, beträfen keine Umweltemissionen, oder über das Vorbringen zu entscheiden, dass, da die Klägerin sich in ihrem Antrag auf Zugang zu Dokumenten nicht auf ein Recht auf Zugang zu Informationen über die Umwelt nach dem Übereinkommen von Aarhus berufen habe, ein solches Recht nicht Gegenstand der vorliegenden Klage sein könne.

Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 42 der Charta, Art. 15 Abs. 3 AEUV, die Verordnung Nr. 1049/2001 und die Verordnung Nr. 1367/2006

108

Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 15 Abs. 3 AEUV und Art. 42 der Charta jeder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder satzungsgemäßem Sitz in einem Mitgliedstaat das Recht auf Zugang zu den Dokumenten der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union hat, vorbehaltlich der Grundsätze und Bedingungen, die nach Art. 15 Abs. 3 AEUV festgelegt werden. Insbesondere werden diese Grundsätze und Bedingungen nach Abs. 3 Unterabs. 2 dieses Artikels vom Parlament und vom Rat durch Verordnungen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren festgelegt.

109

Auf dieser Grundlage soll die Verordnung Nr. 1049/2001 der Öffentlichkeit das Recht auf größtmöglichen Zugang zu den Dokumenten der Unionsorgane gewähren, wobei dieses Zugangsrecht jedoch, wie insbesondere aus der in ihrem Art. 4 enthaltenen Ausnahmeregelung hervorgeht, bestimmten Schranken aus Gründen des öffentlichen oder privaten Interesses unterliegt (Urteile vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau, C‑139/07 P, EU:C:2010:376, Rn. 51, und vom 27. Februar 2014, Kommission/EnBW, C‑365/12 P, EU:C:2014:112, Rn. 61).

110

Insbesondere geht aus Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 – auf den sich die Kommission berufen hat, um die Übermittlung der von der Klägerin beantragten Dokumente zu verweigern – hervor, dass die Organe den Zugang zu einem Dokument verweigern, falls durch seine Verbreitung der Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten beeinträchtigt würde, es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung.

111

Nach der Rechtsprechung beruht die in Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001, insbesondere in seinem Abs. 2, vorgesehene Ausnahmeregelung auf einer Abwägung der beteiligten Interessen, nämlich derjenigen, die durch die Verbreitung der betreffenden Dokumente begünstigt würden, und derjenigen, die durch diese Verbreitung gefährdet würden (Urteile vom 14. November 2013, LPN und Finnland/Kommission, C‑514/11 P und C‑605/11 P, EU:C:2013:738, Rn. 42, und vom 27. Februar 2014, Kommission/EnBW, C‑365/12 P, EU:C:2014:112, Rn. 63).

112

Da die in diesem Artikel vorgesehenen Ausnahmen vom Grundsatz des größtmöglichen Zugangs der Öffentlichkeit zu Dokumenten der Unionsorgane abweichen, sind sie eng auszulegen und anzuwenden (Urteile vom 17. Oktober 2013, Rat/Access Info Europe, C‑280/11 P, EU:C:2013:671, Rn. 30, und vom 3. Juli 2014, Rat/in ’t Veld, C‑350/12 P, EU:C:2014:2039, Rn. 48).

113

Daher genügt es als Rechtfertigung für die Verweigerung des Zugangs zu einem Dokument, dessen Verbreitung beantragt wurde, grundsätzlich nicht, dass dieses Dokument mit einer in Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 erwähnten Tätigkeit in Zusammenhang steht. Das Organ, bei dem der Antrag gestellt wird, muss grundsätzlich auch erläutern, inwiefern der Zugang zu diesem Dokument das Interesse, das durch die von ihm geltend gemachte Ausnahme oder geltend gemachten Ausnahmen geschützt wird, konkret und tatsächlich beeinträchtigen könnte (Urteile vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 49, und vom 27. Februar 2014, Kommission/EnBW, C‑365/12 P, EU:C:2014:112, Rn. 64). Die Gefahr einer solchen Beeinträchtigung muss außerdem bei vernünftiger Betrachtung absehbar sein und darf nicht rein hypothetisch sein (Urteile vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 43, und vom 17. Oktober 2013, Rat/Access Info Europe, C‑280/11 P, EU:C:2013:671, Rn. 31).

114

Dem betreffenden Organ steht es jedoch frei, sich hierbei auf allgemeine Vermutungen zu stützen, die für bestimmte Kategorien von Dokumenten gelten, da für Anträge auf Verbreitung von Dokumenten gleicher Art vergleichbare allgemeine Erwägungen gelten können (Urteile vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau, C‑139/07 P, EU:C:2010:376, Rn. 54, und vom 27. Februar 2014, Kommission/EnBW, C‑365/12 P, EU:C:2014:112, Rn. 65).

115

So hat der Gerichtshof das Vorliegen von allgemeinen Vermutungen anerkannt für die Verweigerung des Zugangs zu Dokumenten der Verwaltungsakte eines Verfahrens zur Kontrolle staatlicher Beihilfen (Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau, C‑139/07 P, EU:C:2010:376, Rn. 61), den Schriftverkehr zwischen der Kommission und den Anmeldern oder Dritten im Rahmen eines Verfahrens zur Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (Urteile vom 28. Juni 2012, Kommission/Éditions Odile Jacob, C‑404/10 P, EU:C:2012:393, Rn. 123, und vom 28. Juni 2012, Kommission/Agrofert Holding, C‑477/10 P, EU:C:2012:394, Rn. 64), die von einem Organ in einem Gerichtsverfahren eingereichten Schriftsätze (Urteil vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541, Rn. 94), die Dokumente zu einem Vertragsverletzungsverfahren im Stadium des Vorverfahrens (Urteil vom 14. November 2013, LPN und Finnland/Kommission, C‑514/11 P und C‑605/11 P, EU:C:2013:738, Rn. 65), die Dokumente der Akte eines Verfahrens nach Art. 101 AEUV (Urteil vom 27. Februar 2014, Kommission/EnBW, C‑365/12 P, EU:C:2014:112, Rn. 93), sowie die Dokumente zu einem sogenannten „EU-Pilotverfahren“ (Urteil vom 11. Mai 2017, Schweden/Kommission, C‑562/14 P, EU:C:2017:356, Rn. 51).

116

Das Gericht hat das Vorliegen von allgemeinen Vermutungen anerkannt in Bezug auf die Angebote von Bietern in einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge im Fall eines von einem anderen Bieter gestellten Zugangsantrags (Urteil vom 29. Januar 2013, Cosepuri/EFSA, T‑339/10 und T‑532/10, EU:T:2013:38, Rn. 101), die der Kommission nach Art. 11 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in [Art. 101 AEUV und Art. 102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) von den nationalen Wettbewerbsbehörden übermittelten Dokumente (Urteil vom 12. Mai 2015, Unión de Almacenistas de Hierros de España/Kommission, T‑623/13, EU:T:2015:268, Rn. 64), die Multiple-Choice-Fragen, die in einem vom Europäischen Amt für Personalauswahl (EPSO) durchgeführten allgemeinen Auswahlverfahren gestellt wurden (Urteil vom 12. November 2015, Alexandrou/Kommission, T‑515/14 P und T‑516/14 P, EU:T:2015:844, Rn. 94), die Dokumente einer Untersuchung des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (OLAF) (Urteil vom 26. Mai 2016, International Management Group/Kommission, T‑110/15, EU:T:2016:322, Rn. 44), sowie die Dokumente eines Verfahrens wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung, das eingestellt wurde (Urteil vom 28. März 2017, Deutsche Telekom/Kommission, T‑210/15, EU:T:2017:224).

117

Es ist auch darauf hinzuweisen, dass es dem jeweiligen Organ, wenn ein Antrag auf Zugang nicht ein einziges Dokument, sondern eine Reihe von Dokumenten betrifft, durch die Anerkennung einer allgemeinen Vermutung, nach der die Verbreitung von Dokumenten einer bestimmten Art grundsätzlich den Schutz eines der in Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 aufgezählten Interessen beeinträchtigen würde, ermöglicht wird, einen allgemeinen Antrag entsprechend zu behandeln und zu bescheiden (vgl. Urteil vom 27. Februar 2014, Kommission/EnBW, C‑365/12 P, EU:C:2014:112, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).

118

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Verwaltungstätigkeit der Kommission keinen ebenso breiten Zugang zu Dokumenten erfordert wie die gesetzgeberische Tätigkeit eines Unionsorgans (Urteil vom 21. Juli 2011, Schweden/MyTravel und Kommission, C‑506/08 P, EU:C:2011:496, Rn. 87; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau, C‑139/07 P, EU:C:2010:376, Rn. 60, und vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541, Rn. 77).

119

Der vorliegende Klagegrund gliedert sich im Wesentlichen in zwei Teile. Mit dem ersten Teil wird gerügt, die Kommission habe sich nicht auf die in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme zum Schutz von Untersuchungstätigkeiten und auf eine allgemeine Vermutung der Nichtverbreitung berufen dürfen. Mit dem zweiten Teil wird gerügt, die Kommission habe zu Unrecht angenommen, dass es kein überwiegendes öffentliches Interesse gebe, das die Verbreitung der beantragten Dokumente rechtfertige.

120

In Bezug auf den ersten Teil, mit dem gerügt wird, die Kommission habe sich nicht auf die in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme zum Schutz von Untersuchungstätigkeiten und auf eine allgemeine Vermutung der Nichtverbreitung berufen dürfen, trägt die Klägerin erstens vor, dass die Verbreitung der beantragten Dokumente keine „Untersuchung“ beeinträchtige, da der Rechtsstreit ausschließlich die rechtliche Bewertung tatsächlich feststehender, abgeschlossener Vorgänge betreffe, nämlich die Frage, ob der französische Minister für Ökologie, nachhaltige Entwicklung und Energie berechtigt gewesen sei, die Zulassung der betroffenen Fahrzeuge wegen einer angeblichen Gefahr für die Umwelt auszusetzen.

121

Zweitens trägt die Klägerin vor, dass die Kommission sich nicht auf eine allgemeine Vermutung der Nichtverbreitung hätte stützen dürfen, um ihren Antrag auf Zugang zu den Dokumenten des Verfahrens nach Art. 29 der Rahmenrichtlinie abzulehnen.

122

Hierzu macht sie geltend, dass die Verweigerung der beantragten Dokumente u. a. mit der Begründung, dass der Untersuchungserfolg davon abhänge, dass der Informationsaustausch in einem Klima der Diskretion und des gegenseitigen Vertrauens stattfinde, und dass eine Verbreitung dieser Dokumente das Verfahren einer Einflussnahme Dritter anheimgeben würde, auf eine Bereichsausnahme für die Dauer der Untersuchung hinausliefe, die es nach der Verordnung Nr. 1049/2001 nicht gebe.

123

Es sei nicht nachvollziehbar, warum nach Ansicht der Kommission der Zweck der aufgrund von Art. 29 der Rahmenrichtlinie eingeleiteten Untersuchung ausgehöhlt würde, wenn die beantragten Dokumente verbreitet würden. Dass der betroffene Hersteller Zugang zu den Dokumenten haben könne, die das aufgrund dieses Artikels eingeleitete Verfahren beträfen, trage vielmehr zum Zweck dieses Verfahrens bei, das die gemeinsame Verkehrspolitik im Bereich der Verkehrssicherheit umsetzen solle. Entsprechendes gelte, wenn die Öffentlichkeit dazu Zugang habe, da nach Ansicht der Französischen Republik, die die Zulassung der Fahrzeuge der Klägerin untersagt habe, die Sicherheitsbelange und die ökologischen Belange der Öffentlichkeit berührt worden seien.

124

Ferner macht die Klägerin geltend, dass die Rechtsprechung zu Vertragsverletzungsverfahren nicht auf das Verfahren nach Art. 29 der Rahmenrichtlinie übertragen werden könne. Die Fragen, die sich im Rahmen dieses letztgenannten Verfahrens stellten, unterschieden sich von den Fragen, die sich in einem Vertragsverletzungsverfahren stellten. Bei der Einleitung des Verfahrens nach Art. 29 der Rahmenrichtlinie stehe gar nicht fest, ob es zu einem Vertragsverletzungsverfahren kommen werde, weshalb es kein „Vorverfahren“ zu einem Vertragsverletzungsverfahren sei. Das aufgrund von Art. 29 der Rahmenrichtlinie eingeleitete Verfahren sei völlig unabhängig von einem Vertragsverletzungsverfahren, da es andere Beteiligte, andere Ziele und eigene Verfahrensregeln habe. Insbesondere seien hier nicht nur die Kommission und der angeblich gegen das Unionsrecht verstoßende Mitgliedstaat Verfahrensbeteiligte, sondern ebenso der die Schutzmaßnahme ergreifende Mitgliedstaat und der betroffene Kfz-Hersteller, im vorliegenden Fall die Klägerin. Die bloße Möglichkeit, dass es nach der Durchführung des Verfahrens nach Art. 29 der Rahmenrichtlinie zu einem Vertragsverletzungsverfahren kommen könne, reiche demnach nicht aus, um den Zugang zu den beantragten Dokumenten zu verweigern. Die Kommission habe überdies den Zugang zu diesen Dokumenten verwehrt, bevor sie überhaupt gewusst habe, ob die in Art. 29 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt gewesen seien.

125

Schließlich macht die Klägerin geltend, dass die Voraussetzungen für die Anwendung einer allgemeinen Vermutung der Nichtverbreitung hinsichtlich der Dokumente, die ein Verfahren nach Art. 29 der Rahmenrichtlinie beträfen, nicht erfüllt seien. Die Klägerin erkennt an, dass sich ihr Antrag auf Zugang auf eine Vielzahl von Dokumenten bezogen habe, die jedoch von unterschiedlichster Natur gewesen seien. Außerdem lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung einer allgemeinen Vermutung der Nichtverbreitung im vorliegenden Fall nicht vor, da die Rahmenrichtlinie keine Verfahrensvorschrift zum Zugang zu Dokumenten enthalte.

126

Drittens trägt die Klägerin vor, dass sich die Kommission nicht auf eine allgemeine Vermutung der Nichtverbreitung der ein EU-Pilotverfahren betreffenden Dokumente habe stützen dürfen. Als sie zu den Folgen des Urteils vom 11. Mai 2017, Schweden/Kommission (C‑562/14 P, EU:C:2017:356), für den vorliegenden Klagegrund befragt wurde, nahm die Klägerin zur Kenntnis, dass der Gerichtshof bestätigt hatte, dass man sich in Bezug auf die ein EU-Pilotverfahren betreffenden Dokumente auf eine Vermutung der Nichtverbreitung berufen kann. Sie wies jedoch darauf hin, dass sich der Antrag auf Zugang nicht auf ein EU-Pilotverfahren betreffende Dokumente bezogen habe, sondern auf Dokumente eines anderen Verwaltungsverfahrens, nämlich eines Verfahrens nach Art. 29 der Rahmenrichtlinie, für das keine Vermutung der Vertraulichkeit bestehe. Die Klägerin hat auch betont, dass die von diesen beiden Verfahren erfassten Dokumente zum Teil identisch sein könnten, sie aber nicht der Ansicht sei, dass sich alle Dokumente des Verfahrens nach Art. 29 der Rahmenrichtlinie auch in der Akte des EU‑Pilotverfahrens 5160/11 befunden hätten. Dies sei jedoch eine zwingende Voraussetzung dafür, dass diese Dokumente unter die Vermutung der Vertraulichkeit, die für die ein EU-Pilotverfahren betreffenden Dokumente anerkannt worden sei, fallen könnten.

127

Die Kommission entgegnet erstens, dass sie sich auf eine allgemeine Vermutung der Nichtverbreitung hinsichtlich der ein Verfahren nach Art. 29 der Rahmenrichtlinie betreffenden Dokumente habe stützen können. Hierzu macht sie geltend, dass zwischen diesem Verfahren und dem parallelen, einem Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland vorausgehenden EU-Pilotverfahren 5160/11 ein enger funktionaler Zusammenhang bestehe. Eine der Maßnahmen, die von der Kommission auf der Grundlage von Art. 29 Abs. 4 der Rahmenrichtlinie ergriffen werden könnten, sei gerade die Eröffnung eines Vertragsverletzungsverfahrens. Ferner macht die Kommission geltend, dass unabhängig von diesem funktionalen Zusammenhang eine allgemeine Vermutung der Nichtverbreitung in einem Verfahren nach Art. 29 der Rahmenrichtlinie anerkannt werden könne. Da das Verfahren, das in diesem Artikel vorgesehen sei, für die Parteien über die erforderliche Anhörung hinaus keine weiteren Beteiligungsrechte, insbesondere kein Recht auf Akteneinsicht, vorsehe, sei von einer solchen Vermutung auszugehen. Die Verbreitung der beantragten Dokumente beeinträchtige zudem den Zweck dieser Untersuchung. Die Kommission weist hierzu auf die in dem angefochtenen Beschluss vorgebrachten Erwägungen hin.

128

Zweitens entgegnet die Kommission unter Berufung auf das Urteil vom 25. September 2014, Spirlea/Kommission (T‑306/12, EU:T:2014:816, Rn. 19, 22 und 39), das durch das Urteil vom 11. Mai 2017, Schweden/Kommission (C‑562/14 P, EU:C:2017:356), bestätigt worden sei, dass sie sich auf eine allgemeine Vermutung der Nichtverbreitung hinsichtlich der ein EU-Pilotverfahren betreffenden Dokumente habe stützen dürfen. Sie macht weiter geltend, dass eine Gesamtheit von Dokumenten von der Vermutung erfasst werden könne, wenn diese Dokumente wie im vorliegenden Fall ein einziges Verfahren beträfen. Schließlich weist die Kommission darauf hin, dass ein EU-Pilotverfahren zum Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses bereits eröffnet gewesen sei und dass entgegen dem Vorbringen der Klägerin eine Vermutung der Vertraulichkeit bestehe, selbst wenn zum Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses ein Vertragsverletzungsverfahren noch nicht eingeleitet worden sei. Auf eine Frage des Gerichts hat die Kommission geantwortet, dass alle Dokumente des Verfahrens nach Art. 29 der Rahmenrichtlinie Bestandteile des EU-Pilotverfahrens 5160/11 gewesen seien und dass die Tatsache, dass diese Dokumente nicht alle „physisch“ in die Akte des EU-Pilotverfahrens „aufgenommen“ worden seien, nicht in Widerspruch zu dieser Aussage stehe.

129

Da die Klägerin geltend macht, dass die Verbreitung der beantragten Dokumente keine „Untersuchung“ beeinträchtige, da der Rechtsstreit ausschließlich die rechtliche Bewertung tatsächlich feststehender, abgeschlossener Vorgänge betreffe, ist zunächst zu prüfen, ob das Verfahren nach Art. 29 der Rahmenrichtlinie als Untersuchungstätigkeit im Sinne von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 angesehen werden kann.

130

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff „Untersuchung“ in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 einen eigenständigen Begriff des Unionsrechts darstellt, der insbesondere unter Berücksichtigung seines gewöhnlichen Sinnes und des Kontexts, in den er sich einfügt, auszulegen ist (Urteil vom 7. September 2017, Frankreich/Schlyter, C‑331/15 P, EU:C:2017:639, Rn. 45).

131

Der Gerichtshof hat entschieden, dass, ohne dass eine abschließende Definition der „Untersuchungstätigkeiten“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 entwickelt zu werden braucht, ein strukturiertes und formalisiertes Verfahren der Kommission, dessen Zweck darin besteht, Informationen zu sammeln und zu analysieren, damit sie im Rahmen der Ausübung ihrer Aufgaben nach dem EU-Vertrag und dem AEU-Vertrag einen Standpunkt vertreten kann, als eine solche Tätigkeit anzusehen ist (Urteil vom 7. September 2017, Frankreich/Schlyter, C‑331/15 P, EU:C:2017:639, Rn. 46).

132

Der Gerichtshof hat klargestellt, dass dieses Verfahren nicht zwingend auf die Aufdeckung oder Verfolgung einer Zuwiderhandlung oder Unregelmäßigkeit gerichtet sein muss. Der Begriff „Untersuchung“ kann auch eine Tätigkeit der Kommission erfassen, mit der Tatsachen festgestellt werden sollen, um eine bestimmte Situation zu bewerten (Urteil vom 7. September 2017, Frankreich/Schlyter, C‑331/15 P, EU:C:2017:639, Rn. 47).

133

Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass Art. 29 der Rahmenrichtlinie in seinen Abs. 1 bis 4 einen Verfahrensablauf festlegt, und zwar in Bezug auf erstens die Mitteilung einer Entscheidung durch den Mitgliedstaat, die Zulassung neuer Fahrzeuge, Systeme, Bauteile oder selbständiger technischer Einheiten, die ein erhebliches Risiko für die Sicherheit im Straßenverkehr darstellen oder die Umwelt oder die öffentliche Gesundheit ernsthaft gefährden, oder den Verkauf oder die Inbetriebnahme solcher Fahrzeuge, Bauteile oder selbständigen technischen Einheiten in seinem Hoheitsgebiet zu untersagen, zweitens die Anhörung der betreffenden Parteien durch die Kommission und drittens den Erlass einer Entscheidung und das eventuelle Ergreifen geeigneter Maßnahmen durch die Kommission. Es ist daher davon auszugehen, dass das in Art. 29 der Rahmenrichtlinie vorgesehene Verfahren ein strukturiertes und formalisiertes Verfahren ist.

134

Ferner geht aus Art. 29 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie hervor, dass die Mitgliedstaaten der Kommission nicht nur die Entscheidung, die Zulassung von Fahrzeugen oder den Verkauf oder die Inbetriebnahme von Fahrzeugen, Bauteilen oder selbständigen technischen Einheiten in ihrem Hoheitsgebiet zu untersagen, sondern auch die Gründe für diese Untersagung mitteilen und insbesondere, ob diese Untersagung auf Mängel der einschlägigen Rechtsakte oder die mangelhafte Anwendung der einschlägigen Anforderungen zurückzuführen ist. Ferner sieht Art. 29 Abs. 2 der Rahmenrichtlinie vor, dass die Kommission die betreffenden Parteien anhört, um ihre Entscheidung vorzubereiten. Die Vorbereitung dieser Entscheidung setzt offenkundig eine vorherige Analyse der der Kommission zur Verfügung stehenden Informationen voraus. Es ist daher davon auszugehen, dass das in Art. 29 der Rahmenrichtlinie vorgesehene Verfahren die Sammlung und Analyse von Informationen zum Ziel hat.

135

Schließlich erlässt die Kommission gemäß Art. 29 Abs. 2 der Rahmenrichtlinie eine Entscheidung, in der ihr rechtlicher Standpunkt zur Vereinbarkeit der von dem Mitgliedstaat mitgeteilten Untersagung der Zulassung oder des Verkaufs oder der Inbetriebnahme insbesondere mit dem freien Warenverkehr im Binnenmarkt erläutert wird. Es ist somit davon auszugehen, dass das in Art. 29 der Rahmenrichtlinie vorgesehene Verfahren zum Ziel hat, es der Kommission zu ermöglichen, einen Standpunkt im Rahmen der Ausübung ihrer im EU-Vertrag und im AEU-Vertrag vorgesehenen Funktionen einzunehmen.

136

Nach alledem ist festzustellen, dass das in Art. 29 der Rahmenrichtlinie vorgesehene Verfahren eine Untersuchungstätigkeit im Sinne von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 ist.

137

Somit ist zu ermitteln, ob die Kommission sich zu Recht auf eine allgemeine Vermutung der Nichtverbreitung berufen hat, um den Zugang zu den Dokumenten, die das Verfahren nach Art. 29 der Rahmenrichtlinie betreffen, zu verweigern.

138

Zum einen kann nach der oben in den Rn. 115 und 116 angeführten Rechtsprechung der Person, die auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001 Zugang zu Dokumenten beantragt, eine allgemeine Vermutung nur dann wirksam entgegengehalten werden, wenn die beantragten Dokumente zu ein und derselben Dokumentenkategorie gehören oder gleichartig sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 2014, Kommission/EnBW, C‑365/12 P, EU:C:2014:112, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

139

Zum anderen geht aus dieser Rechtsprechung hervor, dass die Anwendung allgemeiner Vermutungen wesentlich durch die zwingende Notwendigkeit bedingt ist, das ordnungsgemäße Funktionieren der fraglichen Verfahren sicherzustellen und zu gewährleisten, dass deren Zweck nicht beeinträchtigt wird. Somit kann die Anerkennung einer allgemeinen Vermutung darauf gestützt werden, dass der Zugang zu Dokumenten bestimmter Verfahren mit deren ordnungsgemäßem Ablauf unvereinbar ist und diese Verfahren zu beeinträchtigen droht, wobei davon auszugehen ist, dass die allgemeinen Vermutungen die Aufrechterhaltung des ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens ermöglichen, indem sie die Einflussnahme Dritter beschränken (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. September 2014, Spirlea/Kommission, T‑306/12, EU:T:2014:816, Rn. 57 und 58, sowie Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in den verbundenen Rechtssachen LPN und Finnland/Kommission, C‑514/11 P und C‑605/11 P, EU:C:2013:528, Nrn. 66, 68, 74 und 76).

140

Die Anwendung besonderer Regeln, die in einem Rechtsakt hinsichtlich eines Verfahrens vor einem Unionsorgan vorgesehen sind, für dessen Zwecke die angeforderten Dokumente vorgelegt wurden, ist eines der Kriterien, die die Anerkennung einer allgemeinen Vermutung rechtfertigen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juni 2015, McCullough/Cedefop, T‑496/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:374, Rn. 91 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Schlussanträge des Generalanwalts Cruz Villalón in der Rechtssache Rat/Access Info Europe, C‑280/11 P, EU:C:2013:325, Nr. 75).

141

Erstens ist zu untersuchen, ob die beantragten Dokumente zu ein und derselben Dokumentenkategorie gehören oder gleichartig sind. Hierzu genügt die Feststellung, dass diese Dokumente alle Teil derselben Verwaltungsakte sind, nämlich der des laufenden Verfahrens nach Art. 29 der Rahmenrichtlinie, und dass sie demnach alle zu ein und derselben Kategorie gehören (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2015, ClientEarth/Kommission, C‑612/13 P, EU:C:2015:486, Rn. 74 und 78).

142

Zweitens ist zu ermitteln, ob mit den Gründen, auf die sich die Kommission in dem angefochtenen Beschluss berufen hat, um den Zugang zu den Dokumenten zu verwehren, die das gemäß Art. 29 der Rahmenrichtlinie eingeleitete Verfahren betreffen, die Anerkennung einer neuen allgemeinen Vermutung der Nichtverbreitung gerechtfertigt werden kann.

143

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in dem angefochtenen Beschluss unter Berufung auf das Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau (C‑139/07 P, EU:C:2010:376), hervorgehoben hat, dass weder die Verordnung Nr. 1049/2001 noch die Rahmenrichtlinie Bestimmungen enthielten, die ausdrücklich einem dieser Rechtsakte Vorrang vor dem anderen gäben, und dass somit zu gewährleisten gewesen sei, dass jeder dieser Rechtsakte so angewandt werde, dass er mit dem jeweils anderen Rechtsakt vereinbar sei und eine kohärente Anwendung dieser Rechtsakte ermöglicht werde.

144

Die Kommission hat auch darauf hingewiesen, dass die Einleitung und die Durchführung von Untersuchungen, die auf die auf Art. 29 der Rahmenrichtlinie gestützte Mitteilung folgten, zu ihren administrativen Aufgaben gehörten und dass die Anwendung der Verordnung Nr. 1049/2001 nicht zur Folge haben dürfe, dass dieser Artikel ausgehöhlt werde.

145

Zudem hat die Kommission erstens erklärt, dass sechs Dokumente, die zu der Akte des auf der Grundlage von Art. 29 der Rahmenrichtlinie eingeleiteten Verfahrens gehörten, in Antworten der Mitgliedstaaten auf die Anhörungen bestanden hätten, die sie im Rahmen dieser Untersuchung durchgeführt habe. Diese Akte habe auch 45 E‑Mails, die mit den Mitgliedstaaten ausgetauscht worden seien, enthalten. Die Kommission war der Auffassung, dass es für den Erfolg ihrer Untersuchung wesentlich gewesen sei, dass diese in einem Klima der Diskretion und des gegenseitigen Vertrauens stattfinde, das dem freien Austausch von Informationen und Standpunkten zwischen ihr und den Mitgliedstaaten zuträglich sei. Wäre diese Vertraulichkeit nicht gegeben, würden die Mitgliedstaaten zögern, ihre Auffassung zur Einhaltung oder Nichteinhaltung der Rahmenrichtlinie frei zu äußern.

146

Zweitens hat die Kommission erklärt, dass die Akte des auf der Grundlage von Art. 29 der Rahmenrichtlinie eingeleiteten Verfahrens zahlreiche Dokumente enthalten habe, bei denen es sich um einen internen Meinungsaustausch, u. a. zwischen verschiedenen Generaldirektionen und mit dem Juristischen Dienst der Kommission, gehandelt habe, der im Rahmen von Vorgesprächen über die laufende Untersuchung betreffend die Anwendung der Rahmenrichtlinie durch die Französische Republik und die Bundesrepublik Deutschland stattgefunden habe. Bei einigen dieser Dokumente habe es sich um E‑Mails gehandelt, die mit privaten Unternehmen ausgetauscht worden seien. Die Kommission hat hervorgehoben, dass jede frühzeitige Verbreitung dieser Vorgespräche das Untersuchungsverfahren einer unsachgemäßen, auf unbelegten Behauptungen oder Meinungen basierenden Einflussnahme Dritter anheimgeben und das Verfahren so verzögern und seine Wirksamkeit gefährden würde. Die Freigabe dieser Dokumente würde das Vertrauen der Mitgliedstaaten in die Objektivität, Unparteilichkeit und Vertraulichkeit des Untersuchungsverfahrens beeinträchtigen und damit die Bereitschaft der Mitgliedstaaten, nach Abschluss der Untersuchung konstruktiv an etwaigen Folgemaßnahmen mitzuwirken, schmälern.

147

Die Freigabe der beantragten Dokumente hätte somit die Wirkung gehabt, die praktische Wirksamkeit der in Art. 29 der Rahmenrichtlinie vorgesehenen Schutzklausel und insbesondere den Zweck der in diesem Kontext durchgeführten Untersuchungen in Frage zu stellen, der darin bestehe, zu bewerten, ob der betreffende Mitgliedstaat diese Klausel ordnungsgemäß angewandt hat, und ein hohes Maß an Straßenverkehrssicherheit, Gesundheit und Umweltschutz zu gewährleisten.

148

Die Kommission kam daher zu dem Ergebnis, dass für die beantragten Dokumente, die alle Teil der Verwaltungsakte der auf der Grundlage von Art. 29 der Rahmenrichtlinie eingeleiteten Untersuchung gewesen seien, eine allgemeine Vermutung der Nichtverbreitung gelte, die auf den in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehen Schutz von Untersuchungen gestützt sei.

149

In Bezug auf die Begründung, die von der Kommission in dem angefochtenen Beschluss vorgetragen wurde, um auf die beantragten Dokumente eine allgemeine Vermutung der Nichtverbreitung anzuwenden, und die auf die Notwendigkeit gestützt war, eine kohärente Anwendung der Verordnung Nr. 1049/2001 und der Rahmenrichtlinie sicherzustellen, ist festzustellen, dass die Kommission in dem angefochtenen Beschluss nicht angegeben hat, welche Inkohärenz zwischen diesen beiden Rechtsakten mit der Anwendung einer allgemeinen Vermutung der Nichtverbreitung verhindert werden sollte.

150

Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau (C‑139/07 P, EU:C:2010:376), auf das sich die Kommission im vorliegenden Fall gestützt hat, eine allgemeine Vermutung der Nichtverbreitung von Dokumenten, die ein Verfahren zur Kontrolle staatlicher Beihilfen betrafen, anerkannt hat. Nach dem Hinweis, dass Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [108 AEUV] (ABl. 1999, L 83, S. 1) bestimmte, dass die Stellungnahmen, die die Kommission im Rahmen eines solchen Kontrollverfahrens erhält, dem betreffenden Mitgliedstaat mitgeteilt werden und dieser sich anschließend innerhalb einer bestimmten Frist zu diesen Stellungnahmen äußern kann, hat der Gerichtshof ausgeführt, dass sich aus der Verordnung Nr. 659/1999 ergibt, dass die Beteiligten mit Ausnahme des für die Gewährung der Beihilfe verantwortlichen Mitgliedstaats im Rahmen des Verfahrens zur Kontrolle staatlicher Beihilfen nicht über das Recht verfügen, die Dokumente der Verwaltungsakte der Kommission einzusehen, und dass mithin, wenn diese Beteiligten in der Lage wären, auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001 Zugang zu den Dokumenten der Verwaltungsakte der Kommission zu erhalten, das System der Kontrolle staatlicher Beihilfen gefährdet wäre (Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau, C‑139/07 P, EU:C:2010:376, Rn. 57 und 58).

151

Im Gegensatz zur Verordnung Nr. 659/1999 enthält die Rahmenrichtlinie jedoch keine Bestimmung, die vorsieht, dass der oder die von dem Verfahren nach Art. 29 der Rahmenrichtlinie betroffene(n) Mitgliedstaat(en) Zugang zu den Dokumenten der Verwaltungsakte dieses Verfahrens hat (haben), und aus der im Gegenschluss hervorgehen könnte, dass die anderen von diesem Verfahren betroffenen Parteien kein solches Recht haben. Zudem kann Art. 29 Abs. 2 der Rahmenrichtlinie, der die Anhörung der Parteien, die von dem in diesem Artikel vorgesehenen Verfahren betroffen sind, und nicht den Zugang zu den Dokumenten dieses Verfahrens betrifft, entgegen dem, was die Kommission offenbar geltend macht, nicht als eine Bestimmung ausgelegt werden, die die Verwendung der in der Akte der Kommission befindlichen Dokumente restriktiv regelt.

152

Die Rahmenrichtlinie enthält somit keine Vorschrift, die die Modalitäten des Zugangs zur Verwaltungsakte der Kommission im Rahmen des Verfahrens nach Art. 29 der Rahmenrichtlinie speziell regelt.

153

Demzufolge sind die von der Kommission in dem angefochtenen Beschluss für die Anwendung einer allgemeinen Vermutung der Nichtverbreitung auf die beantragten Dokumente angeführten Gründe, die auf die Notwendigkeit gestützt werden, eine kohärente Anwendung der Verordnung Nr. 1049/2001 und der Rahmenrichtlinie sowie des Urteils vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau (C‑139/07 P, EU:C:2010:376), sicherzustellen, im vorliegenden Fall nicht überzeugend.

154

Es trifft zu, dass der Umstand, dass es keine Rechtsvorschrift gibt, die speziell die Modalitäten des Zugangs zu den beantragten Dokumenten regelt, für sich genommen nicht geeignet ist, den Ausschluss jeder Möglichkeit, das Bestehen einer allgemeinen Vermutung anzuerkennen, auf deren Grundlage der Zugang zu den beantragten Dokumenten verweigert werden kann, zu rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Mai 2016, International Management Group/Kommission, T‑110/15, EU:T:2016:322, Rn. 31).

155

Da die Möglichkeit, auf allgemeine Vermutungen zurückzugreifen, nicht nur eine Beschränkung des in Art. 11 EUV, Art. 15 AEUV und in der Verordnung Nr. 1049/2001 verankerten Grundprinzips der Transparenz bewirkt, sondern auch und zwangsläufig eine Begrenzung des Zugangs zu den in Rede stehenden Dokumenten in der Praxis, muss sich die Verwendung solcher Vermutungen jedoch auf stichhaltige und überzeugende Gründe stützen (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in den verbundenen Rechtssachen LPN und Finnland/Kommission, C‑514/11 P und C‑605/11 P, EU:C:2013:528, Nr. 57).

156

Somit hätte die Kommission, um der Klägerin eine allgemeine Vermutung der Nichtverbreitung der beantragten Dokumente entgegenhalten zu können, erklären müssen, inwiefern diese Vermutung notwendig war, um den ordnungsgemäßen Ablauf des im vorliegenden Fall in Rede stehenden Verfahrens, nämlich des Verfahrens nach Art. 29 der Rahmenrichtlinie, sicherzustellen und um zu garantieren, dass die Ziele dieses Verfahrens nicht beeinträchtigt werden.

157

Außer den Gründen, die auf die Notwendigkeit gestützt werden, eine kohärente Anwendung der Verordnung Nr. 1049/2001 und der Rahmenrichtlinie sowie des Urteils vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau (C‑139/07 P, EU:C:2010:376), sicherzustellen, die im vorliegenden Fall nicht überzeugend sind, hat die Kommission für die Anwendung einer allgemeinen Vermutung der Nichtverbreitung auf die beantragten Dokumente im Wesentlichen die Notwendigkeit angeführt, ein Klima der Diskretion und Vertraulichkeit zwischen den Mitgliedstaaten zu garantieren und die Einflussnahme Dritter auf die laufende Untersuchung zu verhindern.

158

Es ist festzustellen, dass diese Gründe für jedes beliebige gegen einen Mitgliedstaat laufende Untersuchungsverfahren gelten.

159

Die Anerkennung der Möglichkeit, eine allgemeine Vermutung der Nichtverbreitung aus solchen Gründen anzuwenden, liefe der Rechtsprechung zuwider, wonach Vermutungen eng auszulegen und anzuwenden sind, da sie eine Ausnahme von der Verpflichtung des betreffenden Organs darstellen, jedes Dokument, auf das sich ein Antrag auf Zugang bezieht, konkret und individuell zu prüfen, und ganz allgemein von dem Grundsatz des größtmöglichen Zugangs der Öffentlichkeit zu Dokumenten, die sich im Besitz der Unionsorgane befinden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2015, ClientEarth/Kommission, C‑612/13 P, EU:C:2015:486, Rn. 81).

160

Außerdem ist in Bezug auf die 29 E‑Mails, die die Kommission mit juristischen Personen im Rahmen des Verfahrens nach Art. 29 der Rahmenrichtlinie ausgetauscht hat, hinzuzufügen, dass die von der Kommission angegebenen Gründe für die Anwendung der Vermutung, dass ihre Verbreitung den Zweck des Verfahrens nach Art. 29 der Rahmenrichtlinie beeinträchtige, offensichtlich nicht einschlägig sind. Bei der Lektüre des angefochtenen Beschlusses ist nämlich schwer nachzuvollziehen, inwiefern die Verbreitung dieses E‑Mail-Austauschs das Vertrauen der Mitgliedstaaten in die Objektivität und Unparteilichkeit der von der Kommission durchgeführten Untersuchung beeinträchtigen oder diese Untersuchung einer unzulässigen Einflussnahme Dritter aussetzen würde.

161

Im Rahmen der in Art. 91 Buchst. c der Verfahrensordnung vorgesehenen Maßnahmen der Beweisaufnahme wurde der Kommission die Vorlage einer vollständigen Kopie dieser 29 E‑Mails aufgegeben.

162

In diesen E‑Mails äußern die in Rede stehenden juristischen Personen im Wesentlichen ihren Standpunkt zu dem in den Klimaanlagen der Fahrzeuge der Klägerin verwendeten Kühlmittel R1234yf. Aus diesen 28 E‑Mails (eine der 29 E‑Mails ist in Wirklichkeit eine interne E‑Mail der Kommission, wie diese selbst in ihrem Begleitschreiben zur Kopie dieser Dokumente festgestellt hat) geht nicht hervor, dass die Verbreitung der Auffassung bestimmter juristischer Personen zum Kühlmittel R1234yf das Vertrauen der Mitgliedstaaten in die Objektivität, Unparteilichkeit und Vertraulichkeit des Untersuchungsverfahrens beeinträchtigen und das Untersuchungsverfahren einer unzulässigen Einflussnahme Dritter aussetzen würde. Außerdem befindet sich zwar in der Anlage zu einer dieser E‑Mails ein Bericht des KBA über das Kühlmittel R1234yf – und zahlreiche E‑Mails geben den Inhalt dieses Berichts wieder –, dieser wird jedoch auch durch Dritte verbreitet und ist auf der Website des KBA verfügbar. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die Verbreitung dieser E‑Mails das Vertrauen einer nationalen Behörde beeinträchtigen würde.

163

Somit sind die von der Kommission angeführten Gründe für die Anwendung einer allgemeinen Vermutung der Nichtverbreitung auf die ein Verfahren nach Art. 29 der Rahmenrichtlinie betreffenden Dokumente nicht relevant, was den Austausch zwischen der Kommission und den juristischen Personen betrifft, und nicht stichhaltig und überzeugend, was die anderen Kategorien von Dokumenten betrifft, die sie identifiziert hat.

164

Die Kommission durfte daher in Anbetracht der Gründe, die sie in dem angefochtenen Beschluss angeführt hat, keine allgemeine Vermutung der Nichtverbreitung auf die beantragten Dokumente anwenden.

165

Dieses Ergebnis wird nicht durch das Vorbringen der Kommission in Frage gestellt, es gebe einen engen funktionalen Zusammenhang zwischen dem EU-Pilotverfahren 5160/11 und dem Verfahren nach Art. 29 der Rahmenrichtlinie.

166

Hierzu ist zunächst festzustellen, dass die Kommission in ihren Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichts eingeräumt hat, dass die beantragten Dokumente nicht in die Akte des EU‑Pilotverfahrens 5160/11 aufgenommen worden seien. Der Gerichtshof hat jedoch den Standpunkt eingenommen, dass die Tatsache, dass Dokumente in die Akte eines Verwaltungsverfahrens aufgenommen wurden, entscheidend für die Schlussfolgerung ist, dass diese Dokumente dieses Verfahren betreffen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2015, ClientEarth/Kommission, C‑612/13 P, EU:C:2015:486, Rn. 76). Die Klägerin macht somit zutreffend geltend, dass die Kommission sich nicht auf die allgemeine Vermutung der Nichtverbreitung von EU-Pilotverfahren betreffenden Dokumenten berufen kann, die das Gericht im Urteil vom 25. September 2014, Spirlea/Kommission (T‑306/12, EU:T:2014:816, Rn. 19, 22 und 39), das mit dem Urteil vom 11. Mai 2017, Schweden/Kommission (C‑562/14 P, EU:C:2017:356), bestätigt wurde, anerkannt hat.

167

Sodann trifft es zwar zu, dass die Französische Republik im vorliegenden Fall ihre Untersagung der Zulassung damit gerechtfertigt hat, dass die von den deutschen Behörden erteilten Verlängerungen der EG-Typgenehmigungen die Klimaanlagenrichtlinie nicht beachtet hätten. Eine Untersagung der Zulassung kann jedoch mit anderen Gründen als dem gerechtfertigt werden, dass die auf dem Gebiet der Genehmigung von Kraftfahrzeugen zuständigen nationalen Behörden die anwendbaren Rechtsvorschriften nicht eingehalten hätten. So geht aus Art. 29 Abs. 1 Satz 2 erster Gedankenstrich der Rahmenrichtlinie hervor, dass diese Untersagung mit Mängeln der einschlägigen Rechtsakte gerechtfertigt werden kann. In diesem Fall besteht zwischen dem Verfahren nach Art. 29 der Rahmenrichtlinie und einem EU‑Pilotverfahren kein Zusammenhang.

168

Überdies stellt das im vorliegenden Fall aufgrund von Art. 29 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie eingeleitete Verfahren nicht die Vorstufe zu dem gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren dar. Diese Vorstufe war nämlich das EU‑Pilotverfahren 5160/11.

169

Schließlich ist festzustellen, dass das Gericht, um einen gemeinsamen Ansatz in Bezug auf die EU-Pilotverfahren und das Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV zu rechtfertigen, im Urteil vom 25. September 2014, Spirlea/Kommission (T‑306/12, EU:T:2014:816, Rn. 61), insbesondere hervorgehoben hat, dass das EU‑Pilotverfahren – ebenso wie das Vorverfahren des Vertragsverletzungsverfahrens – zweiseitiger Natur ist und zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat geführt wird und dass dies ungeachtet der Tatsache gilt, dass es gegebenenfalls durch eine Beschwerde eingeleitet wurde, denn der mögliche Beschwerdeführer hat jedenfalls im weiteren Verlauf des Vertragsverletzungsverfahrens keinerlei Rechte. Im Gegensatz zu einem EU-Pilotverfahren oder einem Vertragsverletzungsverfahren ist das Verfahren nach Art. 29 der Rahmenrichtlinie jedoch kein zweiseitiges Verfahren zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat. Art. 29 Abs. 2 der Rahmenrichtlinie sieht nämlich vor, dass die Kommission die betreffenden Parteien so bald wie möglich anhört, um ihre Entscheidung vorzubereiten. Aus dieser Bestimmung geht hervor, dass der Hersteller als betreffende Partei das Recht hat, angehört zu werden, und dass er also – im Gegensatz zu einem möglichen Beschwerdeführer im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren – im Rahmen dieses Verfahrens beteiligt wird.

170

Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im vorliegenden Fall sowohl andere Mitgliedstaaten als auch juristische Personen angehört hat, um Informationen zu erhalten, die sie offenbar für nützlich oder notwendig für ihre Untersuchung angesehen hat. Diese Anhörungselemente unterscheiden das von der Kommission im vorliegenden Fall geführte Verfahren sehr deutlich von einem Vertragsverletzungsverfahren und einem EU-Pilotverfahren. Jedenfalls kann in Anbetracht der Zahl und der Vielfalt der von der Kommission angehörten Personen nicht angenommen werden, dass alle von ihr im Rahmen dieser Anhörung erhaltenen Informationen von der Ausnahme in Bezug auf den Schutz von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten gedeckt sind.

171

Folglich ist die Rechtsprechung zu EU-Pilotverfahren und Vertragsverletzungsverfahren nicht analog anzuwenden.

172

Nach alledem ist dem ersten Teil des dritten Klagegrundes stattzugeben und damit der angefochtene Beschluss aufzuheben, ohne dass es notwendig wäre, den zweiten Teil des dritten Klagegrundes und den vierten Klagegrund zu prüfen und über den von der Klägerin in ihrem Schreiben vom 8. Juni 2018 gestellten Antrag auf prozessleitende Maßnahmen zu entscheiden.

Kosten

173

Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Klägerin ihre eigenen Kosten und die Kosten der Klägerin aufzuerlegen.

174

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Der Rat und das Parlament tragen somit ihre eigenen Kosten.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Der Beschluss Ares(2013) 3715941 der Europäischen Kommission vom 13. Dezember 2013, mit dem der Daimler AG der Zugang zu Dokumenten in Bezug auf das von der Französischen Republik eingeleitete Verfahren nach Art. 29 der Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie) verweigert wurde, wird für nichtig erklärt.

 

2.

Die Kommission trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten von Daimler.

 

3.

Der Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament tragen ihre eigenen Kosten.

 

Gratsias

Dittrich

Xuereb

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 4. Oktober 2018.

Der Kanzler

E. Coulon

Der Präsident

D. Gratsias


( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Europäischer Gerichtshof Urteil, 04. Okt. 2018 - T-128/14

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