Europäischer Gerichtshof Schlussantrag des Generalanwalts, 29. Nov. 2018 - C-411/17

ECLI:ECLI:EU:C:2018:972
29.11.2018

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

JULIANE KOKOTT

vom 29. November 2018(1)

Rechtssache C411/17

Inter-Environnement Wallonie ASBL,

Bond Beter Leefmilieu Vlaanderen vzw

gegen

Ministerrat,

Beteiligte:

Electrabel SA

(Vorabentscheidungsersuchen des Verfassungsgerichtshofs [Belgien])

„Vorabentscheidungsersuchen – Umwelt – Übereinkommen von Espoo – Übereinkommen von Aarhus – Richtlinie 2011/92/EU – Richtlinie 92/43/EWG – Richtlinie 2009/147/EG – Ausstieg aus der Kernenergie – Gesetzliche Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung von bestimmten Kernkraftwerken um zehn Jahre – Fehlen einer Umweltverträglichkeitsprüfung – Begriff des Projekts – Akt des Gesetzgebers – Verlängerung einer Genehmigung – Unmittelbare Wirkung völkerrechtlicher Übereinkommen – Abweichung von Verpflichtungen – Überwiegendes öffentliches Interesse – Versorgungssicherheit“






Inhaltsverzeichnis


I. Einleitung

II. Rechtlicher Rahmen

A. Internationales Recht

1. Übereinkommen von Espoo

2. Übereinkommen von Aarhus

B. Unionsrecht

1. UVP-Richtlinie

2. Habitatrichtlinie

III. Sachverhalt

IV. Vorabentscheidungsersuchen

V. Rechtliche Würdigung

A. Zur Anwendbarkeit des Unionsrechts auf die Kernenergie

B. Gesetzgebungsakte in der Umweltverträglichkeitsprüfung

C. Zur Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung

1. Projektbegriff der UVP-Richtlinie

2. Projektbegriff des Übereinkommens von Espoo

a) Auslegungsbefugnis des Gerichtshofs

b) Projektbegriff des Übereinkommens von Espoo

3. Projektbegriff des Übereinkommens von Aarhus

a) Verlängerung als „Projekt“

b) Überprüfung von Genehmigungen als „Projekt“

c) Änderung oder Erweiterung als „Projekt“

d) Zwischenergebnis

4. Widerspruch zwischen der bisherigen Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der UVP-Richtlinie und den beiden Übereinkommen

a) Völkerrechtskonforme Auslegung des Projektbegriffs der UVP-Richtlinie

b) Zur unmittelbaren Wirkung der Übereinkommen von Espoo und Aarhus

5. Zur Projektqualität aufgrund von weiteren Arbeiten

D. Weitere Fragen zur Anwendung der UVP-Richtlinie

1. Zuordnung zu den Anhängen der UVP-Richtlinie

2. Zeitpunkt der Prüfung

E. Abweichung von der Prüfungspflicht aus Gründen der Stromversorgungssicherheit und der Rechtssicherheit

1. Abweichung aufgrund der Einzelfallausnahme in der UVP-Richtlinie

2. Abweichung vom Übereinkommen von Espoo

3. Abweichung vom Übereinkommen von Aarhus

4. Konsequenzen für die Auslegung der Abweichungsmöglichkeit nach der UVP-Richtlinie

F. Zur Frage 8 – Art. 6 Abs. 3 und 4 der Habitatrichtlinie

1. Zu Frage 8 Buchst. a – Projektbegriff der Habitatrichtlinie

2. Zu Frage 8 Buchst. b – Gesetzgebungsakt

3. Zu Frage 8 Buchst. c – Doel 1 und Doel 2

4. Zu Frage 8 Buchst. d – Ausnahme für Versorgungssicherheit

a) Voraussetzungen einer Anwendung von Art. 6 Abs. 4 der Habitatrichtlinie

b) Stromversorgungssicherheit

c) Zwischenergebnis

G. Zur Aufrechterhaltung der Wirkungen des Gesetzes über die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung der Kernkraftwerke Doel 1 und Doel 2

1. Zur Rechtsprechung im Anwendungsbereich der Richtlinie über die strategische Umweltprüfung

2. Zur Übertragung auf andere Umweltprüfungen

VI. Ergebnis


I.      Einleitung

1.        Setzt die Annahme eines Gesetzes zur Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung von Kernkraftwerken eine Prüfung der Umweltauswirkungen voraus? Diese Frage stellt sich vor dem belgischen Verfassungsgerichtshof und er legt sie daher dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vor.

2.        Dabei bezieht sich der Verfassungsgerichthof auf die internationalen Übereinkommen von Espoo(2) und Aarhus(3) sowie auf die UVP-(4) und die Habitatrichtlinie,(5) die alle eine Umweltprüfung vorsehen, jedoch unterschiedliche Voraussetzungen enthalten. Entsprechend umfangreich ist der vorgelegte Fragenkatalog.

3.        Allerdings läuft das Vorabentscheidungsersuchen auf drei Kernfragen hinaus, nämlich erstens, ob gesetzliche Maßnahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen, zweitens, ob die Verlängerung einer bereits zugelassenen Tätigkeit einer Prüfung bedarf, und drittens, ob bei einem etwaigen Verstoß gegen Prüfungspflichten überwiegende öffentliche Interessen den weiteren Betrieb der betroffenen Kraftwerke rechtfertigen können. Zumindest auf den ersten Blick enthält jeder der genannten Rechtsakte unterschiedliche Vorgaben zu diesen Fragen.

4.        Wegen der Fragen zu den Übereinkommen gibt dieses Verfahren dem Gerichtshof im Übrigen erneut Gelegenheit, sich mit den Wirkungen des Umweltvölkerrechts im Unionsrecht sowie seiner eigenen Rolle bei der Auslegung dieser Bestimmungen zu beschäftigen. Wie Deutschland in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, ist dies insbesondere für die Anwendung des Übereinkommens von Espoo auf Kernkraftwerke von großem praktischem Interesse, da gegenwärtig im Anwendungsbereich des Übereinkommens Entscheidungen über die Verlängerung der Laufzeiten von etwa 90 Anlagen anstehen. Im Rahmen des Übereinkommens wurde deshalb auch eine besondere Arbeitsgruppe der Vertragsstaaten zu diesem Thema eingesetzt.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Internationales Recht

5.        Die Übereinkommen von Espoo und Aarhus wurden im Rahmen der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (United Nations Economic Commission for Europe – UNECE) verabschiedet. Für die damalige Europäische Gemeinschaft wurden sie als gemischte Abkommen gemeinsam mit den Mitgliedstaaten abgeschlossen.

1.      Übereinkommen von Espoo

6.        Das Übereinkommen von Espoo hat die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen zum Gegenstand. Der Rat hat es durch einen nicht veröffentlichten Beschluss vom 15. Oktober 1996 genehmigt, den er dem Gerichtshof auf Anfrage übermittelt hat.(6) Dieser Beschluss wurde auf den damals geltenden Art. 130s in Verbindung mit Art. 228 Abs. 2 erster Satz und Abs. 3 Unterabs. 1 EG-Vertrag gestützt. Diese Bestimmungen sind in geänderter Form nunmehr in Art. 192 und Art. 218 Abs. 6 Buchst. b sowie Abs. 8 Satz 1 AEUV aufgegangen.

7.        Art. 1 Nrn. 5 und 9 des Übereinkommens von Espoo enthalten maßgebliche Definitionen:

„Im Sinne dieses Übereinkommens bedeutet

5.      ‚geplantes Projekt‘ jedes Projekt oder jede größere Änderung eines Projekts, das der Entscheidung einer zuständigen Behörde nach einem geltenden innerstaatlichen Verfahren unterliegt;

9.      ‚zuständige Behörde‘ „die nationale Behörde bzw. Behörden, die von einer Partei für die Wahrnehmung der Aufgaben nach diesem Übereinkommen als zuständig benannt worden ist bzw. sind, und/oder die Behörde bzw. Behörden, der bzw. denen von einer Partei Befugnisse zur Entscheidung über ein geplantes Projekt übertragen worden sind;

…“.

8.        Art. 2 des Übereinkommens von Espoo enthält die grundlegenden Verpflichtungen der Vertragsstaaten:

„(1)      Die Parteien ergreifen einzeln oder gemeinsam alle zweckmäßigen und wirksamen Maßnahmen zur Verhütung, Reduzierung und Eingrenzung einer erheblichen, grenzüberschreitenden nachteiligen Auswirkung eines geplanten Projekts.

(2)      Jede Partei ergreift die erforderlichen rechtlichen, administrativen oder sonstigen Maßnahmen zur Durchführung dieses Übereinkommens; dazu gehört bei den in Anhang I aufgeführten geplanten Projekten, die wahrscheinlich erhebliche, grenzüberschreitende nachteilige Auswirkungen zur Folge haben, die Schaffung eines Verfahrens zur Umweltverträglichkeitsprüfung, das eine Beteiligung der Öffentlichkeit sowie die Ausarbeitung der in Anhang II beschriebenen Dokumentation zur Umweltverträglichkeitsprüfung gestattet.

(3)      Die Ursprungspartei stellt sicher, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung entsprechend diesem Übereinkommen durchgeführt wird, bevor über die Genehmigung oder Durchführung eines in Anhang I aufgeführten geplanten Projekts, das voraussichtlich eine erhebliche, grenzüberschreitende nachteilige Auswirkung zur Folge hat, entschieden wird.

(6)      Entsprechend diesem Übereinkommen gibt die Ursprungspartei der Öffentlichkeit in den voraussichtlich betroffenen Gebieten Gelegenheit, bei den geplanten Projekten an den einschlägigen Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung mitzuwirken[,] und stellt sicher, dass die Öffentlichkeit der betroffenen Partei die gleiche Gelegenheit hierzu erhält wie die Öffentlichkeit der Ursprungspartei.“

9.        Anhang I Nr. 2 des Übereinkommens von Espoo definiert die von dem Übereinkommen erfassten Wärmekraftwerke:

„Wärmekraftwerke und sonstige Verbrennungsanlagen mit einer Wärmeleistung von mindestens 300 MW sowie Kernkraftwerke und sonstige Kernreaktoren (ausgenommen Forschungseinrichtungen für die Erzeugung und Konversion von Spalt- und Brutstoffen mit einer maximalen Dauerleistung von 1 kW)“.

2.      Übereinkommen von Aarhus

10.      Art. 2 des Übereinkommens von Aarhus enthält maßgebliche Definitionen:

„Im Sinne dieses Übereinkommens

2.      bedeutet „Behörde“

a)      eine Stelle der öffentlichen Verwaltung auf nationaler, regionaler und anderer Ebene;

b)      …

Diese Begriffsbestimmung umfasst keine Gremien oder Einrichtungen, die in gerichtlicher oder gesetzgebender Eigenschaft handeln“.

11.      Art. 6 des Übereinkommens von Aarhus regelt die Öffentlichkeitsbeteiligung bei Entscheidungen über bestimmte Tätigkeiten:

„(1)      Jede Vertragspartei

a)      wendet diesen Artikel bei Entscheidungen darüber an, ob die in Anhang I aufgeführten geplanten Tätigkeiten zugelassen werden;

c)      kann – auf der Grundlage einer Einzelfallbetrachtung, sofern eine solche nach innerstaatlichem Recht vorgesehen ist – entscheiden, diesen Artikel nicht auf geplante Tätigkeiten anzuwenden, die Zwecken der Landesverteidigung dienen, wenn diese Vertragspartei der Auffassung ist, dass sich eine derartige Anwendung negativ auf diese Zwecke auswirken würde.

(4)      Jede Vertragspartei sorgt für eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung zu einem Zeitpunkt, zu dem alle Optionen noch offen sind und eine effektive Öffentlichkeitsbeteiligung stattfinden kann.

(6)      Jede Vertragspartei verpflichtet die zuständigen Behörden, der betroffenen Öffentlichkeit … sobald verfügbar Zugang zur Einsichtnahme aller Informationen zu gewähren, die für die in diesem Artikel genannten Entscheidungsverfahren relevant sind und zum Zeitpunkt des Verfahrens zur Öffentlichkeitsbeteiligung zur Verfügung stehen; …

(10)      Jede Vertragspartei stellt sicher, dass bei einer durch eine Behörde vorgenommenen Überprüfung oder Aktualisierung der Betriebsbedingungen für eine in Abs. 1 genannte Tätigkeit die Abs. 2 bis 9 sinngemäß, und soweit dies angemessen ist, Anwendung finden.

…“

12.      Die weiteren Absätze dieser Bestimmung regeln die Einzelheiten der Öffentlichkeitsbeteiligung und der Prüfung der Umweltauswirkungen der Tätigkeit.

13.      Anhang I des Übereinkommens von Aarhus nennt die Tätigkeiten, die nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. a zwingend der Öffentlichkeitsbeteiligung unterliegen. In Nr. 1 fünfter Spiegelstrich des Übereinkommens von Aarhus werden „Kernkraftwerke und andere Kernreaktoren einschließlich der Demontage oder Stilllegung solcher Kraftwerke oder Reaktoren“ aufgeführt. Nach Nr. 22 Satz 1 unterliegt „(j)ede Änderung oder Erweiterung von Tätigkeiten … Art. 6 Abs. 1 Buchst. a dieses Übereinkommens, wenn sie für sich betrachtet die Kriterien/Schwellenwerte in diesem Anhang erreicht“.

B.      Unionsrecht

1.      UVP-Richtlinie

14.      Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der UVP-Richtlinie definiert als Projekt „die Errichtung von baulichen oder sonstigen Anlagen“ (erster Spiegelstrich) sowie „sonstige Eingriffe in Natur und Landschaft einschließlich derjenigen zum Abbau von Bodenschätzen“ (zweiter Spiegelstrich).

15.      Art. 1 Abs. 4 der UVP-Richtlinie schließt Gesetzgebungsakte aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie aus:

„Diese Richtlinie gilt nicht für Projekte, die im Einzelnen durch einen besonderen einzelstaatlichen Gesetzgebungsakt genehmigt werden, da die mit dieser Richtlinie verfolgten Ziele, einschließlich desjenigen der Bereitstellung von Informationen, im Wege des Gesetzgebungsverfahrens erreicht werden.“

16.      Art. 2 Abs. 1 der UVP-Richtlinie enthält die grundlegende Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung:

„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit vor Erteilung der Genehmigung die Projekte, bei denen unter anderem aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Genehmigungspflicht unterworfen und einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen unterzogen werden. Diese Projekte sind in Art. 4 definiert.“

17.      Art. 2 Abs. 4 der UVP-Richtlinie erlaubt den Mitgliedstaaten, bestimmte Projekte von der Anwendung der Richtlinie auszunehmen:

„Unbeschadet des Art. 7 können die Mitgliedstaaten in Ausnahmefällen ein einzelnes Projekt ganz oder teilweise von den Bestimmungen dieser Richtlinie ausnehmen.

In diesem Fall müssen die Mitgliedstaaten:

a)      prüfen, ob eine andere Form der Prüfung angemessen ist;

b)      der betroffenen Öffentlichkeit die im Rahmen anderer Formen der Prüfung nach Buchstabe a gewonnenen Informationen, die Informationen betreffend die Entscheidung, die die Ausnahme gewährt, und die Gründe für die Gewährung der Ausnahme zugänglich machen;

c)      die Kommission vor Erteilung der Genehmigung über die Gründe für die Gewährung dieser Ausnahme unterrichten und ihr die Informationen übermitteln, die sie gegebenenfalls ihren eigenen Staatsangehörigen zur Verfügung stellen.

Die Kommission übermittelt den anderen Mitgliedstaaten unverzüglich die ihr zugegangenen Unterlagen.

…“

18.      Nach Art. 4 Abs. 1 der UVP-Richtlinie werden „Projekte des Anhangs I … vorbehaltlich des Art. 2 Abs. 4“ der vorgesehenen Prüfung unterzogen. In Anhang I Nr. 2 Buchst. a werden Kernkraftwerke genannt. Außerdem nennt Anhang I Nr. 24 „(j)ede Änderung oder Erweiterung von Projekten, die in diesem Anhang aufgeführt sind, wenn sie für sich genommen die Schwellenwerte, sofern solche in diesem Anhang festgelegt sind, erreicht“.

19.      Nach Art. 4 Abs. 2 der UVP-Richtlinie prüfen die Mitgliedstaaten für Projekte des Anhangs II, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss. Anhang II Nr. 13 Buchst. a nennt „(d)ie Änderung oder Erweiterung von bereits genehmigten, durchgeführten oder in der Durchführungsphase befindlichen Projekten des Anhangs I oder dieses Anhangs, die erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt haben können (nicht durch Anhang I erfasste Änderung oder Erweiterung)“.

20.      Art. 6 Abs. 4 der UVP-Richtlinie regelt den Zeitpunkt der Öffentlichkeitsbeteiligung:

„Die betroffene Öffentlichkeit erhält frühzeitig und in effektiver Weise die Möglichkeit, sich an den umweltbezogenen Entscheidungsverfahren gemäß Art. 2 Abs. 2 zu beteiligen, und hat zu diesem Zweck das Recht, der zuständigen Behörde bzw. den zuständigen Behörden gegenüber Stellung zu nehmen und Meinungen zu äußern, wenn alle Optionen noch offenstehen und bevor die Entscheidung über den Genehmigungsantrag getroffen wird.“

21.      Art. 7 der UVP-Richtlinie regelt die grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung. Sie ist durchzuführen, wenn „ein Mitgliedstaat … [feststellt], dass ein Projekt erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt eines anderen Mitgliedstaats haben könnte, oder … ein Mitgliedstaat, der möglicherweise davon erheblich betroffen ist, einen entsprechenden Antrag“ stellt.

2.      Habitatrichtlinie

22.      Die Genehmigung von Plänen und Projekten, die ein nach der Habitatrichtlinie oder der Vogelschutzrichtlinie(7) geschütztes Gebiet erheblich beeinträchtigen könnten, ist in Art. 6 Abs. 3 und 4 der Habitatrichtlinie wie folgt geregelt:

„(3)      Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung und vorbehaltlich des Abs. 4 stimmen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben.

(4)      Ist trotz negativer Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art ein Plan oder Projekt durchzuführen und ist eine Alternativlösung nicht vorhanden, so ergreift der Mitgliedstaat alle notwendigen Ausgleichsmaßnahmen, um sicherzustellen, dass die globale Kohärenz von Natura 2000 geschützt ist. Der Mitgliedstaat unterrichtet die Kommission über die von ihm ergriffenen Ausgleichsmaßnahmen.

Ist das betreffende Gebiet ein Gebiet, das einen prioritären natürlichen Lebensraumtyp und/oder eine prioritäre Art einschließt, so können nur Erwägungen im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen und der öffentlichen Sicherheit oder im Zusammenhang mit maßgeblichen günstigen Auswirkungen für die Umwelt oder, nach Stellungnahme der Kommission, andere zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses geltend gemacht werden.“

III. Sachverhalt

23.      In Belgien sind zwischen dem 15. Februar 1975 und dem 1. September 1985 sieben Kernkraftwerke in Doel an der Schelde und in Tihange an der Maas für eine unbestimmte Dauer in Betrieb genommen worden.

24.      Der Standort der Kraftwerke in Doel grenzt landseitig an das nach der Vogelschutzrichtlinie geschützte Gebiet „Schorren en Polders van de Beneden-Schelde“ (Natura-2000-Code: BE2301336) an. Die Schelde ist dort Teil des nach der Habitatrichtlinie geschützten Gebiets „Schelde- en Durmeëstuarium van de Nederlandse grens tot Gent“ (Natura-2000-Code: BE2300006) sowie des niederländischen Gebiets „Westerschelde & Saeftinghe“ (Natura-2000-Code: NL9803061). Nach dem Vorabentscheidungsersuchen befindet sich außerdem das belgische Gebiet „Bos- en heidegebieden ten oosten van Antwerpen“ (Natura-2000-Code: BE2100017) in der Nähe.

25.      Im belgischen Gebiet BE2300006 sind insbesondere 350 Hektar des prioritären Lebensraumtyps „Auenwälder mit Alnus glutinosa und Fraxinus excelsior (Alno-Padion, Alnion incanae, Salicion albae)“ (Natura-2000-Code 91E0*) zu finden sowie ein kleineres Vorkommen des ebenfalls prioritären Lebensraumtyps „Artenreiche montane Borstgrasrasen (und submontan auf dem europäischen Festland) auf Silikatböden“ (Natura-2000-Code 6230*).(8) Die gleichen prioritären Lebensraumtypen kommen auch in dem belgischen Gebiet BE2100017 vor.(9) In dem niederländischen Gebiet NL9803061 befinden sich geringfügige Vorkommen des prioritären Lebensraumtyps „Festliegende Küstendünen mit krautiger Vegetation (‚Graudünen‘)“ (Natura-2000-Code 2130*).(10)

26.      Wie zu erwarten, werden für die beiden Schutzgebiete, die die Schelde erfassen, verschiedene Fischarten des Anhangs II der Habitatrichtlinie genannt, etwa die Finte (Alosa fallax), der Bitterling (Rhodeus sericeus amarus), die Groppe (Cottus gobio), der Steinbeißer (Cobitis taenia), das Flussneunauge (Lampetra fluviatilis) und das Meerneunauge (Petromyzon marinus), wobei die beiden letztgenannten Arten nicht den Fischen im engeren Sinne zugeordnet werden, sondern der Überklasse der Rundmäuler.(11)

27.      Die Grenze zu den Niederlanden ist wenige Kilometer entfernt. Andere Mitgliedstaaten sind etwa 100 Kilometer (Deutschland und Frankreich) oder weiter von diesem Standort entfernt.

28.      Im Jahr 2003 beschloss der belgische Gesetzgeber, der Stromerzeugung aus Kernenergie ein Ende zu setzen. Im Gesetz vom 31. Januar 2003 wurde bestimmt, dass kein neues Kernkraftwerk mehr gebaut und dass bei den in Betrieb befindlichen Kraftwerken nach 40 Jahren Laufzeit der Betrieb schrittweise, nämlich zwischen 2015 (Doel 1 und 2 sowie Tihange 1) und 2025, eingestellt wird. Da die Kernkraftwerke für mehr als die Hälfte der gesamten Stromerzeugung standen, ermächtigte das Gesetz vom 31. Januar 2003 die Regierung, im Fall einer Bedrohung der Stromversorgungssicherheit von ihm abzuweichen.

29.      Durch ein Gesetz vom 18. Dezember 2013 wurde das Datum der Außerbetriebnahme des Kernkraftwerks Tihange 1 um zehn Jahre aufgeschoben. Daneben wurde durch das Gesetz die Ermächtigung der Regierung aufgehoben, vom Zeitplan der Außerbetriebnahme der Kernkraftwerke abzuweichen.

30.      Das Kraftwerk Doel 1 stellte die Stromerzeugung am 15. Februar 2015 ein.

31.      Durch das Gesetz vom 28. Juni 2015 wurde jedoch das Datum des Endes der industriellen Stromerzeugung der Kraftwerke Doel 1 und Doel 2 abgeändert, um zur Stromversorgungssicherheit in Belgien beizutragen. Es genehmigt dem Kernkraftwerk Doel 1 erneut, vom 6. Juli 2015 bis zum 15. Februar 2025 Strom zu erzeugen, und verschiebt das Datum des Endes der Stromerzeugung des Kraftwerks Doel 2 um zehn Jahre auf den 1. Dezember 2025.

32.      Nach dem Vorabentscheidungsersuchen war der Abschluss eines Abkommens zwischen dem belgischen Staat und der Electrabel AG (im Folgenden: Electrabel), die die Kraftwerke betreibt, eine Bedingung der Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung. Dieses Abkommen wurde am 30. November 2015 abgeschlossen. Es enthält einen Investitionsplan in Höhe von etwa 700 Mio. Euro „für die Verlängerung der Lebensdauer“. Die vorgesehenen Maßnahmen umfassen die Änderungen aufgrund der vierten regelmäßigen Sicherheitsinspektion und der anlässlich des Unfalls von Fukushima vorgenommenen Stresstests.

33.      Diese Investitionen wurden einer Vorprüfung im Hinblick auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen. Sie kam zu dem Ergebnis, eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei nicht notwendig, denn die Änderungen führten nicht zu negativen radiologischen Auswirkungen oder zu signifikanten Veränderungen der bestehenden radiologischen Umweltauswirkungen. Diese Entscheidung wurde beim belgischen Staatsrat angefochten. Das Verfahren war dort zum Zeitpunkt des Vorabentscheidungsersuchens noch anhängig.(12)

34.      Hinsichtlich des Kraftwerks Doel 1 setzt das Gesetz vom 28. Juni 2015 voraus, dass dem Betreiber dieses Kraftwerks eine neue individuelle Genehmigung zur Stromerzeugung erteilt wird und dass die Betriebsgenehmigung durch neue Vorschriften über die Stromerzeugung ergänzt wird.

35.      Die beiden im Ausgangsverfahren klagenden Vereinigungen, deren Zweck der Schutz der Umwelt und des Lebensumfelds ist, haben beim Verfassungsgerichtshof Nichtigkeitsklage gegen das Gesetz vom 28. Juni 2015 erhoben, da mit ihm die Laufzeit der Kernreaktoren Doel 1 und 2 um zehn Jahre verlängert werde, ohne dass eine Umweltprüfung oder ein Verfahren unter Beteiligung der Öffentlichkeit durchgeführt worden wäre.

36.      Die beiden Vereinigungen berufen sich auf die Übereinkommen von Espoo und Aarhus sowie die UVP-Richtlinie, die Habitatrichtlinie und die Vogelschutzrichtlinie.

IV.    Vorabentscheidungsersuchen

37.      Der belgische Verfassungsgerichtshof legt dem Gerichtshof daher die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vor:

1)      Sind Art. 2 Abs. 1 bis 3, 6 und 7, Art. 3 Abs. 8, Art. 5, Art. 6 Abs. 1 und Anhang I Nr. 2 des Übereinkommens von Espoo gemäß den Präzisierungen in der „Background note on the application of the Convention to nuclear energy-related activities“ (Informationsdokument über die Anwendung des Übereinkommens auf Aktivitäten im Zusammenhang mit Kernenergie) und den „Good Practice recommendations on the application of the Convention to nuclear energy-related activities“ (Empfehlungen für gute Praktiken in Bezug auf die Anwendung des Übereinkommens auf Aktivitäten im Zusammenhang mit Kernenergie) auszulegen?

2)      Ist Art. 1 Nr. 9 des Übereinkommens von Espoo, in dem die „zuständige Behörde“ definiert wird, dahin auszulegen, dass er Gesetzgebungsakte wie das Gesetz vom 28. Juni 2015 „zur Abänderung des Gesetzes vom 31. Januar 2003 über den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie für industrielle Stromerzeugung im Hinblick auf die Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit“ vom Anwendungsbereich dieses Übereinkommens ausschließt, insbesondere in Anbetracht der verschiedenen Studien und Anhörungen, die im Rahmen der Annahme dieses Gesetzes durchgeführt wurden?

3)      a)      Sind die Art. 2 bis 6 des Übereinkommens von Espoo dahin auszulegen, dass sie vor der Annahme eines Gesetzgebungsaktes wie des Gesetzes vom 28. Juni 2015 „zur Abänderung des Gesetzes vom 31. Januar 2003 über den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie für industrielle Stromerzeugung im Hinblick auf die Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit“, dessen Art. 2 das Datum der Deaktivierung und des Endes der industriellen Stromerzeugung der Kernkraftwerke Doel 1 und Doel 2 aufschiebt, anwendbar sind?

      b)      Ist die Antwort auf die in Buchst. a enthaltene Frage unterschiedlich je nachdem, ob sie sich auf das Kernkraftwerk Doel 1 oder auf das Kernkraftwerk Doel 2 bezieht, in Anbetracht der Notwendigkeit, für das erstgenannte Kernkraftwerk Verwaltungsakte zur Ausführung des vorerwähnten Gesetzes vom 28. Juni 2015 zu erlassen?

      c)      Kann die Stromversorgungssicherheit des Landes einen zwingenden Grund des öffentlichen Interesses darstellen, der es ermöglichen würde, von der Anwendung der Art. 2 bis 6 des Übereinkommens von Espoo abzuweichen und/oder ihre Anwendung auszusetzen?

4)      Ist Art. 2 Nr. 2 des Übereinkommens von Aarhus „über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten“ dahin auszulegen, dass er Gesetzgebungsakte wie das Gesetz vom 28. Juni 2015 „zur Abänderung des Gesetzes vom 31. Januar 2003 über den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie für industrielle Stromerzeugung im Hinblick auf die Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit“ vom Anwendungsbereich dieses Übereinkommens ausschließt, gegebenenfalls in Anbetracht der verschiedenen Studien und Anhörungen, die im Rahmen der Annahme dieses Gesetzes durchgeführt wurden?

5)      a)      Sind die Art. 2 und 6 in Verbindung mit Anhang I Nr. 1 des Übereinkommens von Aarhus, insbesondere in Anbetracht der „Maastricht Recommendations on Promoting Effective Public Participation in Decision-making in Environmental Matters“ (Maastrichter Empfehlungen zur Förderung der effektiven Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren in Umweltangelegenheiten) hinsichtlich eines mehrstufigen Entscheidungsverfahrens, dahin auszulegen, dass sie vor der Annahme eines Gesetzgebungsaktes wie des Gesetzes vom 28. Juni 2015 „zur Abänderung des Gesetzes vom 31. Januar 2003 über den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie für industrielle Stromerzeugung im Hinblick auf die Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit“, dessen Art. 2 das Datum der Deaktivierung und des Endes der industriellen Stromerzeugung der Kernkraftwerke Doel 1 und Doel 2 aufschiebt, anwendbar sind?

      b)      Ist die Antwort auf die in Buchst. a enthaltene Frage unterschiedlich je nachdem, ob sie sich auf das Kernkraftwerk Doel 1 oder auf das Kernkraftwerk Doel 2 bezieht, in Anbetracht der Notwendigkeit, für das erstgenannte Kernkraftwerk Verwaltungsakte zur Ausführung des vorerwähnten Gesetzes vom 28. Juni 2015 zu erlassen?

      c)      Kann die Stromversorgungssicherheit des Landes einen zwingenden Grund des öffentlichen Interesses darstellen, der es ermöglichen würde, von der Anwendung der Art. 2 und 6 des Übereinkommens von Aarhus abzuweichen und/oder ihre Anwendung auszusetzen?

6)      a)      Ist Art. 1 Abs. 2 in Verbindung mit Anhang II Nr. 13 Buchst. a der UVP-Richtlinie, gegebenenfalls im Licht der Übereinkommen von Espoo und Aarhus gelesen, dahin auszulegen, dass er auf den Aufschub des Datums der Deaktivierung und des Endes der industriellen Stromerzeugung eines Kernkraftwerks, der – wie im vorliegenden Fall – beträchtliche Investitionen für die Kernkraftwerke Doel 1 und Doel 2 und das Nachrüsten bei der Sicherheit dieser Kernkraftwerke voraussetzt, anwendbar ist?

      b)      Sind die Art. 2 bis 8 und 11 und die Anhänge I, II und III der UVP-Richtlinie in dem Fall, dass die in Buchst. a enthaltene Frage bejahend beantwortet wird, dahin auszulegen, dass sie vor der Annahme eines Gesetzgebungsaktes wie des Gesetzes vom 28. Juni 2015 „zur Abänderung des Gesetzes vom 31. Januar 2003 über den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie für industrielle Stromerzeugung im Hinblick auf die Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit“, dessen Art. 2 das Datum der Deaktivierung und des Endes der industriellen Stromerzeugung der Kernkraftwerke Doel 1 und Doel 2 aufschiebt, anwendbar sind?

      c)      Ist die Antwort auf die in den Buchst. a und b enthaltenen Fragen unterschiedlich je nachdem, ob sie sich auf das Kernkraftwerk Doel 1 oder auf das Kernkraftwerk Doel 2 bezieht, in Anbetracht der Notwendigkeit, für das erstgenannte Kernkraftwerk Verwaltungsakte zur Ausführung des vorerwähnten Gesetzes vom 28. Juni 2015 zu erlassen?

      d)      Ist Art. 2 Abs. 4 der UVP-Richtlinie in dem Fall, dass die in Buchst. a enthaltene Frage bejahend beantwortet wird, dahin auszulegen, dass er es ermöglicht, den Aufschub der Deaktivierung eines Kernkraftwerks aus zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses, die mit der Stromversorgungssicherheit des Landes zusammenhängen, von der Anwendung der Art 2 bis 8 und 11 der UVP-Richtlinie auszunehmen?

7)      Ist der Begriff „besonderer Gesetzgebungsakt“ im Sinne von Art. 1 Abs. 4 der UVP-Richtlinie dahin auszulegen, dass er einen Gesetzgebungsakt wie das Gesetz vom 28. Juni 2015 „zur Abänderung des Gesetzes vom 31. Januar 2003 über den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie für industrielle Stromerzeugung im Hinblick auf die Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit“ vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausschließt, insbesondere in Anbetracht der verschiedenen Studien und Anhörungen, die im Rahmen der Annahme dieses Gesetzes durchgeführt wurden und die Zielsetzungen der vorerwähnten Richtlinie verwirklichen könnten?

8)      a)      Ist Art. 6 der Habitatrichtlinie, in Verbindung mit den Art. 3 und 4 der Vogelschutzrichtlinie, gegebenenfalls im Licht der UVP-Richtlinie sowie im Licht der Übereinkommen von Espoo und Aarhus gelesen, dahin auszulegen, dass er auf den Aufschub des Datums der Deaktivierung und des Endes der industriellen Stromerzeugung eines Kernkraftwerks, der – wie im vorliegenden Fall – beträchtliche Investitionen für die Kernkraftwerke Doel 1 und Doel 2 und das Nachrüsten bei der Sicherheit dieser Kernkraftwerke voraussetzt, anwendbar ist?

      b)      Ist Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie in dem Fall, dass die in Buchst. a enthaltene Frage bejahend beantwortet wird, dahin auszulegen, dass er vor der Annahme eines Gesetzgebungsaktes wie des Gesetzes vom 28. Juni 2015 „zur Abänderung des Gesetzes vom 31. Januar 2003 über den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie für industrielle Stromerzeugung im Hinblick auf die Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit“, dessen Art. 2 das Datum der Deaktivierung und des Endes der industriellen Stromerzeugung der Kernkraftwerke Doel 1 und Doel 2 aufschiebt, anwendbar ist?

      c)      Ist die Antwort auf die in den Buchst. a und b enthaltenen Fragen unterschiedlich je nachdem, ob sie sich auf das Kernkraftwerk Doel 1 oder auf das Kernkraftwerk Doel 2 bezieht, in Anbetracht der Notwendigkeit, für das erstgenannte Kernkraftwerk Verwaltungsakte zur Ausführung des vorerwähnten Gesetzes vom 28. Juni 2015 zu erlassen?

      d)      Ist Art. 6 Abs. 4 der Habitatrichtlinie in dem Fall, dass die in Buchst. a enthaltene Frage bejahend beantwortet wird, dahin auszulegen, dass er es ermöglicht, mit der Stromversorgungssicherheit des Landes zusammenhängende Gründe als zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses zu betrachten, insbesondere in Anbetracht der verschiedenen Studien und Anhörungen, die im Rahmen der Annahme des vorerwähnten Gesetzes durchgeführt wurden und die Zielsetzungen der vorerwähnten Richtlinie verwirklichen könnten?

9)      Könnte der einzelstaatliche Richter in dem Fall, dass er aufgrund der auf die vorstehenden Vorabentscheidungsfragen erteilten Antworten zu der Schlussfolgerung gelangen würde, dass das angefochtene Gesetz gegen eine der aus den vorerwähnten Übereinkommen oder Richtlinien sich ergebenden Verpflichtungen verstößt, ohne dass die Stromversorgungssicherheit des Landes einen zwingenden Grund des öffentlichen Interesses darstellen könnte, wodurch von diesen Verpflichtungen abgewichen werden könnte, die Folgen des Gesetzes vom 28. Juni 2015 aufrechterhalten, um Rechtsunsicherheit zu vermeiden und es zu ermöglichen, dass die aus den vorerwähnten Übereinkommen oder Richtlinien sich ergebenden Verpflichtungen zur Umweltverträglichkeitsprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung eingehalten werden?

38.      Schriftlich haben sich die Inter-Environnement Wallonie ASBL und die Bond Beter Leefmilieu Vlaanderen vzw sowie die Electrabel S. A., als Beteiligte des Ausgangsverfahrens, das Königreich Belgien, die Republik Österreich, Deutschland, die Portugiesische Republik, die Republik Finnland, die Tschechische Republik, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland sowie die Europäische Kommission geäußert. Bis auf das Vereinigte Königreich nahmen diese Parteien auch an der mündlichen Verhandlung vom 10. September 2018 teil.

V.      Rechtliche Würdigung

39.      Die Fragen des Verfassungsgerichtshofs sind auf die Auslegung von zwei völkerrechtlichen Übereinkommen der Union und zwei Richtlinien des Unionsrechts im Hinblick auf jeweils ähnliche Rechtsfragen gerichtet, nämlich darauf, ob die Verlängerung des Zeitraums der Stromerzeugung in einem Kernkraftwerk (dazu unter C und D) durch einen Gesetzgebungsakt (dazu unter B) als Projekt einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf sowie ob von etwaigen Verpflichtungen zur Umweltverträglichkeitsprüfung abgewichen werden darf (dazu unter E). Ich werde diese Rechtsfragen jeweils zunächst aus der Perspektive der UVP-Richtlinie untersuchen, um anschließend zu prüfen, inwieweit die beiden Übereinkommen das Ergebnis beeinflussen. Die Fragen zur Habitatrichtlinie verdienen jedoch eine gesonderte Betrachtung (dazu unter F). Da die Beantwortung der Fragen indiziert, dass mit großer Wahrscheinlichkeit ein Verfahrensfehler vorliegt, werde ich abschließend erörtern, inwieweit es möglich ist, die Wirkungen einer Maßnahme aufrechtzuerhalten, die unter Verletzung von Regelungen über die Umweltverträglichkeitsprüfung erlassen wurde (dazu unter G). Zunächst ist allerdings darauf einzugehen, ob der EAG-Vertrag einer Anwendung des Unionsrechts im Ausgangsfall entgegensteht (dazu unter A).

A.      Zur Anwendbarkeit des Unionsrechts auf die Kernenergie

40.      Alle Rechtsakte, die Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens sind, wurden auf die jeweils bestehenden Umweltkompetenzen gestützt, die heute in Art. 192 AEUV niedergelegt sind, sowie im Fall der Übereinkommen auf die jeweils zeitlich geltende verfahrensrechtliche Bestimmung zur Ausübung der Außenkompetenzen.

41.      Allerdings beeinträchtigen nach Art. 106a Abs. 3 EA die Vorschriften des AEU-Vertrags die Vorschriften des EAG-Vertrags nicht.(13) Daher ist zunächst zu prüfen, ob die Anwendung der beiden Übereinkommen oder der beiden Richtlinien auf die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung von Kernkraftwerken zu einer solchen Beeinträchtigung führen könnte.

42.      Eine Beeinträchtigung ist jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn die fraglichen Bestimmungen des Unionsrechts Fragen betreffen, die im EAG-Vertrag oder auf seiner Grundlage nicht geregelt sind.(14)

43.      Insoweit kommen insbesondere die Bestimmungen des Titels II Kapitel 3 EA über den Gesundheitsschutz im Kernenergiesektor in Betracht. Sie sind weit auszulegen, um ihnen praktische Wirksamkeit zu verleihen.(15) Die Erteilung behördlicher Genehmigungen für den Bau und den Betrieb von Kernkraftanlagen fällt daher in den Anwendungsbereich des EAG-Vertrags, soweit es um den Schutz der Gesundheit vor den Gefahren geht, die sich für die Bevölkerung aus ionisierenden Strahlungen ergeben.(16)

44.      Insofern ist zunächst zu bemerken, dass dieser Anwendungsbereich des EAG-Vertrags in Bezug auf den Schutz der Bevölkerung der Anwendung der Habitatrichtlinie nicht entgegenstehen kann. Denn diese zielt nicht auf den Schutz der Bevölkerung ab, sondern auf den Schutz natürlicher Lebensräume und wildlebender Arten.

45.      Aber auch in Bezug auf die Umweltverträglichkeitsprüfung, wie sie in der UVP-Richtlinie sowie den Übereinkommen von Espoo und Aarhus geregelt wird, wurden auf der Grundlage der Bestimmungen des EAG-Vertrags keine entsprechenden Regelungen erlassen. Darüber hinaus sind die dort vorgesehenen Umweltverträglichkeitsprüfungen nicht auf den Schutz der Bevölkerung gegenüber ionisierenden Strahlen beschränkt, sondern haben alle erheblichen Umweltauswirkungen zum Gegenstand, die von den jeweiligen Vorhaben ausgehen könnten.

46.      Im Übrigen ging offensichtlich auch der Unionsgesetzgeber davon aus, dass den Übereinkommen und der UVP-Richtlinie der EAG-Vertrag nicht entgegensteht, denn die Regelungen sehen ausdrücklich die Prüfung der Umweltauswirkungen von Kernkraftwerken vor,(17) sind aber nicht ergänzend auf den EAG-Vertrag gestützt.

47.      Belgien legt zwar dar, dass die Anwendung des Unionsrechts auch den Zielen des EAG-Vertrags nicht widersprechen darf, insbesondere nicht dem Ziel der Versorgungssicherheit nach Art. 2 Buchst. d EA, doch dort geht es um die Versorgung mit Erzen und Kernbrennstoffen. Dass diese durch eine Umweltverträglichkeitsprüfung oder eine Öffentlichkeitsbeteiligung berührt würde, ist nicht ersichtlich.

48.      Somit vertreten die übrigen Beteiligten und der Verfassungsgerichtshof zu Recht übereinstimmend die Auffassung, dass der EAG-Vertrag einer Anwendung der streitgegenständlichen Übereinkommen und Richtlinien nicht entgegensteht.

B.      Gesetzgebungsakte in der Umweltverträglichkeitsprüfung

49.      Die Fragen 2, 4 und 7 des Vorabentscheidungsersuchens betreffen den Umstand, dass der Zeitraum der industriellen Stromerzeugung der Kernkraftwerke Doel 1 und 2 durch eine gesetzliche Maßnahme verlängert wurde. Daher fragt der Verfassungsgerichtshof, ob eine gesetzliche Maßnahme nach den Übereinkommen von Espoo und Aarhus sowie der UVP-Richtlinie einer Prüfung der Umweltauswirkungen bedarf.

50.      Nach Art. 1 Abs. 4 der UVP-Richtlinie gilt sie nicht für Projekte, die im Einzelnen durch einen besonderen einzelstaatlichen Gesetzgebungsakt genehmigt werden, da die mit dieser Richtlinie verfolgten Ziele, einschließlich desjenigen der Bereitstellung von Informationen, im Wege des Gesetzgebungsverfahrens erreicht werden.

51.      Dagegen sind vom Übereinkommen von Espoo Gesetzgebungsakte nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Art. 2 Nr. 2 des Übereinkommens von Aarhus enthält zwar einen Vorbehalt für die Gesetzgebung. Doch dieser ist dahin gehend formuliert, dass nur Gremien und Einrichtungen ausgeschlossen sind, die in gesetzgebender Eigenschaft handeln.

52.      Man könnte daher beide Übereinkommen dahin gehend verstehen, dass sie auch Akte des Gesetzgebers erfassen, wenn dieser nicht wie ein Gesetzgeber, also in gesetzgebender Eigenschaft, sondern wie eine Verwaltungsbehörde gehandelt hat, die ein Projekt genehmigt.(18)

53.      Auf den ersten Blick erschiene ein solcher, gegenüber der UVP-Richtlinie erweiterter Anwendungsbereich der Umweltprüfung vorzugswürdig, weil andernfalls ein Umgehungsrisiko bestehen könnte, das sich gerade bei großen Vorhaben verwirklichen könnte, die die Umwelt besonders stark beeinträchtigen würden.

54.      Eine solche Umgehung könnte nicht nur die beiden Übereinkommen verletzen, sondern auch eine allgemeine völkerrechtliche Pflicht zur Umweltprüfung. Denn nach dem Internationalen Gerichtshof (IGH) sind alle Staaten verpflichtet, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn die Gefahr besteht, dass eine geplante oder vorgeschlagene Tätigkeit in einem grenzüberschreitenden Kontext erhebliche nachteilige Auswirkungen haben könnte.(19) Und die Staaten können sich nach einem allgemeinen Grundsatz des Völkerrechts, der etwa in den Art. 27 und 46 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge(20) seinen Ausdruck findet, nicht auf ihre innerstaatliche Rechtsordnung, einschließlich ihrer internen Kompetenzverteilung, berufen, um die Verletzung völkerrechtlicher Pflichten zu rechtfertigen. Im Unionsrecht gelten insoweit die gleichen Prinzipien.(21) Dementsprechend schließt mittlerweile auch die neu formulierte Ausnahme für besondere einzelstaatliche Gesetzgebungsakte in Art. 2 Abs. 5 der im Ausgangsverfahren noch nicht anwendbaren Fassung der UVP-Richtlinie durch die Richtlinie 2014/52/EU(22) eine Anwendung auf die grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung nach Art. 7 aus.

55.      Letztlich muss der Gerichtshof allerdings vorliegend nicht entscheiden, welche Konsequenzen dieser vordergründig bestehende Widerspruch zwischen Art. 1 Abs. 4 der UVP-Richtlinie sowie den Übereinkommen von Espoo und Aarhus hat. Denn seine Auslegung von Art. 1 Abs. 4 verhindert im Ergebnis eine Verletzung der Übereinkommen.

56.      Er hat zu Art. 1 Abs. 4 der UVP-Richtlinie entschieden, dass sie Projekte nur vom Prüfungsverfahren freistellt, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens muss das Projekt im Einzelnen durch ein besonderes Gesetz genehmigt werden; zweitens müssen die Ziele der Richtlinie einschließlich des Zieles der Bereitstellung von Informationen im Wege des Gesetzgebungsverfahrens erreicht werden.(23)

57.      Die erste Voraussetzung impliziert, dass der Gesetzgebungsakt die gleichen Merkmale wie eine Genehmigung im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der UVP-Richtlinie aufweist.(24) Soweit das Vorabentscheidungsersuchen diesen Punkt betrifft, werde ich darauf im Zusammenhang mit der Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung eingehen.(25)

58.      Die zweite Voraussetzung impliziert, dass die Ziele der UVP-Richtlinie im Wege des Gesetzgebungsverfahrens erreicht werden. Art. 2 Abs. 1 ist insoweit zu entnehmen, dass das wesentliche Ziel dieser Richtlinie darin besteht, zu gewährleisten, dass Projekte, bei denen insbesondere aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standorts mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, „vor Erteilung der Genehmigung“ einer Prüfung in Bezug auf ihre Umweltauswirkungen unterzogen werden.(26)

59.      Folglich muss der Gesetzgeber zum Zeitpunkt der Genehmigung des Projekts über ausreichende Angaben verfügen. Dabei umfassen die Angaben, die der Projektträger mindestens vorzulegen hat, eine Beschreibung des Projekts nach Standort, Art und Umfang, eine Beschreibung der Maßnahmen, mit denen bedeutende nachteilige Auswirkungen vermieden, eingeschränkt und soweit möglich ausgeglichen werden sollen, sowie die notwendigen Angaben zur Feststellung und Beurteilung der Hauptwirkungen, die das Projekt voraussichtlich für die Umwelt haben wird.(27)

60.      Über die Bereitstellung von Informationen hinaus muss im Gesetzgebungsverfahren auch eine ausreichende Öffentlichkeitsbeteiligung gewährleistet werden. Denn wie die Erwägungsgründe 16, 17 und 19 zeigen, ist auch diese ein wesentliches Ziel der UVP-Richtlinie. Und dies schließt notwendigerweise auch die grenzüberschreitende Öffentlichkeitsbeteiligung ein, da die Richtlinie nach dem 15. Erwägungsgrund die Umsetzung des Übereinkommens von Espoo gewährleisten soll.

61.      Somit sollten die Anforderungen der beiden Übereinkommen erfüllt sein, wenn beim Erlass eines Gesetzgebungsakts die Ziele der UVP-Richtlinie verwirklicht werden.

62.      Auf die Fragen 2, 4 und 7 des Vorabentscheidungsersuchens ist daher zu antworten, dass nach Art. 1 Abs. 4 der UVP-Richtlinie vom Geltungsbereich dieser Richtlinie nur Projekte ausgeschlossen sind, die im Einzelnen durch einen besonderen Gesetzgebungsakt genehmigt worden sind, so dass die Ziele dieser Richtlinie durch das Gesetzgebungsverfahren erreicht wurden. Es ist Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung sowohl des Inhalts des erlassenen Gesetzgebungsakts als auch des gesamten Gesetzgebungsverfahrens, das zu seinem Erlass geführt hat, und insbesondere der vorbereitenden Arbeiten und der parlamentarischen Debatten zu prüfen, ob der Gesetzgebungsakt einer Projektgenehmigung gleichsteht und ob die Ziele der Richtlinie im Gesetzgebungsverfahren erreicht werden.(28)

C.      Zur Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung

63.      Die Ziele der UVP-Richtlinie bzw. der Übereinkommen von Espoo und Aarhus müssen allerdings nur erfüllt werden, soweit die fragliche Maßnahme in den jeweiligen Anwendungsbereich fällt. Vor diesem Hintergrund möchte der Verfassungsgerichtshof mit den Fragen 1, 3 Buchst. a und 5 Buchst. a sowie der ersten Teilfrage von Frage 6 Buchst. a erfahren, ob die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung in den beiden Kernkraftwerken als ein Projekt anzusehen ist.

1.      Projektbegriff der UVP-Richtlinie

64.      So soll die erste Teilfrage der Frage 6 Buchst. a klären, ob die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung von Kernkraftwerken ein Projekt im Sinne der UVP-Richtlinie ist.

65.      Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der UVP-Richtlinie definiert als Projekt „die Errichtung von baulichen oder sonstigen Anlagen“ (erster Spiegelstrich) sowie „sonstige Eingriffe in Natur und Landschaft einschließlich derjenigen zum Abbau von Bodenschätzen“ (zweiter Spiegelstrich).

66.      Der Gerichtshof hat dazu entschieden, dass der Begriff „Projekt“ Arbeiten oder Eingriffe zur Änderung des materiellen Zustands eines Platzes umfasst.(29) Somit kann die bloße Verlängerung einer bestehenden Genehmigung zum Betrieb eines Projekts, die nicht mit Arbeiten oder Eingriffen zur Änderung des materiellen Zustands des Platzes verbunden ist, nicht als Projekt im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der UVP-Richtlinie eingestuft werden.(30)

67.      Zwar bietet sich diese Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der UVP-Richtlinie auf der Grundlage des Wortlauts dieser Bestimmung an, doch sie entspricht nicht den Übereinkommen von Espoo und Aarhus.

2.      Projektbegriff des Übereinkommens von Espoo

68.      Der Projektbegriff des Übereinkommens von Espoo wird zwar in den Fragen des Verfassungsgerichtshofs nicht ausdrücklich angesprochen, doch sowohl Frage 1 als auch Frage 3 Buchst. a beziehen sich letztlich darauf. Insbesondere geht Frage 1 nicht dahin, ob die beiden dort genannten Dokumente verbindlich sind – diesen Anspruch erheben sie gar nicht. Vielmehr soll diese Frage klären, ob die darin zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung zutrifft, dass die Verlängerung der Genehmigung eines Kernkraftwerks ein Projekt ist. Und dies ist letztlich auch der Kern von Frage 3 Buchst. a.

a)      Auslegungsbefugnis des Gerichtshofs

69.      Eine Auseinandersetzung mit dem Projektbegriff des Übereinkommens von Espoo setzt zunächst voraus, dass der Gerichtshof überhaupt berechtigt ist, das Übereinkommen auszulegen.

70.      Da die damalige Europäische Gemeinschaft das Übereinkommen von Espoo genehmigt hat, sind seine Vorschriften gemäß Art. 216 Abs. 2 AEUV nunmehr integraler Bestandteil der Unionsrechtsordnung.(31)

71.      Zwar wurde das Übereinkommen von der Gemeinschaft und allen ihren Mitgliedstaaten aufgrund einer geteilten Zuständigkeit geschlossen,(32) doch ist der Gerichtshof, wenn er gemäß Art. 267 AEUV angerufen wird, dafür zuständig, die von der Union übernommenen Verpflichtungen von denjenigen abzugrenzen, für die allein die Mitgliedstaaten verantwortlich bleiben, und (zu diesem Zweck) die Vorschriften des Übereinkommens auszulegen.(33) Kommt er zu dem Ergebnis, dass die jeweilige Bestimmung zu den von der Union übernommenen Verpflichtungen zählt, so fällt ihre Auslegung auch darüber hinaus in seine Zuständigkeit.

72.      Das Übereinkommen von Espoo sieht für die Genehmigung bestimmter Tätigkeiten eine grenzüberschreitende Öffentlichkeitsbeteiligung mit Prüfung von Umweltauswirkungen vor. Diese Bestimmungen wurden zum größten Teil durch die UVP-Richtlinie umgesetzt, insbesondere durch Art. 7, so dass sie einen weitgehend vom Unionsrecht erfassten Bereich betreffen. Schon aus diesem Grund ist der Gerichtshof zumindest für die Auslegung der Bestimmungen des Übereinkommens zuständig, die diese Umweltprüfung betreffen.(34)

73.      Selbst wenn man annehmen würde, dass bestimmte Projekte in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, besteht im Übrigen ein klares Interesse daran, dass eine unionsrechtliche Vorschrift, die sowohl auf Sachverhalte, die dem innerstaatlichen Recht unterliegen, als auch auf Sachverhalte, die dem Unionsrecht unterliegen, Anwendung finden kann, einheitlich ausgelegt wird, um in der Zukunft voneinander abweichende Auslegungen in Bezug darauf zu verhindern, unter welchen Voraussetzungen sie angewandt werden soll.(35)

74.      Also ist der Gerichtshof befugt, das Übereinkommen im Hinblick auf die Umweltprüfung auszulegen.

b)      Projektbegriff des Übereinkommens von Espoo

75.      Nach Art. 1 Abs. 5 des Übereinkommens von Espoo umfasst der Begriff des „geplanten Projekts“ jedes Projekt oder jede größere Änderung eines Projekts. Diese Definition ist im Hinblick auf den Begriff des Projekts als solchem offensichtlich zirkulär, denn im Unterschied zur UVP-Richtlinie fehlt eine Definition, die die notwendigen Handlungen näher umschreiben würde.

76.      Allerdings kann man die in Anhang I des Übereinkommens von Espoo genannten, konkreten Projekte heranziehen, um den Projektbegriff näher zu bestimmen.(36) Nur diese Projekte fallen in den Anwendungsbereich des Übereinkommens und können eine Verpflichtung zur Umweltprüfung auslösen.

77.      So gibt es einige Projekttypen, die durch bestimmte Handlungen charakterisiert werden, etwa die Abholzung großer Flächen (Anhang I Nr. 17 des Übereinkommens von Espoo) oder den Bau von Autobahnen, Kraftfahrstraßen, Eisenbahn-Fernstrecken sowie von bestimmten Flugplätzen (Nr. 7). Die überwiegende Zahl der Projekttypen umfasst dagegen bestimmte Anlagenarten oder Einrichtungen als solche, etwa Erdölraffinerien (Nr. 1), größere Anlagen für das Erschmelzen von Gusseisen und Stahl und für die Erzeugung von Nichteisenmetallen (Nr. 4) oder integrierte chemische Anlagen (Nr. 6).

78.      Kernkraftwerke (Anhang I Nr. 2 des Übereinkommens von Espoo) fallen in diese zweite Kategorie. Daraus hat der Anwendungsausschuss des Übereinkommens von Espoo zu Recht geschlossen, dass nicht nur der Bau und der erstmalige Betrieb eines Kernreaktors, sondern auch der weitere Betrieb über die ursprünglich genehmigte Lebensdauer eines Kernreaktors hinaus ein Projekt ist. Denn durch diesen Betrieb können erhebliche negative grenzüberschreitende Auswirkungen entstehen.(37) Demnach stellt auch die Verlängerung einer Genehmigung eines Kernkraftwerks ein Projekt dar.

79.      Belgien trägt zwar vor, dass die Betriebsgenehmigung der streitgegenständlichen Kernkraftwerke nicht befristet ist. Lediglich der Zeitraum der industriellen Stromerzeugung sei verlängert worden.

80.      Der Betrieb eines Kernkraftwerks ist jedoch kein Selbstzweck. Vielmehr rechtfertigt sie sich nur durch die Stromerzeugung. Ohne die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung der Kernkraftwerke Doel 1 und 2 hätte dort die Stromerzeugung nicht wieder aufgenommen werden dürfen bzw. eingestellt werden müssen. Das Kraftwerk Doel 1 wurde aus diesem Grund sogar vorübergehend stillgelegt, bis das Gesetz in Kraft trat. Daher ist die Lage durchaus mit dem Fall vergleichbar, den der Anwendungsausschuss beurteilt hat.(38)

81.      Gewichtiger ist der Einwand der Tschechischen Republik, dass nach den bisherigen Überlegungen die erneute Prüfung der Umweltverträglichkeit eines bereits genehmigten Kernkraftwerks nur davon abhängen würde, ob der betreffende Staat die Genehmigung befristet hat.

82.      Dieser Einwand ändert allerdings nichts daran, dass die Verlängerung einer Genehmigung erhebliche Umweltauswirkungen zur Folge haben kann und es daher nicht nur dem Wortlaut, sondern auch den Zielen des Übereinkommens von Espoo entspricht, eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorzunehmen.

83.      Zwar wäre es im Prinzip auch bei unbefristet genehmigten Kernkraftwerken und ähnlichen Anlagen sinnvoll, in regelmäßigen Abständen nach Anhörung der Öffentlichkeit darüber zu entscheiden, ob es im Licht ihrer Umweltauswirkungen gerechtfertigt ist, sie weiter zu betreiben. Der Umstand, dass dies im Übereinkommen von Espoo nicht vorgesehen ist, rechtfertigt es aber nicht, tatsächlich notwendige Entscheidungen über den weiteren Betrieb aus dem Anwendungsbereich des Übereinkommens auszuschließen.

84.      Im Übrigen wird sich im Zusammenhang mit dem Übereinkommen von Aarhus zeigen, dass auch die in anderen Rechtsakten vorgesehene Überprüfung der Genehmigung von Kernkraftwerken eine Verpflichtung zur Öffentlichkeitsbeteiligung mit Prüfung der Umweltauswirkungen auslösen kann.(39)

85.       Allerdings ist anzumerken, dass die Zuordnung einer Tätigkeit zu einem Projekt im Sinne von Art. 1 Nr. 5 und Anhang I des Übereinkommens von Espoo im Unterschied zu Projekten nach Art. 4 Abs. 1 und Anhang I der UVP-Richtlinie nicht zwangsläufig eine Umweltverträglichkeitsprüfung erfordert. Denn im Rahmen von Art. 2 Abs. 3 des Übereinkommens von Espoo wird nicht unwiderlegbar vermutet, dass ein Projekt nach Anhang I erhebliche, grenzüberschreitende nachteilige Umweltauswirkungen haben würde und somit einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf. Dies unterstreicht insbesondere Art. 3 Abs. 7 des Übereinkommens, der für Streitfälle ein zwischenstaatliches Verfahren vorsieht, um festzustellen, ob derartige Auswirkungen wahrscheinlich sind.

86.      Dafür, dass die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung eines Kernkraftwerks erhebliche, grenzüberschreitende nachteilige Umweltauswirkungen haben könnte, spricht aber u. a., dass sowohl das Risiko eines schwerwiegenden Unfalls als auch die Menge des erzeugten Abfalls bei einer Verlängerung des Betriebs eines Kernkraftwerks entsprechend zunehmen. Unterbleiben Ertüchtigungsmaßnahmen, ist zudem zu befürchten, dass die Unfallrisiken wegen der Abnutzung der Einrichtung überproportional wachsen. Daher kann die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung von Kernkraftwerken erhebliche, grenzüberschreitende nachteilige Umweltauswirkungen haben, die eine Umweltverträglichkeitsprüfung rechtfertigen. In Bezug auf den Ausgangsfall ist außerdem daran zu erinnern, dass die Kraftwerke sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Niederlanden befinden und weitere Mitgliedstaaten bei einem schweren Unfall wahrscheinlich auch betroffen wären.

87.      Eine Prüfung der Umweltauswirkungen aus Anlass einer Verlängerung des Zeitraums der Stromerzeugung ist im Übrigen auch deshalb sinnvoll, weil während des langjährigen Betriebs eines Kraftwerks üblicherweise neue wissenschaftliche Erkenntnisse über die damit verbundenen Risiken gewonnen werden, die bisher noch nicht berücksichtigt werden konnten(40). Und wie Portugal vorträgt, wurde gerade bei vielen älteren Anlagen noch nie eine Prüfung der Umweltauswirkungen mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt.

88.      Dagegen dürften Verlängerungen der Nutzung von Kernkraftwerken um sehr kurze Zeiträume in der Regel keine Umweltverträglichkeitsprüfung erfordern. Denn solche Verlängerungen sind typischerweise nicht geeignet, erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen zu verursachen. Der Gerichtshof muss allerdings nicht entscheiden, wo genau die Grenze zu ziehen ist, da die Verlängerung um zehn Jahre in jedem Fall ausreicht, um das Risiko solcher Umweltauswirkungen zu begründen.

89.      Somit ist auf die Fragen 1 und 3 Buchst. a zu antworten, dass die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung um zehn Jahre ein Projekt im Sinne von Art. 1 Nr. 5 und Anhang I Nr. 2 des Übereinkommens von Espoo ist, das gemäß Art. 2 Abs. 3 einer grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf, weil es erhebliche, grenzüberschreitende nachteilige Umweltauswirkungen verursachen kann.

3.      Projektbegriff des Übereinkommens von Aarhus

90.      Frage 5 Buchst. a betrifft die Anwendung von Art. 6 des Übereinkommens von Aarhus, der Regelungen über die Öffentlichkeitsbeteiligung mit Prüfung der Umweltauswirkungen, auf die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung in einem Kernkraftwerk.

a)      Verlängerung als „Projekt“

91.      Art. 6 Abs. 1 Buchst. a des Übereinkommens von Aarhus sieht vor, dass Art. 6 auf Entscheidungen darüber anzuwenden ist, ob die in Anhang I aufgeführten geplanten Tätigkeiten zugelassen werden. Dabei entspricht der Begriff der „Tätigkeit“ dem in der UVP-Richtlinie verwendeten Begriff des „Projekts“.

92.      In Anhang I Nr. 1 fünfter Spiegelstrich des Übereinkommens von Aarhus werden „Kernkraftwerke“ genannt und in Bezug auf die kommerzielle Nutzung wird kein Schwellenwert festgelegt. Anders als beim Übereinkommen von Espoo bedarf es keiner Prüfung, ob ein solches Projekt im Einzelfall erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen hat.

93.      Das streitgegenständliche Gesetz hat die Stromerzeugung in den beiden Kernkraftwerken für weitere zehn Jahre genehmigt. Wie Belgien und Electrabel hervorheben, verfügen die Kraftwerke daneben über eine unbefristete Betriebsgenehmigung, die von der zeitlichen Begrenzung der Stromerzeugung nicht in Frage gestellt wurde. Wie allerdings bereits im Zusammenhang mit dem Übereinkommen von Espoo dargelegt,(41) ist die Stromerzeugung der Grund für den Betrieb von Kernkraftwerken. Daher ist die Zulassung der Stromerzeugung in einem Kernkraftwerk auch als Zulassung der Tätigkeit „Kernkraftwerke“ nach Anhang I Nr. 1 fünfter Spiegelstrich des Übereinkommens von Aarhus anzusehen.

94.      Was den Umstand angeht, dass es sich um die Verlängerung einer bestehenden Genehmigung handelt, so ist Art. 6 Abs. 1 Buchst. a des Übereinkommens von Aarhus nicht auf die erstmalige Zulassung einer Tätigkeit beschränkt. Daher erfasst diese Bestimmung grundsätzlich auch die erneute Zulassung einer Tätigkeit.

95.      Zwar enthält das Übereinkommen von Aarhus besondere Regelungen für die Überprüfung (Art. 6 Abs. 10) und Änderung (Anhang I Nr. 22) von Genehmigungen. Doch wie ich nachfolgend darlegen werde, gehen diese Bestimmungen einer Anwendung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. a und Anhang I Nr. 1 fünfter Spiegelstrich auf die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung nicht vor.

b)      Überprüfung von Genehmigungen als „Projekt“

96.      Art. 6 Abs. 10 des Übereinkommens von Aarhus könnte auf den ersten Blick gegenüber Art. 6 Abs. 1 Buchst. a lex specialis sein. Danach stellt jede Vertragspartei sicher, dass bei einer durch eine Behörde vorgenommenen Überprüfung oder Aktualisierung der Betriebsbedingungen für eine in Abs. 1 genannte Tätigkeit die Abs. 2 bis 9 sinngemäß, und soweit dies angemessen ist, Anwendung finden. In diesen Absätzen sind die Einzelheiten der Öffentlichkeitsbeteiligung mit Prüfung der Umweltauswirkungen geregelt.

97.      Zwar war die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung mit einer Überprüfung und Aktualisierung der Betriebsbedingungen verbunden, nämlich mit den vereinbarten Ertüchtigungsmaßnahmen. Daher könnte auch schon aus diesem Grund eine Öffentlichkeitsbeteiligung mit Prüfung der Umweltauswirkungen nötig sein.(42)

98.      Doch eine Überprüfung oder Aktualisierung der Genehmigung von Kernkraftwerken ist letztlich kein besonderer Fall der Genehmigung eines Kernkraftwerks im Wege der Verlängerung des Zeitraums der Stromerzeugung. Art. 6 Abs. 10 des Übereinkommens von Aarhus ist daher gegenüber Art. 6 Abs. 1 Buchst. a keine lex specialis.

99.      Diese mögliche Verpflichtung zur Öffentlichkeitsbeteiligung mit Prüfung der Umweltauswirkungen aufgrund einer Überprüfung oder Aktualisierung der Genehmigung eines Kernkraftwerks entkräftet allerdings den Einwand der Tschechischen Republik, dass eine Anwendung des Projektbegriffs auf die Verlängerung von Genehmigungen widersprüchlich sei, weil unbefristet zugelassene Kernkraftwerke nicht darunter fielen.(43) Denn die in Art. 14 des Übereinkommens von Wien über nukleare Sicherheit(44) und Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2009/71/Euratom(45) vorgesehene regelmäßige Sicherheitsüberprüfung von Kernkraftwerken kann über Art. 6 Abs. 10 des Übereinkommens von Aarhus eine Öffentlichkeitsbeteiligung mit Prüfung der Umweltauswirkungen auslösen. Belgien legt im Übrigen dar, dass seine Behörden bei derartigen Überprüfungen eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchführen. Für andere größere Anlagen begründet die Richtlinie über Industrieemissionen(46) ebenfalls Überprüfungspflichten.

c)      Änderung oder Erweiterung als „Projekt“

100. In Anhang I Nr. 22 Satz 1 des Übereinkommens von Aarhus ist vorgesehen, dass jede Änderung oder Erweiterung von Tätigkeiten Art. 6 Abs. 1 Buchst. a unterliegt, wenn sie für sich betrachtet die Kriterien/Schwellenwerte in diesem Anhang erreicht. Auch darin könnte eine lex specialis gegenüber Art. 6 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Anhang I Nr. 1 fünfter Spiegelstrich liegen.

101. Die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung eines Kraftwerks wäre eine zeitliche Erweiterung dieser Tätigkeit und die vereinbarten Ertüchtigungsmaßnahmen fallen unter den Begriff der Änderung. Da für Kernkraftwerke zur kommerziellen Stromerzeugung keine Schwellenwerte vorgesehen sind, verlangt somit auch diese Regelung eine Öffentlichkeitsbeteiligung.(47)

102. Gleichwohl ist Anhang I Nr. 22 Satz 1 des Übereinkommens von Aarhus gegenüber Anhang I Nr. 1 fünfter Spiegelstrich für den Fall der Verlängerung des Zeitraums der Stromerzeugung nicht lex specialis. Denn die Verlängerung des Betriebs einer Anlage unterscheidet sich von einer „einfachen“ Änderung oder Erweiterung schon dadurch, dass ohne die Verlängerung die Tätigkeit eingestellt würde.

d)      Zwischenergebnis

103. Somit ist auf Frage 5 Buchst. a zu antworten, dass die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung von bestimmten Kernkraftwerken einerseits als Zulassung einer Tätigkeit im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. a und Anhang I Nr. 1 fünfter Spiegelstrich des Übereinkommens von Aarhus anzusehen ist und andererseits als Änderung und zeitliche Erweiterung des Betriebs von Kernkraftwerken im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. a und Anhang I Nr. 22 Satz 1 in Verbindung mit Nr. 1 fünfter Spiegelstrich.

4.      Widerspruch zwischen der bisherigen Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der UVP-Richtlinie und den beiden Übereinkommen

104. Folglich verlangen die Übereinkommen von Espoo und Aarhus eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung bzw. eine Öffentlichkeitsbeteiligung mit Prüfung der Umweltauswirkungen der Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung von bestimmten Kernkraftwerken. Die bisherige Auslegung der Projektdefinition des Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der UVP-Richtlinie schließt dagegen eine solche Maßnahme vom Anwendungsbereich der Richtlinie aus.

a)      Völkerrechtskonforme Auslegung des Projektbegriffs der UVP-Richtlinie

105. Da die UVP-Richtlinie die Übereinkommen in großen Teilen umsetzen soll,(48) ist es jedoch wünschenswert, sie in Übereinstimmung mit den Übereinkommen auszulegen.(49) Auch sind die Befugnisse der Union unter Beachtung des Völkerrechts auszuüben; infolgedessen hat die Auslegung des Sekundärrechts der Union grundsätzlich in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen zu erfolgen.(50)

106. Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der UVP-Richtlinie ließe Raum für eine Auslegung, die den Anforderungen der beiden Übereinkommen entspricht, denn man könnte die Verlängerung einer Genehmigung als einen sonstigen Eingriff in Natur und Landschaft ansehen.

107. Dass die bisherige Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der UVP-Richtlinie dem Gerichtshof nicht absolut zwingend erschien, zeigt sich im Übrigen auch daran, dass er es zumindest in dem ersten der beiden einschlägigen Urteile für nötig hielt, sein Ergebnis, dass die Richtlinie auf das fragliche Projekt nicht anwendbar sei, zusätzlich auf den einschlägigen Projekttyp des Anhangs I zu stützen. Dabei handelte es sich nämlich um den Bau von Flugplätzen nach Nr. 7 Buchst. a.(51) Die bloße Verlängerung einer Betriebsgenehmigung ohne bauliche Maßnahmen kann aber keinesfalls als Bau eines Flugplatzes angesehen werden. Der Projekttyp Kernkraftwerke ist dagegen nicht auf den Bau beschränkt.

108. Im Licht der zwischenstaatlichen Verpflichtung zur Prüfung von grenzüberschreitenden Umweltauswirkungen, die sowohl aus dem Übereinkommen von Espoo als auch aus der Rechtsprechung des IGH(52) folgt, erscheint es daher zwingend, zumindest die Verlängerung von Genehmigungen, die erhebliche, grenzüberschreitende nachteilige Auswirkungen im Sinne des Übereinkommens von Espoo zur Folge haben können, in den Projektbegriff der UVP-Richtlinie einzuschließen, wie dies Deutschland in der mündlichen Verhandlung vorgeschlagen hat.

109. Aber auch darüber hinaus gehend, also für rein inländische Fälle, entspricht die weiter reichende Auslegung des Projektbegriffs eher dem Zweck der UVP-Richtlinie sowie dem Übereinkommen von Aarhus, die Prüfung der Umweltauswirkungen von Projekten zu gewährleisten, bei denen u. a. aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standorts mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist. Dabei kann die Verlängerung des Betriebs einer Anlage selbstverständlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, nicht nur aufgrund des weiteren Betriebs, sondern auch wegen geänderter Umweltbedingungen in der Umgebung. Darüber hinaus können zum Zeitpunkt der Verlängerungsentscheidung neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen.

110. Schließlich ist daran zu erinnern, dass die Anerkennung der Verlängerung einer Genehmigung als Projekt noch nicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung verpflichtet. Denn nur die mit einem gewissen Risiko für die Umwelt verbundenen Projekttypen der Anhänge I und II unterliegen der Umweltverträglichkeitsprüfung nach der UVP-Richtlinie. Und nur in diesem Rahmen wäre zu erörtern, ob bestimmte Verlängerungen ausreichend gewichtig sind, um eine Prüfung zu rechtfertigen.

111. Somit ist auf die Fragen 1, 3 Buchst. a und 5 Buchst. a sowie die erste Teilfrage von Frage 6 Buchst. a zu antworten, dass der Begriff des Projekts nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der UVP-Richtlinie entgegen der bisherigen Rechtsprechung die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung eines Kernkraftwerks um zehn Jahre einschließt.

112. Bei diesem Ergebnis und der Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung könnte man daran denken, die Wirkung eines entsprechenden Urteils zu begrenzen, um Risiken für die Rechtssicherheit von Maßnahmen zu begrenzen, die im Vertrauen auf die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs ohne Umweltverträglichkeitsprüfung getroffen wurden.(53) Allerdings dürften nur sehr wenige Vorhaben dem Risiko einer Anfechtung wegen Verletzung der UVP-Richtlinie ausgesetzt sein, weil das Unionsrecht Anfechtungsfristen nicht ausschließt.(54) Darüber hinaus hätte man durch die beiden Übereinkommen und die Spruchpraxis der jeweiligen Überwachungsausschüsse durchaus Zweifel an dem Vertrauen in die Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickeln können. Daher halte ich es nicht für nötig, die Urteilswirkungen zu begrenzen.

b)      Zur unmittelbaren Wirkung der Übereinkommen von Espoo und Aarhus

113. Wenn der Gerichtshof allerdings an seiner Rechtsprechung zum Projektbegriff des Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der UVP-Richtlinie festhalten sollte, so stellt sich die Frage, ob zumindest in Bezug auf die Definition von Projekten, die einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen, die Übereinkommen von Espoo und Aarhus unmittelbare Wirkung entfalten.

114. Regelungen eines von der Union und ihren Mitgliedstaaten mit Drittstaaten geschlossenen Übereinkommens haben unmittelbare Wirkung, soweit sie unter Berücksichtigung ihres Wortlauts und im Hinblick auf den Zweck und die Natur bzw. die „Art und Struktur“ dieses Übereinkommens klare und präzise Verpflichtungen enthalten, deren Erfüllung und Wirkungen nicht vom Erlass weiterer Rechtsakte abhängen.(55)

115. Rechtsakte wie die UVP-Richtlinie stehen einer unmittelbaren Anwendung dieser Übereinkommen nicht entgegen. Denn Organe der Union sind, wenn von dieser Übereinkünfte geschlossen werden, nach Art. 216 Abs. 2 AEUV an solche Übereinkünfte gebunden; die Übereinkünfte haben daher gegenüber den Rechtsakten der Union Vorrang.(56)

116. Im vorliegenden Fall geht es allerdings nicht darum, die Wirksamkeit der UVP-Richtlinie am Maßstab der beiden Übereinkommen zu überprüfen, sondern lediglich darum, anhand der Übereinkommen eine Lücke im Projektbegriff zu identifizieren und diese durch einen unmittelbaren Rückgriff auf den Projektbegriff der Übereinkommen zu schließen.

117. Und insofern stellt sich auch nicht die Frage, ob die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung weiterer Umsetzungsakte bedarf, etwa der Regelung eines verfahrensrechtlichen Rahmens. Denn dieser Rahmen wird durch die UVP-Richtlinie und ihre Umsetzung in den Mitgliedstaaten bereits gesetzt. Er muss lediglich auf die Projekte angewandt werden, die zwar von den beiden Übereinkommen erfasst werden, nicht aber von der UVP-Richtlinie.(57) Genauso geht der Gerichtshof in Bezug auf Projekte vor, die unter Art. 6 Abs. 1 Buchst. b des Übereinkommens von Aarhus fallen, die also nicht ausdrücklich im Anhang des Übereinkommens genannt werden, aber trotzdem erhebliche Umweltauswirkungen haben können und daher geprüft werden müssen.(58)

118. Zweck und Natur der Übereinkommen stehen einer solchen unmittelbaren Anwendung nicht entgegen.

119. Der umweltrechtliche Regelungsgegenstand der Übereinkommen ist dabei von grundlegender Bedeutung. So betonen Art. 1 und Abs. 7 der Präambel des Übereinkommens von Aarhus das Recht jedes Menschen, in einer seiner Gesundheit und seinem Wohlbefinden zuträglichen Umwelt zu leben. Nach Abs. 7 der Präambel besteht sogar die Pflicht, sowohl als Einzelperson als auch in Gemeinschaft mit anderen die Umwelt zum Wohle gegenwärtiger und künftiger Generationen zu schützen und zu verbessern. Aus diesem Grund unterstreichen die Abs. 8, 13 und 18 der Präambel die Notwendigkeit, in Bezug auf die Durchsetzung des Umweltrechts effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten. Dies muss die Möglichkeit einschließen, sich auf Normen des Umweltvölkerrechts zu berufen, die wie die Beteiligungsrechte nach dem Übereinkommen von Espoo den Einzelnen zugutekommen.

120. Folgerichtig wird auch in den Erläuterungen des vorgeschlagenen internationalen Paktes für die Umwelt festgestellt, dass gerade umweltrechtliche internationale Übereinkommen im Gegensatz zu bloßen Erklärungen typischerweise darauf abzielen, justiziable, unmittelbar anwendbare Rechte zu begründen.(59)

121. Für den Fall, dass der Gerichtshof im Hinblick auf die Verlängerung des Zeitraums der Stromerzeugung in Kernkraftwerken an seiner Auslegung des Projektbegriffs nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der UVP-Richtlinie festhält, schlage ich ihm daher vor, festzustellen, dass die UVP-Richtlinie dennoch auf eine solche Verlängerung Anwendung findet, weil es sich dabei um ein Projekt im Sinne von Art. 1 Abs. 5 sowie Anhang I des Übereinkommens von Espoo und Art. 6 Abs. 1 Buchst. a und Anhang I des Übereinkommens von Aarhus handelt.

5.      Zur Projektqualität aufgrund von weiteren Arbeiten

122. Schließlich spricht die erste Teilfrage der Frage 6 Buchst. a eine weitere Möglichkeit an, die im Ausgangsfall zur Annahme eines Projekts führen kann. Denn ein Projekt und eine Genehmigung im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der UVP-Richtlinie liegen auch vor, wenn im Zusammenhang mit der Verlängerung einer Genehmigung über ein „Nachrüstprogramm“ entschieden wird, das die Änderung oder Erweiterung eines Projekts durch Arbeiten oder Eingriffe zur Änderung des materiellen Zustands betrifft und erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt haben kann.(60)

123. Und soweit ein solches Nachrüstprogramm Voraussetzung für die Verlängerung einer Genehmigung ist, müsste der längere Betrieb des fraglichen Projekts zusätzlich zu den unmittelbaren Auswirkungen der Nachrüstung sowohl bei der Frage der Notwendigkeit einer Prüfung als auch bei der Prüfung selbst berücksichtigt werden.

124. Unabhängig davon, ob der Gerichtshof den Vorschlägen zur völkerrechtskonformen Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der UVP-Richtlinie oder zur unmittelbaren Anwendung des Projektbegriffs der Übereinkommen von Espoo und Aarhus folgt, stellt somit die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung eines Kernkraftwerks die Genehmigung eines Projekts im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a dar, wenn damit die Genehmigung von Arbeiten oder Eingriffen zur Änderung oder Erweiterung der Anlage verbunden ist.

125. Praktisch folgt daraus, dass der Verfassungsgerichtshof prüfen muss, wie eng die vorgesehenen Maßnahmen zur Ertüchtigung der streitgegenständlichen Kernkraftwerke mit der gesetzlichen Verlängerung des Zeitraums der Stromerzeugung verbunden sind. Sind die Baumaßnahmen eine Bedingung der Verlängerung, so handelt es sich um ein einheitliches Projekt.(61) Werden die Maßnahmen nur bei Gelegenheit der Verlängerung ergriffen, so wären sie nicht Teil des gleichen Projekts.

D.      Weitere Fragen zur Anwendung der UVP-Richtlinie

126. Die in Frage 6 Buchst. a enthaltene zweite Teilfrage soll klären, welchem Projekttyp von Anhang I oder II der UVP-Richtlinie die Verlängerung des Zeitraums der Stromerzeugung, gegebenenfalls in Verbindung mit den Ertüchtigungsmaßnahmen zuzuordnen wäre. Ohne eine solche Zuordnung besteht nämlich keine Verpflichtung zur Prüfung. Frage 6 Buchst. b betrifft den Zeitpunkt der Prüfung.

1.      Zuordnung zu den Anhängen der UVP-Richtlinie

127. Folgt der Gerichtshof der hier vorgeschlagenen Auffassung, dass eine Verlängerung des Zeitraums der Stromerzeugung ein Projekt ist, wäre dieses Projekt Anhang I Nr. 2 Buchst. b der UVP-Richtlinie zuzuordnen, in dem Kernkraftwerke genannt werden. Das Gleiche würde bei einer unmittelbaren Anwendung des Projektbegriffs der Übereinkommen von Aarhus und Espoo gelten.

128. Wenn ein Projekt im Sinne der UVP-Richtlinie jedoch nur aufgrund einer Verbindung mit den Ertüchtigungsmaßnahmen anzunehmen wäre, könnte darin die Änderung eines bestehenden Kernkraftwerks liegen. Der Verfassungsgerichtshof geht anscheinend davon aus, dass in diesem Fall Anhang II Nr. 13 Buchst. a der UVP-Richtlinie einschlägig ist. Dort wird die Änderung oder Erweiterung von bereits genehmigten, durchgeführten oder in der Durchführungsphase befindlichen Projekten beider Anhänge genannt, die erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt haben können. Ihre Umweltauswirkungen wären gegebenenfalls nach Art. 4 Abs. 2 zu prüfen, und zwar nur, wenn sie erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt haben können.

129. Anhang II Nr. 13 Buchst. a gilt aber ausdrücklich nicht für Änderungen oder Erweiterungen, die durch Anhang I erfasst sind. In Anhang I Nr. 24 der UVP-Richtlinie wird – dem Übereinkommen von Aarhus folgend(62) – jede Änderung oder Erweiterung von Projekten genannt, die in diesem Anhang aufgeführt sind, wenn sie für sich genommen die Schwellenwerte, sofern solche in diesem Anhang festgelegt sind, erreicht. Eine solche Änderung wäre unabhängig davon, ob festgestellt wird, dass sie erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt haben könnte, nach Art. 4 Abs. 1 einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterwerfen.

130. Die Bezugnahme auf Schwellenwerte bedeutet nicht, dass Anhang I Nr. 24 der UVP-Richtlinie nur auf Projekttypen anwendbar ist, für die Schwellenwerte vorgesehen sind. Vielmehr wurde diese Bestimmung mit einer Bedingung und einer Ausnahme von dieser Bedingung versehen. Die Bedingung ist das Erreichen von Schwellenwerten. Sie greift allerdings nur, wenn überhaupt Schwellenwerte festgelegt sind.

131. Da für kommerzielle Kernkraftwerke keine Schwellenwerte vorgesehen sind, bedarf somit im Prinzip jede Änderung oder Erweiterung einer solchen Anlage einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Wenn die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung der beiden Kernkraftwerke wegen ihrer Verknüpfung mit den Ertüchtigungsarbeiten als Projekt im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der UVP-Richtlinie anzusehen ist, bedürfte sie folglich nach Art. 4 Abs. 1 und Anhang I Nr. 2 Buchst. b und Nr. 24 zwingend einer Umweltverträglichkeitsprüfung.

132. Man könnte sich fragen, ob die Verpflichtung zur Prüfung von Änderungen oder Erweiterungen von Anlagen, für die keine Schwellenwerte festgelegt wurden, im Hinblick auf den Zweck der UVP-Richtlinie eingeschränkt werden muss. Denn sie soll sicherstellen, dass die Umweltauswirkungen von Projekten geprüft werden, die möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben (Art. 1 Abs. 1) bzw. bei denen mit solchen Auswirkungen zu rechnen ist (Art. 2 Abs. 1). Auch bei Kernkraftwerken wird es Änderungen geben, bei denen solche Auswirkungen definitiv auszuschließen sind. Bei derartigen Maßnahmen könnte man am Sinn einer Umweltverträglichkeitsprüfung zweifeln. Andererseits kann man Anhang I Nr. 24 nicht so auslegen wie Anhang II Nr. 13 Buchst. a, wo die Möglichkeit erheblicher nachteiliger Auswirkungen auf die Umwelt festgestellt werden muss, da sonst die erstgenannte Vorschrift ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt würde.

133. Letztlich ist es im vorliegenden Fall jedoch offensichtlich, dass die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung um zehn Jahre in Verbindung mit den Ertüchtigungsmaßnahmen erhebliche Umweltauswirkungen haben kann.(63) Daher muss die Frage einer einschränkenden Auslegung von Anhang I Nr. 24 der UVP-Richtlinie nicht entschieden werden.

134. Somit bleibt in Bezug auf die zweite Teilfrage von Frage 6 Buchst. a festzuhalten, dass die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung von kommerziellen Kernkraftwerken um zehn Jahre, die mit baulichen Ertüchtigungsmaßnahmen verknüpft ist, als Änderung eines Kernkraftwerks gemäß Art. 4 Abs. 1 und Anhang I Nr. 24 in Verbindung mit Nr. 2 Buchst. b der UVP-Richtlinie einer Prüfung ihrer Umweltauswirkungen unterzogen werden muss, wenn die Verlängerung nicht bereits als solche als Zulassung eines Projekts im Sinne von Anhang I Nr. 2 Buchst. b anzusehen ist.

2.      Zeitpunkt der Prüfung

135. Der Zeitpunkt der Umweltverträglichkeitsprüfung könnte für das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof von entscheidender Bedeutung sein. Falls diese Prüfung erst bei der Genehmigung der Ertüchtigungsmaßnahmen erfolgen muss, ist nicht auszuschließen, dass die damit zusammenhängenden Fragen in dem parallel anhängigen Verfahren vor dem belgischen Staatsrat(64) zu klären sind, das diese Genehmigungen betrifft. Mussten die Umweltauswirkungen dagegen bereits vor Annahme des Gesetzes, das die Verlängerung aussprach, geprüft werden, so wäre das eine Frage für den Verfassungsgerichtshof, der sich mit dem Gesetz beschäftigt.

136. Wenn das nationale Recht ein mehrstufiges Genehmigungsverfahren vorsieht, so ist die Umweltverträglichkeitsprüfung eines Projekts grundsätzlich durchzuführen, sobald es möglich ist, sämtliche Auswirkungen zu ermitteln und zu prüfen, die das Projekt möglicherweise auf die Umwelt hat.(65) Ergeht also zunächst eine Grundsatzentscheidung und dann eine Durchführungsentscheidung, die nicht über die in der Grundsatzentscheidung festgelegten Vorgaben hinausgehen darf, so sind die Auswirkungen, die das Projekt möglicherweise auf die Umwelt hat, prinzipiell im Verfahren zum Erlass der Grundsatzentscheidung zu ermitteln und zu prüfen.(66)

137. Zur ursprünglich geltenden UVP-Richtlinie(67) hat der Gerichtshof zwar entschieden, dass die Prüfung im Verfahren zum Erlass der Durchführungsentscheidung durchzuführen ist, wenn diese Auswirkungen erst in diesem Verfahren ermittelt werden können.(68) Diese Rechtsprechung könnte man dahin gehend verstehen, dass im vorliegenden Fall erst die Vereinbarung über die Ertüchtigungsmaßnahmen oder sogar noch spätere Baugenehmigungen der Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegen, weil erst diese Entscheidungen es erlauben, die Umweltauswirkungen präzise und endgültig zu identifizieren.

138. Auf diese Rechtsprechung zeitlich nachfolgend wurde jedoch mit den Änderungen der UVP-Richtlinie durch die Richtlinie 2003/35 zur Umsetzung des Übereinkommens von Aarhus in Art. 6 Abs. 4 der UVP-Richtlinie niedergelegt, dass die Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden muss, wenn alle Optionen noch offenstehen und bevor die Entscheidung über den Genehmigungsantrag getroffen wird. Wenn aber bereits der Gesetzgeber über die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung entschieden hat, stehen zum Zeitpunkt der Genehmigung einzelner Ertüchtigungsmaßnahmen nicht mehr alle Optionen offen.

139. Daher ist bereits die Entscheidung über die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung bestimmter Kernkraftwerke so weit vorzubereiten, dass ihre Umweltauswirkungen ausreichend berücksichtigt werden können.

140. Andernfalls könnte die Berücksichtigung von Umweltauswirkungen bei der wichtigeren Grundentscheidung umgangen werden. Im Übrigen illustriert die Richtlinie über die strategische Umweltprüfung die Möglichkeit einer Umweltprüfung, bevor alle Details späterer Projekte bekannt sind.

141. Daher führt im Übrigen auch die Notwendigkeit, für das Kernkraftwerk Doel 1 Verwaltungsakte zur Ausführung des Gesetzes vom 28. Juni 2015 zu erlassen, die in Bezug auf das Kernkraftwerk Doel 2 nicht besteht, nicht zu Unterschieden in der Beantwortung der Fragen zur UVP-Richtlinie und der beiden Übereinkommen.

142. Frage 6 Buchst. b ist somit dahin gehend zu beantworten, dass bei einer Entscheidung über die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung bestimmter Kernkraftwerke, die mit baulichen Ertüchtigungsmaßnahmen verbunden ist, die Öffentlichkeitsbeteiligung nach Art. 6 Abs. 4 der UVP-Richtlinie möglichst frühzeitig durchgeführt werden muss, wenn alle Optionen noch offen stehen, d. h., bevor über die Verlängerung entschieden wird.

E.      Abweichung von der Prüfungspflicht aus Gründen der Stromversorgungssicherheit und der Rechtssicherheit

143. Frage 3 Buchst. c, Frage 5 Buchst. c, Frage 6 Buchst. d und Frage 9 des Verfassungsgerichtshofs betreffen die Möglichkeit, aus Gründen der Stromversorgungssicherheit oder der Rechtssicherheit von einer Verpflichtung zur Umweltverträglichkeitsprüfung abzuweichen.

1.      Abweichung aufgrund der Einzelfallausnahme in der UVP-Richtlinie

144. Mit Frage 6 Buchst. d möchte der Verfassungsgerichtshof erfahren, ob Art. 2 Abs. 4 der UVP-Richtlinie es ermöglicht, die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung eines Kernkraftwerks aus zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses, die mit der Stromversorgungssicherheit des Landes zusammenhängen, von der Verpflichtung zur Prüfung der Umweltauswirkungen auszunehmen.

145. Art. 2 Abs. 4 der UVP-Richtlinie besagt, dass die Mitgliedstaaten in Ausnahmefällen ein einzelnes Projekt unbeschadet des Art. 7 ganz oder teilweise von den Bestimmungen dieser Richtlinie ausnehmen können.

146. Wie auch schon der Verfassungsgerichtshof anmerkt, darf danach zwar auf die innerstaatliche Umweltverträglichkeitsprüfung verzichtet werden, nicht aber auf die grenzüberschreitende Prüfung, die in Art. 7 geregelt wird. In der ursprünglichen Fassung der UVP-Richtlinie(69) war dieser Vorbehalt für die grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung noch nicht enthalten. Er wurde vom Rat mit der Richtlinie 97/11/EG(70) ergänzt, um sicherzustellen, dass die Ausnahmeregelung nicht die verschärften Anforderungen für die grenzüberschreitende Anhörung gemäß Art. 7 berührt,(71) die nach den Erwägungsgründen 12 und 13 der Richtlinie 97/11 auf das Übereinkommen von Espoo zurückgehen.

147. Darüber hinaus enthält Art. 2 Abs. 4 Buchst. a bis c weitere Vorgaben, die ein Mitgliedstaat einhalten muss, wenn er sich auf diese Ausnahme berufen möchte.

148. Er muss insbesondere zunächst prüfen, ob eine andere Form der Prüfung angemessen ist (Buchst. a) und darüber hinaus der betroffenen Öffentlichkeit die im Rahmen anderer Formen der Prüfung nach Buchst. a gewonnenen Informationen, die Informationen betreffend die Entscheidung, die die Ausnahme gewährt, und die Gründe für die Gewährung der Ausnahme zugänglich machen (Buchst. b). Darüber hinaus muss der Mitgliedstaat die Kommission unterrichten (Buchst. c).

149. Diese Bedingungen sind zunächst einmal der Form nach zu erfüllen, d. h., die zuständigen Stellen müssen die in Buchst. a vorgesehene Prüfung und dann die angesprochene „andere Form der Prüfung“ vornehmen sowie der betroffenen Öffentlichkeit die genannten Informationen zugänglich machen und die Kommission unterrichten.

150. Es handelt sich aber nicht um bloße Formalien. Vielmehr bezwecken diese Anforderungen ihrer Natur nach, die Ziele der UVP-Richtlinie im Rahmen der anderen Form der Prüfung nach Möglichkeit zu verwirklichen.

151. Wie insbesondere der der 23. Erwägungsgrund in der englischen und französischen Fassung der UVP-Richtlinie, aber auch der Wortlaut von Art. 2 Abs. 4 Buchst. a etwa in der englischen oder deutschen Fassung verdeutlichen, ist es nur zulässig, statt der Umweltverträglichkeitsprüfung eine andere Form der Prüfung vorzunehmen, wenn dies angemessen ist. Ich verstehe diese Bedingung dahin, dass es überwiegende Gründe geben muss, die einer Prüfung nach der UVP-Richtlinie entgegenstehen. Insofern kommt neben der Stromversorgungssicherheit auch die Vermeidung von Rechtsunsicherheit in Betracht, die in Frage 9 angesprochen wird. Falls aber – wie möglicherweise im Ausgangsfall – wegen grenzüberschreitender Umweltauswirkungen eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung nach Art. 7 notwendig ist, auf die ja nicht verzichtet werden darf, so erscheint es höchst unwahrscheinlich, dass es Gründe geben kann, die in solchen Fällen einer innerstaatlichen Umweltverträglichkeitsprüfung entgegenstehen.

152. Im Übrigen ist anzumerken, dass das Versäumnis, rechtzeitig eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, in der Regel kaum geeignet sein dürfte, den Verzicht auf die Anwendung der UVP-Richtlinie zu rechtfertigen. Zwar erwähnt Belgien kurzfristige Probleme in anderen Kraftwerken. Doch im Prinzip war der Strombedarf langfristig absehbar, so dass man rechtzeitig die notwendigen Maßnahmen hätte ergreifen können. Darüber hinaus erscheint es nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass Belgien seinen Strombedarf zumindest vorübergehend durch Lieferungen aus anderen Mitgliedstaaten hätte decken können.

153. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Art. 2 Abs. 4 der UVP-Richtlinie es ermöglicht, die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung eines Kernkraftwerks aus zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses, die mit der Stromversorgungssicherheit des Landes und/oder der Vermeidung von Rechtsunsicherheit zusammenhängen, von der Verpflichtung zur Prüfung der Umweltauswirkungen auszunehmen, wenn eine andere Form der Prüfung angemessen ist und die betroffene Öffentlichkeit sowie die Kommission nach Art. 2 Abs. 4 Buchst. b und c informiert werden. Den Verzicht auf eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung nach Art. 7 erlaubt Art. 2 Abs. 4 dagegen nicht.

2.      Abweichung vom Übereinkommen von Espoo

154. Da auf die grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung nach der UVP-Richtlinie nicht verzichtet werden kann, erübrigt sich die Frage 3 Buchst. c, ob das Übereinkommen von Espoo eine Abweichung zulässt.

3.      Abweichung vom Übereinkommen von Aarhus

155. Dagegen erscheint es auf den ersten Blick möglich, dass Art. 2 Abs. 4 der UVP-Richtlinie Abweichungen von der Umweltverträglichkeitsprüfung zulässt, die weiter reichen als die möglichen Abweichungen von der Öffentlichkeitsbeteiligung nach Art. 6 des Übereinkommens von Aarhus. Ein solcher Widerspruch könnte ebenfalls eine Lücke bei der Umsetzung dieses Übereinkommens im Unionsrecht begründen.

156. Das Übereinkommen von Aarhus sieht eine Ausnahme aus Gründen der Stromversorgungssicherheit und der Rechtssicherheit nicht vor, sondern einzig eine Ausnahme für die Landesverteidigung in Art. 6 Abs. 1 Buchst. c, die aber nicht greift. Auch sind die Art. 54 bis 64 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge, die Regeln zur Beendigung oder Aussetzung von Verträgen, nicht einschlägig.

157. Daneben ist jedoch der Notstand („state of necessity“) als gewohnheitsrechtliche Rechtfertigung für die Nichtbeachtung völkerrechtlicher Verpflichtungen anerkannt,(72) doch unterliegt er sehr strengen Voraussetzungen. Die Völkerrechtskommission hat sie dahin gehend kodifiziert, dass die Nichtbeachtung die einzige Möglichkeit für den Staat sein muss, ein wesentliches Interesse vor einer schweren und unmittelbar drohenden Gefahr zu schützen.(73) Diese Bedingungen wendet auch der IGH an.(74)

158. Es erscheint nicht ausgeschlossen, Risiken für die Versorgungssicherheit oder die Rechtssicherheit als schwere und unmittelbar drohende Gefahr für ein wesentliches Interesse Belgiens anzuerkennen. Doch müsste außerdem nachgewiesen werden, dass die Nichtbeachtung der Verpflichtungen des Übereinkommens von Aarhus die einzige Möglichkeit war, um einer solchen Gefahr zu begegnen.

159. Insofern wäre auch in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob eine rechtzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung mit Prüfung der Umweltauswirkungen unmöglich gewesen wäre.

160. Somit stellen die Stromversorgungssicherheit des Landes und die Vermeidung der Rechtsunsicherheit keinen zwingenden Grund des öffentlichen Interesses dar, der es ermöglichen würde, vom Übereinkommen von Aarhus abzuweichen und/oder seine Anwendung auszusetzen, wenn es möglich war, rechtzeitig die notwendigen Maßnahmen zur Beachtung des Übereinkommens zu treffen.

4.      Konsequenzen für die Auslegung der Abweichungsmöglichkeit nach der UVP-Richtlinie

161. Somit scheint es auf den ersten Blick nicht ausgeschlossen, dass die UVP-Richtlinie eine Abweichung erlaubt, die das Übereinkommen von Aarhus möglicherweise nicht zulässt.

162. Um einen solchen Widerspruch zu vermeiden, müssen die Anforderungen des völkerrechtlichen Notstands in die Auslegung von Art. 2 Abs. 4 der UVP-Richtlinie integriert werden. Dafür bietet sich die in Art. 2 Abs. 4 Buchst. a der UVP-Richtlinie vorgesehene Prüfung an, ob eine andere Form der Prüfung angemessen ist. Die Angemessenheit darf daher nur angenommen werden, wenn auch die Voraussetzungen des völkerrechtlichen Notstands erfüllt sind.

163. Auf Frage 3 Buchst. c, Frage 5 Buchst. c, Frage 6 Buchst. d und Frage 9 ist somit zu antworten, dass Art. 2 Abs. 4 der UVP-Richtlinie es ermöglicht, die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung eines Kernkraftwerks von der Verpflichtung zur Prüfung der Umweltauswirkungen auszunehmen, wenn eine andere Form der Prüfung notwendig ist, um eine schwere und unmittelbar drohende Gefahr für ein wesentliches Interesse des betroffenen Mitgliedstaats, etwa die Stromversorgungssicherheit oder die Rechtssicherheit, abzuwenden, und die betroffene Öffentlichkeit sowie die Kommission nach Art. 2 Abs. 4 Buchst. b und c informiert werden. Den Verzicht auf eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung nach Art. 7 erlaubt Art. 2 Abs. 4 dagegen nicht.

F.      Zur Frage 8 – Art. 6 Abs. 3 und 4 der Habitatrichtlinie

1.      Zu Frage 8 Buchst. a – Projektbegriff der Habitatrichtlinie

164. Mit Frage 8 Buchst. a möchte der Verfassungsgerichtshof erfahren, ob Art. 6 der Habitatrichtlinie auf die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung eines Kernkraftwerks anwendbar ist.

165. Nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Habitatrichtlinie erfordern Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebiets in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Wenn eine solche Prüfung notwendig sein sollte, so würde sie eine Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß Art. 6 des Übereinkommens von Aarhus einschließen.(75)

166. Zu klären ist somit insbesondere, ob die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung von Kernkraftwerken ein Plan oder Projekt im Sinne dieser Bestimmung ist.

167. Zwar definiert die Habitatrichtlinie den Begriff des Projekts nicht. Doch der Gerichtshof hat entschieden, dass die Projektdefinition des Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der UVP-Richtlinie zur Ermittlung des Begriffs Plan oder Projekt im Sinne der Habitatrichtlinie erheblich ist, die genau wie die UVP-Richtlinie verhindern soll, dass Tätigkeiten, die die Umwelt beeinträchtigen könnten, ohne vorherige Umweltverträglichkeitsprüfung genehmigt werden.(76)

168. Eine vollständige Gleichstellung des Projektbegriffs in den beiden Richtlinien verbietet sich aber schon deshalb, weil die Prüfung nach der Habitatrichtlinie untrennbar mit den Genehmigungsvoraussetzungen für Pläne und Projekte verbunden ist, die Schutzgebiete erheblich beeinträchtigen könnten. Denn die zuständigen Stellen dürfen einem Plan oder Programm nur zustimmen, wenn die Verträglichkeitsprüfung vollständige, präzise und endgültige Feststellungen enthält, die geeignet sind, jeden vernünftigen wissenschaftlichen Zweifel hinsichtlich der Auswirkungen der Arbeiten auszuräumen, die das betreffende Schutzgebiet beeinträchtigen könnten.(77) Dagegen enthält die UVP-Richtlinie keine materiell-rechtlichen Anforderungen an die Genehmigung eines Projekts.(78)

169. Ich verstehe daher die Feststellung des Gerichtshofs zur Bedeutung des Projektbegriffs der UVP-Richtlinie im Rahmen von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie dahin gehend, dass jedenfalls Projekte im Sinne dieser Definition auch Projekte gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Habitatrichtlinie sind. Allerdings gehe ich davon aus, dass damit der Projektbegriff der Habitatrichtlinie nicht abschließend abgegrenzt ist.(79)

170. Wenn der Gerichtshof also meiner Auffassung folgt und bereits die Verlängerung als solche als Projekt im Sinne der UVP-Richtlinie anzusehen ist oder wenn der Verfassungsgerichtshof zu dem Ergebnis kommt, dass die Verlängerung gemeinsam mit den Ertüchtigungsmaßnahmen ein Projekt bildet, liegt somit auch ein Projekt im Sinne von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie vor. Aber auch, wenn kein Projekt nach der UVP-Richtlinie vorliegt, schließt das die Anwendung von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie nicht aus.

171. So hat der Gerichtshof auch hervorgehoben, dass es unzulässig ist, bestimmte Kategorien von Projekten anhand von Kriterien von der Prüfungspflicht auszunehmen, die nicht geeignet sind, zu gewährleisten, dass die Möglichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung der Schutzgebiete durch die fraglichen Projekte ausgeschlossen ist.(80) Bei der anschließenden Untersuchung der verschiedenen im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Ausnahmen hat er nicht im Einzelnen geprüft, ob sie sich auf Projekte im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der UVP-Richtlinie beziehen. Vielmehr reichte die Möglichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung der Schutzgebiete aus, um die Ausnahmen für die fraglichen Aktivitäten abzulehnen.(81)

172. Danach grenzt die Projektdefinition des Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der UVP-Richtlinie den Begriff des Projekts nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Habitatrichtlinie nicht abschließend ab. Entscheidend ist vielmehr, ob die betreffende Aktivität ein Schutzgebiet erheblich beeinträchtigen kann.

173. Daher spricht insbesondere das verbleibende Risiko, dass Schutzgebiete durch einen schwerwiegenden Unfall in einem der Kraftwerke beeinträchtigt werden, für die Annahme eines Projekts im Sinne von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie. Darüber hinaus könnte der Betrieb der Kühlung insbesondere die Fische und Rundmäuler beeinträchtigen,(82) für die sowohl Belgien als auch die Niederlande die Schelde schützen. Aufgrund der vorliegenden Informationen lässt sich nicht ausschließen, dass daneben weitere Beeinträchtigungen möglich sind.

174. Auf Frage 8 Buchst. a ist folglich zu antworten, dass die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung eines Kernkraftwerks auch dann als Projekt im Sinne von Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Habitatrichtlinie anzusehen ist, wenn diese Verlängerung weder als solche ein Projekt im Sinne der UVP-Richtlinie darstellen sollte noch wegen ihrer Verbindung mit Arbeiten zur Ertüchtigung der Anlage.

2.      Zu Frage 8 Buchst. b – Gesetzgebungsakt

175. Frage 8 Buchst. b betrifft den Umstand, dass die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung eines Kernkraftwerks durch einen Gesetzgebungsakt bewirkt wird.

176. Dies stellt die Anwendung von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie aber nicht in Frage. Diese Bestimmung ist dahin auszulegen, dass sie es einer nationalen Behörde – auch wenn es sich um ein gesetzgebendes Organ handelt – nicht erlaubt, Pläne oder Projekte zu genehmigen, ohne sich vergewissert zu haben, dass sie das betreffende Gebiet als solches nicht beeinträchtigen werden.(83)

3.      Zu Frage 8 Buchst. c – Doel 1 und Doel 2

177. Aus der Antwort auf Frage 8 Buchst. b folgt für Frage 8 Buchst. c, dass die in den Buchst. a und b enthaltenen Fragen im Hinblick auf die beiden Kernkraftwerke Doel 1 und Doel 2 nicht unterschiedlich zu beantworten sind.

4.      Zu Frage 8 Buchst. d – Ausnahme für Versorgungssicherheit

178. Schließlich wirft der Verfassungsgerichtshof unter Nr. 8 Buchst. d die Frage auf, ob Art. 6 Abs. 4 der Habitatrichtlinie es erlaubt, aus Gründen der Stromversorgungssicherheit das Ende der industriellen Stromerzeugung eines Kernkraftwerks aufzuschieben.

179. Nach Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 der Habitatrichtlinie ergreift der Mitgliedstaat alle notwendigen Ausgleichsmaßnahmen, um sicherzustellen, dass die globale Kohärenz von Natura 2000 geschützt ist, wenn ein Plan oder Projekt trotz negativer Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art durchzuführen und eine Alternativlösung nicht vorhanden ist.

a)      Voraussetzungen einer Anwendung von Art. 6 Abs. 4 der Habitatrichtlinie

180. Die Frage beruht folglich auf der Prämisse, dass eine Verträglichkeitsprüfung zu negativen Ergebnissen führte. Denn wenn eine Verträglichkeitsprüfung zu positiven Ergebnissen geführt hätte, könnte das Projekt bereits nach Art. 6 Abs. 3 Satz 2 der Habitatrichtlinie genehmigt werden.

181. Darüber hinaus ist Art. 6 Abs. 4 der Habitatrichtlinie als Ausnahme von dem in Art. 6 Abs. 3 Satz 2 festgelegten Genehmigungskriterium eng auszulegen und kommt erst zur Anwendung, nachdem die Auswirkungen eines Plans oder Projekts gemäß Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie analysiert worden sind.(84) Für die Anwendung von Art. 6 Abs. 4 dieser Richtlinie ist es nämlich unerlässlich, dass die Auswirkungen auf die für das fragliche Gebiet festgelegten Erhaltungsziele bekannt sind, da andernfalls die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Ausnahmeregelung nicht geprüft werden können. Die Prüfung etwaiger zwingender Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses und der Frage, ob weniger nachteilige Alternativen bestehen, erfordert nämlich eine Abwägung mit den Gebietsbeeinträchtigungen, die mit dem Plan oder Projekt verbunden sind. Im Übrigen müssen die Beeinträchtigungen des betreffenden Gebiets genau identifiziert werden, um die Art etwaiger Ausgleichsmaßnahmen bestimmen zu können.(85)

182. Folglich muss der Verfassungsgerichtshof zunächst prüfen, ob die verschiedenen Studien und Anhörungen, die im Rahmen der Annahme des Gesetzes zur Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung der beiden Kernkraftwerke durchgeführt wurden, den Anforderungen an eine Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie genügen.

183. Sind die notwendigen Prüfungen durchgeführt worden, so ist es möglich, zu prüfen, ob die Stromversorgungssicherheit im Verhältnis zur Beeinträchtigung der Schutzgebiete einen zwingenden Grund des überwiegenden öffentlichen Interesses darstellt.

b)      Stromversorgungssicherheit

184. Was das öffentliche Interesse an der Stromversorgungssicherheit angeht, so ist diese nach Art. 194 Abs. 1 Buchst. b AEUV eines der Ziele der Energiepolitik der Union. Auch sind die Mitgliedstaaten nach Art. 194 Abs. 2 AEUV grundsätzlich befugt, über die Wahl zwischen verschiedenen Energiequellen und die allgemeine Struktur ihrer Energieversorgung selbst zu bestimmen.

185. Dementsprechend hat der Gerichtshof im Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit u. a. bei Unternehmen, die in den Bereichen Erdöl, Telekommunikation und Elektrizität tätig sind, anerkannt, dass das Ziel, im Krisenfall die Versorgung mit solchen Produkten oder die Erbringung solcher Dienstleistungen im Hoheitsgebiet des fraglichen Mitgliedstaats sicherzustellen, einen Grund der öffentlichen Sicherheit darstellen und somit gegebenenfalls eine Beeinträchtigung des freien Kapitalverkehrs rechtfertigen kann.(86)

186. Die öffentliche Sicherheit kann allerdings nur für die Gewährleistung einer Mindestversorgung in Anspruch genommen werden.(87) Denn die Erfordernisse der öffentlichen Sicherheit sind, insbesondere als Ausnahme vom grundlegenden Prinzip des freien Kapitalverkehrs, eng zu verstehen, so dass ihre Tragweite nicht von jedem Mitgliedstaat einseitig ohne Nachprüfung durch die Organe der Union bestimmt werden kann. So kann die öffentliche Sicherheit nur geltend gemacht werden, wenn eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.(88)

187. Diese Überlegungen sollten im Prinzip auch für Art. 6 Abs. 4 der Habitatrichtlinie gelten. Allerdings ist anzumerken, dass diese Bestimmung im Unterschied zu den Ausnahmen zur Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 65 Abs. 1 AEUV ausdrücklich auch Gründe wirtschaftlicher und sozialer Art einschließt.

188. Daraus folgt, dass nicht nur eine Mindestversorgung als zwingender Grund des überwiegenden öffentlichen Interesses in Frage kommt, sondern generell eine Versorgung, die ausreicht, um die Nachfrage zu befriedigen. Die öffentliche Sicherheit kann aber nur für das Interesse an der Gewährleistung einer Mindestversorgung in Anspruch genommen werden.

189. Diese Unterscheidung zwischen dem allgemeinen Interesse an der Stromversorgungssicherheit und dem besonderen Interesse an einer Mindestversorgung ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil nach Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 der Habitatrichtlinie nur Erwägungen im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen und der öffentlichen Sicherheit oder im Zusammenhang mit maßgeblichen günstigen Auswirkungen für die Umwelt geltend gemacht werden können, wenn das betreffende Gebiet ein Gebiet ist, das einen prioritären natürlichen Lebensraumtyp und/oder eine prioritäre Art einschließt. Andere zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses können nur nach Stellungnahme der Kommission in Anspruch genommen werden.

190. In Bezug auf diese Bestimmung hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Versorgungssicherheit im Energiebereich, in jenem Fall die Versorgung mit Steinkohle, nicht unter Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 der Habitatrichtlinie fällt.(89) Ich verstehe dies dahin gehend, dass der Gerichtshof damit nur das allgemeine Interesse an Versorgungssicherheit ansprach, das nicht das Niveau des Interesses an der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit erreicht.

191. Wie bereits gesagt, kommen in verschiedenen vom Verfassungsgerichtshof erwähnten Schutzgebieten prioritäre Lebensräume vor,(90) und es erscheint nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass diese auch durch die Kraftwerke beeinträchtigt werden können. Schon daher muss der Verfassungsgerichtshof untersuchen, ob der Betrieb der beiden streitgegenständlichen Kernkraftwerke nur dem allgemeinen Interesse an Versorgungssicherheit dient oder sogar notwendig ist, um eine Mindestversorgung zu gewährleisten. Im erstgenannten Fall setzt eine Inanspruchnahme von Art. 6 Abs. 4 der Habitatrichtlinie eine Stellungnahme der Kommission voraus.

192. Diese Prüfung ist darüber hinaus geboten, weil die Anforderungen an das Fehlen einer Alternativlösung sich unterscheiden können, je nachdem, ob das gewichtigere Interesse an der Gewährleistung einer Mindestversorgung einschlägig ist oder das weniger schwerwiegende allgemeine Interesse an der Versorgungssicherheit.

193. Es erscheint nämlich angemessen, wenn ein Mitgliedstaat die Mindestversorgung auf dem eigenen Staatsgebiet sicherstellen möchte.(91) Dagegen ist es nicht unzumutbar, die Mitgliedstaaten für das allgemeine Interesse an Versorgungssicherheit auf die Möglichkeit des Imports elektrischer Energie zu verweisen.(92)

c)      Zwischenergebnis

194. Auf Frage 8 Buchst. d ist somit zu antworten, dass das öffentliche Interesse an der Gewährleistung einer Mindestversorgung mit Strom einen Grund der öffentlichen Sicherheit im Sinne von Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 der Habitatrichtlinie darstellt, während das darüber hinausgehende öffentliche Interesse an Stromversorgungssicherheit als Grund wirtschaftlicher Art im Sinne von Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 anzusehen ist.

G.      Zur Aufrechterhaltung der Wirkungen des Gesetzes über die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung der Kernkraftwerke Doel 1 und Doel 2

195. Nach den bisherigen Überlegungen bestehen Anhaltspunkte dafür, dass beim Erlass des Gesetzes über die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung der Kernkraftwerke Doel 1 und Doel 2 die hier untersuchten Regelungen verletzt wurden und dass die Stromversorgungssicherheit oder die Rechtssicherheit dies nicht rechtfertigt. Gleichwohl halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass es in diesem Fall möglich wäre, die Wirkungen dieses Gesetzes aufrechtzuerhalten. Die Grundlage dafür liegt in einer Rechtsprechung, die der Gerichtshof in Bezug auf die Aufrechterhaltung von Maßnahmen entwickelt hat, die unter Verletzung der Richtlinie über die strategische Umweltprüfung erlassen wurden.

1.      Zur Rechtsprechung im Anwendungsbereich der Richtlinie über die strategische Umweltprüfung

196. Im Anwendungsbereich der Richtlinie über die strategische Umweltprüfung hat der Gerichtshof es für möglich erachtet, zwingende öffentliche Interessen im Zusammenhang mit den Folgen von verfahrensrechtlichen Verstößen gegen Regelungen über die Umweltprüfung von Maßnahmen zu berücksichtigen. Ausgangspunkt dafür ist, dass die Richtlinie über die strategische Umweltprüfung genau wie die Übereinkommen von Espoo und Aarhus sowie die UVP-Richtlinie und die Habitatrichtlinie keine Regelungen zu diesen Folgen enthält.(93)

197. Daher unterliegen die Verfahrensmodalitäten für Klagen wegen der Verletzung der Verpflichtung, vor der Entscheidung über eine bestimmte Aktivität eine Umweltprüfung durchzuführen, vorbehaltlich der Prinzipien der Äquivalenz und der Effektivität, der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten.(94)

198. Die Anforderungen des Prinzips der Effektivität ergeben sich in diesem Fall aus der Verpflichtung der Mitgliedstaaten aufgrund des in Art. 4 Abs. 3 EUV vorgesehenen Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit, die rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes gegen das Unionsrecht zu beheben.(95) Somit müssen die in diesem Zusammenhang angerufenen Gerichte auf der Grundlage ihres nationalen Rechts Maßnahmen zur Aussetzung oder Aufhebung der unter Verstoß gegen die Pflicht zur Durchführung einer Umweltprüfung getroffenen Entscheidung ergreifen.(96) Es verstieße nämlich gegen ein Hauptziel einer Regelung über die Umweltprüfung, würden die in diesem Zusammenhang angerufenen nationalen Gerichte nicht im Rahmen solcher Klagen und innerhalb der Grenzen der Verfahrensautonomie die Maßnahmen ergreifen, die ihr nationales Recht vorsieht und die geeignet sind, zu verhindern, dass die betreffende Aktivität ohne eine Umweltprüfung durchgeführt werden kann.(97)

199. Maßnahmen zur Aussetzung oder Aufhebung solcher Entscheidungen sind darüber hinaus aufgrund der materiell-rechtlichen Dimension des in Art. 47 Abs. 1 der Charta verankerten Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz geboten. Dieses Grundrecht wird zwar meist wegen seiner verfahrensrechtlichen Anforderungen in Anspruch genommen, doch sind diese nur Mittel zum Zweck, nämlich zur Gewährleistung eines wirksamen Rechtsbehelfs. Wirksam ist ein Rechtsbehelf aber nur, wenn die Feststellung von Rechtsverstößen angemessene Konsequenzen hat.(98) Damit wäre es kaum vereinbar, wenn angegriffene Akte auch bei Rechtsverstößen uneingeschränkt weiter anwendbar blieben.

200. Dementsprechend habe ich bereits die Auffassung vertreten, dass es in der Regel geboten ist, den Betrieb einer Anlage einzustellen, wenn ihre Genehmigung wegen Verletzung der UVP-Richtlinie zurückgenommen oder ausgesetzt wird.(99) Und auch der Gerichtshof geht offenbar davon aus, dass dies die typische Folge einer solchen Feststellung ist.(100)

201. Gleichwohl hat der Gerichtshof im Urteil Inter-Environnement Wallonie und Terre wallonne entschieden, dass ein innerstaatliches Gericht unter Berücksichtigung dessen, dass ein zwingendes Erfordernis im Zusammenhang mit dem Umweltschutz vorliegt, ausnahmsweise zur Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift berechtigt sein kann, die es ihm gestattet, bestimmte Wirkungen eines nationalen Rechtsakts aufrechtzuerhalten, den es wegen der Verletzung der Richtlinie über die strategische Umweltprüfung für nichtig erklärt hat.(101)

202. Im Urteil Association France Nature Environnement hat der Gerichtshof das frühere Urteil sogar dahin gehend ausgelegt, dass er einem nationalen Gericht im Einzelfall und ausnahmsweise die Befugnis verleihen wollte, die Wirkungen der Nichtigerklärung einer nationalen Bestimmung anzupassen, die als mit dem Unionsrecht unvereinbar angesehen wird.(102) Diese Auslegung scheint mir allerdings missverständlich, soweit sie der ständigen Rechtsprechung widersprechen könnte, dass allein der Gerichtshof vorübergehend die zeitliche Anwendung des vorrangig anwendbaren Unionsrechts aufschieben kann.(103)

203. Tatsächlich betrifft das Urteil Inter-Environnement Wallonie und Terre wallonne nur Fälle, in denen innerstaatliche Maßnahmen nicht inhaltlich dem Unionsrecht widersprechen, sondern lediglich unter Verletzung der Regeln über die Umweltprüfung erlassen wurden. Diese Maßnahmen sind somit nicht deshalb unanwendbar, weil sie vorrangig anzuwendendem Unionsrecht widersprechen. Vielmehr sind sie mit einem Verfahrensfehler behaftet, dessen Folgen, wie gesagt, nicht ausdrücklich geregelt sind. Daraus erklärt sich der Spielraum, den der Gerichtshof den innerstaatlichen Gerichten eingeräumt hat. Und im Ergebnis ist der Gerichtshof auch im Urteil Association France Nature Environnement nicht weitergegangen.

204. Ursprünglich(104) hat der Gerichtshof in diesem Rahmen nur zugelassen, die Wirkung von Maßnahmen aufrechtzuerhalten, die die Nitratrichtlinie(105) ordnungsgemäß umsetzen, und dies später auf die Umsetzung des Umweltschutzrechts der Union insgesamt ausgeweitet.(106) Darüber hinaus kann man diese Rechtsprechung dahin gehend verstehen, dass die Vermeidung nachteiliger Umweltauswirkungen unabhängig von der Umsetzung des Umweltrechts der Union es rechtfertigen könnte, die Wirkungen von Maßnahmen aufrechtzuerhalten, die unter Verstoß gegen die Richtlinie über die strategische Umweltprüfung erlassen wurden.(107)

205. Somit bleibt festzuhalten, dass ein innerstaatliches Gericht unter Berücksichtigung dessen, dass ein zwingendes Erfordernis im Zusammenhang mit dem Umweltschutz vorliegt, ausnahmsweise zur Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift berechtigt sein kann, die es ihm gestattet, bestimmte Wirkungen eines nationalen Rechtsakts aufrechtzuerhalten, den es wegen der Verletzung verfahrensrechtlicher Anforderungen der Richtlinie über die strategische Umweltprüfung für nichtig erklärt hat.

2.      Zur Übertragung auf andere Umweltprüfungen

206. Diese Rechtsprechung im vorliegenden Verfahren zur Anwendung zu bringen, würde sie erheblich ausdehnen.

207. Eine solche Ausdehnung könnte langfristig kaum auf die verfahrensrechtlichen Anforderungen der Übereinkommen von Espoo und Aarhus sowie der UVP-Richtlinie und der Habitatrichtlinie beschränkt werden. Vielmehr käme sie bei einer Vielzahl von Verfahrensvorschriften des Unionsrechts in Betracht. Darüber hinaus würde der Kreis möglicher Rechtfertigungen weit über den Umweltschutz hinaus auf andere öffentliche Interessen erweitert, wenn man die Versorgungssicherheit oder die Vermeidung von Rechtsunsicherheit ausreichen lässt.

208. Fehlen würde dagegen regelmäßig ein Teil der Begründung für die Aufrechterhaltung von Plänen und Programmen, die der Richtlinie über die strategische Umweltprüfung unterliegen. Denn anders als diese Maßnahmen hinterlassen Einzelfallentscheidungen in der Regel kein rechtliches Vakuum,(108) wenn sie aufgehoben oder ausgesetzt werden. Normalerweise entfällt lediglich eine Genehmigung, so dass die fragliche Tätigkeit nicht ausgeübt werden darf.

209. Gleichwohl widersprechen solche Entscheidungen nicht zwangsläufig inhaltlich dem Unionsrecht, wenn sie unter Verletzung unionsrechtlicher Verfahrensvorgaben erlassen werden. Daher steht das Unionsrecht nationalen Vorschriften nicht entgegen, die in bestimmten Fällen die Legalisierung unionsrechtswidriger Vorgänge oder Handlungen zulassen.(109)

210. Eingedenk dieser Möglichkeit könnte es in bestimmten Fällen unverhältnismäßig sein, aufgrund der Feststellung eines Verfahrensfehlers die Wirkungen der davon betroffenen Entscheidung zu beseitigen, so dass die entsprechende Tätigkeit zumindest vorläufig nicht mehr ausgeübt werden kann. Vielmehr könnte es notwendig sein, die widerstreitenden Interessen gegeneinander abzuwägen und in bestimmten Fällen die Wirkungen der Entscheidung aufrechtzuerhalten, bis sie nachträglich legalisiert wird.

211. Dabei ist allerdings große Zurückhaltung geboten.

212. Schon die Möglichkeit der nachträglichen Legalisierung ist auf Ausnahmefälle beschränkt und darf keine Gelegenheit bieten, das Unionsrecht zu umgehen oder es nicht anzuwenden.(110) Eine Umgehung wäre aber erst recht zu befürchten, wenn schon vor der Legalisierung die Wirkung von verfahrensfehlerhaft erlassenen Entscheidungen zu großzügig aufrechterhalten würde.

213. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass die Aufrechterhaltung der Wirkungen einer Entscheidung, die ohne eine gebotene Umweltprüfung getroffen wurde, nicht zu Umweltbeeinträchtigungen führt, welche die Umweltprüfung gerade verhindern soll.

214. Folglich dürfen die Wirkungen einer solchen Entscheidung nur aufrechterhalten werden, soweit aufgrund der vorliegenden Informationen und der anwendbaren Bestimmungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die Entscheidung nach der Nachholung der Umweltprüfung in gleicher Form bestätigt wird. Bestehen dagegen vernünftige Zweifel an einer solchen Bestätigung, sollte eine Aufrechterhaltung der Wirkungen ausgeschlossen sein. Maßgeblich für die Prüfung sind die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Ausübung der jeweiligen Tätigkeit, im vorliegenden Fall neben den anwendbaren Regelungen über den Betrieb von Kernkraftwerken z. B. auch Art. 6 der Habitatrichtlinie.

215. Außerdem sollte die Aufrechterhaltung nicht dazu führen, dass zusätzliche vollendete Tatsachen geschaffen werden, etwa indem die Projektentwickler weitere Investitionen tätigen oder zusätzliche Umweltschäden verursachen.

216. Vollendete Tatsachen schwächen nämlich die Wirksamkeit einer nachgeholten Umweltprüfung. Die Hauptfunktion der Prüfung liegt bei rechtzeitiger Anwendung darin, die Entscheidung über das Projekt dahin gehend zu beeinflussen, dass Umweltbeeinträchtigungen nach Möglichkeit minimiert werden. Aus diesem Grund soll sie nach Art. 6 Abs. 4 des Übereinkommens von Aarhus und Art. 6 Abs. 4 der UVP-Richtlinie so früh wie möglich, wenn alle Optionen noch offenstehen, durchgeführt werden. Wird sie lediglich nachgeholt, kann sie diese Funktion nur noch sehr eingeschränkt verwirklichen, weil viele Entscheidungen bereits getroffen wurden. Diese Entscheidungen im Licht der nachgeholten Prüfung zu ändern, ist umso weniger attraktiv, als sie bereits tatsächlich verwirklicht wurden.

217. Nur soweit von einer Bestätigung der angefochtenen Entscheidung auszugehen ist und keine weiteren vollendeten Tatsachen geschaffen werden, kommt daher eine Abwägung zwischen dem Interesse an der wirksamen Durchsetzung der Regelungen über die Umweltprüfung mit den Interessen an der Aufrechterhaltung der Wirkungen der Entscheidung in Frage.

218. Es wäre nicht überraschend, wenn der Verfassungsgerichtshof im Ausgangsverfahren zu dieser Abwägung kommt, da es um die Fortführung einer Tätigkeit geht, die schon seit etwa 40 Jahren stattfindet.

219. Was die Abwägung selbst angeht, so ist zu berücksichtigen, ob insbesondere das Interesse an der Versorgungsicherheit in den bereits beschriebenen engeren Bereich der Mindestversorgung fällt, der der stärker zu gewichtenden öffentlichen Sicherheit zuzuordnen ist, oder in den weiteren Bereich der allgemeinen Versorgungssicherheit, die den wirtschaftlichen Interessen zuzuordnen ist. Diesen kommt ein geringeres Gewicht zu.(111)

220. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass innerstaatliche Gerichte ausnahmsweise die Wirkungen einer Entscheidung vorübergehend aufrechterhalten können, die unter Verletzung einer unionsrechtlichen Pflicht zur Durchführung einer Umweltprüfung erlassen wurde, soweit

–        diese Entscheidung so bald wie möglich nachträglich durch Heilung des Verfahrensfehlers legalisiert wird,

–        aufgrund der vorliegenden Informationen und der anwendbaren Bestimmungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die Entscheidung nach der Legalisierung in gleicher Form bestätigt wird,

–        nach Möglichkeit keine zusätzlichen vollendeten Tatsachen geschaffen werden und

–        zwingende öffentliche Interessen an der Aufrechterhaltung der Wirkungen gegenüber dem Interesse an der Wirksamkeit der Verpflichtung zur Durchführung der Umweltprüfung und dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz überwiegen.

VI.    Ergebnis

221. Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, wie folgt zu entscheiden:

1)      Auf die Fragen 2, 4 und 7 des Vorabentscheidungsersuchens ist zu antworten, dass nach Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten vom Geltungsbereich dieser Richtlinie nur Projekte ausgeschlossen sind, die im Einzelnen durch einen besonderen Gesetzgebungsakt genehmigt worden sind, so dass die Ziele dieser Richtlinie durch das Gesetzgebungsverfahren erreicht wurden. Es ist Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung sowohl des Inhalts des erlassenen Gesetzgebungsakts als auch des gesamten Gesetzgebungsverfahrens, das zu seinem Erlass geführt hat, und insbesondere der vorbereitenden Arbeiten und der parlamentarischen Debatten zu prüfen, ob der Gesetzgebungsakt einer Projektgenehmigung gleichsteht und ob die Ziele der Richtlinie im Gesetzgebungsverfahren erreicht werden.

2)      Auf die Fragen 1, 3 Buchst. a und 5 Buchst. a sowie die erste Teilfrage von Frage 6 Buchst. a ist zu antworten, dass der Begriff des Projekts nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2011/92 entgegen der bisherigen Rechtsprechung die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung eines Kernkraftwerks um zehn Jahre einschließt.

Für den Fall, dass der Gerichtshof im Hinblick auf die Verlängerung des Zeitraums der Stromerzeugung in Kernkraftwerken an seiner Auslegung des Projektbegriffs nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2011/92 festhält, schlage ich ihm vor, festzustellen, dass die Richtlinie dennoch auf eine solche Verlängerung Anwendung findet, weil es sich dabei um ein Projekt im Sinne von Art. 1 Abs. 5 sowie Anhang I des Übereinkommens von Espoo über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten und Art. 6 Abs. 1 Buchst. a und Anhang I des Übereinkommens von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten handelt.

Unabhängig davon, ob der Gerichtshof den Vorschlägen zur völkerrechtskonformen Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2011/92 oder zur unmittelbaren Anwendung des Projektbegriffs der Übereinkommen von Espoo und Aarhus folgt, stellt die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung eines Kernkraftwerks die Genehmigung eines Projekts im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a dar, wenn damit die Genehmigung von Arbeiten oder Eingriffen zur Änderung oder Erweiterung der Anlage verbunden ist.

3)      Auf die zweite Teilfrage der Frage 6 Buchst. a ist zu antworten, dass eine Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung von kommerziellen Kernkraftwerken um zehn Jahre, die mit baulichen Ertüchtigungsmaßnahmen verknüpft ist, als Änderung eines Kernkraftwerks gemäß Art. 4 Abs. 1 und Anhang I Nr. 24 in Verbindung mit Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2011/92 einer Prüfung ihrer Umweltauswirkungen unterzogen werden muss, wenn die Verlängerung nicht bereits als solche als Zulassung eines Projekts im Sinne von Anhang I Nr. 2 Buchst. b anzusehen ist.

Frage 6 Buchst. b ist dahin gehend zu beantworten, dass bei einer Entscheidung über die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung bestimmter Kernkraftwerke, die mit baulichen Ertüchtigungsmaßnahmen verbunden ist, die Öffentlichkeitsbeteiligung nach Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 2011/92 möglichst frühzeitig durchgeführt werden muss, wenn alle Optionen noch offenstehen, d. h., bevor über die Verlängerung entschieden wird.

4)      Auf Frage 3 Buchst. c, Frage 5 Buchst. c, Frage 6 Buchst. d und Frage 9 ist zu antworten, dass Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie 2011/92 es ermöglicht, die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung eines Kernkraftwerks von der Verpflichtung zur Prüfung der Umweltauswirkungen auszunehmen, wenn eine andere Form der Prüfung notwendig ist, um eine schwere und unmittelbar drohende Gefahr für ein wesentliches Interesse des betroffenen Mitgliedstaats, etwa die Stromversorgungssicherheit oder die Rechtssicherheit, abzuwenden, und die betroffene Öffentlichkeit sowie die Kommission nach Art. 2 Abs. 4 Buchst. b und c informiert werden. Den Verzicht auf eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung nach Art. 7 erlaubt Art. 2 Abs. 4 dagegen nicht.

5)      Auf Frage 8 Buchst. a ist zu antworten, dass die Verlängerung des Zeitraums der industriellen Stromerzeugung eines Kernkraftwerks auch dann als Projekt im Sinne von Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen anzusehen ist, wenn diese Verlängerung weder als solche ein Projekt im Sinne der Richtlinie 2011/92 darstellen sollte noch wegen ihrer Verbindung mit Arbeiten zur Ertüchtigung der Anlage..

Auf Frage 8 Buchst. b ist zu antworten, dass Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 einer nationalen Behörde – auch wenn es sich um ein gesetzgebendes Organ handelt – nicht erlaubt, Pläne oder Projekte zu genehmigen, ohne sich vergewissert zu haben, dass sie das betreffende Gebiet als solches nicht beeinträchtigen werden.

Auf Frage 8 Buchst. d ist zu antworten, dass das öffentliche Interesse an der Gewährleistung einer Mindestversorgung mit Strom einen Grund der öffentlichen Sicherheit im Sinne von Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 92/43 darstellt, während das darüber hinausgehende öffentliche Interesse an Stromversorgungssicherheit als Grund wirtschaftlicher Art im Sinne von Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 anzusehen ist.

6)      Innerstaatliche Gerichte können ausnahmsweise die Wirkungen einer Entscheidung vorübergehend aufrechterhalten, die unter Verletzung einer unionsrechtlichen Pflicht zur Durchführung einer Umweltprüfung erlassen wurde, soweit

–        diese Entscheidung so bald wie möglich nachträglich durch Heilung des Verfahrensfehlers legalisiert wird,

–        aufgrund der vorliegenden Informationen und der anwendbaren Bestimmungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die Entscheidung nach der Legalisierung in gleicher Form bestätigt wird,

–        nach Möglichkeit keine zusätzlichen vollendeten Tatsachen geschaffen werden und

–        zwingende öffentliche Interessen an der Aufrechterhaltung der Wirkungen gegenüber dem Interesse an der Wirksamkeit der Verpflichtung zur Durchführung der Umweltprüfung und dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz überwiegen.

7)      Auf Frage 3 Buchst. b, Frage 5 Buchst. b, Frage 6 Buchst. c und Frage 8 Buchst. c ist zu antworten, dass die Notwendigkeit, für das Kernkraftwerk Doel 1 Verwaltungsakte zur Ausführung des Gesetzes vom 28. Juni 2015 zu erlassen, die in Bezug auf das Kernkraftwerk Doel 2 nicht besteht, an der Beantwortung des Vorabentscheidungsersuchens nichts ändert.


1      Originalsprache: Deutsch.


2      Übereinkommen zur Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen von 1991 (ABl. 1992, C 104, S. 7).


3      Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten von 1998 (ABl. 2005, L 124, S. 4), angenommen mit Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 (ABl. 2005, L 124, S. 1).


4      Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 2011, L 26, S. 1).


5      Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. 1992, L 206, S. 7) in der durch die Richtlinie 2013/17/EU des Rates vom 13. Mai 2013 (ABl. 2013, L 158, S. 193) geänderten Fassung.


6      Ratsdokument 8931/96 vom 17. Juli 1996.


7      Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. 2010, L 20, S. 7), zuletzt geändert durch die Richtlinie 2013/17/EU des Rates vom 13. Mai 2013 zur Anpassung bestimmter Richtlinien im Bereich Umwelt aufgrund des Beitritts der Republik Kroatien (ABl. 2013, L 158, S. 193).


8      Standard-Datenbogen, http://natura2000.eea.europa.eu/Natura2000/SDF.aspx?site=BE2300006.


9      Standard-Datenbogen, http://natura2000.eea.europa.eu/Natura2000/SDF.aspx?site=BE2100017.


10      Standard-Datenbogen, http://natura2000.eea.europa.eu/Natura2000/SDF.aspx?site=NL9803061.


11      Siehe Fn. 8 bis 10.


12      S. 39 bis 40 des Vorabentscheidungsersuchens.


13      Urteil vom 12. Februar 2015, Parlament/Rat (C‑48/14, EU:C:2015:91, Rn. 38).


14      Siehe in diesem Sinne Urteile vom 29. März 1990, Griechenland/Rat (C‑62/88, EU:C:1990:153, Rn. 17), und vom 12. April 2005, Kommission/Vereinigtes Königreich (C‑61/03, EU:C:2005:210, Rn. 44), sowie Gutachten 1/94 (Übereinkünfte im Anhang des WTO-Abkommens) vom 15. November 1994 (EU:C:1994:384, Rn. 24).


15      Urteile vom 10. Dezember 2002, Kommission/Rat (Übereinkommen über nukleare Sicherheit, C‑29/99, EU:C:2002:734, Rn. 78), und vom 27. Oktober 2009, ČEZ (C‑115/08, EU:C:2009:660, Rn. 100).


16      Urteil vom 27. Oktober 2009, ČEZ (C‑115/08, EU:C:2009:660, Rn. 105). Siehe auch Urteil vom 10. Dezember 2002, Kommission/Rat (Übereinkommen über nukleare Sicherheit, C‑29/99, EU:C:2002:734, Rn. 89).


17      Anhang I Nr. 2 des Übereinkommens von Espoo, Anhang I Nr. 1 fünfter Spiegelstrich des Übereinkommens von Aarhus und Anhang I Nr. 2 Buchst. b der UVP-Richtlinie.


18      Vgl. zur Anwendung des Übereinkommens von Aarhus auf ähnliche Maßnahmen im Vereinigten Königreich das Komitee zur Überwachung der Einhaltung des Übereinkommens von Aarhus, Feststellungen und Empfehlungen vom 23. Oktober 2013, Ewing/Vereinigtes Königreich (ACCC/C/2011/61, ECE/MP.PP/C.1/2013/13, Hybrid Bill, Nr. 54). Zu diesem Komitee siehe meine Schlussanträge in der Rechtssache Edwards (C‑260/11, EU:C:2012:645, Nr. 8). Anders allerdings die Urteile vom 18. Oktober 2011, Boxus u. a. (C‑128/09 bis C‑131/09, C‑134/09 und C‑135/09, EU:C:2011:667, Rn. 50), und vom 16. Februar 2012, Solvay u. a. (C‑182/10, EU:C:2012:82, Rn. 43).


19      Urteile des IGH vom 20 April 2010, Pulp Mills on the River Uruguay (Argentinien/Uruguay), I.C.J. Reports 2010, S. 14, Rn. 204, und vom 16. Dezember 2015, Certain Activities Carried Out by Nicaragua in the Border Area (Costa Rica/Nicaragua) and Construction of a Road in Costa Rica along the San Juan River (Nicaragua/Costa Rica), I.C.J. Reports 2015, S. 665, Rn. 104.


20      Abgeschlossen am 23. Mai 1969 (United Nations Treaty Series, Bd. 1155, S. 331).


21      Siehe etwa Urteile vom 5. Mai 1970, Kommission/Belgien (77/69, EU:C:1970:34, Rn. 15), und vom 9. Dezember 2003, Kommission/Italien (C‑129/00, EU:C:2003:656, Rn. 29), sowie Gutachten 1/09 (Abkommen über die Schaffung eines einheitlichen Patentgerichtssystems) vom 8. März 2011 (EU:C:2011:123, Rn. 86).


22      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 (ABl. 2014, L 124, S. 1).


23      Urteile vom 16. September 1999, WWF u. a. (C‑435/97, EU:C:1999:418, Rn. 57), vom 18. Oktober 2011, Boxus u. a. (C‑128/09 bis C‑131/09, C‑134/09 und C‑135/09, EU:C:2011:667, Rn. 37), sowie vom 17. November 2016, Stadt Wiener Neustadt (C‑348/15, EU:C:2016:882, Rn. 26).


24      Urteile vom 16. September 1999, WWF u. a. (C‑435/97, EU:C:1999:418, Rn. 58), vom 18. Oktober 2011, Boxus u. a. (C‑128/09 bis C‑131/09, C‑134/09 und C‑135/09, EU:C:2011:667, Rn. 38 und 39), sowie vom 17. November 2016, Stadt Wiener Neustadt (C‑348/15, EU:C:2016:882, Rn. 27).


25      Siehe nachfolgend, Nrn. 63 ff.


26      Urteile vom 18. Oktober 2011, Boxus u. a. (C‑128/09 bis C‑131/09, C‑134/09 und C‑135/09, EU:C:2011:667, Rn. 41), sowie vom 17. November 2016, Stadt Wiener Neustadt (C‑348/15, EU:C:2016:882, Rn. 29).


27      Urteile vom 18. Oktober 2011, Boxus u. a. (C‑128/09 bis C‑131/09, C‑134/09 und C‑135/09, EU:C:2011:667, Rn. 43), sowie vom 17. November 2016, Stadt Wiener Neustadt (C‑348/15, EU:C:2016:882, Rn. 30).


28      Vgl. Urteil vom 18. Oktober 2011, Boxus u. a. (C‑128/09 bis C‑131/09, C‑134/09 und C‑135/09, EU:C:2011:667, Rn. 48).


29      Urteile vom 17. März 2011, Brussels Hoofdstedelijk Gewest u. a. (C‑275/09, EU:C:2011:154, Rn. 24), und vom 19. April 2012, Pro-Braine u. a. (C‑121/11, EU:C:2012:225, Rn. 31).


30      Urteile vom 17. März 2011, Brussels Hoofdstedelijk Gewest u. a. (C‑275/09, EU:C:2011:154, Rn. 24), und vom 19. April 2012, Pro-Braine u. a. (C‑121/11, EU:C:2012:225, Rn. 32).


31      Urteil vom 8. März 2011, Lesoochranárske zoskupenie (C‑240/09, EU:C:2011:125, Rn. 30), vom 15. März 2018, North East Pylon Pressure Campaign und Sheehy (C‑470/16, EU:C:2018:185, Rn. 46), und vom 11. Juli 2018, Bosphorus Queen Shipping (C‑15/17, EU:C:2018:557, Rn. 44).


32      Erklärung der Europäischen Gemeinschaft über ihren Zuständigkeitsbereich gemäß Art. 17 Abs. 5 des Übereinkommens von Espoo (Finnland) über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen (Ratsdokument 8931/96, Annex B, auch zugänglich unter https://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=XXVII-4&chapter=27&lang=en#EndDec).


33      Urteil vom 8. März 2011, Lesoochranárske zoskupenie (C‑240/09, EU:C:2011:125, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).


34      Vgl. Urteile vom 19. März 2002, Kommission/Irland (C‑13/00, EU:C:2002:184, Rn. 20), vom 7. Oktober 2004, Kommission/Frankreich, C‑239/03, EU:C:2004:598, Rn. 29 bis 31), vom 8. März 2011, Lesoochranárske zoskupenie (C‑240/09, EU:C:2011:125, Rn. 36), und vom 4. September 2014, Kommission/Rat (C‑114/12, EU:C:2014:2151, Rn. 102).


35      Urteile vom 8. März 2011, Lesoochranárske zoskupenie (C‑240/09, EU:C:2011:125, Rn. 42), und vom 15. März 2018, North East Pylon Pressure Campaign und Sheehy (C‑470/16, EU:C:2018:185, Rn. 50).


36      Ähnlich ging der Gerichtshof im Urteil vom 17. März 2011, Brussels Hoofdstedelijk Gewest u. a. (C‑275/09, EU:C:2011:154, Rn. 26 bis 28), vor, um seine Auslegung des Projektbegriffs der UVP-Richtlinie zu bekräftigen.


37      Report of the Implementation Committee on its thirtieth session, 14. August 2014, ECE/MP.EIA/IC/2014/2, Anhang (Kernkraftwerk Rivne), Nr. 37.


38      Ebd., Nrn. 41 bis 45.


39      Siehe nachfolgend, Nr. 98.


40      Report of the Implementation Committee on its thirtieth session, 14. August 2014, ECE/MP.EIA/IC/2014/2, Anhang (Kernkraftwerk Rivne), Nr. 42.


41      Siehe oben, Nr. 80.


42      Vgl. Komitee zur Überwachung der Einhaltung des Übereinkommens von Aarhus, Feststellungen und Empfehlungen vom 12. Mai 2011, Global 2000 [Friends of the Earth Austria]/Slowakei (ACCC/C/2009/41, ECE/MP.PP/2011/11/Add.3, Kernkraftwerk Mochovce, Nrn. 55 bis 57).


43      Siehe oben, Nr. 81.


44      ABl. 1999, L 318, S. 21, genehmigt durch Beschluss 1999/819/Euratom der Kommission vom 16. November 1999 über den Beitritt der Europäischen Atomgemeinschaft (EAG) zum Übereinkommen über nukleare Sicherheit von 1994 (ABl. 1999, L 318, S. 20).


45      Richtlinie des Rates vom 25. Juni 2009 über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen (ABl. 2009, L 172, S. 18).


46      Vgl. Art. 21 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (ABl. 2010, L 334, S. 17).


47      Komitee zur Überwachung der Einhaltung des Übereinkommens von Aarhus, Feststellungen und Empfehlungen vom 12. Mai 2011, Global 2000 [Friends of the Earth Austria]/Slowakei (ACCC/C/2009/41, ECE/MP.PP/2011/11/Add.3, Kernkraftwerk Mochovce, Nr. 58). Siehe auch UNECE, Maastricht Recommendations on Promoting Effective Public Participation in Decision-making in Environmental Matters, Rn. 40 Buchst. f., und Task Force on Public Participation in Decision-making, Report on the fourth meeting (18. Juni 2013), ECE/MP.PP/WG.1/2013/6, Rn. 56 und 57.


48      Siehe einerseits Erklärung der Europäischen Gemeinschaft über ihren Zuständigkeitsbereich gemäß Art. 17 Abs. 5 des Übereinkommens von Espoo (Finnland) über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen (Ratsdokument 8931/96, Annex B, auch zugänglich unter https://treaties.un.org/Pages/ ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=XXVII-4&chapter=27&lang=en#EndDec) sowie 15. Erwägungsgrund der UVP-Richtlinie, andererseits Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten (ABl. 2003, L 156, S. 17).


49      Vgl. Urteile vom 8. März 2011, Lesoochranárske zoskupenie (C‑240/09, EU:C:2011:125, Rn. 42), und vom 15. März 2018, North East Pylon Pressure Campaign und Sheehy (C‑470/16, EU:C:2018:185, Rn. 50).


50      Urteile vom 24. November 1992, Poulsen und Diva Navigation (C‑286/90, EU:C:1992:453, Rn. 9), vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission (C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461, Rn. 291), vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:864, Rn. 123), und vom 11. Juli 2018, Bosphorus Queen Shipping (C‑15/17, EU:C:2018:557, Rn. 44).


51      Urteil vom 17. März 2011, Brussels Hoofdstedelijk Gewest u. a. (C‑275/09, EU:C:2011:154, Rn. 26 bis 28).


52      Siehe oben, Nr. 54.


53      Vgl. zur Begrenzung der Urteilswirkung Urteile vom 2. Februar 1988, Blaizot u. a. (24/86, EU:C:1988:43, Rn. 28 und 30), vom 15. März 2005, Bidar (C‑209/03, EU:C:2005:169, Rn. 66 bis 69), und vom 9. November 2010, Volker und Markus Schecke und Eifert (C‑92/09 und C‑93/09, EU:C:2010:662, Rn. 93).


54      Urteil vom 17. November 2016, Stadt Wiener Neustadt (C‑348/15, EU:C:2016:882, Rn. 41 und 42).


55      Urteile vom 30. September 1987, Demirel (12/86, EU:C:1987:400, Rn. 14), und vom 8. März 2011, Lesoochranárske zoskupenie (C‑240/09, EU:C:2011:125, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).


56      Urteile vom 10. Januar 2006, IATA und ELFAA (C‑344/04, EU:C:2006:10, Rn. 35), vom 3. Juni 2008, The International Association of Independent Tanker Owners u. a. (C‑308/06, EU:C:2008:312, Rn. 42), vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:864, Rn. 50), und vom 16. Juli 2015, ClientEarth/Kommission (C‑612/13 P, EU:C:2015:486, Rn. 33).


57      Vgl. zur unmittelbaren Anwendung von Richtlinien die Urteile vom 18. Oktober 2001, Gharehveran (C‑441/99, EU:C:2001:551, Rn. 41 bis 44), und vom 6. September 2018, Hampshire (C‑17/17, EU:C:2018:674, Rn. 62).


58      Urteile vom 8. November 2016, Lesoochranárske zoskupenie VLK (C‑243/15, EU:C:2016:838, Rn. 57 und 59), sowie vom 20. Dezember 2017, Protect Natur-, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation (C‑664/15, EU:C:2017:987, Rn. 38 und 39).


59      Groupe d’experts pour le Pacte (Fabius u. a.), Livre blanc vers un Pacte mondial pour l’environnement, Abschnitte 4.2.1 und 4.2.2 (http://pactenvironment.emediaweb.fr/wp-content/uploads/2017/07/Livre-blanc-Pacte-mondial-pour-lenvironnement.pdf).


60      Urteil vom 19. April 2012, Pro-Braine u. a. (C‑121/11, EU:C:2012:225, Rn. 33).


61      Vgl. Urteil vom 7. Januar 2004, Wells (C‑201/02, EU:C:2004:12, Rn. 44 bis 48).


62      Siehe Nr. 6.2.6 der Begründung des Kommissionsvorschlags KOM(2000) 0839 endgültig, der zur Richtlinie 2003/35 (zitiert in Fn. 48) führte.


63      Siehe oben, Nr. 86.


64      Abschnitt B.9.2 des Vorabentscheidungsersuchens.


65      Urteile vom 7. Januar 2004, Wells (C‑201/02, EU:C:2004:12, Rn. 53), vom 28. Februar 2008, Abraham u. a. (C‑2/07, EU:C:2008:133, Rn. 26), sowie vom 17. März 2011, Brussels Hoofdstedelijk Gewest u. a. (C‑275/09, EU:C:2011:154, Rn. 33).


66      Urteile vom 7. Januar 2004, Wells (C‑201/02, EU:C:2004:12, Rn. 52), sowie vom 28. Februar 2008, Abraham u. a. (C‑2/07, EU:C:2008:133, Rn. 26).


67      Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 1985, L 175, S. 40).


68      Urteile vom 7. Januar 2004, Wells (C‑201/02, EU:C:2004:12, Rn. 52), sowie vom 28. Februar 2008, Abraham u. a. (C‑2/07, EU:C:2008:133, Rn. 26).


69      Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 1985, L 175, S. 40).


70      Richtlinie des Rates vom 3. März 1997 zur Änderung der Richtlinie 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 1997, L 73, S. 5).


71      Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 40/96 (ABl. 1996, C 248, S. 75[(88]).


72      Urteil des IGH vom 25. September 1997, Gabcikovo-Nagymaros Project (Ungarn/Slowakei) I.C.J. Reports 1997, S. 7, Rn. 51.


73      Art. 25 Abs. 1 Buchst. a des Entwurfs über die Verantwortlichkeit von Staaten für völkerrechtswidriges Handeln (Generalversammlung der Vereinten Nationen – Sechsundfünfzigste Tagung, Abschnitt VII, S. 530 (http://www.un.org/Depts/german/gv-56/band1/56bd-6.pdf).


74      Urteil des IGH vom 25. September 1997 Gabcikovo-Nagymaros Project (Ungarn/Slowakei) I.C.J. Reports 1997, S. 7, Rn. 52.


75      Urteil vom 8. November 2016, Lesoochranárske zoskupenie VLK (C‑243/15, EU:C:2016:838, Rn. 46 und 49).


76      Urteile vom 7. September 2004, Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging (C‑127/02, EU:C:2004:482, Rn. 26), und vom 14. Januar 2010, Stadt Papenburg (C‑226/08, EU:C:2010:10, Rn. 38). Etwas anders formuliert in Urteil vom 17. Juli 2014, Kommission/Griechenland (C‑600/12, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2086, Rn. 75).


77      Urteile vom 11. April 2013, Sweetman u. a. (C‑258/11, EU:C:2013:220, Rn. 44), vom 21. Juli 2016, Orleans u. a. (C‑387/15 und C‑388/15, EU:C:2016:583, Rn. 50), und vom 17. April 2018, Kommission/Polen (Waldgebiet Białowieża) (C‑441/17, EU:C:2018:255, Rn. 114).


78      Urteile vom 13. Dezember 2007, Kommission/Irland (C‑418/04, EU:C:2007:780, Rn. 231), und vom 14. März 2013, Leth (C‑420/11, EU:C:2013:166, Rn. 46).


79      Siehe Urteil vom 7. November 2018, Coöperatie Mobilisation for the Environment u. a. (C‑293/17 und C‑294/17, EU:C:2018:882, Rn. 65 und 66), sowie meine Schlussanträge in der Rechtssache Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging (C‑127/02, EU:C:2004:60, Nr. 31) sowie in den verbundenen Rechtssachen Coöperatie Mobilisation for the Environment u. a. (C‑293/17 und C‑294/17, EU:C:2018:622, Nrn. 114 bis 118).


80      Urteil vom 10. Januar 2006, Kommission/Deutschland (C‑98/03, EU:C:2006:3, Rn. 41). Siehe auch Urteil vom 26. Mai 2011, Kommission/Belgien (C‑538/09, EU:C:2011:349, Rn. 41).


81      Urteil vom 10. Januar 2006, Kommission/Deutschland (C‑98/03, EU:C:2006:3, Rn. 42 bis 44). Nunmehr auch Urteil vom 7. November 2018, Coöperatie Mobilisation for the Environment u. a. (C‑293/17 und C‑294/17, EU:C:2018:882, Rn. 67).


82      Vgl. Urteil vom 26. April 2017, Kommission/Deutschland (Moorburg) (C‑142/16, EU:C:2017:301, Rn. 30).


83      Urteil vom 16. Februar 2012, Solvay u. a. (C‑182/10, EU:C:2012:82, Rn. 69 und 70). Auch das Urteil vom 11. September 2012, Nomarchiaki Aftodioikisi Aitoloakarnanias u. a. (C‑43/10, EU:C:2012:560, Rn. 100 ff.) betraf eine Projektgenehmigung durch ein Gesetz.


84      Urteile vom 21. Juli 2016, Orleans u. a. (C‑387/15 und C‑388/15, EU:C:2016:583, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung), sowie vom 17. April 2018, Kommission/Polen (Wald von Białowieża) (C‑441/17, EU:C:2018:255, Rn. 189).


85      Urteile vom 21. Juli 2016, Orleans u. a. (C‑387/15 und C‑388/15, EU:C:2016:583, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung), sowie vom 17. April 2018, Kommission/Polen (Wald von Białowieża) (C‑441/17, EU:C:2018:255, Rn. 191 und die dort angeführte Rechtsprechung).


86      Urteile vom 13. Mai 2003, Kommission/Spanien (C‑463/00, EU:C:2003:272, Rn. 71), und vom 26. März 2009, Kommission/Italien (C‑326/07, EU:C:2009:193, Rn. 69).


87      Urteile vom 10. Juli 1984, Campus Oil u. a. (72/83, EU:C:1984:256, Rn. 35 und 47), und vom 4. Juni 2002, Kommission/Frankreich (C‑483/99, EU:C:2002:327, Rn. 47) sowie Kommission/Belgien (C‑503/99, EU:C:2002:328, Rn. 46).


88      Urteile vom 14. März 2000, Église de scientologie (C‑54/99, EU:C:2000:124, Rn. 17), und vom 4. Juni 2002, Kommission/Frankreich (C‑483/99, EU:C:2002:327, Rn. 48) sowie Kommission/Belgien (C‑503/99, EU:C:2002:328, Rn. 47).


89      Urteil vom 24. November 2011, Kommission/Spanien (Alto Sil/spanischer Braunbär) (C‑404/09, EU:C:2011:768, Rn. 193 und 195). Vgl. auch die Stellungnahme der Kommission vom 24. April 2004 nach Art. 6 Abs. 4 der Habitatrichtlinie zum Bergwerk Prosper Haniel (http://ec.europa.eu/environment/nature/natura2000/management/docs/art6/prosper_haniel_de.pdf).


90      Siehe oben, Nr. 25.


91      Siehe die in Fn. 86 und 87 angeführten Urteile.


92      Siehe in diesem Sinne insbesondere Urteile vom 20. Dezember 2017, Eni u. a. (C‑226/16, EU:C:2017:1005, Rn. 45), sowie vom 20. März 2018, Kommission/Österreich (C‑187/16, EU:C:2018:194, Rn. 87).


93      Zur UVP-Richtlinie Urteil vom 26. Juli 2017, Comune di Corridonia u. a. (C‑196/16 und C‑197/16, EU:C:2017:589, Rn. 34).


94      Urteile vom 7. Januar 2004, Wells (C‑201/02, EU:C:2004:12, Rn. 67), sowie vom 28. Februar 2012, Inter-Environnement Wallonie und Terre wallonne (C‑41/11, EU:C:2012:103, Rn. 45).


95      Urteile vom 7. Januar 2004, Wells (C‑201/02, EU:C:2004:12, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung), sowie vom 28. Februar 2012, Inter-Environnement Wallonie und Terre wallonne (C‑41/11, EU:C:2012:103, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).


96      Urteile vom 7. Januar 2004, Wells (C‑201/02, EU:C:2004:12, Rn. 65), vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380, Rn. 59), vom 28. Februar 2012, Inter-Environnement Wallonie und Terre wallonne (C‑41/11, EU:C:2012:103, Rn. 46), sowie vom 26. Juli 2017, Comune di Corridonia u. a. (C‑196/16 und C‑197/16, EU:C:2017:589, Rn. 35).


97      Urteil vom 28. Februar 2012, Inter-Environnement Wallonie und Terre wallonne (C‑41/11, EU:C:2012:103, Rn. 46 und 47).


98      Vgl. etwa Urteile des EGMR vom 19. März 1997, Hornsby/Griechenland (18357/91, CE:ECHR:1997:0319JUD001835791 Nrn. 40 und 41), und vom 8. April 2004, Assanidze/Georgien (71503/01, CE:ECHR:2004:0408JUD007150301, Nrn. 181 und 182).


99      Meine Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen Comune di Corridonia u. a. (C‑196/16 und C‑197/16, EU:C:2017:249, Nr. 41).


100      Urteil vom 7. Januar 2004, Wells (C‑201/02, EU:C:2004:12, Rn. 58).


101      Urteil vom 28. Februar 2012, Inter-Environnement Wallonie und Terre wallonne (C‑41/11, EU:C:2012:103, Rn. 58).


102      Urteil vom 28. Juli 2016, Association France Nature Environnement (C‑379/15, EU:C:2016:603, Rn. 34).


103      Urteile vom 17. Mai 1990, Barber (C‑262/88, EU:C:1990:209, Rn. 41), vom 8. September 2010, Winner Wetten (C‑409/06, EU:C:2010:503, Rn. 67), und vom 28. Juli 2016, Association France Nature Environnement (C‑379/15, EU:C:2016:603, Rn. 33).


104      Urteil vom 28. Februar 2012, Inter-Environnement Wallonie und Terre wallonne (C‑41/11, EU:C:2012:103, Rn. 59).


105      Richtlinie 91/676/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen (ABl. 1991, L 375, S. 1).


106      Urteil vom 28. Juli 2016, Association France Nature Environnement (C‑379/15, EU:C:2016:603, Rn. 39).


107      Urteile vom 28. Februar 2012, Inter-Environnement Wallonie und Terre wallonne (C‑41/11, EU:C:2012:103, Rn. 57 und 58), sowie vom 28. Juli 2016, Association France Nature Environnement (C‑379/15, EU:C:2016:603, Rn. 34 bis 36).


108      Urteile vom 28. Februar 2012, Inter-Environnement Wallonie und Terre wallonne (C‑41/11, EU:C:2012:103, Rn. 56), sowie vom 28. Juli 2016, Association France Nature Environnement (C‑379/15, EU:C:2016:603, Rn. 38).


109      Urteile vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380, Rn. 57), vom 15. Januar 2013, Križan u. a. (C‑416/10, EU:C:2013:8, Rn. 87), vom 17. November 2016, Stadt Wiener Neustadt (C‑348/15, EU:C:2016:882, Rn. 36), und vom 26. Juli 2017, Comune di Corridonia u. a. (C‑196/16 und C‑197/16, EU:C:2017:589, Rn. 37 bis 43).


110      Urteile vom 3. Juli 2008, Kommission/Irland (C‑215/06, EU:C:2008:380, Rn. 57), vom 15. Januar 2013, Križan u. a. (C‑416/10, EU:C:2013:8, Rn. 87), vom 17. November 2016, Stadt Wiener Neustadt (C‑348/15, EU:C:2016:882, Rn. 36), und vom 26. Juli 2017, Comune di Corridonia u. a. (C‑196/16 und C‑197/16, EU:C:2017:589, Rn. 38).


111      Für die strategische Umweltprüfung Urteil vom 28. Februar 2012, Inter-Environnement Wallonie und Terre wallonne (C‑41/11, EU:C:2012:103, Rn. 57). Siehe im Übrigen oben, Nrn. 186 bis 190.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Europäischer Gerichtshof Schlussantrag des Generalanwalts, 29. Nov. 2018 - C-411/17

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