Europäischer Gerichtshof Schlussantrag des Generalanwalts, 04. Okt. 2018 - C-680/16 P

ECLI:ECLI:EU:C:2018:819
bei uns veröffentlicht am04.10.2018

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PAOLO MENGOZZI

vom 4. Oktober 2018(1)

Rechtssache C680/16 P

Dr. August Wolff GmbH & Co. KG Arzneimittel,

Remedia d.o.o.

gegen

Europäische Kommission

„Rechtsmittel – Richtlinie 2001/83/EG – Humanarzneimittel – Beschluss der Kommission, mit dem gegenüber den Mitgliedstaaten der Widerruf bzw. die Änderung der nationalen Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln zur topischen Anwendung mit einem Massenanteil von 0,01 % Estradiol angeordnet wird – Voraussetzungen für die Befassung des Humanarzneimittelausschusses – Objektive Unparteilichkeit – Recht auf Anhörung – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – Grundsatz der Gleichbehandlung“






Inhaltsverzeichnis


I. Rechtlicher Rahmen

II. Vorgeschichte des Rechtsstreits

III. Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

IV. Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

V. Rechtliche Würdigung

A. Zum ersten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen die Art. 31 und 32 des Humanarzneimittelkodexes

1. Zum ersten Teil: fehlerhafte Auslegung von Art. 31 des Humanarzneimittelkodexes

a) Zusammenfassung des Parteivorbringens

b) Beurteilung

2. Zum zweiten Teil: Verletzung des in Art. 32 Abs. 2 des Humanarzneimittelkodexes verankerten Gebots neutraler Beurteilung und des Grundsatzes einer sorgfältigen und unparteiischen Prüfung gemäß Art. 41 Abs. 1 der Charta

a) Zusammenfassung des Parteivorbringens

b) Beurteilung

3. Zum dritten Teil: Verstoß gegen Art. 32 Abs. 3 des Humanarzneimittelkodexes und Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör

a) Zusammenfassung des Parteivorbringens

b) Beurteilung

4. Schlussfolgerung zum ersten Rechtsmittelgrund

B. Zum zweiten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Art. 116 Abs. 1 und Art. 126 Abs. 1 des Humanarzneimittelkodexes

1. Zum ersten Teil: Verstoß gegen Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast bei der Begründung eines Risikos mit der Abwesenheit von Studien nach der Zulassung

a) Zusammenfassung des Parteivorbringens

b) Beurteilung

2. Zum zweiten Teil: Fehlen eines verständlichen Zusammenhangs zwischen den medizinischen oder wissenschaftlichen Feststellungen und den Schlussfolgerungen des CHMP

a) Zusammenfassung des Parteivorbringens

b) Beurteilung

3. Zum dritten Teil: fehlerhafte Risikobewertung wegen Nichtberücksichtigung der Pharmakovigilanzdaten

a) Zusammenfassung des Parteivorbringens

b) Beurteilung

4. Zum vierten Teil: fehlerhafte Darstellung der Pharmakovigilanzdaten und Fehlerhaftigkeit des Inhalts der wissenschaftlichen Leitlinien im endgültigen Gutachten des CHMP

a) Zusammenfassung des Parteivorbringens

b) Beurteilung

5. Ergebnis für den zweiten Rechtsmittelgrund

C. Zum dritten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung

1. Zum ersten Teil: Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

a) Zusammenfassung des Parteivorbringens

b) Beurteilung

2. Zum zweiten Teil: Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz

a) Zusammenfassung des Parteivorbringens

b) Beurteilung

3. Schlussfolgerung für den dritten Rechtsmittelgrund

VI. Zur Klage vor dem Gericht

VII. Kosten

VIII. Ergebnis


1.        Mit ihrem Rechtsmittel begehren die Dr. August Wolff GmbH & Co. KG Arzneimittel (im Folgenden: August Wolff oder Rechtsmittelführerin zu 1) und die Remedia d.o.o. (im Folgenden: Remedia) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 20. Oktober 2016, August Wolff und Remedia/Kommission (T‑672/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:623) (im Folgenden: angefochtenes Urteil).

2.        Mit diesem Urteil hat das Gericht die Klage dieser Gesellschaften abgewiesen, die auf die Nichtigerklärung des Durchführungsbeschlusses C(2014) 6030 final der Kommission vom 19. August 2014 über die Zulassungen für Humanarzneimittel zur topischen Anwendung mit hohen Estradiol‑Konzentrationen gemäß Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (im Folgenden: Durchführungsbeschluss) gerichtet war. Dieser Durchführungsbeschluss hatte auf der Grundlage der Schlussfolgerungen des endgültigen Gutachtens des Ausschusses für Humanarzneimittel (Committee for Medicinal Products for Human Use, im Folgenden: CHMP) bestimmt, dass die Erneuerung der Genehmigung für das Inverkehrbringen (im Folgenden auch: Zulassung) für das betroffene Arzneimittel, Linoladiol N, der Bedingung einer Beschränkung der Anwendung auf vier Wochen unter gleichzeitigem Ausschluss einer wiederholten Anwendung unterliegen muss.

3.        Mit dem vorliegenden Rechtsmittel erhält der Gerichtshof die Gelegenheit, sich erstmals zu Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel(2) (im Folgenden: Humanarzneimittelkodex) zu äußern, insbesondere zu den Voraussetzungen für die Befassung des CHMP durch die zuständigen nationalen Behörden im Rahmen dieses Verfahrens. Darüber hinaus hat der Gerichtshof erstmals über Art. 32 Abs. 3 des Humanarzneimittelkodexes zu entscheiden und dabei die Tragweite des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu bestimmen, der dem Antragsteller oder dem Inhaber der Zulassung nach dieser Vorschrift zusteht, und über die Frage zu befinden, ob die Ernennung eines Mitglieds der nationalen Behörde, die den CHMP angerufen hat, zu dessen Hauptberichterstatter im Rahmen des Verfahrens nach Art. 31 des Humanarzneimittelkodexes mit dem in Art. 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) verankerten Grundsatz der Unparteilichkeit vereinbar ist.

I.      Rechtlicher Rahmen

4.        Art. 31 des Humanarzneimittelkodexes bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten, die Kommission, der Antragsteller oder der Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen befassen in besonderen Fällen von Unionsinteresse den Ausschuss [für Humanarzneimittel] mit der Anwendung des Verfahrens nach Artikel 32, 33 und 34, bevor sie über einen Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen, über die Aussetzung oder den Widerruf einer Genehmigung für das Inverkehrbringen bzw. über jede andere Änderung der Genehmigung für das Inverkehrbringen, die für erforderlich gehalten wird, entscheiden.

Ergibt sich eine solche Befassung aus der Bewertung von Pharmakovigilanzdaten eines genehmigten Arzneimittels, ist die Angelegenheit an den Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz zu verweisen, und Artikel 107j Absatz 2 kann Anwendung finden. Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz gibt nach dem Verfahren des Artikels 32 eine Empfehlung ab. Die abschließende Empfehlung wird dem Ausschuss für Humanarzneimittel oder gegebenenfalls der Koordinierungsgruppe übermittelt, und es gilt das Verfahren des Artikels 107k. …“.

5.        Art. 32 des Humanarzneimittelkodexes sieht vor:

„(1)      Wird auf das in diesem Artikel beschriebene Verfahren Bezug genommen, so berät der Ausschuss über die Angelegenheit und gibt innerhalb von 60 Tagen, nachdem er mit der Angelegenheit befasst wurde, ein begründetes Gutachten ab.

In Fällen, die nach den Artikeln 30 und 31 an den Ausschuss verwiesen werden, kann der Ausschuss diese Frist jedoch unter Berücksichtigung der Standpunkte der Antragsteller oder der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen um bis zu 90 Tage verlängern.

In Notfällen kann der Ausschuss auf Vorschlag seines Vorsitzenden eine kürzere Frist festsetzen.

(2)      Zur Prüfung der Angelegenheit bestellt der Ausschuss eines seiner Mitglieder als Berichterstatter. Der Ausschuss kann auch unabhängige Sachverständige zur Beratung über spezielle Fragen bestellen. Werden Sachverständige benannt, legt der Ausschuss deren Aufgaben fest und gibt die Frist für die Erledigung dieser Aufgaben an.

(3)      Vor Abgabe seines Gutachtens räumt der Ausschuss dem Antragsteller oder dem Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen die Möglichkeit ein, sich innerhalb einer vom Ausschuss festzusetzenden Frist, schriftlich oder mündlich zu äußern.

Dem Gutachten des Ausschusses liegen der Entwurf der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels sowie der Entwurf der Etikettierung und der Packungsbeilage bei.

Sofern der Ausschuss dies für erforderlich hält, kann er jede andere Person auffordern, Auskünfte über die zu behandelnde Frage zu erteilen.

Der Ausschuss kann die in Absatz 1 genannten Fristen hemmen, um dem Antragsteller oder dem Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen die Möglichkeit zur Vorbereitung seiner Erklärungen zu geben.

(4)      Die [Europäische Arzneimittelagentur] unterrichtet den Antragsteller oder den Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen unverzüglich, wenn der Ausschuss zu der Auffassung gelangt, dass

a)      der Antrag die Kriterien für eine Genehmigung nicht erfüllt oder

b)      die vom Antragsteller oder vom Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Artikel 11 vorgeschlagene Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels geändert werden muss oder

c)      die Genehmigung nur unter bestimmten Bedingungen erteilt werden kann, die als wesentlich für die sichere und wirksame Verwendung des Arzneimittels angesehen werden, einschließlich der Pharmakovigilanz, oder

d)      eine Genehmigung für das Inverkehrbringen ausgesetzt, geändert oder widerrufen werden muss.

Innerhalb von 15 Tagen nach Erhalt des Gutachtens kann der Antragsteller oder der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen der Agentur schriftlich mitteilen, dass er um Überprüfung des Gutachtens ersucht. In diesem Fall legt er der Agentur innerhalb von 60 Tagen nach Erhalt des Gutachtens eine ausführliche Begründung des Gesuchs vor.

Innerhalb von 60 Tagen nach Erhalt der Begründung des Gesuchs überprüft der Ausschuss sein Gutachten gemäß Artikel 62 Absatz 1 Unterabsatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004[(3)]. Die Gründe für die erzielten Schlussfolgerungen werden dem in Absatz 5 des vorliegenden Artikels genannten Beurteilungsbericht beigefügt.

(5)      Die Agentur übermittelt das endgültige Gutachten des Ausschusses innerhalb von 15 Tagen nach seiner Verabschiedung den Mitgliedstaaten, der Kommission und dem Antragsteller bzw. dem Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen zusammen mit einem Bericht, der die Beurteilung des Arzneimittels enthält und die Gründe für seine Schlussfolgerungen angibt.

Im Fall eines positiven Gutachtens bezüglich der Erteilung oder Aufrechterhaltung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen des betreffenden Arzneimittels sind dem Gutachten folgende Unterlagen beizufügen:

a)      ein Entwurf der in Artikel 11 genannten Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels;

b)      gegebenenfalls Angaben zu den Bedingungen im Sinne des Absatzes 4 Buchstabe c), unter denen die Genehmigung erteilt wird;

c)      Einzelheiten aller empfohlenen Bedingungen oder Beschränkungen für eine sichere und wirksame Anwendung des Arzneimittels;

d)      die vorgeschlagene Etikettierung und Packungsbeilage.“

6.        Art. 33 des Humanarzneimittelkodexes bestimmt:

„Innerhalb von 15 Tagen nach Erhalt des Gutachtens erstellt die Kommission unter Berücksichtigung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften einen Entwurf der Entscheidung über den Antrag.

Sieht der Entscheidungsentwurf die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen vor, so sind die in Artikel 32 Absatz 5 Unterabsatz 2 genannten Unterlagen beizufügen.

Entspricht der Entscheidungsentwurf ausnahmsweise nicht dem Gutachten der Agentur, so hat die Kommission auch eine eingehende Begründung der Abweichung beizufügen.

Der Entscheidungsentwurf wird den Mitgliedstaaten und dem Antragsteller oder dem Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen übermittelt.“

7.        In Art. 34 des Humanarzneimittelkodexes heißt es:

„(1)      Die Kommission erlässt eine endgültige Entscheidung nach dem in Artikel 121 Absatz 3 genannten Verfahren binnen 15 Tagen nach Abschluss dieses Verfahrens.

…“

8.        Art. 116 Abs. 1 des Humanarzneimittelkodexes sieht vor:

„Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten setzen die Genehmigung für das Inverkehrbringen aus, nehmen sie zurück oder ändern sie, wenn sie der Ansicht sind, dass das Arzneimittel schädlich ist oder dass seine therapeutische Wirksamkeit fehlt oder dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis ungünstig ist oder dass das Arzneimittel nicht die angegebene quantitative und qualitative Zusammensetzung aufweist. Von einer fehlenden therapeutischen Wirksamkeit wird ausgegangen, wenn feststeht, dass sich mit dem Arzneimittel keine therapeutischen Ergebnisse erzielen lassen.“

9.        Art. 126 des Humanarzneimittelkodexes lautet:

„Die Genehmigung für das Inverkehrbringen darf nur aus den in dieser Richtlinie aufgeführten Gründen versagt, ausgesetzt oder widerrufen werden.

Die Entscheidungen über die Unterbrechung der Herstellung und die Aussetzung der Einfuhr von Arzneimitteln mit Herkunft aus Drittländern, über das Verbot der Abgabe von Arzneimitteln und deren Zurückziehung aus dem Verkehr dürfen nur aus in den Artikel[n] 117 und 118 aufgeführten Gründen getroffen werden.“

II.    Vorgeschichte des Rechtsstreits

10.      Aus den Rn. 1 bis 12 des angefochtenen Urteils geht hervor, dass August Wolff Inhaberin der Zulassungen für das Arzneimittel Linoladiol N oder Gel Linoladiol N 0.1 mg/g oder Linoladiol N 0.1 mg/g vaginal cream (im Folgenden: Linoladiol N) in mehreren Mitgliedstaaten, darunter die Bundesrepublik Deutschland, ist. Remedia ist Inhaberin der Zulassung für Linoladiol N in Kroatien.

11.      Linoladiol N ist eine Creme, die zur Behandlung atrophischer Beschwerden an Vagina und Vulva bei Frauen in den Wechseljahren dient. Linoladiol N enthält als Wirkstoff das Hormon Estradiol mit einem Anteil von 100 Mikrogramm pro Gramm.

12.      Dieses Arzneimittel wurde 1978 erstmals in Deutschland zugelassen. Am 26. September 2005 versagte die zuständige deutsche Behörde, d. h. das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (im Folgenden: BfArM) die Nachzulassung. Die Rechtsmittelführerin zu 1 erhob gegen diesen Bescheid zunächst Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln (Deutschland), das die Klage mit Urteil vom 27. Oktober 2009 abwies. Daraufhin legte sie beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Deutschland) Berufung ein. Mit Urteil vom 13. März 2013 hob dieses den Bescheid vom 26. September 2005 auf und verpflichtete das BfArM, den Antrag auf Nachzulassung für Linoladiol N unter Beachtung seiner Rechtsauffassung erneut zu bescheiden. Mit Bescheid vom 11. Juli 2013 erteilte das BfArM die Nachzulassung für Linoladiol N für bestimmte Packungsgrößen.

13.      Noch während das oben beschriebene gerichtliche Verfahren anhängig war, befassten die deutschen Behörden am 24. Mai 2012 gemäß Art. 31 Abs. 1 des Humanarzneimittelkodexes den CHMP der Europäischen Arzneimittelagentur mit Linoladiol N.

14.      Dem in Art. 32 Abs. 2 des Humanarzneimittelkodexes vorgesehenen Verfahren folgend ernannte der CHMP Frau Martina Weise, sein Mitglied deutscher Staatsangehörigkeit und Angestellte des BfArM, zur Berichterstatterin.

15.      Am 19. Dezember 2013 erstattete der CHMP ein vorläufiges Gutachten, dessen Überprüfung von der Rechtsmittelführerin zu 1 beantragt wurde. Am 25. April 2014 erstattete der CHMP sein endgültiges Gutachten. Am 19. August 2014 erließ die Europäische Kommission den Durchführungsbeschluss.

16.      Im Einklang mit den im endgültigen Gutachten des CHMP vorgeschlagenen Maßnahmen bestimmt dieser Beschluss in seinem Anhang IV, dass die Zusammenfassungen der Merkmale und die Packungsbeilagen von Arzneimitteln wie Linoladiol N eine Höchstanwendungsdauer von einmalig vier Wochen vorsehen müssen.

III. Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

17.      Am 19. September 2014 erhoben die Rechtsmittelführerinnen jeweils Klage auf teilweise Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung.

18.      Mit besonderem Schriftsatz, der am 30. September 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, stellten die Rechtsmittelführerinnen einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, der auf Aussetzung des Vollzugs des streitigen Beschlusses durch den Präsidenten des Gerichts gerichtet war. Mit Beschluss vom 15. Dezember 2014 wies der Präsident des Gerichts diesen Antrag zurück; die Kostenentscheidung blieb vorbehalten.

19.      Nachdem es die von den Rechtsmittelführerinnen vorgebrachten Klagegründe zurückgewiesen hatte, wies das Gericht die Klage insgesamt ab und erlegte ihnen die Kosten auf.

IV.    Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

20.      Die Rechtsmittelführerinnen haben mit am 23. Dezember 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Rechtsmittelschrift das vorliegende Rechtsmittel eingelegt.

21.      Sie beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und den streitigen Beschluss für nichtig zu erklären. Hilfsweise beantragen sie, die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen. Schließlich beantragen sie, der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

22.      Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und den Rechtsmittelführerinnen die Kosten aufzuerlegen.

V.      Rechtliche Würdigung

23.      Die Rechtsmittelführerinnen stützen ihr Rechtsmittel auf drei Gründe, mit denen sie einen Verstoß gegen die Art. 31 und 32 des Humanarzneimittelkodexes, einen Verstoß gegen dessen Art. 116 in Verbindung mit seinem Art. 126 sowie einen Verstoß gegen allgemeine Grundsätze des Unionsrechts wie den Verhältnismäßigkeits- und den Gleichbehandlungsgrundsatz geltend machen.

A.      Zum ersten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen die Art. 31 und 32 des Humanarzneimittelkodexes

24.      Dieser Rechtsmittelgrund hat drei Teile. Erstens werfen die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht vor, Art. 31 des Humanarzneimittelkodexes fehlerhaft ausgelegt zu haben, da es im angefochtenen Urteil verkannt habe, dass nach dieser Bestimmung die Einleitung des dort vorgesehenen Verfahrens besonderen Voraussetzungen unterliege. Zweitens habe das Gericht gegen Art. 32 Abs. 2 des Humanarzneimittelkodexes verstoßen, indem es das in dieser Bestimmung verankerte Gebot neutraler Beurteilung und den Grundsatz zur sorgfältigen und unparteiischen Prüfung gemäß Art. 41 Abs. 1 der Charta verletzt habe. Drittens habe das Gericht gegen Art. 32 Abs. 3 des Humanarzneimittelkodexes und den Anspruch auf rechtliches Gehör verstoßen.

1.      Zum ersten Teil: fehlerhafte Auslegung von Art. 31 des Humanarzneimittelkodexes

a)      Zusammenfassung des Parteivorbringens

25.      Dieser erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes richtet sich gegen die Rn. 29, 37, 38 und 44 bis 49 sowie gegen die Rn. 59, 61, 63, 65 und 67 des angefochtenen Urteils. Das Gericht habe verkannt, dass Art. 31 des Humanarzneimittelkodexes die Einleitung des in diesem Artikel vorgesehenenAdhoc-Verfahrens von einer Voraussetzung in zeitlicher Hinsicht sowie von dem Vorliegen des „Unionsinteresses“ abhängig mache.

26.      Die Rechtsmittelführerinnen sind nämlich der Auffassung, dass sich nach der Auslegung des Gerichts von Art. 31 Abs. 1 des Humanarzneimittelkodexes die Voraussetzungen für die Einleitung dieses Verfahrens darin erschöpften, dass das verfahrensgegenständliche Arzneimittel in mehreren Mitgliedstaaten zugelassen sein müsse. Dies führe in der Konsequenz dazu, dass eine nationale Zulassungsbehörde jederzeit die Überprüfung eines Arzneimittels durch den CHMP im Rahmen des in Art. 31 des Humanarzneimittelkodexes vorgesehenen Verfahrens verlangen könne, ohne dass der Erlass einer Entscheidung auf nationaler Ebene, der die Zulassung des betroffenen Arzneimittels zum Gegenstand habe, der Einleitung dieses Verfahrens entgegenstünde.

27.      Dies widerspreche bereits dem Wortlaut von Art. 31 Abs. 1 des Humanarzneimittelkodexes. Das in dieser Bestimmung enthaltene Wort „bevor“ weise nämlich eindeutig darauf hin, dass die Mitgliedstaaten den Ausschuss nicht jederzeit befassen könnten. Vielmehr könne dies nur vor dem Erlass einer nationalen Entscheidung geschehen.

28.      Im vorliegenden Fall habe die Bundesrepublik Deutschland das Verfahren nach Art. 31 des Humanarzneimittelkodexes am 31. Mai 2012 eingeleitet, d. h. weit nach dem Zeitpunkt, zu dem die deutschen Behörden über die Zulassung von Linoladiol N entschieden hätten (26. September 2005). Soweit das Gericht angenommen habe, dass die maßgebende nationale Entscheidung die Erteilung der Nachzulassung für Linoladiol N durch die deutschen Behörden vom 11. Juli 2013 gewesen sei, vermenge es rechtlich unzutreffend die Entscheidungsbefugnisse der Verwaltung und die gerichtlichen Verfahren.

29.      Außerdem hätte sich das Gericht bei der Bestimmung der Zielsetzung von Art. 31 Abs. 1 des Humanarzneimittelkodexes nicht auf einen von der Rechtsmittelgegnerin erstellten Leitfaden zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Handlungen der Rechtsmittelgegnerin selbst stützen dürfen, da dies den Grundsatz der Gewaltenteilung verletze.

30.      Darüber hinaus habe die Bundesrepublik Deutschland rechtsmissbräuchlich gehandelt, indem sie das in Art. 31 des Humanarzneimittelkodexes vorgesehene Verfahren allein mit dem Ziel eingeleitet habe, ein Unterliegen in dem Verfahren nach der von den Rechtsmittelführerinnen bei den deutschen Gerichten erhobenen Klage gegen den Bescheid vom 26. September 2005 – dem Zeitpunkt, zu dem die deutschen Behörden die Nachzulassung für Linoladiol N verweigert haben – zu vermeiden.

31.      Die Einleitung des in Rede stehenden Verfahrens nach dem Erlass einer abweichenden Entscheidung durch eine nationale Behörde führe zu unterschiedlichen Bewertungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten und laufe somit dem Ziel des Humanarzneimittelkodexes zuwider, Handelshemmnisse für Arzneimittel im Markt zu verhindern.

32.      Ferner habe das Gericht auch die Voraussetzung, wonach das in Art. 31 des Humanarzneimittelkodexes vorgesehene Verfahren „in besonderen Fällen von Unionsinteresse“ eingeleitet werden könne, fehlerhaft beurteilt. Im Fall eines bereits zugelassenen Arzneimittels ergebe sich ein solches Interesse nämlich dann, wenn aktuelle Erkenntnisse zu seiner Wirksamkeit oder Sicherheit einen Anlass für eine Befassung des CHMP gäben. Insoweit zeige die Tatsache, dass die vom CHMP in diesem Rahmen untersuchten Studien aus dem Jahr 2004 stammten, dass es keine neuen Daten gebe, die die Einleitung des Verfahrens nach Art. 31 des Humanarzneimittelkodexes hätten rechtfertigen können.

33.      Die Kommission meint, das Gericht habe Art. 31 Abs. 1 des Humanarzneimittelkodexes zutreffend ausgelegt. Nachdem es ausgeführt habe, dass nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht eindeutig sei, dass der Erlass eines Rechtsakts über eine Zulassung auf nationaler Ebene einschließlich eines vor den nationalen Gerichten angefochtenen Rechtsakts den nationalen Stellen die Möglichkeit nehme, den CHMP zu befassen, habe das Gericht seine Auslegung auf den Zusammenhang des Art. 31 und die Ziele, die mit der Regelung, zu der er gehöre, verfolgt würden, gestützt. Es sei so zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Ziele für eine weite Auslegung der Voraussetzungen für die Einleitung des Verfahrens nach Art. 31 Abs. 1 des Humanarzneimittelkodexes sprächen und dass jeder Mitgliedstaat ein Interesse an der Eröffnung dieses Verfahrens habe, solange er zur Beurteilung einer Genehmigung noch tätig werden könne.

34.      Dem Gericht sei auch nicht vorzuwerfen, dass es sich zur Ermittlung des Zwecks der Vorschrift u. a. auch auf einen von der Kommission erstellten Leitfaden als nicht rechtsverbindliches Dokument gestützt habe.

35.      Im Hinblick auf die Voraussetzung eines „Unionsinteresses“ entgegnet die Kommission, dass diese Voraussetzung die Erforderlichkeit der Beurteilung eines Arzneimittels oder seines Wirkstoffs auf Unionsebene betreffe und dass diese Erforderlichkeit offensichtlich sei, wenn derselbe Wirkstoff in mehreren Mitgliedstaaten zugelassen sei, was im vorliegenden Fall nicht gegeben sei. In diesem Zusammenhang sei die Frage, ob relevante Daten neu seien oder nicht, für die Beurteilung dieser Voraussetzung unerheblich.

b)      Beurteilung

36.      Nach Art. 31 des Humanarzneimittelkodexes wird das dort vorgesehene Verfahren zum einen bei Vorliegen eines Unionsinteresses und zum anderen vor einer Entscheidung eines Mitgliedstaats über den Antrag auf Zulassung eingeleitet.

37.      Nach Ansicht der Rechtsmittelführerinnen sind beide Voraussetzungen im angefochtenen Urteil fehlerhaft ausgelegt worden.

38.      Ich werde damit beginnen, die Rüge der Rechtsmittelführerinnen in Bezug auf die Voraussetzung des „Unionsinteresses“ zu prüfen.

39.      In den Rn. 59 bis 66 des angefochtenen Urteils hat das Gericht zunächst festgestellt, dass der Begriff „Unionsinteresse“ im Humanarzneimittelkodex nicht definiert werde, und weiter ausgeführt, dass bei seiner Auslegung die wesentlichen Ziele des Kodexes, nämlich der Schutz der öffentlichen Gesundheit in der Union und die Garantie des freien Verkehrs mit Arzneimitteln im Unionsmarkt, zum Ausgleich zu bringen seien. Folglich ziele er auf eine Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten, die Zulassungen für Arzneimittel mit demselben Wirkstoff erteilt haben, zum Zweck des Schutzes der öffentlichen Gesundheit in der Union ab. Der Begriff gewinne seine volle Bedeutung, sobald Zulassungen für dasselbe Arzneimittel in mehreren Mitgliedstaaten erteilt worden seien und Unsicherheit hinsichtlich des Wirkstoffs entstehe, wie im vorliegenden Fall.

40.      In diesem Zusammenhang hat die Tatsache, dass das BfArM bei der Befassung des CHMP nicht dargetan hatte, dass solche Unsicherheiten auf dem Verdacht einer „schwerwiegenden neuen“ Gefahr beruhten, nach Auffassung des Gerichts keinerlei Auswirkungen, da die genannte Wendung im Rahmen des Verfahrens nach Art. 31 des Humanarzneimittelkodexes nicht anwendbar sei.

41.      Diese Auslegung erscheint mir frei von Rechtsfehlern.

42.      Der Begriff „Unionsinteresse“ ist nämlich im Humanarzneimittelkodex nirgends definiert. Wie das Gericht in Rn. 59 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, wird er außer in Art. 31 nur im 57. Erwägungsgrund des Humanarzneimittelkodexes erwähnt, wonach er darauf gerichtet ist, dass Systeme zur Überwachung von Arzneimitteln, die gemäß einem der Zulassungsverfahren zugelassen werden, miteinander vereinbar sind. Mir scheint jedoch, dass dieser Gesichtspunkt nicht zur Definition des Begriffs beitragen kann.

43.      Der Inhalt des Begriffs „Unionsinteresse“ muss folglich das Ergebnis einer Abwägung der miteinander konkurrierenden Ziele des Humanarzneimittelkodexes, nämlich Schutz der öffentlichen Gesundheit in der Union und freier Verkehr mit Arzneimitteln, sein. Er muss jedem Mitgliedstaat die Möglichkeit lassen, jede Unsicherheit in Bezug auf den Wirkstoff eines bereits in anderen Mitgliedstaaten zugelassenen Arzneimittels zur Sprache zu bringen, dabei aber gleichzeitig sicherstellen, dass die endgültige Entscheidung über die Aussetzung oder den Widerruf dieser Zulassungen auf der Unionsebene getroffen wird.

44.      Kapitel III der von der Kommission in „Die Regelung der Arzneimittel in der Europäischen Gemeinschaft“, Band II: „Mitteilung an die Antragsteller betreffend die Genehmigung für das Inverkehrbringen der für den Menschen bestimmten Arzneimittel in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft“ (im Folgenden: Mitteilung an die Antragsteller oder Leitfaden) veröffentlichten Leitlinien rechtfertigt meiner Ansicht nach keine andere Auslegung. In der Mitteilung an die Antragsteller heißt es nämlich, der Begriff „Unionsinteresse“ „bezieht sich besonders auf die mit Arzneimitteln in der Union verbundenen Interessen der öffentlichen Gesundheit unter Berücksichtigung von Daten zur Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit sowie auf den freien Warenverkehr in der Union“.

45.      Während die endgültige Entscheidung über die Aussetzung oder den Widerruf von Zulassungen auf der Ebene der Union erlassen werden muss, scheint mir daher die Festlegung des Niveaus des Gesundheitsschutzes, das die Befassung des CHMP rechtfertigen kann, in die Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten zu fallen.

46.      Deshalb bin ich der Auffassung, dass der ersten Rüge der Rechtsmittelführerinnen, wonach das Gericht den Begriff „Unionsinteresse“ fehlerhaft ausgelegt habe, weil es nicht festgestellt habe, dass die Befassung des CHMP nur bei Vorliegen „neuer Daten“ gerechtfertigt sei, die Zweifel an der Wirksamkeit oder Sicherheit des betreffenden Arzneimittels weckten, nicht stattgegeben werden kann, weil dies zur Folge hätte, das Ermessen der Mitgliedstaaten bei der Wahl des angemessenen Niveaus des Gesundheitsschutzes einzuschränken.

47.      Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen geht nämlich aus Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 2 des Humanarzneimittelkodexes („Ergibt sich eine solche Befassung aus der Bewertung von Pharmakovigilanzdaten eines genehmigten Arzneimittels …“) klar hervor, dass das Vorliegen neuer Pharmakovigilanzdaten nur einer von mehreren Gründen ist,die eine Befassungdes CHMP rechtfertigen können(4).

48.      Ich bin daher der Auffassung, dass dem Gericht kein Rechtsfehler unterlaufen ist, indem es entschieden hat, dass die Kommission mit ihrer Billigung einer Befassung des CHMP durch das BfArM, die nicht durch neue Daten begründet gewesen sei, nicht gegen Art. 31 Abs. 1 des Humanarzneimittelkodexes verstoßen habe.

49.      Ich werde nun die Rüge prüfen, das Gericht habe die Voraussetzung, dass der CHMP von der zuständigen nationalen Behörde nur befasst werden dürfe, bevor eine Entscheidung über den Antrag auf Zulassung ergangen sei, fehlerhaft ausgelegt.

50.      Bevor ich meine Untersuchung beginne, scheint es mir zweckmäßig, den Abschnitt von Rn. 28 bis Rn. 49 des angefochtenen Urteils, auf den diese Rüge abzielt, kurz zusammenzufassen.

51.      Zunächst hat das Gericht ausgeführt, dass Art. 31 Abs. 1 des Humanarzneimittelkodexes, da nach dem Wortlaut dieser Vorschrift nicht eindeutig feststehe, dass der Erlass jeder Entscheidung in Bezug auf eine Zulassung der Einleitung des in diesem Artikel vorgesehenen Verfahrens entgegenstehe, unter Berücksichtigung der mit dem Humanarzneimittelkodex verfolgten Ziele ausgelegt werden müsse.

52.      Hierzu hat das Gericht festgestellt, dass der Humanarzneimittelkodex zum einen Hemmnisse für den Handel mit Arzneimitteln zwischen Mitgliedstaaten verhindern soll, indem Abweichungen in den wissenschaftlichen Beurteilungen vergleichbarer Arzneimittel vermieden werden, und zum anderen durch Gewährleistung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards zum Gesundheitsschutz beitragen soll. Sodann hat es darauf hingewiesen, dass das in Art. 31 des Humanarzneimittelkodexes vorgesehene Verfahren die Funktion hat, die Tätigkeit der zuständigen Behörden zu koordinieren und in eine gemeinsame Richtung zu lenken. Der Normzweck der Bestimmung spreche daher für eine weite Auslegung der Voraussetzungen für die darin vorgesehene Befassung des Ausschusses.

53.      Für diese Sichtweise spricht dem Gericht zufolge auch, dass das Verfahren nach Art. 31 des Humanarzneimittelkodexes mit einer Entscheidung der Kommission abgeschlossen werde, die bindende Wirkung gegenüber den Mitgliedstaaten habe, während es eine solche Bindungswirkung vor dem Erlass der Richtlinie 2004/27/EG(5) nicht gegeben habe.

54.      Ein weiterer Gesichtspunkt, der diese Auslegung stütze, ergibt sich aus Kapitel I der Mitteilung an die Antragsteller, aus dem hervorgehe, dass die Mitgliedstaaten das Verfahren nach Art. 31 des Humanarzneimittelkodexes einleiten dürften, solange sie im Fall einer Zulassung noch tätig werden könnten.

55.      Auf der Grundlage dieser Erwägungen ist das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kommission damit, dass sie am Ende des sich mit der Anrufung des CHMP durch eine nationale Behörde eingeleiteten Verfahrens, das parallel zu dem gegen die ursprüngliche Entscheidung dieser Behörde über eine nationale Genehmigung für das Inverkehrbringen angestrengten nationalen Gerichtsverfahren durchgeführt worden sei, den Durchführungsbeschluss erlassen habe, nicht gegen Art. 31 Abs. 1 des Humanarzneimittelkodexes verstoßen habe.

56.      In Übereinstimmung mit den Rechtsmittelführerinnen bin ich der Ansicht, dass diese Schlussfolgerung fehlerhaft ist.

57.      Zunächst bin ich überzeugt, dass es der Wortlaut von Art. 31 Abs. 1 des Humanarzneimittelkodexes erlaubt, die Frage mit Gewissheit zu entscheiden, wie die Rechtsmittelführerinnen im Wesentlichen vorgebracht haben. Das Wort „bevor“ im Wortlaut dieses Art. 31 bezieht sich nämlich eindeutig auf die zeitliche Reihenfolge der von den verschiedenen Beteiligten des Verfahrens vor dem CHMP vorgenommenen Handlungen. Es folgt daraus ein elementarer Grundsatz, nämlich der, dass das Verfahren vor dem CHMP dem Erlass der nationalen Entscheidung vorauszugehen hat. Dies impliziert, dass die „Entscheidung“, auf die Art. 31 Abs. 1 des Humanarzneimittelkodexes Bezug nimmt, die Entscheidung der zuständigen Verwaltungsbehörden ist, und nicht auch die der Gerichte(6). Hätte der Unionsgesetzgeber es den zuständigen nationalen Behörden freistellen wollen, den CHMP bei Vorliegen eines Unionsinteresses jederzeit anzurufen, hätte er diese Bestimmung meiner Auffassung nach anders formuliert.

58.      Es ist daher in meinen Augen überraschend, dass das Gericht so rasch zu dem Schluss gelangt ist, dass der Text von Art. 31 Abs. 1 des Humanarzneimittelkodexes keine Aufschlüsse in Bezug auf die Frage geben soll, um die es in der vorliegenden Rüge geht.

59.      Darüber hinaus scheint mir die teleologische Auslegung dieser Bestimmung durch das Gericht nicht geeignet, die sich aus ihrem Text ergebende restriktive Schlussfolgerung in Frage zu stellen.

60.      Ich stelle insoweit nicht in Abrede, dass das Gericht die Zielsetzung des in Art. 31 Abs. 1 des Humanarzneimittelkodexes vorgesehenen Verfahrens zutreffend dargestellt hat, nämlich die Vermeidung unterschiedlicher Beurteilungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten und der sich daraus ergebenden Handelshemmnisse, indem die Ausübung der nationalen Zuständigkeiten koordiniert und in eine gemeinsame Richtung gelenkt wird. Dennoch teile ich nicht die Folgerung des Gerichts, dass dieser Gesichtspunkt für eine weite Auslegung der in Rede stehenden Voraussetzung für die Befassung des CHMP spreche.

61.      Um zu erläutern, warum ich anderer Meinung bin, erlaube ich mir, darauf hinzuweisen, dass das Verfahren nach Art. 31 Abs. 1 des Humanarzneimittelkodexes, das zu Kapitel IV dieses Kodexes über die Verfahren der gegenseitigen Anerkennung und dezentralen Verfahren gehört, nur eines von mehreren Verfahren – zusammen mit den Art. 29 und 30 des Kodexes – mit Befassung des CHMP ist.

62.      Was insbesondere Art. 30 des Humanarzneimittelkodexes betrifft, so findet dieser Anwendung, wenn die betreffenden Mitgliedstaaten abweichende Entscheidungen bezüglich der Genehmigung eines Arzneimittels oder ihrer Aussetzung oder ihres Widerrufs getroffen haben. Seine Zielsetzung besteht also darin, Hemmnisse für den Handel mit Arzneimitteln zu beseitigen, die zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Entscheidungen bereits entstanden waren.

63.      Da vernünftigerweise anzunehmen ist, dass es keine Überschneidungen zwischen den Anwendungsbereichen zweier verschiedener Vorschriften desselben Kodexes gibt, neige ich zu der Auffassung, dass die Funktion von Art. 31 des Humanarzneimittelkodexes diejenige von Art. 30 dieses Kodexes ergänzt. Letzterer ist daher dahin zu verstehen, dass er Hemmnisse für den Arzneimittelhandel verhindern soll.

64.      In diesem Zusammenhang kann angesichts der wirtschaftlichen Realität sicherlich angenommen werden, dass nach einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung über die Verweigerung der Genehmigung, wie sie im vorliegenden Fall das BfArM am 26. September 2005 erlassen hat, ein Handelshemmnis bereits entstanden ist. Folglich liefe die Einleitung des in Art. 31 Abs. 1 des Humanarzneimittelkodexes vorgesehenen Verfahrens nach einer solchen Entscheidung, lange bevor ein nationales Gericht über eine gegen diese Entscheidung erhobene Klage geurteilt hat, den Zielen dieses Verfahrens offensichtlich zuwider.

65.      Meines Erachtens hätte die Kommission daher unter diesen Umständen die Befassung des CHMP durch das BfArM im vorliegenden Fall nicht billigen dürfen.

66.      Das zweite Argument, auf das das Gericht die Zurückweisung dieses Teils stützt, nämlich die Bindungswirkung des Beschlusses, den die Kommission nach Abschluss des hier in Rede stehenden Verfahrens erlässt, scheint mir nicht geeignet, diese Schlussfolgerung in Frage zu stellen.

67.      Im Licht dieser Erwägungen ist der Rüge der Rechtsmittelführerinnen stattzugeben.

68.      Da die teleologische Auslegung die des Gerichts nicht stützt, ändert der von der Kommission verfasste Leitfaden nichts an der von mir vorgeschlagenen Auslegung von Art. 31 Abs. 1 des Humanarzneimittelkodexes, denn dieser Leitfaden ist für das Gericht offenkundig nicht bindend.

69.      Was schließlich die Rüge betrifft, wonach die Bundesrepublik Deutschland rechtsmissbräuchlich gehandelt habe, indem sie das in Art. 31 des Humanarzneimittelkodexes vorgesehene Verfahren nur eingeleitet habe, um ein Unterliegen des BfArM im vor den deutschen Verwaltungsgerichten anhängigen Berufungsverfahren über seine Entscheidung zu vermeiden, bin ich der Ansicht, dass das Gericht keinen Rechtsfehler begangen hat, indem es festgestellt hat, dass die Rechtsmittelführerinnen nur „Vorwürfe und Annahmen“ geäußert hätten, wie beispielsweise den Umstand, dass das BfArM versucht habe, vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen die Aussetzung des vor diesem Gericht anhängigen Verfahrens zu erreichen. Was diesen Umstand betrifft, scheint mir die Tatsache, dass das BfArM in seinem Schriftsatz ausdrücklich erklärt hätte, dass die Aussetzung des Verfahrens beantragt worden sei, um den Ausgang des Verfahrens vor dem CHMP abzuwarten, allerdings nicht ausreichend, um die Rechtsmissbräuchlichkeit der vom BfArM unternommenen Schritte zu belegen. Ich meine daher, dass diese Rüge ebenfalls zurückzuweisen ist.

70.      Nach alledem ist dem ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes nach meiner Auffassung stattzugeben, da das Gericht hätte feststellen müssen, dass die Kommission gegen Art. 31 Abs. 1 des Humanarzneimittelkodexes verstieß, als sie im vorliegenden Fall die Befassung des CHMP als zulässig angesehen hat, obwohl sie nach dem Erlass der ursprünglichen Entscheidung der deutschen Verwaltungsbehörden erfolgte.

2.      Zum zweiten Teil: Verletzung des in Art. 32 Abs. 2 des Humanarzneimittelkodexes verankerten Gebots neutraler Beurteilung und des Grundsatzes einer sorgfältigen und unparteiischen Prüfung gemäß Art. 41 Abs. 1 der Charta

a)      Zusammenfassung des Parteivorbringens

71.      Die Rechtsmittelführerinnen sind der Auffassung, das Gericht habe in den Rn. 94 bis 104 des angefochtenen Urteils zu strenge Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Grundsatzes der Unparteilichkeit angenommen.

72.      Für einen Verstoß gegen dieses Verbot sei es nicht erforderlich, dass sich ein parteiliches Handeln tatsächlich feststellen lasse; vielmehr genüge es, wenn die äußeren Gesamtumstände nachvollziehbar die „Besorgnis“ entstehen ließen, dass ein Sachverhalt nicht neutral und objektiv geprüft werde. Die objektive Unparteilichkeit sei deshalb insbesondere bei Interessenkonflikten beeinträchtigt, die sich aus institutionellen Verflechtungen ergäben, deren typischer Fall die Ämterkollision sei. Daher sei durch die doppelte Einbindung von Frau Weise als Angestellte der zuständigen nationalen Behörde einerseits und als Hauptberichterstatterin des CHMP andererseits keine objektive, unparteiliche Entscheidung möglich. Wenn bei einem der für die Entscheidung des CHMP Verantwortlichen die Besorgnis der Befangenheit bestehe, werde die objektive Unparteilichkeit auch nicht dadurch gewahrt, dass der CHMP diese Entscheidung als Gremium getroffen habe oder dass diese Entscheidung einstimmig angenommen worden sei.

73.      Zur subjektiven Unparteilichkeit machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass entgegen der Auffassung des Gerichts der Umstand, dass Frau Weise in ihrer Eigenschaft als Berichterstatterin des CHMP in Übereinstimmung mit der früheren Entscheidung ihres Arbeitgebers BfArM einen Widerruf der Zulassung von Linoladiol N empfohlen habe, belege, dass Frau Weise voreingenommen eine sehr negative Beurteilung zulasten von Linoladiol N vorgenommen habe. Die Parteilichkeit dieser Beurteilung werde auch dadurch belegt, dass der CHMP in seinem endgültigen Gutachten eine nuancierte Position eingenommen habe, indem er nur eine bloße Änderung der Zulassung von Linoladiol N vorgesehen habe.

74.      Die Kommission tritt der Auffassung entgegen, dass durch die Ernennung des deutschen Mitglieds des CHMP zur Berichterstatterin in einem von der Bundesrepublik Deutschland eingeleiteten Verfahren vor dem CHMP aufgrund objektiver Umstände die Besorgnis entstanden sei, dass der Sachverhalt nicht neutral und objektiv überprüft worden sei. Hierzu habe das Gericht nämlich bereits ausgeführt, dass dieser Umstand bei Fehlen anderer relevanter Gesichtspunkte nicht erheblich sei. Die Rechtsmittelführerinnen verschwiegen im Übrigen, dass das Gericht zutreffend angenommen habe, dass bereits durch Art. 61 Abs. 6 der Verordnung Nr. 726/2004, der es den Mitgliedstaaten ausdrücklich verbiete, „den Ausschussmitgliedern und Sachverständigen Anweisungen zu geben, die mit ihren eigentlichen Aufgaben oder den Aufgaben und Pflichten der Agentur nicht vereinbar sind“, eine neutrale und objektive Prüfung sichergestellt sei. Jedenfalls sei Frau Weise nur eine der insgesamt vier Berichterstatter, die im Verfahren vor dem CHMP mit der Beurteilung von Linoladiol N befasst gewesen seien.

b)      Beurteilung

75.      Vorab ist es zur Beseitigung etwaiger Missverständnisse in Bezug auf den Gegenstand dieses Teils des ersten Rechtsmittelgrundes zweckmäßig, seine Konturen sorgfältig abzugrenzen.

76.      Erstens stellt dieser Teil nicht, wie die Kommission in ihrer Rechtsmittelbeantwortung behauptet, darauf ab, dass der CHMP ein Mitglied zur Hauptberichterstatterin ernannt hat, das die Staatsangehörigkeit des Staates der Behörde besitzt, die das Verfahren gemäß Art. 31 des Humanarzneimittelkodexes eingeleitet hat.

77.      Zweitens bezieht sich dieser Teil ungeachtet seiner Überschrift nicht auf den Verstoß gegen Art. 32 Abs. 2 des Humanarzneimittelkodexes. Im Gegenteil erkennen die Rechtsmittelführerinnen an, dass diese Vorschrift dem Ermessen, über das der CHMP bei der Ernennung eines seiner Mitglieder zum Berichterstatter verfügt, keine Grenzen setzt(7).

78.      Die einzige Vorschrift, deren Verletzung geltend gemacht wird, ist, wie sich aus der bloßen Lektüre der von den Rechtsmittelführerinnen vorgebrachten Argumente erschließt, Art. 41 Abs. 1 der Charta, in dem das „Recht auf eine gute Verwaltung“ verankert ist, da dieser das Erfordernis enthält, dass die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union die Angelegenheiten jeder Person unparteiisch behandeln(8).

79.      Zunächst ist die Tragweite des Unparteilichkeitserfordernisses zu bestimmen, wie es in der einschlägigen Rechtsprechung ausgelegt worden ist.

80.      Dieses Erfordernis wurde vom Gerichtshof bereits im Rahmen der Beurteilung behaupteter Verstöße gegen das Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK)(9) ausgelegt. In einem solchen Zusammenhang hat der Gerichtshof festgestellt, dass das Gebot der Unparteilichkeit der Gerichte zwei Aspekte hat, nämlich zum einen die subjektive Unparteilichkeit, wonach kein Mitglied des betreffenden Gerichts Voreingenommenheit oder persönliche Vorurteile an den Tag legen darf, und zum anderen die objektive Unparteilichkeit, wonach das Gericht hinreichende Garantien bieten muss, um jeden berechtigten Zweifel in Bezug auf eine etwaige Voreingenommenheit auszuschließen(10). 

81.      In seinem Urteil vom 11. Juli 2013, Ziegler/Kommission (C‑439/11 P, EU:C:2013:513, Rn. 154) hat der Gerichtshof dann anerkannt, dass diese Auslegung entsprechend auf das Erfordernis der Unparteilichkeit der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union gemäß Art. 41 der Charta anzuwenden ist.

82.      Folglich ist bei der Beurteilung des Verwaltungshandelns der Union die subjektive Unparteilichkeit unter Berücksichtigung der persönlichen Überzeugung und des Verhaltens des betreffenden Mitglieds des Organs, der Einrichtung oder der sonstigen Stelle zu prüfen. Da die subjektive Unparteilichkeit bis zum Beweis des Gegenteils vermutet wird(11), ist es schwierig, sie zu bestreiten.

83.      Die Ausführungen der Rechtsmittelführerinnen, wonach Frau Weise parteiisch gehandelt habe, als sie in Übereinstimmung mit der früheren Entscheidung ihres Arbeitgebers den Widerruf der Zulassung für Linoladiol N vorgeschlagen habe, überzeugen mich jedoch nicht. Insoweit hat das Gericht meines Erachtens keinen Fehler begangen, indem es in Rn. 97 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass diese Stellungnahme Frau Weises der Wahrnehmung der Aufgaben entspreche, mit denen ein Berichterstatter des CHMP betraut sei. Im Übrigen hat das Gericht in Rn. 98 des angefochtenen Urteils ebenfalls zu Recht ausgeführt, dass die Rechtsmittelführerinnen nicht belegt hätten, dass die Abwesenheit von Frau Weise in der zweiten Anhörung vor dem CHMP zu dem Ergebnis geführt habe, dass die Zulassung für Linoladiol N habe erhalten bleiben sollen. Entgegen der Auffassung der Rechtsmittelführerinnen wird nämlich hierfür keinerlei Beweis in den Rn. 37 bis 42 oder an irgendeiner anderen Stelle der Klageschrift vorgebracht.

84.      Jedenfalls richten sich die Rügen der Rechtsmittelführerinnen in der Rechtsmittelschrift insbesondere auf den objektiven Teil des Unparteilichkeitserfordernisses nach Art. 41 der Charta.

85.      Insoweit erinnere ich daran, dass die Prüfung der objektiven Unparteilichkeit die Bestimmung erfordert, ob unabhängig vom persönlichen Verhalten des betreffenden Mitglieds der europäischen Verwaltung bestimmte nachprüfbare Tatsachen den Betroffenen berechtigen, dessen Unparteilichkeit zu bezweifeln wobei auch dem Anschein Bedeutung zukommen kann(12). Hierzu hat die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte klargestellt, dass es entscheidend darauf ankommt, ob die Bedenken des Betroffenen als objektiv gerechtfertigt(13) angesehen werden können.

86.      Wenn die objektive Unparteilichkeit so verstanden wird, besteht meines Erachtens kein Zweifel, dass sie im Fall eines Interessenkonflikts aufgrund einer Ämterkollision beeinträchtigt sein kann, wie die Rechtsmittelführerinnen in ihrer Rechtsmittelschrift geltend machen.

87.      Eine bloße Ämterkollision genügt aber für sich genommen nicht, um die Bedenken des Betroffenen hinsichtlich des Vorliegens einer etwaigen Voreingenommenheit objektiv gerechtfertigt sein zu lassen und damit die Feststellung eines Verstoßes gegen die objektive Unparteilichkeit zu begründen.

88.      Dies lässt sich ohne Weiteres aus dem Urteil des Gerichts vom 5. Juli 2016, Kommission/Hristov (T‑26/15 P, EU:T:2016:390) schließen. Indem es dem Rechtsmittel stattgegeben hat, hat das Gericht nämlich festgestellt, dass die Schlussfolgerung des Gerichts für den öffentlichen Dienst im Urteil vom 13. November 2014, Hristov/Kommission und EMA (F‑2/12, EU:F:2014:245), wonach der Umstand, dass ein Mitglied des Verwaltungsrats der Europäischen Arzneimittelagentur (Gremium, das die Entscheidung trifft) auch im Vorwahlausschuss dieser Agentur (Gremium, das den Vorschlag unterbreitet) sitze, einen berechtigten Zweifel an der Unparteilichkeit dieses Ausschusses habe begründen können, rechtsfehlerhaft gewesen sei, weil das Gericht für den öffentlichen Dienst nicht dargetan habe, dass die Zugehörigkeit der fraglichen Mitglieder zum Verwaltungsrat der Europäischen Arzneimittelagentur eine „praktische Bedeutung“ in Bezug auf ihre Rolle im Vorauswahlausschuss gehabt habe(14).

89.      Die Rechtsprechung hat meiner Auffassung nach die Kriterien herausgearbeitet, um zu bestimmen, unter welchen Umständen die „Doppelfunktion“ eines Mitglieds einer Einrichtung der Union diese „praktische Bedeutung“ in Bezug auf seine Rolle innerhalb dieser Einrichtung besitzt.

90.      Ich nehme hier insbesondere Bezug auf das Urteil vom 20. Dezember 2017, Spanien/Rat (C‑521/15, EU:C:2017:982). In dieser Rechtssache warf das Königreich Spanien der Kommission u. a. vor, gegen das Gebot der objektiven Unparteilichkeit verstoßen zu haben, indem sie die Ermittlung in einem Untersuchungsverfahren zur Überprüfung der Richtigkeit der von diesem Mitgliedstaat gelieferten Defizitdaten auf ein Team übertragen hatte, das zu einem großen Teil aus Bediensteten von Eurostat bestand, die bereits an Besuchen in Spanien teilgenommen hatten, die zur Feststellung der Kommission geführt hatten, dass ernsthafte Hinweise auf das Vorhandensein von Umständen vorlagen, die die Einleitung dieses Verfahrens rechtfertigten(15).

91.      Dieser Klagegrund wurde vom Gerichtshof auf der Grundlage folgender Feststellungen zurückgewiesen. Erstens hatten die fraglichen Besuche einerseits und das Untersuchungsverfahren andererseits abgesehen davon, dass sie unterschiedlichen rechtlichen Rahmen unterfallen, ein jeweils anderes Ziel(16). Während nämlich die Besuche, die Eurostat in den Mitgliedstaaten durchführen kann, es dem Dienst der Kommission ermöglichen sollen, die Qualität der von den Mitgliedstaaten zu ihrem öffentlichen Schuldenstand und ihrem öffentlichen Defizit übermittelten Daten zu bewerten, ist es das Ziel des Untersuchungsverfahrens, der Kommission zu ermöglichen, alle Untersuchungen durchzuführen, die erforderlich sind, um festzustellen, ob eine absichtlich oder aufgrund schwerwiegender Nachlässigkeit entstandene Verfälschung der Darstellung dieser Daten vorliegt, wenn sie der Auffassung ist, dass ernsthafte Hinweise auf das Vorhandensein von Umständen vorliegen, die vermuten lassen, dass eine solche Verfälschung vorliegt. Zweitens ist angesichts dieser unterschiedlichen rechtlichen Rahmen und der jeweils anderen Ziele davon auszugehen, dass selbst dann, wenn sich die einerseits mit diesen Besuchen und andererseits durch dieses Untersuchungsverfahren überprüften Daten teilweise überschneiden, die Bewertungen, die Eurostat und die Kommission jeweils mit Blick auf diese Daten vorzunehmen haben, dagegen notwendigerweise unterschiedlich sind(17). Drittens behält die einschlägige Regelung(18) die Befugnis, die Einleitung eines Untersuchungsverfahrens zu beschließen, die Zuständigkeit, die Untersuchung durchzuführen, und die Möglichkeit, dem Rat die Empfehlungen und Vorschläge zu unterbreiten, die an deren Ende geboten erscheinen, der Kommission und somit den als Kollegium handelnden Kommissaren vor. Dagegen überträgt diese Regelung den Bediensteten von Eurostat keine eigene Zuständigkeit(19).

92.      An dieser Stelle sind die oben angeführten Kriterien auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Dies wird es ermöglichen, festzustellen, ob die Ernennung von Frau Weise zur Hauptberichterstatterin des CHMP im Rahmen des Verfahrens betreffend den Antrag auf Erneuerung der Zulassung für Linoladiol N geeignet war, bei den Rechtsmittelführerinnen objektiv gerechtfertigte Bedenken in Bezug auf eine etwaige Voreingenommenheit von Frau Weise angesichts dessen hervorzurufen, dass sie eine Angestellte des BfArM ist, d. h. der nationalen Behörde, die den CHMP angerufen hat, dass diese Behörde bereits eine ablehnende Entscheidung betreffend diese Erneuerung erlassen hat und dass sie auch beklagte Partei in einem Rechtsstreit über die Gültigkeit ihrer Ablehnungsentscheidung vor den nationalen Verwaltungsgerichten ist.

93.      Es ist daher erforderlich festzustellen, i) ob das die Wahrnehmung der Aufgabe des BfArM regelnde Verfahren dasselbe Ziel hat wie dasjenige, das die Wahrnehmung der Aufgabe des CHMP regelt(20), ii) ob die vom BfArM bzw. dem CHMP vorzunehmenden Beurteilungen gleichartig sind und iii) ob Frau Weise im Rahmen des Verfahrens vor dem CHMP eine „eigene Zuständigkeit“ übertragen worden ist. Hinsichtlich dieses letzten Punktes kann meines Erachtens aus dem oben untersuchten Urteil weiter geschlossen werden, dass eine solche eigene Zuständigkeit im vorliegenden Verfahren nur gegeben wäre, wenn die Frau Weise übertragene Rolle sich für den Ablauf oder für den Ausgang des fraglichen Verfahrens als maßgeblich erwiesen hätte(21).

94.      Erstens scheint mir festzustehen, dass das die Wahrnehmung der Aufgabe des BfArM regelnde Verfahren dasselbe Ziel hat wie dasjenige, das die Wahrnehmung der Aufgabe des CHMP regelt. In beiden Fällen soll das Verfahren nämlich der betreffenden Stelle die Möglichkeit geben, alle medizinischen oder wissenschaftlichen Beurteilungen der Qualität, der Sicherheit sowie der Wirksamkeit von Arzneimitteln vorzunehmen, die im Hinblick auf den Erlass einer Entscheidung über die Erteilung einer Zulassung vorgeschrieben sind.

95.      Zweitens sind angesichts des übereinstimmenden Ziels dieser Verfahren die Beurteilungen der Qualität, der Sicherheit sowie der Wirksamkeit von Arzneimitteln, die zum einen vom BfArM und zum anderen vom CHMP vorgenommen werden, notwendigerweise gleicher Art(22).

96.      Drittens lässt sich meines Erachtens nicht leugnen, dass der CHMP Frau Weise im Rahmen des Verfahrens betreffend die Erneuerung der Zulassung für Linoladiol N eine eigene Zuständigkeit übertragen hat. Da nämlich die Rolle des Hauptberichterstatters gemäß Art. 62 Abs. 1 der Verordnung Nr. 726/2004 in der „Koordinierung [der] Beurteilung“ des zu untersuchenden Arzneimittels besteht, gab diese Rolle Frau Weise notwendigerweise die Möglichkeit, einen erheblichen Einfluss auf den Ablauf dieses Verfahrens auszuüben(23).

97.      Unter diesen Umständen versteht sich von selbst, dass die Tatsache, dass ihr bei der Erfüllung ihrer Aufgabe ein Mitberichterstatter zur Seite stand, nämlich das niederländische Mitglied des CHMP, die Schlussfolgerung, dass Frau Weise die Möglichkeit hatte, einen erheblichen Einfluss auf den Ablauf dieses Verfahrens auszuüben, nicht in Frage stellen kann. Das Gleiche gilt, anders als die Kommission in ihrer Rechtsmittelbeantwortung geltend macht, auch für die Tatsache, dass zwei weitere Mitglieder des CHMP, nämlich das österreichische und das spanische Mitglied, die ersten beiden Berichterstatter als Berichterstatter bzw. Mitberichterstatter im Stadium der Überprüfung ergänzt haben. Dies kann nämlich nicht dem Einfluss entgegenwirken, den Frau Weise ausüben konnte, da die Überprüfung einen wesentlich weniger umfassenden Gegenstand hat als die erste Stufe des Verfahrens, denn nach Art. 62 Abs. 1 Unterabs. 4 der Verordnung Nr. 726/2004 können in ihrem Rahmen „nur diejenigen Punkte des Gutachtens behandelt werden …, die der Antragsteller zuvor benannt hat“.

98.      Da die drei aus der Rechtsprechung hervorgegangenen Kriterien erfüllt sind, bin ich der Auffassung, dass die Ernennung von Frau Weise zur Hauptberichterstatterin des CHMP im Rahmen des Verfahrens betreffend den Antrag auf Erneuerung der Zulassung für Linoladiol N einen Verstoß gegen den objektiven Teil des Unparteilichkeitserfordernisses darstellt, wie es sich aus Art. 41 der Charta in der Auslegung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt.

99.      Im Hinblick auf diese Erwägungen bin ich der Auffassung, dass das Gericht fehlerhaft festgestellt hat, dass Art. 41 der Charta im vorliegenden Fall vom CHMP beachtet worden sei.

100. Meines Erachtens greift daher der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes durch.

3.      Zum dritten Teil: Verstoß gegen Art. 32 Abs. 3 des Humanarzneimittelkodexes und Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör

a)      Zusammenfassung des Parteivorbringens

101. Nach Auffassung der Rechtsmittelführerinnen geht aus den Rn. 106 bis 112 des angefochtenen Urteils hervor, dass das Gericht die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör insoweit verkannt habe, als es nicht anerkannt habe, dass dieses Recht notwendigerweise die Möglichkeit zur Stellungnahme zu sämtlichen entscheidungserheblichen Tatsachen wie beispielsweise die wesentliche Einschränkung der Nachzulassung für Linoladiol N (Ausschluss der wiederholten Anwendung dieses Arzneimittels) umfasse.

102. Die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör habe sich auch auf die endgültige Entscheidung der Kommission ausgewirkt. Wäre der Rechtsmittelführerin zu 1 Gelegenheit zur Stellungnahme im Verfahren vor dem CHMP gegeben worden, hätte dieser nämlich insbesondere die im Zusammenhang mit dem dritten Klagegrund (Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeits- und den Gleichbehandlungsgrundsatz) vorgetragenen Argumente bewerten müssen.

103. Die Kommission bestreitet, dass die Rechtsmittelführerin zu 1 im Rahmen des Verfahrens vor dem CHMP zu der geplanten Maßnahme des Ausschlusses der wiederholten Anwendung von Linoladiol N nicht gehört worden sei.

104. Im Übrigen hätten die Rechtsmittelführerinnen nichts vorgebracht, was die Rechtsfehlerhaftigkeit der vom Gericht in Rn. 110 des angefochtenen Urteils vertretenen Auslegung belegte, wonach der Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne von Art. 32 Abs. 3 des Humanarzneimittelkodexes den CHMP nur dazu verpflichte, den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer von ihm zu bestimmenden Frist zu geben. Dass dieser Anspruch beachtet worden sei, stehe außer Zweifel.

b)      Beurteilung

105. Nach Art. 32 Abs. 3 des Humanarzneimittelkodexes räumt „[der CHMP vor] Abgabe seines Gutachtens … dem Antragsteller oder dem Inhaber der [Zulassung] die Möglichkeit ein, sich innerhalb einer vom Ausschuss festzusetzenden Frist, schriftlich oder mündlich zu äußern“.

106. Im angefochtenen Urteil wurde die Frage, ob diese Vorschrift durch den CHMP im Rahmen des bei ihm laufenden Verfahrens verletzt wurde, verneint. In seiner Begründung hat das Gericht in Rn. 109 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass die Rechtsmittelführerin zu 1 mehrmals die Möglichkeit gehabt habe, mündlich (Anhörungen vom 19. März 2013, vom 18. November 2013 und vom 16. Dezember 2013) und schriftlich (am 20. November 2012, am 22. Februar 2013, am 25. März 2013, am 20. September 2013 und am 18. November 2013 erhaltene Fragelisten) Stellung zu nehmen.

107. Zu den angeblichen Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Anhörung vom 18. November 2013 und dem Eindruck der Rechtsmittelführerinnen, dass der CHMP lediglich den Informationstext für Linoladiol N an den Informationstext habe anpassen wollen, der der kroatischen Genehmigung zugrunde lag, hat das Gericht bekräftigt, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör den CHMP nur dazu verpflichte, den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer von ihm bestimmten Frist zu geben, was er im vorliegenden Fall getan habe (Rn. 110 des angefochtenen Urteils). Der CHMP sei, so das Gericht, daher keinesfalls dazu verpflichtet, eine Garantie dafür zu geben, dass er sich nur an einen bestimmten Informationstext halten würde und dass dieser nicht geändert werden könnte.

108. In diesem Zusammenhang hat das Gericht in den Rn. 111 und 112 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Vorwürfe der Rechtsmittelführerinnen in Bezug auf die Verhaltensweisen des CHMP bei der Anhörung vom 13. Dezember 2013 und auf die Frist zur Beantwortung der fünften Fragenliste nur „tatsächliche Unregelmäßigkeiten“ darstellten und als solche nicht geeignet seien, einen Verstoß gegen Art. 32 Abs. 3 des Humanarzneimittelkodexes zu belegen(24).

109. Vorab sei klargestellt, dass ich keineswegs die Schlussfolgerung des Gerichts in Frage stellen möchte, wonach der CHMP die ihm nach der fraglichen Vorschrift obliegenden Verfahrenspflichten beachtet hat. Ich weise jedoch darauf hin, dass, wie die Rechtsmittelführerinnen geltend machen, der dem Gericht zur Prüfung vorgelegte Teil des Klagegrundes auch auf die materielle Tragweite des Anspruchs auf rechtliches Gehör abzielte, wie er sich aus Art. 32 Abs. 3 des Humanarzneimittelkodexes ergibt.

110. Dies geht aus den von den Rechtsmittelführerinnen im ersten Rechtszug eingereichten Schriftsätzen klar hervor.

111. In der Klageschrift umfasste dieser Teil neben den verfahrensbezogenen Rügen(25) eine dritte Rüge, materieller Art, mit der Überschrift: „Keine Anhörung zu einer Beschränkung der Dauer der Anwendung von Linoladiol N auf 4 Wochen bei gleichzeitigem Ausschluss einer wiederholten Anwendung“.

112. Die Eigenständigkeit dieser Rüge gegenüber den beiden ersten wird durch die im ersten Rechtszug eingereichte Erwiderung, insbesondere deren Rn. 41, in der es heißt, „[e]ntgegen der Auffassung der Beklagten erschöpft sich der Zweck einer Anhörung nicht in der formalen Gelegenheit, mündlich zu den wissenschaftlichen Annahmen des CHMP Stellung zu beziehen, sondern gerade auch auf die daraus … abgeleiteten Rechtsfolgen …“, in Verbindung mit deren Rn. 42 bestätigt, in der die Rüge inhaltlich detailliert dargelegt wird: „… die Kommission darf … keine Äußerung berücksichtigen, zu denen der Betroffene keine Stellung nehmen konnte. … Insoweit ist festzuhalten, dass die Beklagte einräumt, die Klägerin zu 1) nicht durch den CHMP auf die beabsichtigte Einschränkung der Anwendbarkeit des Arzneimittels Linoladiol N einmal im Leben einer Patientin hingewiesen zu haben.

113. Im Ergebnis ist festzustellen, dass der zu prüfende Teil des Rechtsmittelgrundes keineswegs beschränkt ist auf die Verneinung eines Verstoßes gegen die dem CHMP obliegenden Verfahrenspflichten durch das Gericht, sondern auch die Rüge umfasst, das Gericht habe über die Verletzung des Anspruchs der Rechtsmittelführerin zu 1 auf rechtliches Gehör zu der an die Erneuerung der Zulassung für Linoladiol N geknüpfte Bedingung, nämlich die Beschränkung der Anwendungsdauer auf vier Wochen bei gleichzeitigem Ausschluss einer wiederholten Anwendung, durch den CHMP nicht entschieden.

114. Hat das Gericht die fragliche Rüge im angefochtenen Urteil geprüft?      

115. Insoweit könnten berechtigte Zweifel erhoben werden. Auf den ersten Blick scheinen die Rn. 109 bis 112 des angefochtenen Urteils in der Tat keine ausdrückliche Antwort des Gerichts auf die Frage zu enthalten, ob der Umstand, dass die Rechtsmittelführerin zu 1 nicht zu der an die Erneuerung der Zulassung für Linoladiol N geknüpfte Bedingung angehört wurde, eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör darstellte.

116. Ich erinnere jedoch daran, dass nach ständiger Rechtsprechung die Begründung des Gerichts auch implizit erfolgen kann, sofern sie es den Klägerinnen ermöglicht, die Gründe zu erfahren, auf denen das angefochtene Urteil beruht, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben liefert, damit er seine Kontrolle ausüben kann(26).

117. In dieser Hinsicht ist zu prüfen, ob der vorletzte Satz der Rn. 110 des angefochtenen Urteils, im Kontext dieser Randnummer betrachtet, diesen Voraussetzungen genügt und folglich als für die Erfüllung der Begründungspflicht des Gerichts ausreichend angesehen werden kann.

118. In dieser Rn. 110 hat das Gericht zunächst im Rahmen der Prüfung der behaupteten Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Anhörung vom 18. November 2013(27) ausgeführt, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne von Art. 32 Abs. 3 des Humanarzneimittelkodexes den CHMP nur dazu verpflichte, den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer von ihm bestimmten Frist zu geben, und sodann festgestellt, dass „[d]er CHMP … somit keinesfalls dazu verpflichtet [war], eine Garantie dafür zu geben, dass er sich nur an einen bestimmten Informationstext halten würde und dass dieser nicht geändert werden könnte“(28).

119. Dieser Satz könnte mit einem gewissen Auslegungsaufwand dahin verstanden werden, dass der CHMP bei der Abgabe seines Gutachtens nicht verpflichtet war, sich an den Text zu halten, zu dem die Rechtsmittelführerinnen hatten Stellung nehmen können, nämlich den der kroatischen Zulassung zugrunde liegenden, und somit das Recht hatte, die Änderung bezüglich der Einfügung der Bedingung betreffend die Beschränkung des Anwendungszeitraums auf vier Wochen bei gleichzeitigem Ausschluss einer wiederholten Anwendung in diesen Text aufzunehmen, ohne den Rechtsmittelführerinnen zuvor die Gelegenheit gegeben zu haben, sich zu diesem Punkt zu äußern.

120. Die Aufnahme der an die Erneuerung der Zulassung für Linoladiol N geknüpften Bedingung, die im vorliegenden Fall mittels Änderung der Packungsbeilage des Arzneimittels vorgenommen wurde, fiele mithin – so das Gericht – nicht unter den der Rechtsmittelführerin zu 1 zustehenden Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 32 Abs. 3 des Humanarzneimittelkodexes.

121. Dies ist die Lesart von Rn. 110 des angefochtenen Urteils, auf der meine Erörterung im Folgenden beruht.

122. Bevor ich mit der Analyse beginne, kann ich allerdings nicht umhin, eine allgemeine Kritik an der Antwort des Gerichts auf die in Rede stehende Rüge zu äußern. Selbst wenn man nämlich annimmt, man könne zu dem Schluss gelangen, dass dieser Satz der Rn. 110 des angefochtenen Urteils eine „implizite Begründung“ im Sinne der Rechtsprechung darstellt, ist es bedauerlich, dass das Gericht sich seiner Verpflichtung durch eine derart knappe und kryptische Begründung entledigt hat.

123. Da ich gleichwohl zu dem Ergebnis gelangt bin, dass kein Verstoß gegen die Begründungspflicht vorliegt, wende ich mich nunmehr der Begründetheit zu, und insbesondere der Frage, ob das Gericht zutreffend entschieden hat, dass die Fülle an Erläuterungen, die der CHMP von den Rechtsmittelführerinnen erbeten hat, sich auf ihre Stellungnahme zu der an die Erneuerung der Zulassung für Linoladiol N geknüpfte Bedingung hätte erstrecken müssen.

124. Insoweit stelle ich zunächst fest, dass, da Art. 32 Abs. 3 des Humanarzneimittelkodexes bisher noch nicht Gegenstand der Auslegung durch den Gerichtshof gewesen ist, die inhaltliche Tragweite des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus der Rechtsprechung hergeleitet werden muss, die die Konturen des Anspruchs auf rechtliches Gehör als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts bestimmt hat.

125. Der Anspruch auf rechtliches Gehör stellt nämlich einen in Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta verankerten allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts dar. In dieser Vorschrift wird er definiert als „das Recht jeder Person, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine für sie nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird“.

126. Insoweit hat der Gerichtshof wiederholt erklärt, dass dem Inhaber des Anspruchs auf rechtliches Gehör Gelegenheit gegeben werden muss, zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der angeführten Tatsachen und Umstände sowie zu den für diese Behauptungen herangezogenen Beweismitteln sachdienlich Stellung zu nehmen(29). Dieser Inhalt wird durch eine Reihe von Urteilen weiter präzisiert, in denen der Gerichtshof festgestellt hat, dass sich der Anspruch auf rechtliches Gehör auf alle tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte erstreckt, die die Grundlage der Entscheidungsfindung bilden, nicht aber auf den endgültigen Standpunkt, den die Verwaltung einnehmen will(30).

127. Anhand dieser Rechtsprechung ist meines Erachtens zu prüfen, ob der Schlussfolgerung des Gerichts zugestimmt werden kann.

128. Im vorliegenden Fall ist also zu bestimmen, ob die an die Erneuerung der Zulassung für Linoladiol N geknüpfte Bedingung als tatsächlicher Gesichtspunkt einzustufen ist, der die Grundlage des von der Kommission nach dem Gutachten des CHMP erlassenen Durchführungsbeschlusses bildet, oder ob sie vielmehr ein Bestandteil der Entscheidung selbst ist, weil sie sich aus einer Beurteilung der tatsächlichen Gesichtspunkte ergibt.

129. Zu diesem Zweck erscheint es mir zunächst wichtig festzustellen, ob die von den Rechtsmittelführerinnen behauptete Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör auf diese Bedingung als solche abzielt oder auf die dieser Bedingung zugrunde liegende wissenschaftliche Feststellung, wonach die endometriale Sicherheit langfristig oder wiederholt vaginal verabreichter Östrogene bei längerer Behandlung von über vier Wochen nicht garantiert werden könne(31). Die Bedingung als solche gehört nämlich meines Erachtens zur endgültigen Position, die die Kommission im Anschluss an die Tatsachenwürdigung einnehmen möchte(32), während die ihr zugrunde liegende wissenschaftliche Feststellung eines der tatsächlichen Elemente ist, auf die sich diese Position stützt.

130. Mir scheint jedoch aus der Rechtsmittelschrift unzweideutig hervorzugehen, dass die Rechtsmittelführerinnen dem CHMP vorwerfen, die Rechtsmittelführerin zu 1 nicht zur Bedingung als solche angehört zu haben. Sie machen nämlich geltend, der Anspruch auf rechtliches Gehör der Rechtsmittelführerin zu 1 erstrecke sich auf die Frage, „welche Maßnahme nach Auffassung [der] Behörde erforderlich ist, um dem Bewertungsergebnis Rechnung zu tragen“(33).

131. Diese Bedingung gehört somit zur endgültigen Position der Kommission und ist daher nicht Gegenstand des Anspruchs auf rechtliches Gehör der Rechtsmittelführerin zu 1.

132. Unter diesen Umständen ist der dritte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes meines Erachtens zurückzuweisen.

4.      Schlussfolgerung zum ersten Rechtsmittelgrund

133. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, dem ersten und dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes stattzugeben und diesen daher für begründet zu erklären.

B.      Zum zweiten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Art. 116 Abs. 1 und Art. 126 Abs. 1 des Humanarzneimittelkodexes

134. Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, das Gericht habe in den Rn. 121 bis 199 des angefochtenen Urteils in der Würdigung der einzelnen Teile des zweiten Klagegrundes den Kern der Beanstandungen nicht immer vollständig erfasst und die Essenz der Argumentation der Rechtsmittelführerinnen aus den Augen verloren.

135. Dieser Rechtsmittelgrund hat vier Teile. Erstens habe das Gericht gegen die Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast verstoßen, da seine Auslegung darauf hinauslaufe, den Zulassungsinhaber zu verpflichten, die Sicherheit des betroffenen Arzneimittels auch nach der Zulassung zu belegen. Zweitens werfen sie dem Gericht vor, mit seiner Feststellung, dass der CHMP in seinem Gutachten einen verständlichen Zusammenhang zwischen den medizinischen oder wissenschaftlichen Feststellungen und den Schlussfolgerungen hergestellt habe, einen Fehler begangen zu haben. Drittens habe das Gericht verkannt, dass den Pharmakovigilanzdaten eine maßgebliche Rolle bei der Bewertung der Risiken von Arzneimitteln in der Marktphase zukomme. Viertens habe das Gericht die Rügen der Rechtsmittelführerinnen, wonach die wissenschaftlichen Schlussfolgerungen des CHMP wegen der unzutreffenden Darstellung der zur Sicherheit von Linoladiol N verfügbaren Pharmakovigilanzdaten fehlerhaft gewesen seien, nicht richtig gewürdigt, und sich mit dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen zur unzutreffenden Darstellung des Inhalts der Leitlinien im Zusammenhang mit der topischen Anwendung von Östrogenen nicht auseinandergesetzt.

1.      Zum ersten Teil: Verstoß gegen Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast bei der Begründung eines Risikos mit der Abwesenheit von Studien nach der Zulassung

a)      Zusammenfassung des Parteivorbringens

136. Nach Ansicht der Rechtsmittelführerinnen hat das Gericht damit, dass es das Fehlen von Studien, die die Bedenken des CHMP in Bezug auf mit der Anwendung Linoladiol N verbundene Risiken widerlegen würden, für ausreichend gehalten habe, um eine Änderung der Zulassung dieses Arzneimittels zu rechtfertigen, gegen die Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast verstoßen. Es habe nämlich faktisch eine Pflicht des Zulassungsinhabers begründet, auch nach der Zulassung die Sicherheit des Arzneimittels mit Studien zu belegen.

137. Insoweit bestätigten die relevanten Bestimmungen zur Pharmakovigilanz in Titel IX des Humanarzneimittelkodexes, dass der Inhaber einer Zulassung nicht verpflichtet sei, nach der Zulassung Unbedenklichkeitsstudien durchzuführen. Konsequenterweise könne dem Zulassungsinhaber das Fehlen solcher Studien dann jedoch auch nicht entgegengehalten werden.

138. Die Erwägungen des Gerichts ließen sich auch nicht mit den Ausführungen zum Vorsorgegrundsatz in den Rn. 137 bis 140 des angefochtenen Urteils rechtfertigen, da es nicht berücksichtigt habe, dass eine Risikobewertung nicht auf rein hypothetische Erwägungen gestützt werden dürfe. Die vom Gericht in Rn. 143 des angefochtenen Urteils dargestellten Annahmen des CHMP, wonach die bekannten Risiken aus der Verwendung anderer Präparate für die Hormonersatztherapie auch bei Linoladiol N vorliegen könnten, stellten solche hypothetischen Erwägungen dar.

139. Die einzige Ausnahme von dem Grundsatz, dass eine Risikobewertung nicht auf hypothetische Erwägungen gestützt werden dürfe, sei nämlich im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Sie bestehe nach der Rechtsprechung nur dann, wenn es sich als unmöglich erweise, das Bestehen oder den Umfang des behaupteten Risikos mit Sicherheit festzustellen, weil die Ergebnisse der durchgeführten Studien unzureichend, unschlüssig oder ungenau seien, aber ernsthafte Zweifel an der Unbedenklichkeit des Arzneimittels weckten, so dass die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Schadens für die öffentliche Gesundheit bestehe. Im vorliegenden Fall erlaube jedoch das bei Arzneimitteln vorgesehene System der Pharmakovigilanz, das Bestehen oder den Umfang der Risiken im Zusammenhang mit der Anwendung von Linoladiol N mit Sicherheit festzustellen. Außerdem habe der Gerichtshof im Urteil vom 9. September 2003, Monsanto Agricoltura Italia u. a. (C‑236/01, EU:C:2003:431), festgestellt, dass Schutzmaßnahmen nicht mit einer rein hypothetischen Betrachtung des Risikos begründet werden könnten, ausgenommen im Fall der Bewertung von neuartigen Lebensmitteln. Ein Arzneimittel wie Linoladiol N, das seit 45 Jahren auf dem Markt verfügbar sei, sei jedoch kein neues Produkt.

140. Nach Auffassung der Kommission hat das Gericht die beiden Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Beweislastverteilung zutreffend beantwortet. Zum einen habe es in Rn. 135 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass die Kommission die Beweislast für eine Verschlechterung des Nutzen‑Risiko‑Verhältnisses für Linoladiol N trage. Zum anderen habe es in den Rn. 137 bis 140 und 174 jenes Urteils festgestellt, dass der Vorsorgegrundsatz den Erlass einer beschränkenden Maßnahme rechtfertige, wenn es sich als unmöglich erweise, das Bestehen oder den Umfang des behaupteten Risikos mit Sicherheit festzustellen. Die Rechtsmittelführerinnen hätten aber die Beurteilung dieser Rechtsfragen nicht angegriffen. Vielmehr hätten sie dem Gericht allein die in den Rn. 142 und 143 sowie 171 bis 173 des angefochtenen Urteils getroffenen Feststellungen sowie die Schlussfolgerung in dessen Rn. 179 vorgeworfen, dass nämlich die Kommission ihrer Beweislast nachgekommen sei. Ihr Vorbringen ziele also allein auf die vom Gericht vorgenommene Beweiswürdigung ab. Der vorliegende Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes sei daher im Rechtsmittelverfahren unzulässig.

b)      Beurteilung

141. Es erscheint mir zweckmäßig, vorab die Ausführungen des Gerichts in den Rn. 135 bis 144 des angefochtenen Urteils kurz wiederzugeben.

142. Zunächst hat das Gericht festgestellt, dass die Beweislast für die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels im Zusammenhang mit dem Widerruf, der Aussetzung oder der Änderung einer Zulassung gemäß Art. 116 des Humanarzneimittelkodexes bei der zuständigen Behörde, d. h. der Kommission, liege.

143. Im Hinblick auf die Anforderungen an den von der Kommission zu erbringenden Beweis hat das Gericht darauf hingewiesen, dass bei Unsicherheiten hinsichtlich des Vorliegens oder des Umfangs von Risiken für die menschliche Gesundheit nach dem Vorsorgegrundsatz – um den mit dem Schutz der öffentlichen Gesundheit verbundenen Erfordernissen Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen einzuräumen – Schutzmaßnahmen getroffen werden könnten, ohne dass abgewartet werden müsse, dass das Bestehen und die Schwere dieser Risiken vollständig dargelegt würden, wenn neue Daten vorlägen, die ernste Zweifel an der Sicherheit des betreffenden Arzneimittels oder an seiner Wirksamkeit weckten, und wenn diese Zweifel zu einer ungünstigen Beurteilung des Nutzen‑Risiko-Verhältnisses dieses Arzneimittels führten. In diesem Zusammenhang könne sich die Kommission nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs darauf beschränken, „ernsthafte und stichhaltige Anhaltspunkte zu liefern, die, ohne die wissenschaftliche Ungewissheit zu beseitigen, vernünftige Zweifel an der Unbedenklichkeit oder der Wirksamkeit des Arzneimittels erlauben“(34). Hierzu hat das Gericht festgestellt, der CHMP habe befunden, dass die bekannten Risiken aus der Verwendung systemischer, Östrogen enthaltender Präparate für die Hormonersatztherapie auch im Fall von Linoladiol N vorliegen könnten. Da es der Auffassung war, dass es sich hierbei um „ernsthafte und schlüssige Anhaltspunkte“ handele, hat das Gericht entschieden, dass die Kommission so ihrer Beweislast genügt habe.

144. Was die von der Kommission bestrittene Zulässigkeit des vorliegenden Teils betrifft, beschränke ich mich auf den Hinweis, dass der behauptete Verstoß gegen Beweislastregeln eine Rechtsfrage darstellt, die der Kontrolle des Gerichtshofs im Rechtsmittelverfahren unterliegt(35). Der vorliegende Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes ist also zulässig.

145. Was die Begründetheit betrifft, vermag mich das Argument der Rechtsmittelführerinnen allerdings nicht zu überzeugen.

146. Wie das Gericht in Rn. 135 des angefochtenen Urteils ausführt, hat nach dem allgemeinen Grundsatz der Beweislastverteilung im Rahmen von Art. 116 des Humanarzneimittelkodexes die Kommission den Nachweis zu erbringen, dass die Voraussetzungen für den Widerruf, die Aussetzung oder die Änderung einer Zulassung vorliegen. Der Inhaber der Zulassung für ein Arzneimittel ist dagegen nicht verpflichtet, während der Laufzeit dieser Zulassung die Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit des betreffenden Arzneimittels zu beweisen.

147. Nach der vom Gericht angewandten Rechtsprechung kann die Kommission bei wissenschaftlicher Unsicherheit hinsichtlich des Vorliegens oder des Umfangs von Risiken für die Gesundheit in Anwendung des Vorsorgegrundsatzes eine Schutzmaßnahme (Widerruf, Aussetzung oder Änderung einer Zulassung) treffen, ohne dass eine Verwirklichung der fraglichen Risiken abgewartet werden müsste, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass sie ihre vernünftigen Zweifel an der Unbedenklichkeit oder der Wirksamkeit des betroffenen Arzneimittels durch ernsthafte und stichhaltige Anhaltspunkteuntermauert.

148. Im vorliegenden Fall war das Gericht der Ansicht, dass die Feststellungen des CHMP, wonach die bekannten Risiken aus der Verwendung von Arzneimitteln für die Hormonersatztherapie auch bei Linoladiol N vorliegen könnten, solche „ernsthafte und schlüssige Anhaltspunkte“ lieferten.

149. Ich habe nicht den geringsten Zweifel daran, dass in dieser Beurteilung des Gerichts, die sich auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs stützt, keine Beweislastumkehr liegt, nach der der Zulassungsinhaber dazu verpflichtet würde, die Sicherheit des Arzneimittels mit Studien nach der Zulassung nachzuweisen, wie die Rechtsmittelführerinnen behaupten. Vielmehr obliegt, selbst wenn die Beweisanforderungen, denen die Kommission zu genügen hat, in diesem Fall geringer wären, die Verpflichtung zum Nachweis der Tatsachen, von denen die Begründetheit ihres Standpunkts abhängt, wonach eine Schutzmaßnahme wegen der Verschlechterung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses von Linoladiol N erforderlich sei, nach wie vor diesem Organ.

150. Außerdem hat das Gericht in einem Urteil jüngeren Datums bereits ausdrücklich festgestellt, dass „die Tatsache, dass bei wissenschaftlicher Ungewissheit oder vernünftigen Zweifeln an der Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit eines Arzneimittels Maßnahmen nach Art. 116 [des Humanarzneimittelkodexes] ergriffen werden, einer Umkehr der Beweislast nicht gleichgestellt werden [kann]“(36).

151. Im Hinblick auf die wissenschaftliche Ungewissheit hinsichtlich des Vorliegens oder des Umfangs des Gesundheitsrisikos, das in Anwendung des Vorsorgegrundsatzes den Erlass einer Schutzmaßnahme seitens der Kommission rechtfertigen kann, teile ich nicht die Auffassung der Rechtsmittelführerinnen, dass das Gericht die Rechtsprechung fehlerhaft ausgelegt hätte, indem es verkannt habe, dass diese Situation bei Anwendung des Humanarzneimittelkodexes wegen des in diesem enthaltenen Systems der Pharmakovigilanz nicht eintreten könne.

152. Hierzu stelle ich fest, dass der Unionsrichter den Vorsorgegrundsatz im Bereich des Humanarzneimittelkodexes, nach Feststellung einer solchen wissenschaftlichen Ungewissheit, im Urteil vom 11. Dezember 2014, PP Nature‑Balance Lizenz/Kommission (T‑189/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1056, Rn. 37 ff.), bereits angewandt hat. Der Gerichtshof sollte aber, angesichts der Bedeutung, die dem Vorsorgegrundsatz dabei zukommt, im Bereich der Pharmazie dem Schutz der öffentlichen Gesundheit Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen einzuräumen, diese Position des Gerichts bestätigen.

153. Was schließlich die Behauptung der Rechtsmittelführerinnen betrifft, dass eine wissenschaftliche Ungewissheit nur in Bezug auf neue Produkte bestehen könne, und damit nicht bei Linoladiol N, das bereits seit Jahrzehnten auf dem Markt sei, meine ich, dass aus dem Urteil vom 9. September 2003, Monsanto Agricoltura Italia u. a. (C‑236/01, EU:C:2003:431), eine solche Schlussfolgerung nicht hergeleitet werden kann, und zwar hauptsächlich aus zwei Gründen. Erstens ist dieses Urteil in einem anderen Bereich als dem in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden ergangen. Zweitens trifft es zwar zu, dass der Gerichtshof in diesem Urteil entschieden hat, dass Schutzmaßnahmen (vorübergehende Einschränkung oder Aussetzung des Handels) im Fall neuartiger Lebensmittel rechtswirksam mit potenziellen Risiken begründet werden können, doch schließt dieses Urteil meines Erachtens keineswegs aus, dass eine solche Begründung auch für bereits am Markt vorhandene Lebensmittel als ausreichend angesehen werden könnte. Nach den vorliegenden Umständen war der Gerichtshof nämlich nur aufgefordert, verschiedene Bestimmungen der Verordnung über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten auszulegen(37).

154. Nach alledem ist der erste Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes meines Erachtens zurückzuweisen.

2.      Zum zweiten Teil: Fehlen eines verständlichen Zusammenhangs zwischen den medizinischen oder wissenschaftlichen Feststellungen und den Schlussfolgerungen des CHMP

a)      Zusammenfassung des Parteivorbringens

155. Im Hinblick auf die Rn. 149 bis 164 und 188 bis 197 des angefochtenen Urteils machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, das Gericht habe es versäumt festzustellen, dass der CHMP nicht stets die Gründe erläutert habe, aus denen er von den Schlussfolgerungen in den von den Rechtsmittelführerinnen angeführten Berichten oder Expertisen abgewichen sei. Die Ausführungen des Gerichts seien zudem häufig widersprüchlich, unvollständig oder unzutreffend.

156. Erstens spreche zwar das Gericht in Rn. 147 des angefochtenen Urteils zwar die Argumente der Rechtsmittelführerinnen in Bezug auf die schwierige Übertragbarkeit einer Risikoabschätzung auf der Basis systemischer Exposition auf eine lokale Behandlung sowie die geringere Anwendungshäufigkeit von Linoladiol N im Vergleich zu einer systemischen Hormonersatztherapie an, doch ergebe sich aus den in den Rn. 151 bis 158 jenes Urteils wiedergegebenen Schlussfolgerungen des CHMP, dass dieser diese Argumente bei seiner Bewertung nicht berücksichtigt habe.

157. Zweitens sei die vom Gericht in Rn. 160 des angefochtenen Urteils als Antwort auf das Argument der Rechtsmittelführerinnen gezogene Schlussfolgerung, dass sich bei den postmenopausalen Basiswerten die Berücksichtigung von deutlich geringeren Werten als den in der wissenschaftlichen Literatur angenommenen durch den CHMP nicht auf die Kohärenz und wissenschaftliche Logik dessen wissenschaftlichen Gutachtens ausgewirkt haben könne, nicht nachvollziehbar und widersprüchlich. Die Überschreitung der postmenopausalen Basiswerte stelle nämlich aus der Sicht des CHMP einen wesentlichen Aspekt der Risikobewertung dar.

158. Drittens sei das Gericht in Rn. 161 des angefochtenen Urteils nicht auf das Argument der Rechtsmittelführerinnen eingegangen, dass der CHMP in seinem Bericht nicht hinreichend berücksichtigt habe, dass der Anstieg des Estradiol‑Blutspiegels durch die Anwendung von Linoladiol N nur vorübergehend sei und der Estradiol-Blutspiegel während eines Anwendungszyklus mit Linoladiol N die Grenzen der postmenopausalen Basiswerte nicht überschreite.

159. Viertens werfen die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht vor, sich im Rahmen der in Rn. 162 des angefochtenen Urteils ausgeführten Beurteilung nicht mit ihrem Argument auseinandergesetzt zu haben, dass eine vergleichsweise höhere Erhaltungsdosis von Linoladiol N im Vergleich zu anderen Estradiol‑Präparaten für die topische intravaginale Therapie kein höheres Risiko bedinge.

160. Fünftens hätte das Gericht eine in der mündlichen Verhandlung von den Rechtsmittelführerinnen vorgelegte Vergleichstabelle prüfen müssen, die den im endgültigen Bewertungsbericht des CHMP enthaltenen Vergleich von Linoladiol N mit geringer dosierten Arzneimitteln im Hinblick auf die systemische Hormonersatztherapie erweitere. Diese Tabelle verdeutliche, dass die Estradiolwerte nach mehrfacher Anwendung von Linoladiol N und die nach der systemischen Hormonersatzbehandlung mit „Estreva“ überhaupt nicht ähnlich seien, und dass diese Werte im Verhältnis zu einem niedriger dosierten Arzneimittel bei Linoladiol N nicht erheblich höher seien. Für die Schlussfolgerung des Gerichts, dass die Estradiol-Exposition von Linoladiol N eher mit derjenigen einer systemischen Hormonersatztherapie vergleichbar sei, fehle es daher an einer logisch nachvollziehbaren Begründung.

161. Schließlich bringen die Rechtsmittelführerinnen vor, das Gericht habe sich nicht mit ihrem Argument auseinandergesetzt, dass das Risiko einer Thromboembolie bei einem vaginal applizierten Arzneimittel geringer sei als bei einer oralen Hormonersatzbehandlung.

162. Die Kommission entgegnet, dass die Rechtsmittelführerinnen mit den in diesem Teil erhobenen Rügen nur behaupteten, dass das endgültige Gutachten des CHMP nicht schlüssig sei. Ein Vorbringen, das auf einen Verfahrensfehler oder auf eine Verletzung des Unionsrechts hinweisen würde, sei nicht zu erkennen. Dieser Teil sei daher unzulässig.

163. Speziell im Hinblick auf die von den Rechtsmittelführerinnen in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht vorgelegte Vergleichstabelle macht die Kommission geltend, das Gericht habe mit der Zurückweisung dieses Beweismittels keinen Fehler begangen, da es entgegen Art. 85 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ohne jegliche Rechtfertigung erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgelegt worden sei. Außerdem sei die fragliche Tabelle nur ein Beweismittel, dessen Würdigung Sache des Gerichts sei. Selbst wenn der Gerichtshof diese Ansicht nicht teilen sollte, hätte jedenfalls das Gericht schließen können, dass das endgültige Gutachten des CHMP nicht nachvollziehbar begründet gewesen sei, weil dem CHMP Vergleiche mit anderen Arzneimitteln zur Verfügung gestanden hätten, die er entsprechend gewertet habe, wie sich aus den Rn. 155, 156 und 158 des angefochtenen Urteils ergebe. Jedenfalls könne das in der Vergleichstabelle angeführte Arzneimittel Estreva nicht mit Linoladiol N verglichen werden. Es werde nämlich für die Hormonersatztherapie verwendet, während Linoladiol N nur dem lokalen Hormonersatz diene.

b)      Beurteilung

164. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich die Kontrolle des Gerichts, was das Gutachten des CHMP betrifft, allein auf das ordnungsgemäße Vorgehen des CHMP sowie die Schlüssigkeit und die Begründung seines Gutachtens erstreckt. Zu diesem letztgenannten Aspekt ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichts, dass dieses nur prüfen kann, ob das Gutachten eine Begründung enthält, anhand deren die Erwägungen beurteilt werden können, auf die es sich stützt, und ob ein verständlicher Zusammenhang zwischen den medizinischen oder wissenschaftlichen Feststellungen und den Schlussfolgerungen im Gutachten hergestellt wird(38). Da es sich um eine einfache Anwendung der gefestigten Rechtsprechung, wonach die gerichtliche Nachprüfung komplexerBewertungen der Kommission zwangsläufig beschränkt ist, da diese über einen weiten Ermessensspielraum verfügt(39), auf den wissenschaftlichen Bereich handelt, schlage ich dem Gerichtshof vor, zunächst zu bestätigen, dass die Rechtsprechung des Gerichts zutreffend ist.

165. Auf den vorliegenden Fall angewandt ergibt sich aus dieser Rechtsprechung des Gerichts meines Erachtens, dass der Nachweis, den die Rechtsmittelführerinnen zu erbringen haben, nicht auf den Umstand beschränkt sein darf, dass das Gericht nicht festgestellt habe, dass einer der vom CHMP im Rahmen seiner medizinischen oder wissenschaftlichen Beurteilung berücksichtigten Gesichtspunkte fehlerhaft gewesen sei. Sie müssen auch dartun, dass dieser Gesichtspunkt so grundlegend ist, dass ein auf ihn bezogener Fehler geeignet ist, die logische Verbindung zwischen den medizinischen oder wissenschaftlichen Feststellungen und den Schlussfolgerungen des CHMP zu beseitigen.

166. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze werde ich die – von der Kommission in Zweifel gezogene – Zulässigkeit und gegebenenfalls die Begründetheit der einzelnen Rügen der Rechtsmittelführerinnen prüfen.

167. Was die Schwierigkeit betrifft, die auf eine systemische Exposition gestützte Risikobewertung auf eine lokale Behandlung, wie die mit Linoladiol N, zu übertragen, meine ich, dass diese Rüge Gegenstand der vom Gerichtshof im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens vorgenommenen Prüfung sein kann.

168. Ein Fehler in Bezug auf die Möglichkeit, die Ergebnisse der Risikobeurteilung für Linoladiol N und für die systemischen Hormonersatzbehandlungen miteinander zu vergleichen, ist nämlich, wie die Rechtsmittelführerinnen offenbar geltend machen, geeignet, den „verständlichen Zusammenhang“ zwischen der wesentlichen wissenschaftlichen Feststellung des CHMP (der Estradiol-Blutspiegel nach Applikation von Linoladiol N ist ähnlich dem, der in der systemischen Hormonersatzbehandlung erreicht wird) und den Schlussfolgerungen in seinem endgültigen Gutachten (die Anwendung von Linoladiol N birgt dieselben Risiken wie die Produkte für die systemische Hormonersatzbehandlung, so dass eine seine Anwendung einschränkende Maßnahme erforderlich ist) zu beseitigen. Die in Rede stehende Rüge ist daher meines Erachtens zulässig.

169. Was die Begründetheit angeht, bin ich allerdings der Ansicht, dass das Gericht keinen solchen Verstoß begangen hat. Die Rn. 151 bis 158 des angefochtenen Urteils, in denen das Gericht die Schlussfolgerungen des CHMP zusammenfasst, stellen nämlich die Gründe dar, aus denen der CHMP der Ansicht war, dass sich die Ergebnisse der Risikobeurteilung für Hormonersatzbehandlungen auf eine lokale Behandlung, wie die mit Linoladiol N, übertragen ließen.

170. Aus dieser Zusammenfassung ergibt sich, dass i) der CHMP einen Vergleich von Linoladiol N mit anderen Arzneimitteln zur topischen Anwendung, gestützt auf pharmakokinetische Daten, vorgelegt hat, aus der der Schluss gezogen werden konnte, dass die Estradiol-Exposition nach Applikation von Linoladiol N erheblich höher war als nach Verabreichung anderer, schwächer dosierter Estradiol-Präparate, und ii) die Estradiol-Exposition nach Applikation von Linoladiol N vorübergehend genauso hoch war wie im Fall einer Hormonersatzbehandlung.

171. Auf der Grundlage dieser Gesichtspunkte konnte das Gericht in Rn. 158 des angefochtenen Urteils zu dem Schluss gelangen, dass „der CHMP, während er die Unterscheidung zwischen topischer Behandlung und Hormonersatzbehandlung durchaus beachtet hat, einen verständlichen Zusammenhang zwischen den medizinischen und wissenschaftlichen Feststellungen über die Merkmale von Linoladiol N und den Schlussfolgerungen des endgültigen Gutachtens vom 25. April 2014 hergestellt hat“.

172. Angesichts dieser Erwägungen ist die erste Rüge meines Erachtens zurückzuweisen.

173. Zweitens, was die Annahme von Schwellenwerten in Bezug auf die postmenopausalen Basiswerte betrifft, die niedriger waren als die in der wissenschaftlichen Literatur angenommenen(40), hat das Gericht in Rn. 160 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Rechtsmittelführerinnen zwar Beweise vorgelegt hätten, die diese Behauptung stützten, jedoch würden „[sie] nicht rechtlich hinreichend dar[tun], dass dieser einzelne Gesichtspunkt in der Argumentation des CHMP zu einer diametral entgegengesetzten Schlussfolgerung führen müsste und die Kohärenz und Logik des wissenschaftlichen Gutachtens in Frage stellte“.

174. Im Wesentlichen war das Gericht der Auffassung, dass nicht dargetan worden sei, dass der in Rede stehende Gesichtspunkt so wesentlich sei, dass ein auf ihn bezogener Fehler geeignet sei, die logische Verbindung zwischen den medizinischen oder wissenschaftlichen Feststellungen und den Schlussfolgerungen des CHMP zu beseitigen.

175. Ich weise bereits jetzt darauf hin, dass mich die vorliegende Rüge nicht überzeugt.

176. Ich leugne nicht, dass die Schwellenwerte für die postmenopausalen Basiswerte prima facie ein unverzichtbarer Gesichtspunkt für die Beurteilung zu sein scheinen, ob die systemischen Auswirkungen, die letztendlich zu einer Risikoexposition führen, die der mit Hormonersatzbehandlungen einhergehenden entspricht, nach Applikation eines Präparats auf Estradiolbasis auftreten können. Dies geht übrigens aus dem Zitat aus den wissenschaftlichen Schlussfolgerungen des CHMP in Rn. 151 des angefochtenen Urteils hervor, wonach, „[d]a die Estradiol-Konzentrationen die … postmenopausalen Konzentrationen überschreiten, … systemische Auswirkungen zu erwarten“ seien. Allerdings könnte meiner Ansicht nach erwogen werden, dass sich dieser Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung auf das Verhältnis zwischen den systemischen Wirkungen und der Erhöhung der Estradiol-Konzentrationen über die Schwellenwerte für die postmenopausalen Basiswerte hinaus bezog, die vom CHMP verwendet wurden. Mit anderen Worten, angenommen, dass bei der Verwendung der von den Rechtsmittelführerinnen festgelegten Schwellenwerte, die höher sind als die vom CHMP verwendeten, die Erhöhung der Estradiol‑Konzentration nicht zu einer Überschreitung dieser Schwellenwerte führte, könnte im Prinzip nicht ausgeschlossen werden, dass sich auch systemische Auswirkungen zeigen.

177. Der vorstehend ausgeführte Gedanke kann meines Erachtens die Feststellung des Gerichts stützen, dass die Rechtsmittelführerinnen in ihrer Rechtsmittelschrift nicht rechtlich hinreichend dargelegt hätten, weshalb der Umstand, dass die postmenopausalen Basiswerte nicht korrekt gewesen seien, für sich genommen die Schlussfolgerungen des CHMP hätte in Frage stellen können.

178. Auch wenn ich nicht verhehle, dass das Gericht die Zurückweisung der vorliegenden Rüge idealerweise sehr viel ausführlicher hätte begründen sollen, bin ich doch der Auffassung, dass eine Prüfung der sich aus Rn. 160 des angefochtenen Urteils ergebenden Antwort zu der Schlussfolgerung führen muss, dass das Gericht seine Begründungspflicht erfüllt hat.

179. Nach alledem ist die vorliegende Rüge meines Erachtens zurückzuweisen.

180. Was drittens das fehlende Eingehen des Gerichts auf das Argument betrifft, der CHMP habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Anstieg des Estradiol‑Blutspiegels durch die Anwendung von Linoladiol N nur vorübergehend sei, können die Rechtsmittelführerinnen nicht dartun, dass das Gericht diesen Gesichtspunkt in seiner Beurteilung nicht berücksichtigt hätte.

181. In Rn. 161 des angefochtenen Urteils hat es nämlich auf der Grundlage zweier wissenschaftlicher Studien (SCO 5109 und SCO 5174) ausgeführt, dass die Estradiol-Konzentrationen bei zweimal wöchentlich appliziertem Linoladiol N ähnlich seien wie bei einer Hormonersatzbehandlung und dass diese erhöhte Estradiol‑Konzentration nach 36 Stunden nicht auf den Ausgangswert zurückgegangen sei.

182. Das Gericht hat somit offenbar nicht vernachlässigt, dass der Anstieg des Estradiol-Blutspiegels durch die Anwendung von Linoladiol N vorübergehend war und dass die Estradiol-Konzentration nach mehr als 36 Stunden auf den Ausgangswert zurückgehen könnte.

183. Zwar ergibt sich die tatsächliche Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts durch das Gericht nur implizit aus Rn. 161 des angefochtenen Urteils, doch stellt dies entgegen der von den Rechtsmittelführerinnen im Wesentlichen geltend gemachten Auffassung keinen Begründungsmangel dar. Insoweit genügt ein Hinweis auf die bereits in Nr. 116 der vorliegenden Schlussanträge angeführte Rechtsprechung, wonach das Gericht nicht verpflichtet ist, bei seinen Ausführungen alle von den Parteien des Rechtsstreits vorgetragenen Argumente nacheinander erschöpfend zu behandeln; die Begründung kann daher implizit erfolgen, sofern sie es den Betroffenen ermöglicht, die Gründe zu erkennen, aus denen das Gericht ihrer Argumentation nicht gefolgt ist, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben liefert, damit er seine Kontrolle ausüben kann, was mir im vorliegenden Fall eindeutig gegeben zu sein scheint.

184. Jedenfalls kann mit der vorliegenden Rüge nicht belegt werden, dass der fragliche Gesichtspunkt, nämlich der vorübergehende Charakter des Anstiegs des Estradiol-Blutspiegels, geeignet gewesen wäre, den verständlichen Zusammenhang zwischen den medizinischen oder wissenschaftlichen Feststellungen und den Schlussfolgerungen des CHMP entfallen zu lassen.

185. Unter diesen Umständen ist die vorliegende Rüge meines Erachtens zurückzuweisen.

186. Viertens genügt es, zur angeblich fehlenden Auseinandersetzung im angefochtenen Urteil mit dem Argument der Rechtsmittelführerinnen, dass eine vergleichsweise höhere Erhaltungsdosis von Linoladiol N im Vergleich zu anderen Estradiol‑Präparaten kein höheres Risiko bedinge, festzustellen, dass eine Beurteilung dieser Art ohne jeden Zweifel in den weiten Beurteilungsspielraum fällt, über den die Kommission auf einem Gebiet wie diesem verfügt, auf dem sie komplexe medizinische oder wissenschaftliche Bewertungen vorzunehmen hat, und daher nicht der rechtlichen Nachprüfung des Gerichts unterliegt, es sei denn, es läge der Fall eines offensichtlichen Fehlers oder eines Ermessensmissbrauchs vor oder die Kommission hätte offensichtlich die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums überschritten, was im vorliegenden Fall nicht behauptet wird. Folglich können die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht nicht vorwerfen, es versäumt zu haben, sich zu diesem Punkt zu äußern.

187. Fünftens stelle ich in Bezug auf die fehlende Prüfung der Vergleichstabelle zunächst – wie auch die Kommission in ihrer Rechtsmittelbeantwortung – fest, dass diese Tabelle entgegen Art. 85 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht vorgelegt wurde und dass im Sitzungsprotokoll keinerlei Rechtfertigung der Rechtsmittelführerinnen für diese Verspätung vermerkt ist. Wenn tatsächlich keinerlei Rechtfertigung vorgebracht wurde, erklärte sich die fehlende Prüfung dieser Tabelle im angefochtenen Urteil aus der Tatsache, dass das Gericht sie zu Recht stillschweigend für unzulässig erklärt hat.

188. Jedenfalls teile ich den von der Kommission in der Rechtsmittelbeantwortung insoweit eingenommenen Standpunkt, dass die in Rede stehende Vergleichstabelle, selbst wenn man sie als zulässig ansähe und inhaltlich prüfte, bedeutungslos wäre, weil sie das Gericht nicht zu der Schlussfolgerung hätte veranlassen können, dass der verständliche Zusammenhang zwischen den medizinischen oder wissenschaftlichen Feststellungen und den Schlussfolgerungen des CHMP somit entfallen sei.

189. Zunächst ist der Beweiswert dieser Tabelle offenkundig gering, weil sie lediglich einen Vergleich von Linoladiol N mit einem einzigen anderen Arzneimittel, nämlich Estreva, bietet.

190. Außerdem scheint mir der Vergleich zwischen Linoladiol N und Estreva nicht mit der Logik vereinbar zu sein, die der Begründung des CHMP in seinem endgültigen Gutachten zugrunde liegt, wie sie das Gericht in den Rn. 151 bis 158 des angefochtenen Urteils zusammengefasst hat.

191. Wie nämlich das Gericht in Rn. 158 jenes Urteils feststellt, war der CHMP zu der Schlussfolgerung, dass Linoladiol N vorübergehend zu einer Estradiol‑Konzentration führe, die der infolge einer Hormonersatztherapie entspreche, gelangt, „während er die Unterscheidung zwischen topischer Behandlung und [Hormonersatztherapie] durchaus beachtet hat“, d. h. indem er Linoladiol N nur mit anderen topischen Behandlungen verglichen hat. Estreva, das für die Hormonersatzbehandlung verwendet und folglich auf eine andere Art und Weise verabreicht wird, kann daher nicht mit Linoladiol N verglichen werden.

192. Für den Fall, dass der Gerichtshof die in Rede stehende Rüge für zulässig erklären sollte, denke ich daher, dass sie als unbegründet zurückgewiesen werden müsste.

193. Ich schlage also vor, den zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes insgesamt zurückzuweisen.

3.      Zum dritten Teil: fehlerhafte Risikobewertung wegen Nichtberücksichtigung der Pharmakovigilanzdaten

a)      Zusammenfassung des Parteivorbringens

194. Die Rechtsmittelführerinnen meinen, das Gericht habe bei seiner in den Rn. 170 bis 172 des angefochtenen Urteils vorgenommenen Würdigung und in seiner Schlussfolgerung in Rn. 176 jenes Urteils verkannt, dass den Pharmakovigilanzdaten nach der Konzeption des Humanarzneimittelkodexes eine maßgebliche Rolle bei der Bewertung der tatsächlichen Risiken von Arzneimitteln in der Marktphase zukomme.

195. Zu Rn. 171 des angefochtenen Urteils bringen sie vor, dass es widersprüchlich sei, wie das Gericht in den geringen bzw. fehlenden Meldungen zur mit der Anwendung von Linoladiol N verbundenen Sicherheit, den Nachweis für das Bestehen eines Risikos zu sehen. Was die Erwägungen in Rn. 172 des angefochtenen Urteils zum fehlenden Interesse an Spontanmeldungen betreffe, habe sich das Gericht auch nicht mit ihrem Vorbringen auseinandergesetzt, dass ein wissenschaftlicher Nachweis für ein „Underreporting“ bei Altarzneimitteln nicht bestehe. Insoweit habe sich das Gericht nicht mit dem Argument befasst, dass es sich bei Linoladiol N um ein nur auf Verschreibung eines – die Langzeitanwendung überwachenden – Gynäkologen abgegebenes Arzneimittel handele und dass es fernliegend sei, anzunehmen, dass kein einziger Gynäkologe die mit dieser Anwendung verbundenen Risiken gemeldet hätte, wenn sie sich tatsächlich verwirklicht hätten. Schließlich habe sich das Gericht auch nicht mit ihrem Argument auseinandergesetzt, dass sich die unterstellten Risiken bei der Anwendung von Linoladiol N selbst bei einer unterstellten Underreporting-Rate von 90 % jedenfalls in einem Fall hätten verwirklichen müssen, wenn sie tatsächlich bestehen würden.

196. Die Kommission entgegnet, dass die Rechtsmittelführerinnen mit ihrem Vorbringen nicht auf eine rechtliche Feststellung des Gerichts abzielten, sondern auf eine Beurteilung des CHMP.

197. Was insbesondere die fehlende Auseinandersetzung mit dem Argument betrifft, dass es sich bei Linoladiol N um ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel handele, dessen Langzeitanwendung durch einen Gynäkologen überwacht werde, macht die Kommission geltend, dass dieses Argument ohne jegliches Beweisangebot und jedenfalls erst in der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug ohne eine Rechtfertigung für diese Verspätung, entgegen Art. 85 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts vorgebracht worden sei.

b)      Beurteilung

198. Mit ihrer ersten Rüge behaupten die Rechtsmittelführerinnen, das Gericht habe die maßgebliche Rolle der Pharmakovigilanzdaten bei der Beurteilung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses von Arzneimitteln in der Marktphase verkannt, indem es festgestellt habe, dass der CHMP den Nachweis der mit der Anwendung von Linoladiol N verbundenen Risiken aus den geringen bzw. fehlenden Meldungen zu solchen Risiken hergeleitet habe, was in sich widersprüchlich sei. Sie werfen dem Gericht damit im Wesentlichen vor, nicht festgestellt zu haben, dass der Fehler des CHMP in Bezug auf diesen Gesichtspunkt zum Wegfall des verständlichen Zusammenhangs zwischen den wissenschaftlichen und medizinischen Feststellungen und den Schlussfolgerungen des CHMP geführt habe.

199. Meines Erachtens hat das Gericht zu Recht entschieden, dass die Rügen der Rechtsmittelführerinnen, die sie in ihrem Rechtsmittel gegen die Beurteilung des Gerichts erneut vorgebracht haben, auf einem unzutreffenden Verständnis des Gutachtens des CHMP beruhten.

200. In seinen wissenschaftlichen Schlussfolgerungen hat der CHMP nämlich nicht, wie die Rechtsmittelführerinnen behaupten, die Ansicht vertreten, dass die geringe Zahl an verfügbaren Pharmakovigilanzdaten (insgesamt elf Fälle, davon nur einer in Bezug auf Linoladiol N) den Nachweis für das Bestehen von Risiken bei der Anwendung von Linoladiol N darstelle. Er hat vielmehr ausgeführt, dass, da bei älteren Arzneimittelpräparaten wie Linoladiol N von einer „erheblichen Zahl unterbliebener Meldungen von Nebenwirkungen“ auszugehen sei, keine Rückschlüsse hinsichtlich der Sicherheit des Arzneimittels aus den Pharmakovigilanzdaten gezogen werden könnten.

201. Angesichts dieser wissenschaftlichen Ungewissheit hat der CHMP, wie das Gericht in den Rn. 174 bis 176 des angefochtenen Urteils erläutert hat, im Einklang mit der Rechtsprechung zur Anwendung des Vorsorgegrundsatzes ernsthafte und stichhaltige Anhaltspunkte geliefert, die vernünftige Zweifel an der Unbedenklichkeit oder der Wirksamkeit von Linoladiol N erlaubten.

202. Der CHMP hat also den Nachweis für Risiken bei der Anwendung von Linoladiol N nicht aus der geringen Zahl an Meldungen über solche Risiken hergeleitet, sondern vernünftig von ihm dargelegte Zweifel an der Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Linoladiol N, wie das Gericht zutreffend festgestellt hat.

203. Im Hinblick darauf, dass das Gericht in zutreffender Weise das Bestehen eines verständlichen Zusammenhangs zwischen den medizinischen oder wissenschaftlichen Feststellungen und den Schlussfolgerungen des CHMP in Bezug auf das Bestehen von Risiken dargetan hat, meine ich, dass die in Rede stehende Rüge zurückzuweisen ist.

204. Zur fehlenden Auseinandersetzung in Rn. 172 des angefochtenen Urteils mit dem Vorbringen, dass ein wissenschaftlicher Nachweis für ein „Underreporting“ bei Altarzneimitteln nicht bestehe, genügt die Feststellung, dass eine solche Beurteilung in den weiten Beurteilungsspielraum fällt, über den die Kommission bei diesem Thema verfügt, das von ihr die Vornahme komplexer medizinischer oder wissenschaftlicher Bewertungen verlangt; sie unterliegt daher nur einer eingeschränkten Kontrolle des Gerichts(41). Die Rechtsmittelführerinnen können dem Gericht deshalb nicht vorwerfen, sich zu diesem Punkt nicht geäußert zu haben.

205. In Anbetracht des Vorstehenden bin ich der Meinung, dass auch diese Rüge zurückzuweisen ist.

206. Zur fehlenden Auseinandersetzung des Gerichts mit dem Argument, wonach die Tatsache, dass die Langzeitanwendung von Linoladiol N durch einen Gynäkologen überwacht werde, bedeute, dass dieser die erwähnten Risiken gemeldet hätte, wenn sie sich verwirklicht hätten, stelle ich zunächst fest, dass die Kommission zu Unrecht behauptet, dass dieses Argument erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebracht worden sei. Aus den Unterlagen des Verfahrens vor dem Gericht geht nämlich eindeutig hervor, dass es bereits in Rn. 150 der Klageschrift vorgebracht worden ist(42).

207. Jedoch weise ich, selbst unterstellt, dass dieses durch kein Beweisangebot untermauerte Argument auf zutreffende Tatsachen gestützt sein sollte, erneut darauf hin, dass das Gericht nach der Rechtsprechung nicht verpflichtet ist, bei seinen Ausführungen alle von den Parteien des Rechtsstreits vorgetragenen Argumente nacheinander erschöpfend zu behandeln, sofern diese implizite Begründung es den Betroffenen ermöglicht, die Gründe zu erkennen, aus denen das Gericht ihrer Argumentation nicht gefolgt ist, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben liefert, damit er seine Kontrolle ausüben kann(43), was im vorliegenden Fall zu bejahen ist. Das Gericht weist nämlich in Rn. 172 des angefochtenen Urteils klar darauf hin, dass es ein fehlendes Interesse an Spontanmeldungen gebe, so dass deren geringe Zahl keinen Rückschluss auf die Sicherheit von Linoladiol N zulasse.

208. Die oben angeführten Erwägungen gelten meines Erachtens auch für die letzte Rüge dieses Teils, wonach das Gericht nicht auf das Argument eingegangen sei, dass sich die angeblich aus der Anwendung von Linoladiol N entstehenden Risiken selbst bei einer unterstellten Underreporting-Rate von 90 % hätten verwirklichen müssen, wenn sie tatsächlich bestehen würden.

209. Der dritte Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes ist daher insgesamt zurückzuweisen.

4.      Zum vierten Teil: fehlerhafte Darstellung der Pharmakovigilanzdaten und Fehlerhaftigkeit des Inhalts der wissenschaftlichen Leitlinien im endgültigen Gutachten des CHMP

a)      Zusammenfassung des Parteivorbringens

210. Die Rechtsmittelführerinnen rügen eine oberflächliche Darstellung der Pharmakovigilanzdaten zu Linoladiol N in den wissenschaftlichen Schlussfolgerungen des CHMP. Diese wissenschaftlichen Schlussfolgerungen könnten nämlich den unzutreffenden Eindruck erwecken, dass es in Bezug auf die Anwendung von Linoladiol N in elf Fällen Meldungen zu den vom CHMP unterstellten Risiken gegeben hätte, während es sich, wie das Gericht nur allgemein festgestellt habe, um Fälle gehandelt habe, die sich auf Reaktionen nach der topischen Anwendung von Estradiol bezögen.

211. Das Gericht sei in Rn. 196 des angefochtenen Urteils auch nicht auf ihr Argument eingegangen, dass die unstimmige Darstellung des Inhalts der Leitlinien durch den CHMP geeignet sei, bei der Kommission die unzutreffende Vorstellung hervorzurufen, die Anwendung hochdosierter Arzneimittel würden in ihnen nicht empfohlen.

212. Die Kommission hält das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen für unzulässig, da sie ausdrücklich anerkannt hätten, dass das Gericht eine Darstellung vorgenommen habe, die jener des CHMP entspreche.

b)      Beurteilung

213. Was die Rüge in Bezug auf die „oberflächliche Darstellung“ der Pharmakovigilanzdaten zu Linoladiol N betrifft, habe ich nicht den geringsten Zweifel, dass diese Rüge auf eine bloße Tatsachenfeststellung des Gerichts abzielt, die als solche nicht der Zuständigkeit des Gerichtshofs im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens unterliegt, sofern sich nicht aus den Prozessakten ergibt, dass diese Feststellung des Gerichts tatsächlich falsch ist, was jedoch von den Rechtsmittelführerinnen im vorliegenden Fall nicht vorgetragen wird(44).

214. Was die Rüge in Bezug auf die unstimmige Darstellung des Inhalts der wissenschaftlichen Leitlinien durch den CHMP betrifft, kann das dem Gericht von den Rechtsmittelführerinnen vorgeworfene Fehlen einer Begründung meiner Ansicht nicht dargetan werden. In Rn. 197 des angefochtenen Urteils hat das Gericht nämlich ausgeführt, dass die Rechtsmittelführerinnen nicht belegt hätten, inwieweit die unzutreffende Darstellung der Leitlinien durch den CHMP das Gesamtergebnis seiner Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses von Linoladiol N hätten beeinflussen können. Diese Antwort des Gerichts umfasst wohl auch eine unrichtige Darstellung dieser Leitlinien, die zu der Vorstellung führte, die Anwendung hochdosierter Arzneimittel würde in ihnen nicht empfohlen.

215. Meines Erachtens genügt diese Antwort den Voraussetzungen, die von der in den vorliegenden Schlussanträgen mehrfach angeführten Rechtsprechung aufgestellt worden sind, der zufolge eine Begründung implizit sein kann, sofern sie es den Rechtsmittelführerinnen ermöglicht, die Gründe zu erkennen, aus denen das Gericht ihrer Argumentation nicht gefolgt ist, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben liefert, damit er seine Kontrolle ausüben kann.

216. Somit ist der vierte Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

5.      Ergebnis für den zweiten Rechtsmittelgrund

217. Angesichts der vorstehenden Ausführungen schlage ich vor, den zweiten Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen.

C.      Zum dritten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung

1.      Zum ersten Teil: Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

a)      Zusammenfassung des Parteivorbringens

218. Die Rechtsmittelführerinnen meinen, das Gericht habe ihr Vorbringen nicht geprüft, dass im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung die äußerst geringe Wahrscheinlichkeit der Risikoverwirklichung berücksichtigt werden müsse. Selbst wenn der Vorsorgegrundsatz dazu verpflichten sollte, Maßnahmen zur Beschränkung der Zulassung zu ergreifen, sei jedenfalls bei der Wahl der Maßnahmen zu berücksichtigen, dass die Risikobewertung allein auf hypothetischen Annahmen beruhe. Eine rein hypothetische Bewertung wie im vorliegenden Fall könne allein wenig belastende Maßnahmen rechtfertigen, wie beispielsweise eine Aktualisierung der Warnhinweise und Gegenanzeigen in den Informationstexten oder die Auferlegung einer Studie zur Erfassung des vom CHMP unterstellten Risikos einer Endometriumhyperplasie. Das Gericht habe diesen Aspekt in den Rn. 204 bis 206 des angefochtenen Urteils unberücksichtigt gelassen.

219. Außerdem habe das Gericht bei seiner Feststellung in Rn. 206 des angefochtenen Urteils, dass der Ausschluss der Anwendungswiederholung der schwächste der nach Art. 116 Abs. 1 des Humanarzneimittelkodexes zulässigen Eingriffe sei, außer Acht gelassen, dass die Wirkung eines Ausschlusses der wiederholten Anwendung einem teilweisen Widerruf der Genehmigung gleichkomme, da es sich bei der vaginalen Atrophie um einen dauerhaft behandlungsbedürftigen Zustand handele.

220. Die Ausführungen des Gerichts in Rn. 207 des angefochtenen Urteils zu der angeblich fehlenden Möglichkeit, zusätzliche Studien anzuordnen, sind nach Auffassung der Rechtsmittelführerinnen rechtlich unzutreffend, wie sich insbesondere aus Art. 32 Abs. 4 Buchst. c und Abs. 5 Buchst. c des Humanarzneimittelkodexes ergebe, wonach die Genehmigung unter bestimmten Bedingungen erteilt werden könne, die als wesentlich für eine sichere und wirksame Verwendung des betroffenen Arzneimittels angesehen würden.

221. Das Gericht habe in Rn. 207 des angefochtenen Urteils nicht erläutert, inwiefern der Rhythmus von fünf Jahren für die Unbedenklichkeitsberichte für Arzneimittel mit Estradiol nicht geeignet sein soll, die Unbedenklichkeit des Arzneimittels nachzuweisen. Insoweit sind sie nämlich der Ansicht, dass die Unbedenklichkeitsberichte ein probates Mittel gewesen wären, um Bedenken aufgrund des Fehlens von Daten zur Sicherheit von Linoladiol N auszuschließen.

222. Schließlich habe das Gericht sich nicht mit ihrem gegenüber dem CHMP geäußerten Vorschlag einer Intervalltherapie als milderes Mittel auseinandergesetzt.

223. Die Kommission entgegnet, dass die gegen Rn. 207 des angefochtenen Urteils gerichteten Rügen der Rechtsmittelführerinnen unzulässig seien, weil sie darauf hinausliefen, die Beweiswürdigung des Gerichts in Zweifel zu ziehen. Jedenfalls gingen sie ins Leere, weil sie sich gegen einen nicht tragenden Grund des Urteils richteten.

224. Zudem rügten die Rechtsmittelführerinnen nicht, dass das Gericht die Verhältnismäßigkeitsprüfung rechtlich falsch vorgenommen habe, sondern, dass es „formalistisch“ vorgegangen sei, weil es das endgültige Gutachten des CHMP falsch gewürdigt habe. Hiermit zögen die Rechtsmittelführerinnen in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Gerichts in Zweifel.

b)      Beurteilung

225. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist, verlangt, dass die Handlungen der Unionsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist. Wenn ein Organ zwischen mehreren geeigneten Maßnahmen zu wählen hat, hat es somit die am wenigsten belastende zu wählen, und, falls mit diesen Maßnahmen Nachteile verbunden sind, darauf zu achten, dass diese Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen(45).

226. Im vorliegenden Fall ist der betroffene Rechtsakt der Durchführungsbeschluss der Kommission, soweit dieser die Erneuerung der Zulassung für Linoladiol N der Bedingung unterwirft, dass die Dauer seiner Anwendung bei gleichzeitigem Ausschluss einer Anwendungswiederholung auf vier Wochen beschränkt wird.

227. Die Rechtsmittelführerinnen stellen nicht in Frage, dass die Aufnahme dieser Bedingung in die Nachzulassung für Linoladiol N zur Verwirklichung des verfolgten Ziels, nämlich der Vermeidung von Gesundheitsrisiken im Zusammenhang mit dem Anstieg des Estradiol‑Blutspiegels aufgrund der Anwendung dieses Arzneimittels, geeignet ist, machen aber geltend, dass das Ziel ebenso gut mit einer weniger stark eingreifenden Maßnahme hätte erreicht werden können.

228. Um zu prüfen, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im vorliegenden Fall tatsächlich verletzt worden ist, ist es zunächst angebracht, die wesentlichen Abschnitte der Begründung zusammenzufassen, auf die das Gericht die Zurückweisung des auf die Verhältnismäßigkeit abstellenden Teils der Klagegründe in den Rn. 204 bis 207 des angefochtenen Urteils gestützt hat.

229. Das Gericht hat zunächst ausgeführt, dass sich der CHMP in Anbetracht der Ungewissheiten in Bezug auf die Folgen der Anwendung von Linoladiol N auf den Vorsorgegrundsatz gestützt hat, und dann festgestellt, dass eine einfache Änderung der Zulassung, wie im vorliegenden Fall, der schwächste der nach Art. 116 des Humanarzneimittelkodexes zulässigen Eingriffe sei. Die anderen in dieser Bestimmung vorgesehenen Eingriffe (Aussetzung oder Widerruf) hätten die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerinnen nämlich in sehr viel schwerwiegenderer Weise beeinträchtigt und die Grenzen dessen überschritten, was im Licht des abschließenden Gutachtens des CHMP als erforderliche Maßnahme anzusehen gewesen wäre. Sodann hat das Gericht ergänzend ausgeführt, dass weder die Anordnung der Durchführung zusätzlicher Studien, die nicht zu den Maßnahmen gehöre, die im Rahmen des Verfahrens nach Art. 31 des Humanarzneimittelkodexes getroffen werden könnten, noch – aufgrund ihres Rhythmus (fünf Jahre) – die Unbedenklichkeitsberichte für Arzneimittel mit Estradiol geeignete Maßnahmen darstellten, um die Risiken, die sich aus der Applikation von Linoladiol N ergeben, auszuschließen.

230. Ich werde nun die von den Rechtsmittelführerinnen in der Rechtsmittelschrift gegen diese Begründung erhobenen Rügen prüfen.

231. Die erste betrifft die angeblich fehlende Berücksichtigung des Arguments der Rechtsmittelführerinnen durch das Gericht, dass die Tatsache, dass die Risikobewertung des CHMP auf der Anwendung des Vorsorgegrundsatzes beruhe, nur Maßnahmen rechtfertigen könne, die nur weniger belastende Maßnahmen rechtfertigen könnten als die Änderung der Zulassung durch die Aufnahme der oben erwähnten Bedingung. Aus der Begründung in den Rn. 204 bis 206 des angefochtenen Urteils geht jedoch klar hervor, dass es das Gericht entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen nicht versäumt hat, sich zu diesem Punkt zu äußern. So ist nämlich der Umstand aufzufassen, dass das Gericht, nachdem es auf die Anwendung des Vorsorgegrundsatzes durch den CHMP hingewiesen hat, darauf bedacht war, festzustellen, dass die Änderung der Zulassung der schwächste der nach Art. 116 des Humanarzneimittelkodexes zulässigen Eingriffe sei.

232. Die in Rede stehende Rüge ist daher zurückzuweisen.

233. Die zweite Rüge richtet sich gegen ebendiese Feststellung des Gerichts, dass die Änderung der Zulassung der schwächste der nach Art. 116 des Humanarzneimittelkodexes zulässigen Eingriffe sei. Mit ihr wird dem Gericht im Wesentlichen vorgeworfen, dass diese Feststellung nicht genüge, um den Teil des Klagegrundes eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zurückzuweisen, weil das Gericht auch hätte berücksichtigen müssen, dass der mit einer solchen Änderung verbundene Ausschluss der Anwendungswiederholung angesichts der Tatsache, dass es sich bei der vaginalen Atrophie, für deren Behandlung Linoladiol N bestimmt sei, um einen dauerhaft behandlungsbedürftigen Zustand handele, einem teilweisen Widerruf der Zulassung gleichkomme.

234. Wenn der Ausschluss der Anwendungswiederholung bewirken sollte, dass Linoladiol N im Hinblick auf die Bedürfnisse der Patientinnen jeden Nutzens beraubt würde, wie die Rechtsmittelführerinnen behaupten, hätte dies meines Erachtens Auswirkungen auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der an die Erneuerung der Zulassung für Linoladiol N geknüpften Bedingung.

235. Nicht ohne Überraschung muss ich jedoch feststellen, dass diese Rüge, die zweifellos im Mittelpunkt dieses Teils des Rechtsmittelgrundes steht, vom Gericht überhaupt nicht behandelt worden ist.

236. Ich bin folglich der Ansicht, dass das angefochtene Urteil einen Begründungsmangel enthält. Diese Rüge greift daher durch.

237. Für den Fall, dass der Gerichtshof diese Schlussfolgerung nicht teilen sollte, prüfe ich in den folgenden Absätzen die anderen Rügen dieses Teils des dritten Rechtsmittelgrundes, die sich auf die weniger stark eingreifenden Maßnahmen beziehen, die die Kommission hätte auferlegen können, um das Ziel der Vermeidung der mit der Anwendung von Linoladiol N verbundenen Gesundheitsrisiken zu erreichen.

238. Zu der angeblich nicht bestehenden Möglichkeit, zusätzliche Studien zu den Risiken einer endometrialen Hyperplasie anzuordnen und den fehlenden Erläuterungen zu der Frage, inwiefern der Rhythmus von fünf Jahren für die Unbedenklichkeitsberichte für Arzneimittel mit Estradiol nicht geeignet sein soll, die Unbedenklichkeit von Linoladiol N nachzuweisen, in Rn. 207 des angefochtenen Urteils, genügt es, festzustellen, dass es sich in beiden Fällen um eine gegen einen nicht tragenden Grund des angefochtenen Urteils gerichtete Rüge handelt, wie die Einleitung der betreffenden Randnummer mit dem Ausdruck „jedenfalls“(46) zeigt, worauf auch die Kommission in ihrer Rechtsmittelbeantwortung hingewiesen hat. Da diese Rügen nicht geeignet sind, zu einer Aufhebung des Urteils zu führen, gehen sie ins Leere.

239. Zur fehlenden Prüfung des von den Rechtsmittelführerinnen gegenüber dem CHMP geäußerten Vorschlags einer Intervalltherapie als milderes Mittel meine ich, dass man, wenn man annimmt, dass das Gericht die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bereits zutreffend mit den Feststellungen in den Rn. 203 bis 206 des angefochtenen Urteils beurteilt hat, gemäß der mehrfach in den vorliegenden Schlussanträgen angeführten Rechtsprechung zu dem Schluss gelangen muss, dass das Gericht seiner Begründungspflicht nachgekommen ist, da diese Begründung implizit sein kann, sofern sie es den Rechtsmittelführerinnen ermöglicht, die Gründe zu erkennen, auf die sich das Gericht stützt, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben liefert, damit er seine Kontrolle ausüben kann. Diese Rüge ist somit zurückzuweisen.

240. Im Ergebnis bin ich der Meinung, dass der erste Teil des dritten Rechtsmittelgrundes wegen eines Mangels der vom Gericht gegebenen Begründung durchgreift.

2.      Zum zweiten Teil: Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz

a)      Zusammenfassung des Parteivorbringens

241. Die Rechtsmittelführerinnen sind der Ansicht, das Gericht habe in der Zusammenfassung ihrer Argumentation ihre Rüge übergangen, dass ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz darin begründet liege, dass Linoladiol N durch die beanstandete Maßnahme des Ausschlusses der Anwendungswiederholung mit Arzneimitteln gleichgesetzt werde, bei denen erwiesenermaßen das Risiko ernsthafter oder sogar lebensbedrohlicher Gesundheitsrisiken bestehe.

242. Darüber hinaus liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung auch deshalb vor, weil das Gericht zwei andere estradiolhaltige Arzneimittel zur Behandlung einer vaginalen Atrophie, nämlich Estring 2 mg und Vagifem 25 mg, nicht in seine Risikobeurteilung einbezogen habe.

243. Die Rechtsmittelführerinnen bringen auch erneut das Argument vor, wonach der Estradiolgehalt von Linoladiol N nicht nur mit niedriger dosierten Arzneimitteln zur topischen Anwendung, sondern auch mit Arzneimitteln für die Hormonersatztherapie ins Verhältnis gesetzt werden müsse. Bei dieser vom CHMP unterlassenen Betrachtung werde deutlich, dass Linoladiol N im Hinblick auf den Estradiol-Blutspiegel mit den Erstgenannten gleichzusetzen sei und nicht mit denen für die Hormonersatzbehandlung.

244. Schließlich habe der CHMP, wie vom Gericht in Rn. 151 des angefochtenen Urteils selbst angeführt, gerade das Erreichen von Estradiol‑Blutspiegeln über den postmenopausalen Basiswerten für die Annahme eines erhöhten Risikos bei Linoladiol N als entscheidend bewertet, weshalb die Feststellung in Rn. 213 nicht nachvollziehbar sei, die Rechtsmittelführerinnen hätten im Hinblick auf das relevante Kriterium die Vergleichbarkeit von Linoladiol N mit anderen Arzneimitteln zur topischen Anwendung nicht dargetan.

245. Die Kommission tritt dem Argument der Rechtsmittelführerinnen entgegen, die Zurückweisung des Beweisvorbringens in Rn. 212 des angefochtenen Urteils (Anstieg des Estradiol-Blutspiegels über die postmenopausalen Basiswerte), die das Gericht zu der Schlussfolgerung in Rn. 213 des angefochtenen Urteils geführt habe, stehe in Widerspruch zu Rn. 151 dieses Urteils. Diese Rn. 151 fasse lediglich die Feststellungen im endgültigen Gutachten des CHMP zusammen, während Rn. 212 des angefochtenen Urteils sich auf die von diesem gezogenen Schlussfolgerungen beziehe. Jedenfalls liefe, da die Frage, ob und inwieweit Linoladiol N mit anderen estradiolhaltigen Arzneimitteln vergleichbar sei, im endgültigen Gutachten des CHMP beantwortet worden sei, das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen darauf hinaus, eine Tatsachenfeststellung des Gerichts anzugreifen, und sei daher unzulässig.

b)      Beurteilung

246. Was die angebliche Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht in den Rn. 211 bis 213 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass sich die Arzneimittel zur topischen Anwendung, die in den wissenschaftlichen Studien zum Vergleich gedient hätten, in einer anderen Situation befänden als Linoladiol N, weil dieses zu einer Konzentration von Estradiol im Körper führte, die verglichen mit anderen vom CHMP berücksichtigten Arzneimitteln höher sei. Diese Unterschiedlichkeit der Situation, die die Rechtsmittelführerinnen nicht hätten widerlegen können, rechtfertige eine unterschiedliche Behandlung.

247. Nach ständiger Rechtsprechung verlangt der Grundsatz der Gleichbehandlung, dass gleiche Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist(47).

248. Mit der ersten Rüge machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass der CHMP, indem er den Ausschluss einer Anwendungswiederholung als mit der Erneuerung der Zulassung für Linoladiol N verknüpfte Bedingung vorschreibe, zwei unterschiedliche Situationen gleich behandelt habe. Die Situation von Linoladiol N unterscheide sich nämlich von der von Arzneimitteln, deren Anwendung derselben Bedingung unterliege, d. h. Arzneimittel mit einem besonders schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Gesundheitsrisiko. Die zweite Rüge betrifft den Umstand, dass der CHMP dadurch, dass er zwei andere, niedrig dosierte Arzneimittel zur topischen Anwendung (Estring 2 mg und Vagifem 25 mg) nicht in den Vergleich mit Linoladiol N einbezogen habe, zwei vergleichbare Situationen unterschiedlich behandelt habe. Beide Argumente habe das Gericht im ersten Rechtszug nicht berücksichtigt.

249. Bei der Prüfung dieser Rügen würde der Gerichtshof die Frage zu beantworten haben, ob und inwieweit Linoladiol N mit anderen estradiolhaltigen Arzneimitteln, die der CHMP nicht im Rahmen des Risikoverfahrens berücksichtigt hat, vergleichbar ist. Insoweit bin ich mit der Kommission in ihrer Rechtsmittelbeantwortung der Ansicht, dass diese Feststellungen wissenschaftlicher Art in den weiten Spielraum fallen, über den die Kommission bei komplexen Beurteilungen verfügt, und es sich dabei folglich um Tatsachenfeststellungen handelt, die in der Regel nicht Gegenstand der Prüfung des Gerichtshofs im Rechtsmittelverfahren sein können. Die beiden Rügen sind daher meines Erachtens unzulässig.

250. Dieselben Erwägungen gelten meiner Ansicht nach für die Rüge der Rechtsmittelführerinnen, wonach Linoladiol N im Hinblick auf den Estradiol‑Blutspiegel mit den Arzneimitteln für die Hormonersatzbehandlung ins Verhältnis zu setzen sei.

251. Die letzte Rüge stellt die Schlussfolgerung in Rn. 213 des angefochtenen Urteils in Frage, wonach die Rechtsmittelführerinnen nicht nachgewiesen hätten, dass die anderen Arzneimittel zur topischen Anwendung, die im Rahmen des Risikoverfahrens mit Linoladiol N verglichen worden seien, im Hinblick auf das Merkmal, das zur Maßnahme der Anwendungsbeschränkung bei Linoladiol N geführt habe, die gleiche Position einnähmen wie Linoladiol N. Diese Schlussfolgerung stehe nämlich in Widerspruch zu der Tatsache, dass, wie das Gericht selbst anführe, der CHMP der Auffassung gewesen sei, dass das Erreichen von Estradiol-Blutspiegeln über den postmenopausalen Basiswerten das Merkmal gewesen sei, das zur Maßnahme der Anwendungsbeschränkung bei Linoladiol N geführt habe.

252. Der Grund für diesen Widerspruch wird von den Rechtsmittelführerinnen nicht näher ausgeführt. Allerdings scheint mir, dass sie Bezug nehmen auf eine der Rügen im zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes, in dem sie geltend machen, der CHMP habe niedrigere Schwellenwerte in Bezug auf die postmenopausalen Basiswerte angenommen als die in der wissenschaftlichen Literatur angegebenen. Ohne diesen Fehler hätte der Estradiol-Blutspiegel nach Anwendung von Linoladiol N diese Werte nach Ansicht der Rechtsmittelführerinnen nicht überschritten, und die Situation wäre dieselbe gewesen wie die bei den Arzneimitteln zur topischen Anwendung.

253. Diese Rüge ist zwar zulässig, weil mit ihr die Beurteilung des Gerichts in Bezug auf den verständlichen Zusammenhang zwischen den medizinischen oder wissenschaftlichen Feststellungen und den Schlussfolgerungen des CHMP angegriffen wird, sie ist aber meines Erachtens nicht begründet, weil die Rechtsmittelführerinnen, wie sich aus meinen Ausführungen in den Nrn. 173 bis 179 der vorliegenden Schlussanträge ergibt, nicht rechtlich hinreichend dargetan haben, dass der postmenopausale Basiswert einen so wesentlichen Gesichtspunkt darstellt, dass ein auf ihn bezogener Fehler diesen verständlichen Zusammenhang entfallen ließe. Die hier untersuchte Rüge greift daher nicht durch.

254. In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist der zweite Teil des dritten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

3.      Schlussfolgerung für den dritten Rechtsmittelgrund

255. Nach alledem schlage ich vor, dem ersten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes stattzugeben und den zweiten Teil zurückzuweisen.

VI.    Zur Klage vor dem Gericht

256. Nach Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann dieser, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er das Urteil des Gerichts aufhebt, den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn er zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen.

257. Im vorliegenden Fall meine ich, dass der Gerichtshof in der Lage ist, über den ersten und den dritten Teil des ersten von den Rechtsmittelführerinnen vor dem Gericht geltend gemachten Klagegrundes zu entscheiden.

258. Was den ersten Teil betrifft, so liegt ein Verstoß gegen Art. 31 Abs. 1 des Humanarzneimittelkodexes vor, wie aus den Ausführungen in den Nrn. 49 bis 65 der vorliegenden Schlussanträge hervorgeht, soweit die Kommission die Befassung des CHMP durch das BfArM gebilligt hat, obwohl sie nach dem Erlass der ursprünglichen Verwaltungsentscheidung der letztgenannten Behörde erfolgte.

259. Unter diesen Umständen ist dem ersten Teil des ersten Klagegrundes stattzugeben.

260. Was den dritten Teil betrifft, so wurde, wie aus den Nrn. 78 bis 100 der vorliegenden Schlussanträge hervorgeht, durch die Ernennung von Frau Weise zur Hauptberichterstatterin des CHMP im Verfahren über den Antrag auf Erneuerung der Zulassung für Linoladiol N der in Art. 41 der Charta verankerte Grundsatz der Unparteilichkeit verletzt.

261. Unter diesen Umständen ist auch dem dritten Teil des ersten Klagegrundes stattzugeben.

262. Der Durchführungsbeschluss ist daher meines Erachtens für nichtig zu erklären.

263. Für den Fall, dass der Gerichtshof der Auffassung sein sollte, dass die beiden vorstehend erwähnten Teile zurückzuweisen sind, stelle ich rein vorsorglich fest, dass das Gericht den ersten Teil des dritten Klagegrundes nur unvollständig geprüft hat.

264. Da der Rechtsstreit in Bezug auf diesen Teil nicht zur Entscheidung reif ist, würde ich vorschlagen, die vorliegende Rechtssache dann an das Gericht zurückzuverweisen, damit dieses die Tatsachenwürdigungen vornimmt, die notwendig sind, um über die Frage zu entscheiden, ob die im endgültigen Gutachten des CHMP vorgeschriebene Änderung der Zulassung für Linoladiol N, soweit sie einen Ausschluss der wiederholten Anwendung dieses Arzneimittels umfasste, einem teilweisen Widerruf der Zulassung für Linoladiol N gleichkam, so dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als verletzt anzusehen wäre.

265. Unter diesen Umständen wären auch die Kosten vorzubehalten.

VII. Kosten

266. Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet.

267. Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der gemäß deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Rechtsmittelführerinnen einen entsprechenden Antrag gestellt haben, ist die Kommission dazu zu verurteilen, die Kosten des Verfahrens vor dem Gericht und die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen.

VIII. Ergebnis

268. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt zu entscheiden:

1.      Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 20. Oktober 2016, August Wolff und Remedia/Kommission (T‑672/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:623), wird aufgehoben.

2.      Der Durchführungsbeschluss C(2014) 6030 final der Kommission vom 19. August 2014 über die Zulassungen für Humanarzneimittel zur topischen Anwendung mit hohen Estradiol-Konzentrationen gemäß Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates wird für nichtig erklärt.

3.      Die Europäische Kommission trägt die Kosten beider Rechtszüge.


1      Originalsprache: Französisch.


2      ABl. 2001, L 311, S. 67.


3      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. 2004, L 136, S. 1).


4      Der von den Rechtsmittelführerinnen angeführte Umstand, wonach in den Sachverhalten, zu denen in der Vergangenheit die Urteile des Gerichts vom 7. März 2013, Acino/Kommission (T‑539/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:110), und vom 11. Dezember 2014, PP Nature‑Balance Lizenz/Kommission (T‑189/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1056), ergangen seien, der CHMP jeweils nach Art. 31 Abs. 1 des Humanarzneimittelkodexes auf der Grundlage neuer Pharmakovigilanzdaten befasst worden sei, reicht für sich genommen sicher nicht aus, diese Auslegung auszuschließen.


5      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. 2004, L 136, S. 34).


6      Ich stelle übrigens fest, dass sich das Wort „Entscheidung“ in Kapitel IV des Humanarzneimittelkodexes ausnahmslos auf die Entscheidungen der zuständigen nationalen Behörden zu den zu diesem Zweck vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen bezieht.


7      Rn. 33 der Rechtsmittelsschrift.


8      Art. 41 der Charta bestimmt: „Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Angelegenheiten von den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unparteiisch, gerecht und innerhalb einer angemessenen Frist behandelt werden“. Vgl. auch den vom Europäischen Bürgerbeauftragten herausgegebenen Europäischen Kodex für gute Verwaltungspraxis (https://www.ombudsman.europa.eu/fr/resources/code.faces#/page/1), insbesondere Art. 8 („Der Beamte handelt unparteiisch und unabhängig. Der Beamte enthält sich jeder willkürlichen Handlung, die sich nachteilig auf Einzelpersonen auswirkt, sowie jeder Form der Vorzugsbehandlung, mit welchen Gründen auch immer sie motiviert sein mag“) und Art. 11 („Der Beamte soll unparteiisch, fair und vernünftig handeln“).


9      Vor Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon konnte nämlich das Recht auf ein faires Verfahren, wie es sich insbesondere aus Art. 6 Abs. 1 EMRK ergibt, aufgrund seiner Natur als Grundrecht, das die Europäische Union als allgemeinen Grundsatz gemäß Art. 6 Abs. 2 EUV beachtete, zum Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof werden. Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2008, Chronopost und La Poste/UFEX u. a. (C‑341/06 P und C‑342/06 P, EU:C:2008:375, Rn. 44).


10      Vgl. Urteile vom 1. Juli 2008, Chronopost und La Poste/UFEX u. a. (C‑341/06 P et C‑342/06 P, EU:C:2008:375, Rn. 54), und vom 19. Februar 2009, Gorostiaga Atxalandabaso/Parlament (C‑308/07 P, EU:C:2009:103, Rn. 46), die Bezug nehmen auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in den Urteilen vom 24. Februar 1993, Fey/Österreich, Serie A Nr.° 255-A, S. 12, § 28, vom 25. Februar 1997, Findlay/Vereinigtes Königreich, Recueil des arrêts et décisions 1997‑I, S. 281, § 73, und vom 4. Oktober 2007, Forum Maritime SA/Rumänien, Nrn. 63610/00 und 38692/05, noch nicht im Recueil des arrêts et décisions veröffentlicht.


11      Vgl. die in den Schlussanträgen des Generalanwalts Bot in der Rechtssache Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland/Kommission (C‑385/07 P, EU:C:2009:210, Rn. 326) angeführte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.


12      EGMR, Urteil vom 24. Mai 1989, Hauschildt/Dänemark, Serie A Nr. 154, § 48. Vgl. auch EGMR, Urteil vom 18. Oktober 2000, Morel/Frankreich, § 42. Dieses Kriterium scheint mir ganz allgemein schwerer zu erfüllen als das von den Rechtsmittelführerinnen geltend gemachte Kriterium einer „nachvollziehbaren Besorgnis, dass ein Sachverhalt nicht neutral und objektiv überprüft wird“.


13      Vgl. z. B. EGMR, Urteile Hirschhorn/Rumänien vom 26. Oktober 2007, § 73, und Cardona Serrat/Spanien vom 26. Oktober 2010, § 31.


14      Rn. 50 des Urteils.


15      In jenem Fall war unstreitig, dass drei der 14 Bediensteten, die vor dem Erlass der Entscheidung über die Eröffnung der Untersuchung an den Besuchen von Eurostat in Spanien teilnahmen, auch zu dem Team von vier Personen gehörten, das später von der Kommission im Rahmen des Untersuchungsverfahrens eingesetzt wurde.


16      Urteil vom 20. Dezember 2017, Spanien/Rat (C‑521/15, EU:C:2017:982, Rn. 96 bis 98).


17      Urteil vom 20. Dezember 2017, Spanien/Rat (C‑521/15, EU:C:2017:982, Rn. 99 und 100).


18      Es handelt sich um die Verordnung (EU) Nr. 1173/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die wirksame Durchsetzung der haushaltspolitischen Überwachung im Euro-Währungsgebiet (ABl. 2011, L 306, S. 1).


19      Urteil vom 20. Dezember 2017, Spanien/Rat (C‑521/15, EU:C:2017:982, Rn. 102 und 103).


20      Nicht erheblich ist meines Erachtens, ob die andere rechtliche Einheit, bei der das fragliche Mitglied einen Sitz hat, ein anderes Organ oder eine andere Einrichtung oder sonstige Stelle der Union, ein anderer Ausschuss derselben Stelle der Union oder, wie im vorliegenden Fall, die zuständige nationale Behörde ist.


21      Urteil vom 20. Dezember 2017, Spanien/Rat (C‑521/15, EU:C:2017:982, Rn. 104).


22      Soweit die in Rede stehenden Verfahren das gleiche Ziel haben, ändert es meines Erachtens an dieser Schlussfolgerung nichts, wenn das nationale Recht, wie im Fall des BfArM, oder das Unionsrecht, wie beim CHMP, den rechtlichen Rahmen dieser Verfahren bilden.


23      Im Licht meiner Auslegung dieses dritten Kriteriums, wie ich sie in Nr. 93 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt habe, ist es für die Feststellung der objektiven Unparteilichkeit nicht erforderlich, den Nachweis zu erbringen, dass das Verfahren vor dem CHMP einen anderen Ausgang genommen hätte, wenn Frau Weise nicht dazu berufen worden wäre, als Hauptberichterstatterin am Verfahren teilzunehmen. Es genügt vielmehr, dass ein solcher anderer Ausgang, eben wegen des erheblichen Einflusses von Frau Weise auf den Verfahrensablauf, nicht ausgeschlossen werden kann, wie die Rechtsmittelführerinnen im Übrigen geltend gemacht haben.


24      Rn. 111 und 112 des angefochtenen Urteils.


25      Diese Rügen tragen die Überschriften „Keine Anhörung zur Abänderung der nach der zweiten mündlichen Anhörung am 18.11.2013 getroffenen Entscheidung des CHMP zur Anpassung der Informationstexte an die in Kroatien verwendete Version“ bzw. „Unangemessen kurze Stellungnahmefrist zu der fünften Fragenliste und Verweigerung einer dritten mündlichen Anhörung der Klägerin zu 1) durch den CHMP“.


26      Vgl. u. a. Urteile vom 22. Oktober 2014, British Telecommunications/Kommission (C‑620/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2309, Rn. 56), vom 10. Dezember 2015, Kyocera Mita Europe/Kommission (C‑553/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:805, Rn. 78), vom 8. März 2016, Griechenland/Kommission (C‑431/14 P, EU:C:2016:145, Rn. 38), und vom 28. Juni 2017, Novartis Europharm/Kommission (C‑629/15 P und C‑630/15 P, EU:C:2017:498, Rn. 86).


27      Die Vorwürfe der Rechtsmittelführerinnen beziehen sich darauf, dass der CHMP sie nicht zur Änderung von dessen nach der Anhörung vom 18. November 2013 erlassenen Entscheidung, die Informationstexte an die in Kroatien verwendete Version anzupassen, gehört habe. Vgl. Fn. 25 der vorliegenden Schlussanträge.


28      Vgl. Nr. 107 der vorliegenden Schlussanträge.


29      Vgl. Urteil vom 14. September 2017, LG Electronics und Koninklijke Philips Electronics/Kommission (C‑588/15 P und C‑622/15 P, EU:C:2017:679 und die dort angeführte Rechtsprechung).


30      Vgl. u. a. Urteile vom 26. Oktober 2017, Global Steel Wire u. a./Kommission (C‑454/16 P bis C‑456/16 P und C‑458/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:818, Rn. 66), und vom 12. Dezember 2012, 1. garantovaná/Kommission (T‑392/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:674, Rn. 74).


31      Im Übrigen ist unstreitig, dass den Rechtsmittelführerinnen tatsächlich Gelegenheit gegeben worden ist, sich zu dieser wissenschaftlichen Feststellung, insbesondere in den „Wissenschaftlichen Schlussfolgerungen“ und dem vorläufigen Gutachten des CHMP, im Laufe des Verfahrens zu äußern.


32      Der Entscheidungscharakter der fraglichen Bedingung ist meines Erachtens von den Rechtsmittelführerinnen in der Rechtsmittelschrift eingeräumt worden, indem sie dort geltend machen, dass der in dieser Bedingung vorgesehene Ausschluss einer wiederholten Anwendung von Linoladiol N einem teilweisen Widerruf der Zulassung selbst gleichkomme und gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoße. Die Auswirkungen, die sie dieser Bedingung damit zuerkennen, sind typischerweise die eines Bestandteils eines Rechtsakts mit normativer Tragweite oder Entscheidungscharakter.


33      Rn. 45 der Rechtsmittelschrift.


34      Rn. 140 des angefochtenen Urteils, in dem das Urteil vom 11. Dezember 2014, PP Nature-Balance Lizenz/Kommission (T‑189/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1056, Rn. 37), zitiert wird.


35      Urteil vom 16. Juni 2016, SKW Stahl-Metallurgie und SKW Stahl-Metallurgie Holding/Kommission (C‑154/14 P, EU:C:2016:445, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).


36      Urteil vom 11. Dezember 2014, PP Nature-Balance Lizenz/Kommission (T‑189/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1056, Rn. 43).


37      Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten (ABl. 1997, L 43, S. 1).


38      Urteile vom 26. November 2002, Artegodan u. a./Kommission (T‑74/00, T‑76/00, T‑83/00 bis T‑85/00, T‑132/00, T‑137/00 und T‑141/00, EU:T:2002:283, Rn. 200), vom 7. März 2013, Acino/Kommission (T‑539/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:110, Rn. 93), und vom 11. Dezember 2014, PP Nature-Balance Lizenz/Kommission (T‑189/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1056, Rn. 52).


39      Für den wissenschaftlichen Bereich vgl. Urteil vom 21. Januar 1999, Upjohn (C‑120/97, EU:C:1999:14, Rn. 34).


40      Wie aus den Akten hervorgeht, ergibt sich die Bedeutung der Feststellung der normalen postmenopausalen Basiswerte daraus, dass es, wenn man den Plasma‑Estradiolspiegel nach Anwendung oder Aufnahme des Wirkstoffs im Blut betrachtet, darauf ankommt, ihn zu diesen Werten ins Verhältnis zu setzen.


41      Vgl. Fn. 40 der vorliegenden Schlussanträge.


42      In dieser Randnummer heißt es: „… schließlich ist insoweit auch zu beachten, dass es sich bei Linoladiol N um ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel handelt und insbesondere die langfristige Anwendung von Linoladiol N durch die Patientin permanent von dem verschreibenden Gynäkologen überwacht wird. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass die verschreibenden Gynäkologen die hypothetisch unterstellten schwerwiegenden Risiken bei der Anwendung von Linoladiol N zumindest in einem Fall in 45 Jahren Marktpräsenz an die zuständigen Stellen auch berichtet hätten, wenn sie sich tatsächlich verwirklicht hätten.“


43      Vgl. Nrn. 116 und 183 der vorliegenden Schlussanträge.


44      Vgl. Urteile vom 3. Dezember 2015, PP Nature-Balance Lizenz/Kommission (C‑82/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:796, Rn. 27) und vom 10. April 2014, Acino/Kommission (C‑269/13 P, EU:C:2014:255, Rn. 34).


45      Urteil vom 21. Juli 2011, Etimine (C‑15/10, EU:C:2011:504, Rn. 124 und die dort angeführte Rechtsprechung).


46      Jedenfalls kann ich nicht umhin, die vom Gericht in Rn. 207 des angefochtenen Urteils aufgestellte Behauptung in Zweifel zu ziehen, wonach die Anordnung der Durchführung zusätzlicher Studien nicht zu den Maßnahmen gehöre, die speziell im Rahmen des Verfahrens nach Art. 31 des Humanarzneimittelkodexes getroffen werden könnten. Wie die Rechtsmittelführerinnen in ihrer Rechtsmittelschrift bemerken, kann nämlich nach Art. 32 Abs. 4 Buchst. c des Humanarzneimittelkodexes die EMA eine Genehmigung auch nur unter bestimmten Bedingungen erteilen, die als „wesentlich für die sichere und wirksame Verwendung des Arzneimittels“ angesehen werden. Diese Formulierung ist meines Erachtens weit genug, um auch eine Anordnung, zusätzliche Studien zur Unbedenklichkeit des betreffenden Arzneimittels durchzuführen, umfassen zu können. Diese Auslegung wird zudem durch Art. 21a Abs. 1 Buchst. b des Humanarzneimittelkodexes bestätigt, der als eine der Bedingungen, unter denen eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt werden kann, ausdrücklich die „Durchführung von Unbedenklichkeitsstudien nach der Genehmigung“ vorsieht.


47      Vgl. u. v. a. Urteil vom 7. Juli 2009, S.P.C.M. u. a. (C‑558/07, EU:C:2009:430, Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Europäischer Gerichtshof Schlussantrag des Generalanwalts, 04. Okt. 2018 - C-680/16 P

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Europäischer Gerichtshof Schlussantrag des Generalanwalts, 04. Okt. 2018 - C-680/16 P

Referenzen - Gesetze

Europäischer Gerichtshof Schlussantrag des Generalanwalts, 04. Okt. 2018 - C-680/16 P zitiert 2 §§.