Europäischer Gerichtshof Urteil, 23. Jan. 2019 - C-419/17

ECLI:ECLI:EU:C:2019:52
bei uns veröffentlicht am23.01.2019

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

23. Januar 2019(*)

„Rechtsmittel – Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH-Verordnung) – Anhang XIV – Festlegung einer Liste der zulassungspflichtigen Stoffe – Aufnahme in die Liste der für die Aufnahme in Anhang XIV in Frage kommenden Stoffe – Aktualisierung des Eintrags von Bis(2-ethylhexyl)phthalat (DEHP) in der Liste – Fehler bei der Auslegung und Anwendung der REACH-Verordnung und des Grundsatzes der Rechtssicherheit – Verfälschung von Tatsachen und Beweisen – Umfang der Kontrolle“

In der Rechtssache C‑419/17 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 11. Juli 2017,

Deza, a.s. mit Sitz in Valašské Meziříčí (Tschechische Republik), Prozessbevollmächtigter: P. Dejl, advokát,

Rechtsmittelführerin,

andere Parteien des Verfahrens:

Europäische Chemikalienagentur(ECHA), vertreten durch W. Broere, N. Herbatschek und M. Heikkilä im Beistand von M. Procházka und M. Mašková, advokáti,

Beklagte im ersten Rechtszug,

Königreich Dänemark, vertreten durch J. Nymann-Lindegren und M. Wolff als Bevollmächtigte,

Königreich der Niederlande,

Königreich Schweden, vertreten durch A. Falk, C. Meyer-Seitz, H. Shev und L. Zettergren als Bevollmächtigte,

Königreich Norwegen,

Streithelfer im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Vizepräsidentin des Gerichtshofs R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer sowie der Richter J.‑C. Bonichot, A. Arabadjiev, E. Regan und S. Rodin (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. Juni 2018

folgendes

Urteil

1        Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Deza a.s. die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 11. Mai 2017, Deza/ECHA (T‑115/15, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2017:329), mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung ED/108/2014 des Direktors der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) vom 12. Dezember 2014 abgewiesen hat, mit der der bestehende Eintrag des chemischen Stoffes Bis(2-ethylhexyl)phthalat (EG-Nr. 204-211-0, CAS-Nr. 117-81-7) (im Folgenden: DEHP) in die Liste der Stoffe aktualisiert und ergänzt wurde (im Folgenden: streitige Entscheidung), die für eine Aufnahme in Anhang XIV der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. 2006, L 396, S. 1, und Berichtigung ABl. 2007, L 136, S. 3) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 895/2014 der Kommission vom 14. August 2014 (ABl. 2014, L 244, S. 6) geänderten Fassung (im Folgenden: REACH-Verordnung) in Frage kommen.

 Rechtlicher Rahmen

2        Art. 57 („In Anhang XIV aufzunehmende Stoffe“) der REACH-Verordnung bestimmt:

„Folgende Stoffe können nach dem Verfahren des Artikels 58 in Anhang XIV aufgenommen werden:

a)      Stoffe, die die Kriterien für die Einstufung in die Gefahrenklasse Karzinogenität der Kategorie 1A oder 1B gemäß Anhang I Abschnitt 3.6 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 erfüllen;

b)      Stoffe, die die Kriterien für die Einstufung in die Gefahrenklasse Keimzellmutagenität der Kategorie 1A oder 1B gemäß Anhang I Abschnitt 3.5 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 erfüllen;

c)      Stoffe, die wegen Beeinträchtigung der Sexualfunktion und Fruchtbarkeit sowie der Entwicklung die Kriterien für die Einstufung in die Gefahrenklasse Reproduktionstoxizität der Kategorie 1A oder 1B gemäß Anhang I Abschnitt 3.7 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 erfüllen;

d)      Stoffe, die nach den Kriterien des Anhangs XIII der vorliegenden Verordnung persistent, bioakkumulierbar und toxisch sind;

e)      Stoffe, die nach den Kriterien des Anhangs XIII der vorliegenden Verordnung sehr persistent und sehr bioakkumulierbar sind;

f)      Stoffe – wie etwa solche mit endokrinen Eigenschaften oder solche mit persistenten, bioakkumulierbaren und toxischen Eigenschaften oder sehr persistenten und sehr bioakkumulierbaren Eigenschaften, die die Kriterien der Buchstaben d oder e nicht erfüllen – die nach wissenschaftlichen Erkenntnissen wahrscheinlich schwerwiegende Wirkungen auf die menschliche Gesundheit oder auf die Umwelt haben, die ebenso besorgniserregend sind wie diejenigen anderer in den Buchstaben a bis e aufgeführter Stoffe, und die im Einzelfall gemäß dem Verfahren des Artikels 59 ermittelt werden.“

3        Art. 59 („Ermittlung von in Artikel 57 genannten Stoffen“) der REACH-Verordnung bestimmt:

„(1) Das Verfahren der Absätze 2 bis 10 des vorliegenden Artikels gilt für die Ermittlung von Stoffen, die die Kriterien des Artikels 57 erfüllen, und für die Festlegung einer Liste der für eine Aufnahme in Anhang XIV in Frage kommenden Stoffe. …

(3)      Jeder Mitgliedstaat kann ein Dossier nach Anhang XV für Stoffe ausarbeiten, die seiner Auffassung nach die Kriterien des Artikels 57 erfüllen, und dieses der [ECHA] übermitteln. …

(7)      Gehen Bemerkungen ein bzw. gibt die [ECHA] selbst Bemerkungen ab, so überweist sie das Dossier innerhalb von 15 Tagen nach Ablauf der 60-Tage-Frist nach Absatz 5 an den Ausschuss der Mitgliedstaaten.

(8)      Erzielt der Ausschuss der Mitgliedstaaten innerhalb von 30 Tagen nach der Überweisung einstimmig eine Einigung über die Ermittlung, so nimmt die [ECHA] den Stoff in die in Absatz 1 genannte Liste auf. Die [ECHA] kann diesen Stoff in ihre Empfehlungen nach Artikel 58 Absatz 3 aufnehmen.

(9)      Gelangt der Ausschuss der Mitgliedstaaten zu keiner einstimmigen Einigung, so arbeitet die Kommission innerhalb von drei Monaten nach Eingang der Stellungnahme des Ausschusses der Mitgliedstaaten einen Entwurf für einen Vorschlag zur Ermittlung des Stoffes aus. Eine endgültige Entscheidung über die Ermittlung des Stoffes wird nach dem in Artikel 133 Absatz 3 genannten Verfahren erlassen.

(10)      Die [ECHA] veröffentlicht und aktualisiert die Liste nach Absatz 1 unverzüglich auf ihrer Website, nachdem über die Aufnahme eines Stoffes entschieden wurde.“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitige Entscheidung

4        Die Klägerin, Deza, eine Aktiengesellschaft tschechischen Rechts, ist im Chemiesektor tätig. Sie erzeugt, vertreibt und verwendet u. a. DEHP.

5        Mit Entscheidung vom 28. Oktober 2008 nahm der Direktor der ECHA das DEPH in die Kandidatenliste, d. h. die Liste für die Aufnahme in Anhang XIV der REACH-Verordnung in Frage kommenden Stoffe, auf.

6        Infolge des Erlasses der Verordnung (EU) Nr. 143/2011 der Kommission vom 17. Februar 2011 (ABl. 2011, L 44, S. 2) wurde das DEHP in Anhang XIV der REACH-Verordnung aufgenommen.

7        Am 12. August 2013 reichte die Rechtsmittelführerin einen Antrag auf Zulassung für die Verwendung des DEHP ein und fügte diesem eine Reihe von Studien und detaillierten Unterlagen bei, zu denen ein Stoffsicherheitsbericht, eine Bewertung von Alternativen und eine sozioökonomische Analyse gehörten.

8        Am 26. August 2014 legte das Königreich Dänemark vier Dossiers nach Anhang XV dieser Verordnung vor und schlug zum einen vor, das DEHP und drei andere chemische Stoffe, nämlich Dibutylphthalat (DBP), Benzylbutylphtalat (BBP) und Diisobutylphthalat (DIBP), ebenfalls als endokrinschädigende Stoffe, die nach wissenschaftlichen Erkenntnissen wahrscheinlich schwerwiegende Wirkungen auf die menschliche Gesundheit oder auf die Umwelt haben, einzustufen, und zum anderen die Kandidatenliste insoweit zu ergänzen.

9        Der ursprüngliche Vorschlag des Königreichs Dänemark wurde den interessierten Kreisen zur Beratung vorgelegt. Mehrere Mitgliedstaaten und einige nicht staatliche Subjekte, zu denen die Rechtsmittelführerin gehört, gaben Erklärungen ab.

10      Bei der Prüfung dieser Dossiers zeigte sich, dass der ursprüngliche Vorschlag des Königreichs Dänemark aufgrund des Widerstands mehrerer Vertreter der Mitgliedstaaten nicht einstimmig angenommen werden würde. Nur die Einstufung des DEHP als endokrinschädigender Stoff, der wahrscheinlich schwerwiegende Wirkungen auf die Umwelt hat, stieß bei den Mitgliedern des Ausschusses der Mitgliedstaaten auf keinen Widerspruch.

11      Angesichts dieses Ergebnisses teilte das Königreich Dänemark seinen ursprünglichen Vorschlag in acht Teile auf, und zwar:

–        in vier Teile, nach denen die vier chemischen Stoffe DBP, BBP, DIBP und DEHP als endokrinschädigende Stoffe, die wahrscheinlich schwerwiegende Wirkungen auf die menschliche Gesundheit im Sinne von Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung haben, eingestuft und der bestehende Eintrag für diese vier Stoffe in der Kandidatenliste durch diese neue Einstufung ergänzt werden sollte;

–        in vier Teile, nach denen diese vier chemischen Stoffe als endokrinschädigende Stoffe, die wahrscheinlich schwerwiegende Wirkungen auf die Umwelt im Sinne von Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung haben, eingestuft und der bestehende Eintrag für diese vier Stoffe in der Kandidatenliste durch diese neue Einstufung ergänzt werden sollte.

12      Der Ausschuss der Mitgliedstaaten gelangte zu keiner einstimmigen Einigung über die Teile des ursprünglichen Vorschlags des Königreichs Dänemark, nach denen die Stoffe DEHP, DBP, BBP und DIBP als endokrinschädigende Stoffe eingestuft werden sollten, die nach wissenschaftlichen Erkenntnissen wahrscheinlich schwerwiegende Wirkungen auf die menschliche Gesundheit haben.

13      Dagegen nahm dieser Ausschuss den Teil des Vorschlags an, mit dem das DEHP als endokrinschädigender Stoff, der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen wahrscheinlich schwerwiegende Wirkungen auf die Umwelt hat, eingestuft werden sollte.

14      Am 12. Dezember 2014 erließ der Direktor der ECHA die streitige Entscheidung, mit der der bestehende Eintrag für den Stoff DEHP in der Kandidatenliste aktualisiert und ergänzt und dieser Stoff als Stoff mit endokrinen Eigenschaften, der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen wahrscheinlich schwerwiegende Wirkungen auf die Umwelt hat, die ebenso besorgniserregend sind wie diejenigen anderer in der REACH-Verordnung aufgeführter Stoffe, eingestuft wurde.

 Klage vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

15      Mit Klageschrift, die am 5. März 2015 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob Deza Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung.

16      Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht diese Klage abgewiesen.

 Anträge der Parteien

17      Die Rechtsmittelführerin beantragt,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben;

–        die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        der ECHA die Kosten des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens und des Verfahrens vor dem Gericht aufzuerlegen.

18      Die ECHA beantragt,

–        das Rechtsmittel als unbegründet zurückzuweisen;

–        der Rechtsmittelführerin die Kosten des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens sowie des Verfahrens vor dem Gericht einschließlich der Kosten für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes aufzuerlegen.

19      Das Königreich Dänemark und das Königreich Schweden unterstützen die Anträge der ECHA.

 Zum Rechtsmittel

 Zum ersten Rechtsmittelgrund: Rechtsfehler des Gerichts bei der Auslegung und Anwendung der REACH-Verordnung

20      Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund, der sich in drei Teile gliedert, macht Deza geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es in den Rn. 48 bis 82 sowie 85 bis 98 und 105 bis 132 des angefochtenen Urteils befunden habe, die ECHA sei befugt, die streitige Entscheidung zu erlassen, und diese Entscheidung sei am Ende eines ordnungsgemäßen Verfahrens ergangen.

 Zum ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes: Das Gericht habe der ECHA fälschlich eine implizite Befugnis zuerkannt, eine bestehende Einstufung von DEHP zu ergänzen

–       Vorbringen der Parteien

21      Die Rechtsmittelführerin macht geltend, die ECHA verfüge weder über eine ausdrückliche noch über eine implizite Befugnis, eine bestehende Einstufung des DEHP zu ergänzen. Hervorzuheben sei, dass das Gericht anerkannt habe, dass weder das allgemeine Recht der Union noch die REACH-Verordnung, und insbesondere deren Art. 59 Abs. 8, der Agentur eine solche Befugnis ausdrücklich zuwiesen. Sie macht geltend, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen habe, indem es davon ausgegangen sei, aus Art. 59 Abs. 8 der REACH-Verordnung über das Verfahren der Ermittlung von in Art. 57 dieser Verordnung genannten Stoffen ergebe sich, dass die ECHA implizit ermächtigt sei, die bestehende Einstufung des DEHP zu ergänzen.

22      Die Rechtsmittelführerin macht insoweit geltend, dass das Gericht die Urteile des Gerichtshofs vom 15. März 2017, Polynt/ECHA (C‑323/15 P, EU:C:2017:207), und vom 15. März 2017, Hitachi Chemical Europe und Polynt/ECHA (C‑324/15 P, EU:C:2017:208), missachte, aus denen sich ergebe, dass ein chemischer Stoff nicht mehr als ein Stoff, der die in Art. 57 Buchst. f dieser Verordnung festgelegten Kriterien erfülle, eingestuft werden könne, wenn er als Stoff angesehen worden sei, der deshalb in das Verzeichnung der zulassungspflichtigen Stoffe aufgenommen werden könne, weil er eines der in den Buchst. a bis e dieses Artikels genannten Kriterien erfülle.

23      Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung betreffe die Ermittlung der Stoffe, die nicht aufgrund der in Art. 57 Buchst. a bis e dieser Verordnung genannten Kriterien ermittelt werden könnten, oder die aufgrund dieser Kriterien noch nicht ermittelt oder in die Kandidatenliste aufgenommen worden seien. Das sei jedoch bei dem Stoff DEHP nicht der Fall, der in Anwendung von Art. 57 Buchst. c dieser Verordnung sechs Jahre vor dem Erlass der streitigen Entscheidung eingestuft worden sei.

24      Nach Ansicht der Rechtmittelführerin hat das Gericht einen Rechtsfehler begangen, indem es der ECHA eine solche implizite Befugnis zuerkannt habe, obschon die Existenz einer impliziten Ermächtigung eine Abweichung von dem in Art. 13 Abs. 2 EUV verankerten Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung darstelle, der eng aufzufassen sei und voraussetze, dass die implizite Befugnis, die zuerkannt werde, erforderlich sei, um das Ziel der REACH-Verordnung zu erreichen und insbesondere deren praktische Wirksamkeit sicherzustellen. Sie macht geltend, durch die Übertragung einer solchen impliziten Befugnis an die ECHA würden die Befugnisse dieser Agentur, wie diese in der REACH-Verordnung umschrieben seien, unter Verstoß gegen den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung substanziell erweitert.

25      Die Rechtsmittelführerin macht auch geltend, dass das Gericht, indem es davon ausgegangen sei, dass die ECHA die bestehende Einstufung des DEHP habe ergänzen können, die Lehre der internen impliziten Befugnisse falsch angewandt habe. Das Gericht habe in Rn. 52 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass die in Art. 59 Abs. 8 der REACH-Verordnung enthaltene Wendung „so nimmt die Agentur den Stoff in die [Kandidatenliste] auf“ zunächst die Situation betreffe, in der ein gemäß Anhang XV der Verordnung ausgearbeitetes Dossier, das einen Stoff zum Inhalt habe, der dem Ausschuss der Mitgliedstaaten noch nicht zur Prüfung vorgelegt worden sei, an den Ausschuss überwiesen werde. Das Gericht habe in Rn. 53 dieses Urteils zu Unrecht entschieden, dass daraus „nicht entnommen werden [kann], dass der Ausschuss der Mitgliedstaaten nur für die Einstufung der Stoffe zuständig ist, die noch nicht in die Kandidatenliste aufgenommen wurden“.

26      Sie macht geltend, wenn diese implizite Befugnis der Agentur notwendig wäre, um die praktische Wirksamkeit der REACH-Verordnung sicherzustellen, dann hätte der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung nicht die Einstufung des Stoffes in Anwendung von Art. 57 Buchst. f dieser Verordnung ausgeschlossen, wenn dieser Stoff bereits zuvor nach einem der Buchst. a bis e des Art. 57 der Verordnung ermittelt worden sei.

27      Darüber hinaus ergebe sich aus Art. 58 Abs. 8 der REACH-Verordnung, der die Befugnis, aus Anhang XIV dieser Verordnung die Stoffe zu streichen, die nicht mehr die Kriterien des Art. 57 der Verordnung erfüllten, der Kommission und nicht der ECHA zuweise, dass der Unionsgesetzgeber, hätte er in dieser Verordnung ein Verfahren, durch das sich die Liste von Stoffen ergänzen oder ändern lasse, vorsehen und dies einer Agentur wie der ECHA überantworten wollen, dies ausdrücklich vorgesehen hätte.

28      Die ECHA ist der Ansicht, dass das Vorbringen der Rechtsmittelführerin, dem zufolge die Ermittlung nach Art. 57 Buchst. a bis e der REACH-Verordnung einer Einstufung nach Art. 57 Buchst. f entgegenstehe, unzulässig sei, da es nicht vor dem Gericht vorgetragen worden sei. Sie schließt daraus, dass das gesamte Vorbringen jedenfalls unbegründet sei.

29      Das Königreich Dänemark und das Königreich Schweden sind der Ansicht, das Vorbringen der Rechtsmittelführerin sei unbegründet.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

30      Was die von der Rechtsmittelführerin geltend gemachte und in Rn. 22 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung angeht, so ist zunächst daran zu erinnern, dass die streitige Entscheidung aufgrund von Art. 59 Abs. 8 der REACH-Verordnung ergangen ist. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 59 der REACH-Verordnung das Verfahren der Einstufung der Stoffe beschreibt, die für eine Aufnahme in die Kandidatenliste in Frage kommen, die als Grundlage für die Erstellung des Anhangs XIV dieser Verordnung dient. Wenn der betreffende Stoff in diesen Anhang XIV aufgenommen ist, kann dieser Stoff nicht mehr verwendet oder in Verkehr gebracht werden, es sei denn, es wurde eine Zulassung für eine spezifische Verwendung nach Art. 60 dieser Verordnung erteilt.

31      Die von der Rechtsmittelführerin vorgeschlagene Auslegung der Urteile vom 15. März 2017, Polynt/ECHA (C‑323/15 P, EU:C:2017:207), sowie vom 15. März 2017, Hitachi Chemical Europe und Polynt/ECHA (C‑324/15 P, EU:C:2017:208), beruht indessen auf einem Fehlverständnis dieser Urteile. Jeweils in Rn. 24 dieser beiden Urteile hat der Gerichtshof ausgeführt, dass Art. 57 Buchst. a bis e zunächst auf die Stoffe zielt, die die Kriterien für die Einstufung in die Gefahrenklassen Karzinogenität, Keimzellmutagenität oder Reproduktionstoxizität der Kategorie 1A oder 1B gemäß den Abschnitten 3.5 bis 3.7 des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. 2008, L 353, S. 1) erfüllen. Sodann betrifft dieser Art. 57 in seinen Buchst. d und e die Stoffe, die nach den Kriterien des Anhangs XIII der REACH-Verordnung persistent, bioakkumulierbar und toxisch oder sehr persistent und sehr bioakkumulierbar sind. Diese Kriterien beruhen auf der Bewertung der von diesen Stoffen ausgehenden Gefahren. Schließlich erfasst Art. 57 Buchst. f dieser Verordnung alle anderen Stoffe, die nicht die vorstehenden Kriterien erfüllen, die aber „nach wissenschaftlichen Erkenntnissen wahrscheinlich schwerwiegende Wirkungen auf die menschliche Gesundheit oder auf die Umwelt haben, die ebenso besorgniserregend sind wie diejenigen anderer in den Buchstaben a bis e aufgeführter Stoffe, und die im Einzelfall gemäß dem Verfahren des Artikels 59 ermittelt werden“ (Urteil vom 15. März 2017, Polynt/ECHA, C‑323/15 P, EU:C:2017:207, Rn. 24).

32      Der Gerichtshof hat klargestellt, dass in Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung ein autonomes Verfahren vorgesehen ist, mit dem Stoffe als besonders besorgniserregend ermittelt werden können, die nach der genannten Bestimmung noch nicht als solche ermittelt worden sind (Urteile vom 15. März 2017, Polynt/ECHA, C‑323/15 P, EU:C:2017:207, Rn. 25, und vom 15. März 2017, Hitachi Chemical Europe und Polynt/ECHA, C‑324/15 P, EU:C:2017:208, Rn. 25). Wie der Gerichtshof jeweils in Rn. 29 dieser Urteile ausgeführt hat, erfasst der Anwendungsbereich von Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung ausdrücklich Stoffe mit endokriner Wirkung, obwohl diese Art der Wirkungen zu keiner der Gefahrenklassen dieses Anhangs gehört.

33      Hierzu hat der Gerichtshof in den Rn. 24 bis 40 der Urteile vom 15. März 2017, Polynt/ECHA (C‑323/15 P, EU:C:2017:207), und vom 15. März 2017, Hitachi Chemical Europe und Polynt/ECHA (C‑324/15 P, EU:C:2017:208), dargelegt, dass die Ermittlung eines Stoffes nach dieser Bestimmung die kumulative Erfüllung zweier Bedingungen, nämlich zum einen, dass der betreffende Stoff wahrscheinlich schwerwiegende Wirkungen auf die menschliche Gesundheit oder auf die Umwelt hat, und zum anderen, dass diese Wirkungen „ebenso besorgniserregend sind“ wie diejenigen anderer, in den Buchst. a bis e dieses Art. 57 aufgeführter Stoffe. Zwar nahm er für die erste Bedingung an, sie erfordere eine Prüfung der durch die inhärenten Eigenschaften des betreffenden Stoffes bedingten Gefahren; dies galt jedoch nicht auch für die zweite Bedingung. Um festzustellen, ob ein Stoff „ebenso besorgniserregend“ im Sinne von Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung ist, ist nach Ansicht des Gerichtshofs die Natur der Besorgnisse, die berücksichtigt werden können, nicht auf allein die Gefahren beschränkt, die sich aus den inhärenten Eigenschaften des betreffenden Stoffes ergeben.

34      Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin ergibt sich daher, wie dies auch der Generalanwalt in den Nrn. 50 bis 56 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, aus den Urteilen vom 15. März 2017, Polynt/ECHA (C‑323/15 P, EU:C:2017:207), und vom 15. März 2017, Hitachi Chemical Europe und Polynt/ECHA (C‑324/15 P, EU:C:2017:208), nicht, dass Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung dahin auszulegen ist, dass ein chemischer Stoff wie das DEHP, der aufgrund einer die Kriterien in Art. 57 Buchst. c der REACH-Verordnung erfüllenden gefährlichen Eigenschaft bereits in die Kandidatenliste aufgenommen wurde, nicht anschließend wegen einer anderen inhärenten Eigenschaft nach Art. 57 Buchst. f dieser Verordnung eingestuft werden kann.

35      In den Rn. 24 bis 40 dieser Urteile hat der Gerichtshof nämlich die Kriterien dargelegt, aufgrund deren ein Stoff nach einem der Buchst. a bis f des Art. 57 der REACH-Verordnung ermittelt werden kann, ohne dabei eine Beschränkung der Gründe vorzusehen, derentwegen ein Stoff in die Kandidatenliste aufgenommen werden kann. Daher konnte das Gericht rechtsfehlerfrei davon ausgehen, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass die inhärenten Eigenschaften eines Stoffes mehrere der in Art. 57 Buchst. a bis f der REACH-Verordnung aufgeführte Gründe erfüllen könnten.

36      Das Vorbringen der Rechtsmittelführerin hinsichtlich der fehlerhaften Anwendung der Lehre der impliziten Befugnisse durch das Gericht kann ebenfalls keinen Erfolg haben. Wie der Generalanwalt in Nr. 63 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ergibt sich aus Rn. 54 des angefochtenen Urteils, dass das Gericht für die Anerkennung der Befugnis der ECHA, die streitige Entscheidung zu erlassen, davon ausgegangen ist, dass der ECHA weder nach dem Wortlaut von Art. 57 noch dem von Art. 59 Abs. 8 der REACH-Verordnung oder einer anderen Bestimmung dieser Verordnung die Prüfung untersagt sei, ob ein Stoff andere inhärente Eigenschaften als die besitze, die zur ursprünglichen Aufnahme dieses Stoffes in die Kandidatenliste geführt hätten. In Rn. 55 des angefochtenen Urteils hat das Gericht zudem festgestellt, dass die Ermittlung eines Stoffes als Stoff, der die Voraussetzungen eines anderen Buchstabens von Art. 57 der REACH-Verordnung als desjenigen erfülle, der zur ursprünglichen Aufnahme in die Kandidatenliste geführt habe, in technischer Hinsicht die Form einer Ergänzung des bestehenden Eintrags habe. Nach Auffassung des Gerichts ist in diesem Sinne auch das Vorbringen der ECHA zu verstehen, wonach sie über eine „implizite Befugnis“ zur Ergänzung eines bestehenden Eintrags verfüge.

37      Im vorliegenden Fall reichten zum Zeitpunkt der Ermittlung des DEHP nach Art. 57 Buchst. c der REACH-Verordnung die zur Verfügung stehenden Informationen nicht aus, um zu dem Schluss zu gelangen, dass die schädlichen Wirkungen des Stoffes auf die Umwelt den in Art. 57 Buchst. f dieser Verordnung genannten Einstufungskriterien entsprechen. Wie das Gericht in den Rn. 57 und 58 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, besitzt ein chemischer Stoff verschiedene Eigenschaften, die Gefahren unterschiedlicher Art hervorrufen können.

38      Hierzu ist anzumerken, wie der Generalanwalt in den Nrn. 76 und 77 seiner Schlussanträge dargelegt hat, dass die Befugnis der ECHA, eine bestehende Einstufung eines chemischen Stoffes zu ergänzen, mit der Begründung zu verneinen, dass dieser Stoff bereits eingestuft worden sei, zu einem falschen und den Zielen der REACH-Verordnung zuwiderlaufenden Ergebnis führen würde. Denn eine solche Auslegung dieser Verordnung hätte zur Folge, dass die wissenschaftliche Bewertung des fraglichen Stoffes zum Zeitpunkt seiner ursprünglichen Einstufung festgeschrieben würde und liefe der der ECHA obliegenden Aufgabe einer „Beurteilung von Stoffen ausgehender Gefahren“ zuwider, wie sie in der Verordnung vorgesehen ist, obwohl diese Beurteilung, um wirksam und effektiv zu sein, auch nach der ursprünglichen Einstufung vorgenommen werden können muss, damit sie durch neue wissenschaftliche Daten ergänzt werden kann.

39      Daher hat das Gericht rechtsfehlerfrei entscheiden können, dass die ECHA befugt war, die bestehenden Einträge in der Kandidatenliste mit neuen Gründen im Sinne von Art. 57 der REACH-Verordnung zu ergänzen.

40      Folglich ist der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes: Falsche Beurteilung des Gerichts in Bezug auf das Nichtvorliegen eines Verstoßes gegen das Verfahren zum Erlass der streitigen Entscheidung

–       Vorbringen der Parteien

41      Die Rechtsmittelführerin macht geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es davon ausgegangen sei, dass das Verfahren zum Erlass der streitigen Entscheidung rechtmäßig sei, obschon das Königreich Dänemark, das ein Dossier zum Zweck der Aufnahme von vier chemischen Stoffen, darunter das DEHP, in die Kandidatenliste eingereicht habe, seinen ursprünglichen Vorschlag durch einen neuen Vorschlag ersetzt habe, in dem nur der Vorschlag zur Aufnahme des DEHP aufrechterhalten worden sei.

42      Der ursprüngliche Vorschlag, mit dem die REACH-Verordnung dahin um eine neue, einer gemeinsamen Abstimmung unterliegende Einstufung von vier Stoffen, darunter DEHP, nach Art. 57 Buchst. f dieser Verordnung habe ergänzt werden sollen, sei durch einen neuen Vorschlag ersetzt worden, der in acht Teilen vorgelegt worden sei, mit denen chemische Stoffe hätten ergänzend eingestuft werden sollen und über die gesondert habe abgestimmt werden müssen.

43      Die Rechtsmittelführerin macht geltend, diese Änderung des dänischen Vorschlags habe dazu geführt, dass der Erlass der streitigen Entscheidung möglich gewesen sei. Denn der Ausschuss der Mitgliedstaaten sei nicht zu einer einstimmigen Einigung über die Grundlage des ursprünglichen Vorschlags gelangt. In diesem Zusammenhang erinnert die Rechtsmittelführerin daran, dass nach einer ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ein Verfahrensfehler nur dann zur vollständigen oder teilweisen Nichtigerklärung einer Entscheidung führe, wenn feststehe, dass die angefochtene Entscheidung ohne diesen Fehler einen anderen Inhalt hätte haben können. Das fragliche Verfahren des Erlasses verstoße gegen die REACH-Verordnung und die Rechtsprechung des Gerichtshofs, und das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es angenommen habe, dies sei nicht der Fall.

44      Die ECHA und das Königreich Dänemark sind der Ansicht, dass der zweite Teil dieses Rechtsmittelgrundes nicht begründet sei.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

45      Zunächst ist anzumerken, dass das Gericht in Rn. 85 des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen hat, dass das in Art. 59 der REACH-Verordnung vorgesehene Verfahren zur Ermittlung der in Art. 57 der dieser Verordnung genannten Stoffe gewährleisten solle, dass die Mitgliedstaaten und die an diesem Verfahren beteiligten Kreise vor Ausarbeitung einer Entscheidung über die Aufnahme eines Stoffes in die Kandidatenliste gehört werden könnten. Wie das Gericht zudem in Rn. 86 dieses Urteils ausgeführt hat, regelt die REACH-Verordnung nicht, wie mehrere Vorschläge zur Einstufung eines Stoffes als besonders besorgniserregend im Sinne von Art. 57 der Verordnung einzureichen sind.

46      Wie das Gericht in Rn. 86 des angefochtenen Urteils ebenfalls zutreffend festgestellt hat, enthält die REACH-Verordnung keine Bestimmung, wonach es verboten ist, dass ein Mitgliedstaat einen oder mehrere seiner Vorschläge zur Aufnahme der Stoffe, die seines Erachtens die in Art. 57 dieser Verordnung genannten Kriterien erfüllen, während eines Verfahrens zurückzieht oder ändert.

47      Außerdem stellen diese beiden Artikel keine Verpflichtung auf, die Vorschläge in ein und demselben Dokument zusammenzufassen, wenn diese Vorschläge gleichzeitig vom selben Verfasser vorgelegt werden.

48      Wie das Gericht in Rn. 88 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, teilte im vorliegenden Fall das Königreich Dänemark lediglich seinen ursprünglichen Vorschlag in acht verschiedene Teile auf. Dieser Aufteilung folgte eine teilweise Rücknahme der Vorschläge bezüglich des DBP, des BBP und des DIBP, soweit diese Vorschläge schwerwiegende Wirkungen auf die Umwelt betrafen, während der Vorschlag bezüglich des DEHP aufrechterhalten wurde.

49      In Bezug auf den Teil des Vorschlags, der das DEHP betraf, ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht in Rn. 89 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, die Rechtsmittelführerin habe nicht dargelegt, worin sich der materielle Inhalt des ursprünglichen Vorschlags des Königreichs Dänemark von dem des Vorschlags unterscheide, über den in der Sitzung des Ausschusses der Mitgliedstaaten vom 8. bis zum 11. Dezember 2014 abgestimmt worden sei.

50      Schließlich hat das Gericht in den Rn. 93 und 94 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die einstimmige Einigung des Ausschusses der Mitgliedstaaten über das DEHP nicht deshalb einen Rechtsverstoß beinhalte, weil dieser Einigung nur die „schwerwiegenden Wirkungen auf die Umwelt“ zugrunde lägen, während der ursprüngliche Einstufungsvorschlag und das gemäß Anhang XV der REACH-Verordnung eingereichte Dossier mit „schwerwiegenden Wirkungen auf die menschliche Gesundheit und auf die Umwelt“ begründet worden seien. Denn aus dem Wortlaut von Art. 57 Buchst. f dieser Verordnung geht hervor, dass die dort angeführten Eigenschaften solche sind, die wahrscheinlich schwerwiegende Wirkungen auf die menschliche Gesundheit oder auf die Umwelt haben, wobei diese Kriterien alternativ zueinander sind.

51      Folglich ist der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

 Zum dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes: Das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, soweit es das Vorliegen eines Ermessensmissbrauchs der ECHA nicht anerkannt habe

–       Vorbringen der Parteien

52      Die Rechtsmittelführerin ist der Auffassung, dass die streitige Entscheidung und das von der ECHA vor dem Erlass dieser Entscheidung geführte Verfahren nicht dem rechtlich verbindlichen Verfahren entsprächen, dass vom Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union vorgesehen sei, und dass das Gericht demzufolge einen Rechtsfehler begangen habe, indem es ihr insoweit vor diesem vorgetragenes Vorbringen zurückgewiesen habe.

53      Der Beschluss Nr. 1386/2013/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2013 über ein allgemeines Umweltaktionsprogramm der Union für die Zeit bis 2020 „Gut leben innerhalb der Belastbarkeitsgrenzen unseres Planeten“ (ABl. 2013, L 354, S. 171) sehe vor, dass „die Union … harmonisierte gefahrenorientierte Kriterien für die Ermittlung endokriner Wirkungen entwickeln [wird]“, indem sie sich mit „sämtlichen einschlägigen Rechtsvorschriften der Union“ befasse. Aus dem Beschluss ergebe sich im Übrigen, dass die Kriterien für die harmonisierte Anwendung, die von der Union für die Ermittlung der endokrinschädigenden Stoffe ausgearbeitet worden seien, im Rahmen sämtlicher Vorschriften des Unionsrechts einschließlich der REACH-Verordnung angewandt werden müssten. Es sei Aufgabe der Kommission, diese Kriterien zu erlassen. Die Rechtsmittelführerin macht in diesem Zusammenhang geltend, dass die Kommission nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (ABl. 2012, L 167, S. 1) verpflichtet gewesen sei, spätestens bis zum 13. Dezember 2013 Rechtsakte zur Festlegung wissenschaftlicher Kriterien zur Bestimmung der endokrinschädigenden Eigenschaften zu erlassen. Auch sei die Kommission verpflichtet gewesen, bis spätestens 14. Dezember 2013 Vorschläge für Maßnahmen in Bezug auf konkrete wissenschaftliche Kriterien zur Bestimmung der endokrinschädlichen Eigenschaften vorzulegen.

54      Die Rechtsmittelführerin macht daher geltend, dass die Befugnis zur Festlegung der Kriterien für die Ermittlung gefährlicher Stoffe bei der Kommission liege, die diese Befugnis nicht ausgeübt habe. Die ECHA verfüge in einer solchen Situation daher nicht über die Befugnis, selbst diese Kriterien zu bestimmen. Daher sei die Einstufung des DEHP nach Art. 57 Buchst. c der REACH-Verordnung auf der Grundlage eigener Adhoc-Kriterien rechtswidrig.

55      Das Gericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die ECHA ihr Ermessen nicht missbraucht habe, indem sie selbst ihre eigenen Einstufungskriterien aufgestellt habe, obwohl bestimmte Vorschriften des Unionsrechts dieser Agentur keine solche Befugnis übertrügen.

56      Die ECHA, das Königreich Dänemark und das Königreich Schweden treten dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin entgegen.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

57      Was den Beschluss Nr. 1386/2013 betrifft, ist das Gericht, wie der Generalanwalt in den Nrn. 100 und 101 seiner Schlussanträge festgestellt hat, rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass dieser Beschluss einen weitgehend programmatischen Charakter hat, der sich eindeutig aus der in Rn. 50 Abs. 3 Satz 2 des Anhangs dieses Beschlusses gewählten Syntax ergibt, nämlich dass „… die Union harmonisierte Kriterien entwickeln [wird]“.

58      Was die Verordnung Nr. 528/2012 betrifft, hat das Gericht in Rn. 109 des angefochtenen Urteils zu Recht darauf hingewiesen, dass die genannte Verordnung, wie sich aus ihrem Art. 2 Abs. 3 Buchst. j ergibt, unbeschadet der REACH-Verordnung gilt. Ebenso wie der Beschluss Nr. 1386/2013 soll die Verordnung Nr. 528/2012 daher die Anwendbarkeit der Kriterien für die Ermittlung der Stoffe mit endokriner Wirkung, die in Art. 57 der REACH-Verordnung angeführt und von der ECHA im Rahmen des Verfahrens nach Art. 59 der Verordnung angewandt werden, nicht in Frage stellen.

59      Das gilt auch für Nr. 3.6.5 des Anhangs II der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates (ABl. 2009, L 309, S. 1). Wie der Generalanwalt in Nr. 103 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, hat das Gericht in den Rn. 117 und 118 des angefochtenen Urteils zu Recht festgestellt, dass nach dieser Regelung nicht nur „auf der Grundlage der von der [Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit] überprüften Auswertung von Versuchen nach [Unions]leitlinien oder international vereinbarten Leitlinien“, sondern auch auf der Grundlage „von anderen verfügbaren Daten und Informationen, einschließlich einer Überprüfung der wissenschaftlichen Literatur“ untersucht werden dürfe, ob ein Stoff endokrinschädigende Wirkungen und nachteilige Auswirkungen habe.

60      Schließlich hat das Gericht keinen Rechtsfehler begangen, als es angenommen hat, dass es sich bei dem Fahrplan der Kommission für das Jahr 2014 nicht um einen Text mit rechtsverbindlicher Wirkung handele.

61      Mangels einer harmonisierten Definition ermächtigt die REACH-Verordnung die ECHA, weiterhin ein integriertes System zur Kontrolle chemischer Stoffe zu verwalten, das ihre Registrierung, Bewertung und Zulassung sowie gegebenenfalls Beschränkungen ihrer Verwendung umfasst (Urteil vom 15. März 2017, Hitachi Chemical Europe und Polynt/ECHA, C‑324/15 P, EU:C:2017:208, Rn. 20), das im Bemühen um Wirksamkeit und Effizienz Stoffe mit endokriner Wirkung einbeziehen muss.

62      Aus dem Vorstehenden folgt, dass der dritte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes und mithin der erste Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen ist.

 Zum zweiten Rechtsmittelgrund: Falsche Auslegung und Anwendung des Grundsatzes der Rechtssicherheit durch das Gericht

–       Vorbringen der Parteien

63      Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es in den Rn. 135 bis 153 des angefochtenen Urteils entschieden habe, dass die streitige Entscheidung den Grundsatz der Rechtssicherheit nicht verletze, obwohl sie zu einer unklaren und für die Rechtsmittelführerin unvorhersehbaren Situation geführt habe.

64      Die Rechtsmittelführerin macht geltend, die gegenwärtige Einstufung des DEHP in Anhang XIV der REACH-Verordnung nach Art. 57 Buchst. c dieser Verordnung, die durch eine neue Einstufung nach Art. 57 Buchst. f der Verordnung ergänzt werde, sei problematisch. Sie fragt sich in diesem Zusammenhang, ob neue Fristen für die Einreichung eines Zulassungsantrags für nach Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung eingestuftes DEHP festgesetzt würden, da die Frist für die Einreichung eines solchen Antrags nach den geltenden Vorschriften am 21. August 2013 abgelaufen sei. Sie ist auch unsicher hinsichtlich des „Schicksals“ des aktuellen Zulassungsantrags, den sie für das DEHP nach Art. 57 Buchst. c der REACH-Verordnung gestellt habe, sowie hinsichtlich der Auswirkungen auf die Verwendung des DEHP in von dieser Verordnung nicht allgemein erfassten Medizinprodukten, obwohl eine solche Verwendung nach den gegenwärtigen Rechtstexten keine Zulassung nach Titel VII dieser Verordnung erfordere.

65      Das Gericht habe in Rn. 146 des angefochtenen Urteils selbst ausdrücklich eingeräumt, dass dann, wenn Anhang XIV dieser Verordnung durch eine neue Einstufung des DEHP nach Art. 57 Buchst. f der Verordnung ergänzt werde, „der [von der Rechtsmittelführerin eingereichte] Zulassungsantrag [für diesen nach Art. 57 Buchst. c der REACH-Verordnung eingestuften Stoff] zu ändern [ist], um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen“, und „die [Rechtsmittelführerin] diese Änderung des Anhangs XIV berücksichtigen [muss].“ Das Gericht nenne aber weder die Art und Weise, in der diese „Änderung“ erfolgen müsse, noch verweise es auf eine konkrete Bestimmung der REACH-Verordnung oder eines anderen Texts, in dem diese Frage geregelt würde.

66      Die ECHA tritt dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin entgegen.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

67      Es ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht in den Rn. 133 bis 153 des angefochtenen Urteils geprüft hat, ob die streitige Entscheidung gegen die Grundsätze der Vorhersehbarkeit, der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verstößt.

68      Nachdem das Gericht darauf hingewiesen hat, dass die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes allgemeine Grundsätze des Unionsrechts darstellen, hat es geprüft, ob die streitige Entscheidung den sich aus diesen Grundsätzen ergebenden Anforderungen nachkommt.

69      So hat es in den Rn. 135 bis 137 des angefochtenen Urteils hervorgehoben, aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs gehe hervor, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit insbesondere gebiete, dass Rechtsvorschriften – vor allem dann, wenn sie nachteilige Folgen für Einzelne und Unternehmen haben könnten – klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen vorhersehbar seien und dass der Gerichtshof zum Grundsatz des Vertrauensschutzes entschieden habe, dass niemand eine Verletzung dieses Grundsatzes geltend machen könne, dem die Verwaltung keine bestimmten Zusicherungen gegeben habe (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Dezember 2017, Global Starnet, C‑322/16, EU:C:2017:985, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

70      Daher steht die Möglichkeit, sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes zu berufen, jedem Wirtschaftsteilnehmer offen, bei dem ein Organ begründete Erwartungen geweckt hat. Zusicherungen, die solche Erwartungen wecken können, sind präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Auskünfte von zuständiger und zuverlässiger Seite, unabhängig von der Form ihrer Mitteilung (Urteil vom 14. März 2013, Agrargenossenschaft Neuzelle, C‑545/11, EU:C:2013:169, Rn. 24 und 25 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

71      Ist dagegen ein umsichtiger und besonnener Wirtschaftsteilnehmer in der Lage, den Erlass einer Unionsmaßnahme, die seine Interessen berühren kann, vorherzusehen, so kann er sich im Fall ihres Erlasses nicht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen (Urteil vom 14. März 2013, Agrargenossenschaft Neuzelle, C‑545/11, EU:C:2013:169, Rn. 26).

72      Das Gericht hat geprüft, ob die streitige Entscheidung entsprechend den Anforderungen des Grundsatzes der Rechtssicherheit klar ihre Rechtsgrundlage sowie ihre rechtlichen Wirkungen genannt hat. Es hat festgestellt, dass diese Entscheidung eindeutig auf Art. 59 Abs. 8 der REACH-Verordnung als Rechtsgrundlage für ihren Erlass verweist. Es hat ebenfalls zu Recht festgestellt, dass die Rechtsmittelführerin in der Lage gewesen sei, die Tragweite dieser Entscheidung zweifelsfrei zu erkennen, da aus dieser klar hervorgegangen sei, dass mit ihr der bestehende Eintrag für das DEHP in der Kandidatenliste durch eine Einstufung nach Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung habe ergänzen sollen.

73      Im Übrigen ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen, dass das Gericht selbst eine Situation der Rechtsunsicherheit geschaffen hätte. Nach diesem Urteil wurde die Einstufung des DEHP bestätigt, und dieser Stoff wird weiterhin nach der REACH-Verordnung beurteilt werden.

74      Daher hat das Gericht zu Recht befunden, dass die Rechtsmittelführerin keinen Gesichtspunkt vorgetragen habe, mit dem sich nachweisen ließe, dass ein Organ oder eine Agentur der Union ihr unmittelbar Zusicherungen gemacht hätten. Das Gericht konnte somit davon ausgehen, dass die streitige Entscheidung nicht die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verletzte.

75      Unter diesen Umständen ist der zweite Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum dritten Rechtsmittelgrund: Das Gericht habe den Umfang seiner gerichtlichen Kontrolle verkannt und die Beweise verfälscht

–       Vorbringen der Parteien

76      Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht in den Rn. 163 bis 202 des angefochtenen Urteils die streitige Entscheidung geprüft habe, ohne die Anforderungen an den Umfang der gerichtlichen Kontrolle bei Entscheidungen der Einrichtungen und Organe einzuhalten, und dass es außerdem die ihm unterbreiteten Tatsachen und Beweise verfälscht habe.

77      Zwar unterliege das weite Ermessen der Unionsorgane, insbesondere bei der Prüfung sehr komplexer wissenschaftlicher und technischer Gesichtspunkte, einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle, diese gerichtliche Kontrolle verlange jedoch, dass die Unionsorgane, die Urheber des fraglichen Rechtsakts seien, vor dem Gerichtshof nachweisen könnten, dass dieser Rechtsakt „im Wege einer tatsächlichen Ausübung ihres Ermessens“ erlassen worden sei, welche die Berücksichtigung aller erheblichen Gesichtspunkte und Umstände der Situation voraussetze, die dieser Rechtsakt habe regeln wollen.

78      Die Rechtsmittelführerin ist auch der Auffassung, das Gericht habe die Beweise verfälscht, indem es davon ausgegangen sei, dass die Studien, auf die sich das nach Anhang XV der REACH-Verordnung ausgearbeitete Dossier (im Folgenden: Belegunterlagen) gestützt habe, nur einen Teil aller vom Ausschuss der Mitgliedstaaten geprüften Beweise dargestellt hätten. Sie macht geltend, dass nach keiner der nach 2008 durchgeführten Studien über Fische das DEHP nachteilige Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und auf die Umwelt habe, was – auch nach Ansicht des Gerichts – eine Voraussetzung dafür sei, dass dieser Stoff nach Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung eingestuft werde.

79      Die Rechtsmittelführerin macht außerdem geltend, die Belegunterlagen beruhten auf wissenschaftlichen Studien, die an Ratten vorgenommen worden seien und die sich auf die Wirkungen des DEHP nicht auf die Umwelt, sondern auf die menschliche Gesundheit im Fall einer unmittelbaren Exposition an das DEHP bezogen hätten; es sei jedoch darum gegangen, die Wirkung dieses Stoffes auf die Umwelt „nachzuweisen“. Ein derartiges Vorgehen sei wissenschaftlich unkorrekt. Das Gericht habe es zu Unrecht unterlassen, diesen Umstand im angefochtenen Urteil zu berücksichtigen.

80      Die ECHA entgegnet hierauf, dass der dritte Rechtsmittelgrund einer Grundlage entbehre und dass die Beweise ordnungsgemäß geprüft worden seien.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

81      Das Gericht hat die Beweise und die wissenschaftlichen Studien, die als Grundlage für die streitige Entscheidung dienten, in den Rn. 157 bis 202 des angefochtenen Urteils im Rahmen einer langen und sorgfältigen Prüfung, die den Anforderungen an eine wirksamen gerichtliche Kontrolle genügt, gewürdigt.

82      Nach einem Hinweis auf die Grundsätze der Rechtsprechung, die die gerichtliche Kontrolldichte in Bezug auf die Beurteilung hochgradig komplexer tatsächlicher Elemente wissenschaftlicher und technischer Art regeln, hat sich das Gericht auf sämtliche zu den Belegunterlagen gehörende wissenschaftliche Studien über Fische und Ratten bezogen.

83      Das Gericht hat sich insbesondere ausdrücklich auf die Schlussfolgerungen zahlreicher Studien über Fische, die bei ihnen infolge einer Exposition an das DEHP auftretende endokrine Wirkungen betreffen, bezogen.

84      In Rn. 166 des angefochtenen Urteils hat das Gericht jedoch festgestellt: „… wie sich aus Nr. 5.1.6 der Belegunterlagen ergibt, [ist es] aufgrund einer umfassenden Bewertung eines Teils der verwendeten Studien sehr wahrscheinlich, dass die östrogene Wirkung des DEHP schädigende Folgen für die phänotypischen Geschlechts- und Fortpflanzungsmerkmale der männlichen und weiblichen Fische hat. Dieser Umstand sowie die Wirkungen des Stoffes DEHP, die in den Studien über Ratten festgestellt wurden und die in Kapitel 4 der Belegunterlagen angeführt werden, reichen für die Schlussfolgerung aus, dass das DEHP schädigende Wirkungen auf die Umwelt haben kann“.

85      Aus den Akten, über die der Gerichtshof verfügt, scheint indes hervorzugehen, dass die Studien über Ratten die Wirkungen des DEHP auf die menschliche Gesundheit und nicht auf die Umwelt nachweisen sollen.

86      Folglich hat das Gericht die Beweise verfälscht, indem es sich auf die Studien über Ratten, die die Wirkungen des DEHP auf die menschliche Gesundheit im Fall einer direkten Exposition an das DEHP betrafen, bezogen hat, um daraus abzuleiten, dass dieser Stoff Wirkungen auf die Umwelt habe.

87      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann jedoch eine Verletzung des Unionsrechts in einem Urteil des Gerichts, wenn zwar dessen Gründe eine solche Verletzung enthalten, die Urteilsformel sich aber aus anderen Rechtsgründen als richtig erweist, nicht zur Aufhebung dieses Urteils führen, und die Begründung ist durch eine andere zu ersetzen (Urteil vom 26. Januar 2017, Mamoli Robinetteria/Kommission, C‑619/13 P, EU:C:2017:50, Rn. 107 und die dort angeführte Rechtsprechung).

88      Wenn sich das Gericht in Rn. 166 des angefochtenen Urteils fälschlich auf die Studien über Ratten bezogen hat, so hat es sich doch ebenfalls in dieser Randnummer auf die Studien über Fische bezogen, die die Wirkungen des DEHP auf die Umwelt belegen. Die vom Gericht vorgenommene Würdigung der großen Zahl von Studien über Fische und die Wirkung des DEHP auf ihr endokrines System reichte daher aus, um es zu rechtfertigen, dass das Gericht den auf die nicht ausreichenden wissenschaftlichen Nachweise gestützten Klagegrund zurückgewiesen hat.

89      In Anbetracht dessen ist der dritte Rechtsmittelgrund als ins Leere gehend zurückzuweisen.

 Zum vierten Rechtsmittelgrund: Verletzung der Grundrechte der Rechtsmittelführerin durch das Gericht

–       Vorbringen der Parteien

90      Die Rechtsmittelführerin macht geltend, dass das Gericht die Grundrechte und die Grundsätze verletzt habe, die in der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) verankert seien. Indem das Gericht das Unionsrecht falsch ausgelegt und angewandt habe, habe es auch die Rechte der Rechtsmittelführerin und die in der EMRK und der Charta niedergelegten Grundsätze, insbesondere das Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 EMRK und Art. 47 der Charta, das Recht auf Achtung ihres Eigentums nach Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK und Art. 17 der Charta sowie den Grundsatz der Rechtssicherheit, verletzt.

91      Die ECHA tritt dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin entgegen.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

92      Zunächst ist festzustellen, dass dieser Rechtsmittelgrund offensichtlich jeder Begründung und Klarstellung entbehrt, da er nur eine abstrakte Nennung von Rechtsvorschriften enthält, die das Gericht missachtet haben soll, und ihm keinerlei Ausführungen beigefügt sind.

93      Aus Art. 256 AEUV, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie Art. 168 Abs. 1 Buchst. d und Art. 169 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs geht indes hervor, dass ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des Urteils, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen muss (Urteil vom 4. Juli 2000, Bergaderm und Goupil/Kommission, C‑352/98 P, EU:C:2000:361, Rn. 34).

94      Zudem genügen nach ständiger Rechtsprechung die Teile eines Rechtsmittels, die keine Ausführungen zur Bezeichnung eines Rechtsfehlers enthalten, mit dem das angefochtene Urteil behaftet sein soll, diesem Erfordernis nicht und sind folglich als offensichtlich unzulässig zurückzuweisen (Beschluss vom 24. November 2016, Petraitis/Kommission, C‑137/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:904, Rn. 17).

95      Demnach ist der vierte Rechtsmittelgrund als unzulässig und somit das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.

 Kosten

96      Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist. Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der gemäß deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

97      Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.

98      Da die ECHA die Verurteilung von Deza zur Tragung der Kosten beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind Deza die Kosten aufzuerlegen.

99      Das Königreich Dänemark und das Königreich Schweden tragen ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2.      Die Deza, a.s. trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA).

3.      Das Königreich Dänemark und das Königreich Schweden tragen ihre eigenen Kosten.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Tschechisch.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Europäischer Gerichtshof Urteil, 23. Jan. 2019 - C-419/17

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