Europäischer Gerichtshof Urteil, 15. Dez. 2015 - C-132/14,C-136/14

ECLI:ECLI:EU:C:2015:813
bei uns veröffentlicht am15.12.2015

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

15. Dezember 2015 ( * )

„Nichtigkeitsklagen — Verordnung (EU) Nr. 1385/2013 — Richtlinie 2013/62/EU — Richtlinie 2013/64/EU — Rechtsgrundlage — Art. 349 AEUV — Gebiete in äußerster Randlage der Europäischen Union — Änderung des Status von Mayotte gegenüber der Europäischen Union“

In den verbundenen Rechtssachen C‑132/14 bis C‑136/14

betreffend Nichtigkeitsklagen nach Art. 263 AEUV, eingereicht am 21. März 2014,

Europäisches Parlament, vertreten durch I. Liukkonen (C‑132/14) sowie L. Visaggio und J. Rodrigues (C‑132/14 und C‑136/14) als Bevollmächtigte,

Kläger in den Rechtssachen C‑132/14 und C‑136/14,

Europäische Kommission, vertreten durch R. Lyal (C‑133/14 bis C‑135/14), W. Mölls (C‑133/14 bis C‑135/14), D. Bianchi (C‑133/14 und C‑135/14) und D. Martin (C‑133/14 und C‑134/14) als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin in den Rechtssachen C‑133/14 bis C‑135/14,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch A. Westerhof Löfflerová, E. Karlsson, F. Florindo Gijón und J. Czuczai als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch

Königreich Spanien, vertreten durch M. Sampol Pucurull als Bevollmächtigten,

Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues, F. Fize, D. Colas und N. Rouam als Bevollmächtigte,

Portugiesische Republik, vertreten durch L. Inez Fernandes, B. Andrade Correia, M. Duarte und S. Marques als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidenten M. Ilešič, L. Bay Larsen, T. von Danwitz, J. L. da Cruz Vilaça und A. Arabadjiev (Berichterstatter), der Kammerpräsidentin C. Toader, der Richter E. Levits und J.‑C. Bonichot, der Richterin A. Prechal sowie der Richter E. Jarašiūnas, C. G. Fernlund und C. Vajda,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. April 2015,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. Juni 2015

folgendes

Urteil

1

Mit ihren jeweiligen Klagen in den Rechtssachen C‑132/14 und C‑135/14 beantragen das Europäische Parlament und die Europäische Kommission, die Verordnung Nr. 1385/2013 des Rates vom 17. Dezember 2013 zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 850/98 und (EG) Nr. 1224/2009 des Rates sowie der Verordnungen (EG) Nr. 1069/2009, (EU) Nr. 1379/2013 und (EU) Nr. 1380/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates aufgrund der Änderung des Status von Mayotte gegenüber der Europäischen Union (ABl. L 354, S. 86) für nichtig zu erklären.

2

Mit ihren jeweiligen Klagen in den Rechtssachen C‑133/14 und C‑136/14 beantragen die Kommission und das Parlament, die Richtlinie 2013/64/EU des Rates vom 17. Dezember 2013 zur Änderung der Richtlinien 91/271/EWG und 1999/74/EG des Rates sowie der Richtlinien 2000/60/EG, 2006/7/EG, 2006/25/EG und 2011/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates aufgrund der Änderung des Status von Mayotte gegenüber der Europäischen Union (ABl. L 353, S. 8) für nichtig zu erklären.

3

Mit ihrer Klage in der Rechtssache C‑134/14 beantragt die Kommission, die Richtlinie 2013/62/EU des Rates vom 17. Dezember 2013 zur Änderung der Richtlinie 2010/18/EU zur Durchführung der von BUSINESSEUROPE, UEAPME, CEEP und EGB geschlossenen überarbeiteten Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub nach der Änderung des Status von Mayotte gegenüber der Europäischen Union (ABl. L 353, S. 7) für nichtig zu erklären.

Die angefochtenen Rechtsakte

Verordnung Nr. 1385/2013

4

In den Erwägungsgründen 1, 3, 4, 7 und 8 der Verordnung Nr. 1385/2013 heißt es:

„(1)

… Unter Berücksichtigung der besonderen strukturbedingten sozialen und wirtschaftlichen Lage Mayottes, die durch die Faktoren Abgelegenheit, Insellage, geringe Größe und schwierige Relief- und Klimabedingungen erschwert wird, sollten in einigen Bereichen bestimmte spezifische Maßnahmen vorgesehen werden.

(3)

In den Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 850/98 des Rates [vom 30. März 1998 zur Erhaltung der Fischereiressourcen durch technische Maßnahmen zum Schutz von jungen Meerestieren (ABl. L 125, S. 1)] sollten die Gewässer rund um Mayotte als neue[s] Gebiet in äußerster Randlage aufgenommen werden, und die Verwendung von Ringwaden bei Thunfisch und Thunfischartigen sollte innerhalb eines Gebiets von 24 Meilen von den Basislinien der Inseln untersagt werden, um die Schwärme großer Wanderfische in der Nähe der Insel Mayotte zu erhalten.

(4)

In Bezug auf die Verordnung (EU) Nr. 1379/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates [vom 11. Dezember 2013 über die gemeinsame Marktorganisation für Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur, zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1184/2006 und (EG) Nr. 1224/2009 des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 104/2000 des Rates (ABl. L 354, S. 1)] würde die Anwendung der Vorschriften über die Etikettierung von Fischereierzeugnissen aufgrund der sehr fragmentierten und unterentwickelten Vermarktungsregelungen von Mayotte den Einzelhändlern eine Belastung auferlegen, die in keinem Verhältnis zu den Informationen steht, die an die Verbraucher weitergegeben werden. Daher sollte eine vorübergehende Ausnahmeregelung bei den Etikettierungsvorschriften für Fischereierzeugnisse vorgesehen werden, die für den Einzelhandelsverkauf an den Endverbraucher in Mayotte bestimmt sind.

(7)

Frankreich hat der Thunfischkommission für den Indischen Ozean (IOTC) einen Entwicklungsplan mit Angaben zur Richtgröße der Fischereiflotte von Mayotte und zur erwarteten Entwicklung dieser unterentwickelten Flotte vorgelegt; diese in Mayotte als neuem Gebiet in äußerster Randlage stationierte Flotte besteht aus mechanischen Langleinern mit einer Länge von weniger als 23 m und aus Ringwadenfischern; da keine der IOTC‑Vertragsparteien, auch nicht die Union, Einwände gegen diesen Entwicklungsplan erhoben hat, sollten die darin enthaltenen Referenzgrößen als Höchstgrenzen für die Fangkapazität der in den Häfen von Mayotte registrierten Flotte von mechanischen Langleinern mit einer Länge von weniger als 23 m und Ringwadenfischern zugrunde gelegt werden. Abweichend von den generell geltenden Unionsvorschriften sollte Frankreich aufgrund der derzeit gegebenen besonderen sozialen und wirtschaftlichen Lage Mayottes ausreichend Zeit eingeräumt werden, um die Kapazitäten des unterentwickelten Segments seiner Flotte kleinerer Fischereifahrzeuge bis 2025 zu steigern.

(8)

Hinsichtlich der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates [vom 21. Oktober 2009 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 (Verordnung über tierische Nebenprodukte) (ABl. L 300, S. 1)] ist darauf hinzuweisen, dass Mayotte über keine industriellen Kapazitäten zur Verarbeitung von tierischen Nebenprodukten verfügt. Daher sollte Frankreich ein Zeitraum von fünf Jahren eingeräumt werden, um die erforderliche Infrastruktur für Identifizierung, Handhabung, Transport, Behandlung und Entsorgung tierischer Nebenprodukte in Mayotte in vollem Einklang mit der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 aufzubauen.“

5

Die Art. 1 bis 4 dieser Verordnung bestimmen:

„Artikel 1

Änderungen der Verordnung (EG) Nr. 850/98

Die Verordnung (EG) Nr. 850/98 wird wie folgt geändert:

1.

Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe h erhält folgende Fassung:

‚h)

Region 8:

Alle Gewässer vor der Küste der französischen Departements Réunion und Mayotte, welche unter die Hoheit oder Gerichtsbarkeit Frankreichs fallen.‘

2.

Folgender Artikel wird eingefügt:

‚Artikel 34g

Einschränkung der Fangtätigkeiten in der 24-Meilen-Zone von Mayotte

Innerhalb der 24-Meilen-Zone vor den Küsten von Mayotte als Gebiet in äußerster Randlage im Sinne des Artikels 349 [AEUV], gemessen von den zur Abgrenzung der Hoheitsgewässer dienenden Basislinien, dürfen Ringwaden bei Thunfisch und Thunfischartigen nicht verwendet werden.‘

Artikel 2

Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1379/2013

Dem Artikel 35 der Verordnung (EU) Nr. 1379/2013 wird folgender Absatz angefügt:

‚(6)   Bis zum 31. Dezember 2021 gelten die Absätze 1, 2 und 3 nicht für Erzeugnisse, die für den Einzelhandelsverkauf an den Endverbraucher in Mayotte als Gebiet in äußerster Randlage im Sinne des Artikels 349 AEUV bestimmt sind.‘

Artikel 3

Änderungen der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013

Die Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 über die Gemeinsame Fischereipolitik und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1954/2003 und (EG) Nr. 1224/2009 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 2371/2002 und (EG) Nr. 639/2004 des Rates und des Beschlusses 2004/585/EG des Rates (ABl. L 354, S. 22)] wird wie folgt geändert:

1.

Dem Artikel 23 wird folgender Absatz angefügt:

‚(4)   Abweichend von Absatz 1 wird Frankreich bis zum 31. Dezember 2025 ermächtigt, für die verschiedenen Flottensegmente in Mayotte als Gebiet in äußerster Randlage im Sinne des Artikels 349 [AEUV] (im Folgenden „Mayotte”) gemäß Anhang II neue Kapazitäten einzuführen, ohne entsprechende bestehende Kapazitäten abzubauen.‘

2.

Dem Artikel 36 werden folgende Absätze angefügt:

‚(5)   Abweichend von Absatz 1 wird Frankreich bis zum 31. Dezember 2021 von der Verpflichtung befreit, in sein Register der Fischereifahrzeuge der Union Schiffe aufzunehmen, die eine Länge über alles von weniger als 10 m haben und von Mayotte aus operieren.

(6)   Bis zum 31. Dezember 2021 führt Frankreich ein vorläufiges Register der Fischereifahrzeuge, die eine Länge über alles von weniger als 10 m haben und von Mayotte aus operieren. Dieses Register enthält für jedes Schiff mindestens den Namen, die Länge über alles und eine Kennnummer. Fischereifahrzeuge, die in dem vorläufigen Register registriert sind, gelten als in Mayotte registrierte Fischereifahrzeuge.‘

3.

Die im Anhang dieser Verordnung enthaltenen Einträge betreffend Mayotte werden in die Tabelle in Anhang II der Verordnung (EU) Nr. [1380/2013] nach dem Eintrag „Guadeloupe: Pelagische Arten. L > 12 m“ eingefügt.

Artikel 4

Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009

Artikel 56 der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 erhält folgende Fassung:

‚Artikel 56

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Sie gilt ab dem 4. März 2011.

Artikel 4 gilt jedoch für Mayotte als Gebiet in äußerster Randlage im Sinne des Artikels 349 [AEUV] (im Folgenden „Mayotte“) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2021. Tierische Nebenprodukte und Folgeprodukte, die in Mayotte vor dem 1. Januar 2021 erzeugt werden, werden gemäß Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b dieser Verordnung beseitigt.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.‘“

Richtlinie 2013/62

6

Art. 1 der Richtlinie 2013/62 sieht vor:

„Dem Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 2010/18/EU [des Rates vom 8. März 2010 zur Durchführung der von BUSINESSEUROPE, UEAPME, CEEP und EGB geschlossenen überarbeiteten Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub und zur Aufhebung der Richtlinie 96/34/EG (ABl. L 68, S. 13)] wird folgender Unterabsatz angefügt:

‚Abweichend von Unterabsatz 1 wird der darin genannte zusätzliche Zeitraum in Bezug auf Mayotte als Gebiet der Union in äußerster Randlage im Sinne des Artikels 349 AEUV bis zum 31. Dezember 2018 verlängert.‘“

Richtlinie 2013/64

7

In den Erwägungsgründen 1 bis 9 der Richtlinie 2013/64 heißt es:

„(1)

… Unter Berücksichtigung der besonderen strukturbedingten sozialen und wirtschaftlichen Lage Mayottes sollten in einigen Bereichen spezifische Maßnahmen vorgesehen werden.

(2)

Es sollte die besondere Lage in Mayotte in Bezug auf den Zustand der Umwelt berücksichtigt werden; hier sind deutliche Verbesserungen im Hinblick auf die Einhaltung der im Unionsrecht festgelegten Umweltziele notwendig, die zusätzliche Zeit beanspruchen. Es sollten innerhalb bestimmter Fristen spezifische Maßnahmen angenommen werden, um die Umweltbedingungen schrittweise zu verbessern.

(3)

Im Hinblick auf die Erfüllung der Anforderungen der Richtlinie 91/271/EWG des Rates [vom 21. Mai 1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser (ABl. L 135, S. 40)] müssen Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass die Gemeinden in Mayotte mit einer Kanalisation für kommunales Abwasser ausgestattet werden. Derartige Maßnahmen erfordern Infrastrukturvorhaben, für die sachgerechte Verwaltungs- und Planungsverfahren durchgeführt werden sollten, und darüber hinaus die Einrichtung von Mess- und Überwachungssystemen für die Einleitung von kommunalem Abwasser. Daher sollte Frankreich aufgrund der besonderen strukturbedingten und wirtschaftlichen Lage Mayottes eine ausreichende Frist eingeräumt werden, damit diese Anforderungen erfüllt werden können.

(4)

Im Bereich Landwirtschaft ist in Bezug auf die Richtlinie 1999/74/EG des Rates [vom 19. Juli 1999 zur Festlegung von Mindestanforderungen zum Schutz von Legehennen (ABl. L 203, S. 53)] festzuhalten, dass in Mayotte Legehennen in nicht ausgestalteten Käfigen gehalten werden. Da erhebliche Investitionen und vorbereitende Arbeiten erforderlich sind, um nicht ausgestaltete Käfige durch ausgestaltete Käfige oder Alternativsysteme zu ersetzen, muss das Verbot der Verwendung nicht ausgestalteter Käfige um einen Zeitraum von bis zu 48 Monaten ab dem 1. Januar 2014 hinausgeschoben werden. Um eine Verzerrung des Wettbewerbs zu verhindern, sollten Eier aus Betrieben mit nicht ausgestalteten Käfigen nur auf dem lokalen Markt von Mayotte vermarktet werden. Zur Erleichterung der notwendigen Kontrollen sollten in nicht ausgestalteten Käfigen produzierte Eier eine besondere Kennzeichnung tragen.

(5)

Die ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates [vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (ABl. L 327, S. 1)] hinsichtlich der Bewirtschaftungspläne für die Einzugsgebiete erfordert, dass Frankreich Bewirtschaftungspläne verabschiedet und umsetzt, die technische und administrative Maßnahmen umfassen, um einen guten Gewässerzustand aller Oberflächengewässer zu erreichen und die Verschlechterung aller Oberflächenwasserkörper zu verhindern. Aufgrund der besonderen strukturbedingten und wirtschaftlichen Lage Mayottes als neues Gebiet in äußerster Randlage sollte für die Verabschiedung und Umsetzung solcher Maßnahmen eine ausreichende Frist eingeräumt werden.

(6)

Hinsichtlich der Einhaltung der Richtlinie 2006/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates [vom 15. Februar 2006 über die Qualität der Badegewässer und deren Bewirtschaftung und zur Aufhebung der Richtlinie 76/160/EWG (ABl. L 64, S. 37)] bedarf der derzeitige Zustand der Oberflächengewässer in Mayotte beträchtlicher Verbesserungen. Die Qualität der Badegewässer hängt unmittelbar von der Behandlung von kommunalem Abwasser ab, und die Bestimmungen der Richtlinie 2006/7/EG können erst dann schrittweise eingehalten werden, wenn die Gemeinden, die Einfluss auf die Qualität des kommunalen Abwassers haben, die Anforderungen der Richtlinie 91/271/EWG erfüllen. Daher sind spezifische Fristen festzulegen, damit Frankreich die Unionsnormen hinsichtlich der Qualität der Badegewässer in Mayotte als neue[s] Gebiet in äußerster Randlage angesichts der besonderen sozialen und wirtschaftlichen Lage Mayottes erfüllen kann.

(7)

Im Bereich Sozialpolitik müssen die Schwierigkeiten Mayottes berücksichtigt werden, die Richtlinie 2006/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates [vom 5. April 2006 über Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen (künstliche optische Strahlung) (19. Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (ABl. L 114, S. 38)] ab dem 1. Januar 2014 einzuhalten. Aufgrund der besonderen sozialen und wirtschaftlichen Lage Mayottes gibt es dort keine technischen Einrichtungen für die Durchführung der Maßnahmen, die für die Einhaltung der Richtlinie im Bereich der künstlichen optischen Strahlung erforderlich sind. Deshalb empfiehlt es sich, Frankreich eine Ausnahmegenehmigung von einigen Bestimmungen der genannten Richtlinie bis zum 31. Dezember 2017 zu gewähren, sofern entsprechende Strukturen in Mayotte nicht vorhanden sind und die allgemeinen Grundsätze des Schutzes und der Prävention im Bereich der Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer davon nicht berührt werden.

(8)

Um ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer bei der Arbeit zu gewährleisten, sollten die Konsultation mit den Sozialpartnern sichergestellt, die mit der Ausnahmeregelung zusammenhängenden Risiken auf ein Minimum reduziert und die Gesundheit der betreffenden Arbeitskräfte stärker überwacht werden. Die Dauer der Ausnahmeregelung sollte so kurz wie möglich sein. Daher sollten die nationalen Ausnahmeregelungen jährlich überprüft und aufgehoben werden, sobald die Voraussetzungen dafür nicht mehr bestehen.

(9)

Die Umsetzung der Richtlinie 2011/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates [vom 9. März 2011 über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung (ABl. L 88, S. 45)] erfordert eine Reihe von Anpassungen zur Gewährleistung der Kontinuität der Versorgung und Information der Patienten. Daher sollte Frankreich ein zusätzlicher Zeitraum von 30 Monaten ab dem 1. Januar 2014 eingeräumt werden, um die Rechtsvorschriften zur Umsetzung der genannten Richtlinie in Mayotte zu erlassen.“

8

Die Art. 1 bis 6 dieser Richtlinie lauten:

„Artikel 1

Änderungen der Richtlinie 91/271/EWG

Die Richtlinie 91/271/EWG wird wie folgt geändert:

1.

In Artikel 3 wird folgender Absatz eingefügt:

‚(1a)   Abweichend von Absatz 1 Unterabsätze 1 und 2 stellt Frankreich in Bezug auf Mayotte als Gebiet in äußerster Randlage im Sinne des Artikels 349 [AEUV] (im Folgenden „Mayotte”) sicher, dass alle Gemeinden mit einer Kanalisation für kommunales Abwasser ausgestattet werden:

bis zum 31. Dezember 2020 die Gemeinden mit mehr als 10000 [Einwohnerwert], die mindestens 70 % der in Mayotte anfallenden Belastung ausmachen;

bis zum 31. Dezember 2027 alle Gemeinden mit mehr als 2000 [Einwohnerwert].‘

2.

In Artikel 4 wird folgender Absatz eingefügt:

‚(1a)   Abweichend von Absatz 1 stellt Frankreich in Bezug auf Mayotte sicher, dass in Kanalisationen eingeleitetes kommunales Abwasser vor dem Einleiten in Gewässer einer Zweitbehandlung oder einer gleichwertigen Behandlung unterzogen wird:

bis zum 31. Dezember 2020 in Gemeinden mit mehr als 15000 [Einwohnerwert], die zusammen mit den in Artikel 5 Absatz 2a genannten Gemeinden mindestens 70 % der in Mayotte anfallenden Belastung ausmachen;

bis zum 31. Dezember 2027 in allen Gemeinden mit mehr als 2000 [Einwohnerwert].‘

3.

Dem Artikel 5 wird folgender Absatz angefügt:

‚(2a)   Abweichend von Absatz 2 stellt Frankreich in Bezug auf Mayotte sicher, dass in empfindliche Gebiete eingeleitete kommunale Abwasser aus Kanalisationen vor dem Einleiten in Gewässer einer weitergehenden als der in Artikel 4 beschriebenen Behandlung unterzogen werden, und zwar bis zum 31. Dezember 2020 in Gemeinden mit mehr als 10000 [Einwohnerwert], die zusammen mit den in Artikel 4 Absatz 1a genannten Gemeinden mindestens 70 % der in Mayotte anfallenden Belastung ausmachen.‘

4.

Dem Artikel 7 wird folgender Absatz angefügt:

‚Abweichend von Absatz 1 gilt für Mayotte der 31. Dezember 2027 als Termin für die darin vorgesehenen Maßnahmen.‘

5.

Artikel 17 wird wie folgt geändert:

a)

Dem Absatz 1 wird folgender Unterabsatz angefügt:

‚Abweichend von Unterabsatz 1 stellt Frankreich bis zum 30. Juni 2014 ein Programm für den Vollzug dieser Richtlinie in Mayotte auf.‘

b)

Dem Absatz 2 wird folgender Unterabsatz angefügt:

‚Abweichend von Unterabsatz 1 übermittelt Frankreich in Bezug auf Mayotte der Kommission bis zum 31. Dezember 2014 Informationen über das Programm.‘

Artikel 2

Änderung der Richtlinie 1999/74/EG

Dem Artikel 5 der Richtlinie 1999/74/EG wird folgender Absatz angefügt:

‚(3)   Abweichend von Absatz 2 können in Mayotte als Gebiet in äußerster Randlage im Sinne des Artikels 349 [AEUV] (im Folgenden „Mayotte”) Legehennen bis zum 31. Dezember 2017 weiter in Käfigen im Sinne dieses Kapitels gehalten werden.

Ab dem 1. Januar 2014 ist der Bau oder die erste Inbetriebnahme von Käfigen im Sinne dieses Kapitels in Mayotte untersagt.

Eier aus Betrieben, deren Legehennen in Käfigen im Sinne dieses Kapitels untergebracht sind, dürfen nur auf dem lokalen Markt von Mayotte in Verkehr gebracht werden. Diese Eier und ihre Verpackungen sind deutlich mit einem besonderen Kennzeichen zu kennzeichnen, damit die erforderlichen Kontrollen durchgeführt werden können. Eine klare Beschreibung dieses besonderen Kennzeichens muss der Kommission bis spätestens 1. Januar 2014 übermittelt werden.‘

Artikel 3

Änderungen der Richtlinie 2000/60/EG

Die Richtlinie 2000/60/EG wird wie folgt geändert:

1.

Artikel 4 wird wie folgt geändert:

a)

Dem Absatz 1 wird folgender Unterabsatz angefügt:

‚In Bezug auf Mayotte als Gebiet in äußerster Randlage im Sinne des Artikels 349 [AEUV] (im Folgenden „Mayotte”) enden die Fristen nach Buchstabe a Ziffern ii und iii, Buchstabe b Ziffer ii und Buchstabe c am 22. Dezember 2021.‘

b)

In Absatz 4 erhält der Einleitungssatz folgende Fassung:

‚Die in Absatz 1 vorgesehenen Zeitspannen können zum Zweck der stufenweisen Umsetzung der Ziele für Wasserkörper verlängert werden, sofern sich der Zustand des beeinträchtigten Wasserkörpers nicht weiter verschlechtert und die folgenden Bedingungen alle erfüllt sind:‘

2.

Artikel 11 wird wie folgt geändert:

a)

Dem Absatz 7 wird folgender Unterabsatz angefügt:

‚Als Fristen gemäß Unterabsatz 1 werden für Mayotte der 22. Dezember 2015 bzw. der 22. Dezember 2018 festgelegt.‘

b)

Dem Absatz 8 wird folgender Unterabsatz angefügt:

‚Als Frist gemäß Unterabsatz 1 wird für Mayotte der 22. Dezember 2021 festgelegt.‘

3.

Artikel 13 wird wie folgt geändert:

a)

Dem Absatz 6 wird folgender Unterabsatz angefügt:

‚Als Frist gemäß Unterabsatz 1 wird für Mayotte der 22. Dezember 2015 festgelegt.‘

b)

Dem Absatz 7 wird folgender Unterabsatz angefügt:

‚Als Frist gemäß Unterabsatz 1 wird für Mayotte der 22. Dezember 2021 festgelegt.‘

Artikel 4

Änderungen der Richtlinie 2006/7/EG

Die Richtlinie 2006/7/EG wird wie folgt geändert:

1.

Artikel 5 wird wie folgt geändert:

a)

Dem Absatz 2 wird folgender Unterabsatz angefügt:

‚In Bezug auf Mayotte als Gebiet in äußerster Randlage im Sinne des Artikels 349 [AEUV] (im Folgenden „Mayotte”) endet die Frist nach Unterabsatz 1 am 31. Dezember 2019.‘

b)

Dem Absatz 3 wird folgender Unterabsatz angefügt:

‚Als Frist gemäß Unterabsatz 1 wird für Mayotte der 31. Dezember 2031 festgelegt.‘

2.

Dem Artikel 6 Absatz 1 wird folgender Unterabsatz angefügt:

‚Als Frist gemäß Unterabsatz 1 wird für Mayotte der 30. Juni 2015 festgelegt.‘

3.

Dem Artikel 13 Absatz 2 wird folgender Unterabsatz angefügt:

‚Als Frist gemäß Unterabsatz 1 wird für Mayotte der 30. Juni 2014 festgelegt.‘

Artikel 5

Änderung der Richtlinie 2006/25/EG

In die Richtlinie 2006/25/EG wird folgender Artikel eingefügt:

‚Artikel 14a

(1)   Unbeschadet der allgemeinen Schutz- und Präventionsgrundsätze im Bereich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer kann Frankreich bis zum 31. Dezember 2017 von der Anwendung der Vorschriften abweichen, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie in Mayotte als Gebiet in äußerster Randlage im Sinne des Artikels 349 [AEUV] (im Folgenden „Mayotte”) nachzukommen, sofern diese Anwendung spezielle technische Einrichtungen erfordert, die in Mayotte nicht verfügbar sind.

Unterabsatz 1 gilt nicht für die Verpflichtungen nach Artikel 5 Absatz 1 dieser Richtlinie noch für die Bestimmungen dieser Richtlinie, die die allgemeinen Grundsätze der Richtlinie 89/391/EWG [des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (ABl. L 183, S. 1)] widerspiegeln.

(2)   Für alle Ausnahmen von dieser Richtlinie, die sich aus der Anwendung von Maßnahmen ergeben, die am 1. Januar 2014 bestehen, oder aus der Annahme neuer Maßnahmen resultieren, ist eine vorherige Anhörung der Sozialpartner gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten durchzuführen. Für die Anwendung dieser Ausnahmen gelten Bedingungen, die unter Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten in Mayotte sicherstellen sollen, dass die sich daraus ergebenden Risiken für die Arbeitnehmer auf ein Minimum reduziert werden und für die betroffenen Arbeitnehmer eine verstärkte Gesundheitsüberwachung gilt.

(3)   Die abweichenden nationalen Maßnahmen werden jährlich nach Anhörung der Sozialpartner überprüft; sie werden aufgehoben, sobald die zugrunde liegenden Umstände nicht mehr bestehen.‘

Artikel 6

Änderung der Richtlinie 2011/24/EG

Dem Artikel 21 der Richtlinie 2011/24/EU wird folgender Absatz angefügt:

‚(3)   Abweichend von Absatz 1 Satz 1 setzt Frankreich die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie in Bezug auf Mayotte als Gebiet in äußerster Randlage im Sinne des Artikels 349 AEUV bis zum 30. Juni 2016 nachzukommen.‘“

Vorgeschichte des Rechtsstreits

9

Nach dem Beschluss 2012/419/EU des Europäischen Rates vom 11. Juli 2012 zur Änderung des Status von Mayotte gegenüber der Europäischen Union (ABl. L 204, S. 131) ist Mayotte ab dem 1. Januar 2014 nicht mehr überseeisches Land und Hoheitsgebiet im Sinne von Art. 355 Abs. 2 AEUV und erhielt stattdessen den Status eines Gebiets in äußerster Randlage im Sinne des Art. 349 AEUV. Mit diesem Beschluss wurde in den Art. 349 Abs. 1 AEUV und in den Art. 355 Abs. 1 AEUV jeweils eine Bezugnahme auf Mayotte eingefügt, während in Anhang II des AEU-Vertrags, in dem die Liste der „Überseeische[n] Länder und Hoheitsgebiete, auf welche der Vierte Teil [dieses] Vertrags … Anwendung findet“, festgelegt ist, der sechste Gedankenstrich („Mayotte“) gestrichen wurde.

10

Auf mehrere Anfragen der französischen Behörden hin erkannte die Kommission an, dass der Französischen Republik, die durch den Beschluss 2012/419 verpflichtet sei, in Bezug auf Mayotte den gesamten unionsrechtlichen Besitzstand ab dem 1. Januar 2014 anzuwenden, gleichwohl mehr Zeit gewährt werden müsse, um diese Pflicht einzuhalten.

11

Hierfür verabschiedete die Kommission am 13. Juni 2013 den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung bestimmter Verordnungen im Bereich der Fischerei und der Tiergesundheit aufgrund der Änderung des Status von Mayotte gegenüber der Europäischen Union (COM[2013] 417 final), den Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Änderung der Richtlinie 2010/18/EU des Rates aufgrund einer Veränderung des Status von Mayotte (COM[2013] 413 final) und den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung bestimmter Richtlinien in den Bereichen Umwelt, Landwirtschaft, Sozialpolitik und öffentliche Gesundheit aufgrund der Änderung des Status von Mayotte gegenüber der Europäischen Union [COM(2013) 418 final]; diese Vorschläge hatten jeweils folgende Grundlagen:

die Art. 43 Abs. 2 AEUV und 168 Abs. 4 Buchst. b AEUV, die das ordentliche Gesetzgebungsverfahren vorsehen und die Anhörung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) und des Ausschusses der Regionen der Europäischen Union verlangen;

Art. 155 Abs. 2 AEUV, der vorsieht, dass der Rat auf Vorschlag der Kommission handelt, wobei das Europäische Parlament unterrichtet wird;

die Art. 43 Abs. 2 AEUV, 114 AEUV, 153 Abs. 2 AEUV, 168 AEUV und 192 Abs. 1 AEUV, die das ordentliche Gesetzgebungsverfahren vorsehen und die Anhörung des EWSA und des Ausschusses der Regionen verlangen.

12

Da der Rat der Ansicht war, dass die zu erlassenden Rechtsakte allesamt auf der Grundlage von Art. 349 AEUV und gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren zu erlassen seien, übermittelte er dem Parlament die Vorschläge der Kommission zur Stellungnahme. Diese Vorschläge wurden auch den nationalen Parlamenten übermittelt.

13

Am 12. Dezember 2013 nahm das Parlament seine „Standpunkt[e] in erster Lesung“ zu dem Vorschlag für eine Verordnung COM(2013) 417 final und zu dem Vorschlag für eine Richtlinie COM(2013) 418 final an. In diesen Standpunkten wies das Parlament darauf hin, dass die zu erlassenden Rechtsakte „gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren“ zu erlassen seien, dass aber insbesondere die zu erlassende Verordnung zusätzlich zu den Art. 43 Abs. 2 AEUV und 168 Abs. 4 Buchst. b AEUV auch Art. 349 AEUV als Rechtsgrundlage haben müsse. Hinsichtlich des in Bezug auf den Vorschlag für einen Beschluss COM(2013) 413 final zu erlassenden Rechtsakts wies das Parlament darauf hin, dass es gemäß Art. 349 AEUV zum Entwurf des Rates „angehört“ worden sei, und billigte mit einer legislativen Entschließung vom 12. Dezember 2013„den Entwurf des Rates in der geänderten Fassung“.

14

Am 17. Dezember 2013 erließ der Rat „gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren“, gestützt auf den „[AEU-]Vertrag … und insbesondere auf [seinen] Artikel 349“ und nach „Stellungnahme des … Parlaments [vom 12. Dezember 2013]“ die Verordnung Nr. 1385/2013, die Richtlinie 2013/62 und die Richtlinie 2013/64 (im Folgenden zusammen: angefochtene Rechtsakte).

Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

15

Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 29. April 2014 sind die vorliegenden Rechtssachen zum gemeinsamen schriftlichen und mündlichen Verfahren sowie zur gemeinsamen Entscheidung verbunden worden.

16

Das Parlament beantragt,

die Verordnung Nr. 1385/2013 und die Richtlinie 2013/64 für nichtig zu erklären;

die Wirkungen der Verordnung und der Richtlinie bis zum Inkrafttreten von Rechtsakten aufrechtzuerhalten, die sie ersetzen und sich auf die richtige Rechtsgrundlage stützen;

dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

17

Die Kommission beantragt,

die angefochtenen Rechtsakte für nichtig zu erklären;

die Wirkungen der angefochtenen Rechtsakte bis zum Inkrafttreten von Rechtsakten aufrechtzuerhalten, die sie ersetzen und sich auf die richtige Rechtsgrundlage stützen;

dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

18

Der Rat beantragt,

die Klagen abzuweisen;

hilfsweise, für den Fall der vollständigen oder teilweisen Nichtigerklärung der angefochtenen Rechtsakte ihre Wirkungen bis zum Inkrafttreten von Rechtsakten aufrechtzuerhalten, die sie ersetzen und sich auf die richtige Rechtsgrundlage stützen;

dem Parlament und der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

19

Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 29. Juli 2014 sind das Königreich Spanien, die Französische Republik und die Portugiesische Republik als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen worden.

Zu den Klagen

20

Das Parlament und die Kommission machen zur Stützung ihrer jeweiligen Klagen einen einzigen Klagegrund geltend, mit dem sie rügen, dass der Rat eine falsche Rechtsgrundlage gewählt habe, da er die angefochtenen Rechtsakte auf der Grundlage von Art. 349 AEUV erlassen habe.

Vorbringen der Parteien

Vorbringen der Kommission

21

Nach Ansicht der Kommission findet Art. 349 AEUV nur Anwendung, wenn es darum geht, von der Anwendung des Primärrechts auf die Gebiete in äußerster Randlage abzuweichen. Wenn keine solche Abweichung vorliege, müsse die Rechtsgrundlage für einen Rechtsakt, mit dem – wie im Fall der angefochtenen Rechtsakte – lediglich eine Politik an diese Gebiete angepasst werde, in den Bestimmungen gesucht werden, die diese Politik beträfen.

22

Art. 355 Abs. 1 AEUV bestimme, dass „nach Artikel 349 [AEUV]“ für die Gebiete in äußerster Randlage „[d]ie Verträge gelten“. Daraus folge, dass Art. 349 AEUV lediglich gestatte, von der Anwendung der „Verträge“ auf diese Gebiete abzuweichen.

23

Insoweit ergebe sich aus Art. 52 EUV, dass „die Verträge“ zwar in allen Mitgliedstaaten gälten, ihr räumlicher Geltungsbereich jedoch in Art. 355 AEUV festgelegt werde. Daher bedeute die zwischen diesen beiden Vorschriften bestehende Verbindung, dass der in ihnen verwendete Begriff der „Verträge“ das Sekundärrecht ausschließe. Die Einzelheiten über den geografischen Geltungsbereich einer Vorschrift des Sekundärrechts stünden normalerweise nämlich in der Vorschrift selbst und würden weder durch Art. 355 AEUV noch durch Art. 52 EUV beeinflusst.

24

Insbesondere könne Art. 349 AEUV nicht so ausgelegt werden, dass er dem Rat gestatte, jegliche „spezifische Maßnahme“ zu erlassen, die für die in diesem Artikel genannten Gebiete in äußerster Randlage vorteilhaft sei. Art. 349 AEUV gestatte nämlich nur den Erlass von Maßnahmen unter Berücksichtigung der „strukturbedingten sozialen und wirtschaftlichen Lage“ dieser Gebiete und der in seinem Abs. 1 abschließend aufgezählten Faktoren, die diese Lage erschwerten.

25

Da die in Art. 349 AEUV vorgesehenen „spezifischen Maßnahmen“„insbesondere darauf abzielen, die Bedingungen für die Anwendung der Verträge“ auf die betreffenden Gebiete „festzulegen“, bedeute das Wort „insbesondere“, dass dieser Artikel jede von den Verträgen abweichende Maßnahme erfasse, unabhängig davon, ob sie solche „Bedingungen für die Anwendung“ festlege oder nicht. Dieser Artikel gestatte dem Rat dagegen nicht, die „Bedingungen für die Anwendung“ des Sekundärrechts festzulegen.

26

Eine solche Auslegung könne auch weder durch die in Art. 349 Abs. 1 AEUV gebrauchte Wendung „einschließlich gemeinsamer Politiken“ noch durch die in Art. 349 Abs. 2 AEUV enthaltene nicht abschließende Auflistung dieser Politiken in Frage gestellt werden. Der Gebrauch dieser Wendung und diese Auflistung machten nämlich lediglich deutlich, dass die Reichweite von Art. 349 AEUV nicht auf bestimmte spezielle Politikbereiche begrenzt sei, bedeuteten jedoch nicht, dass der Geltungsbereich dieses Artikels derart auszuweiten sei, dass der Rat ermächtigt werde, auf seiner Grundlage Maßnahmen zu erlassen, die vom Sekundärrecht abwichen.

27

Nach Ansicht der Kommission bestätigt das System der Rechtsgrundlagen des AEU-Vertrags ihre Argumentation. Mit Ausnahme von Art. 349 AEUV beziehe sich nämlich jede dieser Rechtsgrundlagen auf eine bestimmte Politik als Ganzes und gewähre dem Unionsgesetzgeber einen weiten Ermessensspielraum, damit jeder relevante Faktor berücksichtigt werde. Daraus folge, dass geografische Unterscheidungen zulässig seien, sofern der Grundsatz der Gleichbehandlung gewahrt sei. Daher könne eine unterschiedliche Behandlung zugunsten eines Gebiets in äußerster Randlage damit gerechtfertigt werden, dass in diesem Gebiet einer oder mehrere der in Art. 349 AEUV aufgezählten Faktoren vorlägen, ohne dass dies die für diese Behandlung geltende Rechtsgrundlage beeinflusse.

28

Die Kommission beantragt schließlich, die Wirkungen der angefochtenen Rechtsakte aufrechtzuerhalten, da ihre Klagen nicht deren Inhalt selbst beträfen.

Vorbringen des Parlaments

29

Nach Ansicht des Parlaments haben die Verordnung Nr. 1385/2013 und die Richtlinie 2013/64 gleichzeitig mehrere Zielsetzungen und mehrere Komponenten, die untrennbar miteinander verbunden seien, ohne dass bestimmte gegenüber den anderen zweitrangig und mittelbar seien. Daher hätten diese Rechtsakte auf die verschiedenen entsprechenden Rechtsgrundlagen gestützt werden müssen.

30

Art. 349 AEUV könne nicht gegenüber sektorbezogenen Rechtsgrundlagen vorrangig sein, was Maßnahmen angehe, mit denen eine bestimmte Politik umgesetzt werden solle, sei es auch in einem oder mehreren Gebieten in äußerster Randlage, da anderenfalls die Architektur des AEU-Vertrags und das institutionelle Gleichgewicht beim Erlass der von diesem Vertrag vorgesehenen Maßnahmen gefährdet würden. Die Vorschriften über die Politiken der Union gälten nämlich auch für die Gebiete in äußerster Randlage.

31

Daraus folge, dass Maßnahmen zur Umsetzung dieser Politiken aufgrund von Rechtsgrundlagen erlassen werden müssten, die im Dritten Teil des AEU-Vertrags enthalten seien. Dabei sei unerheblich, dass eine Maßnahme ganz oder teilweise ein oder mehrere Gebiete in äußerster Randlage betreffe. Entscheidend sei, ob diese Maßnahme Ziele der betreffenden Politik verfolge, ohne jedoch eine spezifische Maßnahme zugunsten der Gebiete in äußerster Randlage im Sinne von Art. 349 AEUV zu sein.

32

Insoweit ergebe sich aus dem Wortlaut von Art. 349 AEUV, dass diese Vorschrift nur den Erlass „spezifischer Maßnahmen“ gestatte, mit denen die sich aus den „besonderen Merkmale[n] und Zwänge[n]“ der Gebiete in äußerster Randlage ergebenden Nachteile ausgeglichen werden sollten, die das oder die betreffenden Gebiete vom übrigen Unionsgebiet unterschieden.

33

Insbesondere aus dem in Art. 349 Abs. 1 AEUV genannten Zweck, dass diese Maßnahmen „insbesondere darauf abzielen, die Bedingungen für die Anwendung der Verträge auf die genannten Gebiete, einschließlich gemeinsamer Politiken, festzulegen“, und aus der Schutzklausel in Art. 349 Abs. 3 AEUV, der bestimme, dass diese Maßnahmen ergriffen werden müssten, „ohne dabei die Integrität und Kohärenz der Rechtsordnung der Union, die auch … die gemeinsamen Politiken umfasst, auszuhöhlen“, ergebe sich, dass Art. 349 AEUV nur Abweichungen von der vollen Anwendung des Unionsrecht betreffe.

34

Daher fielen Maßnahmen, die keine Abweichung von den ansonsten geltenden Regeln einführten, sondern lediglich die Anwendung bestimmter Vorschriften des Unionsrechts auf ein Gebiet in äußerster Randlage auf einen späteren Zeitpunkt aufschöben, nicht in den Geltungsbereich dieses Artikels.

35

Im Fall der Richtlinie 2013/64 ergebe sich aus ihren Erwägungsgründen, dass sie durch die Gewährung von Übergangszeiträumen die volle Anwendung mehrerer Richtlinien in den Bereichen Umwelt, Landwirtschaft, Sozialpolitik und öffentliche Gesundheit auf Mayotte erleichtern solle.

36

Die Schwierigkeiten, die sich aus einer vollen Anwendung dieser Richtlinien auf dieses Gebiet ergäben, seien aber weder die Folge seiner „strukturbedingten sozialen und wirtschaftlichen Lage“ noch des Vorliegens eines oder mehrerer der in Art. 349 Abs. 1 AEUV abschließend aufgezählten erschwerenden Faktoren. Solche Schwierigkeiten könnten nämlich jedes Gebiet betreffen, das ab einem bestimmten Zeitpunkt verpflichtet sei, Anforderungen zu erfüllen, die zuvor nicht für es gegolten hätten.

37

Daher hätten die mit der Richtlinie 2013/64 vorgenommenen Änderungen nach Ansicht des Parlaments die Rechtsgrundlagen haben müssen, die den betreffenden sektorbezogenen Richtlinien entsprächen. Hingegen hätten sie nicht auf Art. 349 AEUV gestützt werden dürfen.

38

Mit Art. 1 der Verordnung Nr. 1385/2013 sollten die Ziele der gemeinsamen Fischereipolitik umgesetzt werden. Der Umstand, dass sich die zu schützende empfindliche Meeresumwelt in den Gewässern eines Gebiets in äußerster Randlage befinde, sei unerheblich, da eine solche Lage in jedem anderen Gebiet der Union vorkommen könne. Daher zielten die in dieser Verordnung vom Rat erlassenen Maßnahmen nicht darauf ab, die sich aus der „strukturbedingten sozialen und wirtschaftlichen Lage“ von Mayotte ergebenden Nachteile auszugleichen.

39

Dass eine bestimmte Maßnahme, die im Bereich der gemeinsamen Fischereipolitik erlassen worden sei, auch darauf abzielen könne, positive Auswirkungen in den Bereichen Wirtschaft, Soziales und Beschäftigung zu erzielen, könne die Maßnahme nicht von dieser Politik ausnehmen.

40

Die in Art. 2 der Verordnung Nr. 1385/2013 in Rede stehende Änderung stelle nur eine Übergangsmaßnahme dar, mit der die volle Anwendung des Sekundärrechts auf Mayotte ermöglicht werden solle. Für sie hätte die sektorbezogene Grundlage des Art. 43 Abs. 2 AEUV herangezogen werden müssen.

41

Die in Art. 3 Nrn. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1385/2013 genannten Maßnahmen stellten Abweichungen dar und seien unter Berücksichtigung der besonderen „strukturbedingten wirtschaftlichen Lage“ von Mayotte erlassen worden. Unter diesen Umständen sei Art. 349 AEUV in der Tat die richtige Rechtsgrundlage für den Erlass dieser Maßnahmen gewesen.

42

Dagegen habe der Rat dadurch, dass er mit Art. 3 Nr. 3 der Verordnung Nr. 1385/2013 die in Anhang II der Verordnung Nr. 1380/2013 enthaltene Tabelle über die Obergrenzen der Fangkapazitäten angepasst habe, ohne die Zahl der von Mayotte aus operierenden Fischereifahrzeuge zu begrenzen, keine „spezifische Maßnahme“ unter Berücksichtigung der „strukturbedingten sozialen und wirtschaftlichen Lage“ von Mayotte und der in Art. 349 Abs. 1 AEUV abschließend aufgezählten erschwerenden Faktoren erlassen. Für eine solche Maßnahme habe daher Art. 43 Abs. 2 AEUV die Rechtsgrundlage sein müssen.

43

Da Art. 4 der Verordnung Nr. 1385/2013 lediglich das Inkrafttreten von Art. 4 der Verordnung Nr. 1069/2009 auf Mayotte auf den 1. Januar 2021 verschoben habe, hätte diese Maßnahme nach Ansicht des Parlaments auf der Grundlage von Art. 168 Abs. 4 Buchst. b AEUV erlassen werden müssen. Insbesondere könne eine ähnliche Lage wie die in Mayotte herrschende, nämlich das Fehlen einer Industrie zur Verarbeitung von tierischen Nebenprodukten, in jedem anderen Gebiet der Union vorkommen.

44

Art. 5 der Verordnung Nr. 1385/2013 sehe in Bezug auf die Kontrolle des Segments der Schiffe der Flotte von Mayotte, die eine Länge von weniger als 10 m hätten, eine vorübergehende Freistellung von bestimmten Vorschriften vor und schreibe eine vereinfachte vorläufige Kontrollregelung vor. Da eine solche Maßnahme durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sei, zum einen „die Fischer und Inspektoren zu schulen und eine geeignete administrative und physische Infrastruktur aufzubauen“ und zum anderen „zumindest einige der wichtigsten Ziele der Verordnung (EG) Nr. 1224/2009 [des Rates vom 20. November 2009 zur Einführung einer gemeinschaftlichen Kontrollregelung zur Sicherstellung der Einhaltung der Vorschriften der gemeinsamen Fischereipolitik und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 847/96, (EG) Nr. 2371/2002, (EG) Nr. 811/2004, (EG) Nr. 768/2005, (EG) Nr. 2115/2005, (EG) Nr. 2166/2005, (EG) Nr. 388/2006, (EG) Nr. 509/2007, (EG) Nr. 676/2007, (EG) Nr. 1098/2007, (EG) Nr. 1300/2008, (EG) Nr. 1342/2008 sowie zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 2847/93, (EG) Nr. 1627/94 und (EG) Nr. 1966/2006 (ABl. L 343, S. 1)] zu verwirklichen“, stelle sie eine Abweichung dar, so dass sie unter Art. 349 AEUV fallen könne.

45

Aufgrund dieser Erwägungen meint das Parlament, dass im Hinblick auf die Verordnung Nr. 1385/2013 die Voraussetzungen für eine gleichzeitige Anwendung der in den Art. 43 Abs. 2 AEUV, 168 Abs. 4 Buchst. b AEUV und 349 AEUV vorgesehenen Rechtsgrundlagen vorlägen.

Vorbringen des Rates

46

Nach Ansicht des Rates stellt Art. 349 AEUV eine spezifische Rechtsgrundlage mit einem begrenzten geografischen Geltungsbereich dar, die den sektorbezogenen Rechtsgrundlagen vorgehe und heranzuziehen sei, wenn es um den Erlass spezifischer Maßnahmen gehe, die insbesondere darauf abzielten, die Bedingungen für die Anwendung des Unionsrechts einschließlich des Sekundärrechts unter Berücksichtigung der in diesem Artikel beschriebenen ungünstigen Lage der Gebiete in äußerster Randlage festzulegen.

47

Die in den angefochtenen Rechtsakten genannten Maßnahmen zielten unabhängig von ihrer Dauer alle darauf ab, Mayotte entsprechend den in Art. 349 AEUV genannten Anforderungen zu unterstützen. An dieser Schlussfolgerung ändere auch der Umstand nichts, dass aufgrund einer sektorbezogenen Rechtsgrundlage Übergangszeiträume gewährt werden könnten.

48

Im Übrigen seien die Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen, um für den Erlass der Verordnung Nr. 1385/2013 und der Richtlinie 2013/64 mehrere Rechtsgrundlagen heranzuziehen. Zum einen seien die darin genannten Maßnahmen, die unterschiedliche Bereiche beträfen und nicht untrennbar miteinander verbunden seien, nur „im Interesse einer einfachen und raschen Abwicklung“ in diesen Rechtsakten vereint worden. Zum anderen verfolgten die Verordnung und die Richtlinie einen hauptsächlichen und vorherrschenden Zweck, nämlich den Erlass spezifischer Maßnahmen unter Berücksichtigung der Lage von Mayotte, weshalb es gerechtfertigt gewesen sei, ausschließlich Art. 349 AEUV heranzuziehen.

49

Der Rat bestreitet insbesondere, dass Art. 1 der Verordnung Nr. 1385/2013 sowie die Richtlinien 2013/62 und 2013/64 sektorbezogene Maßnahmen enthielten. Die in diesem Artikel vorgesehene Einschränkung der Fangtätigkeiten bezwecke nämlich, „die Schwärme großer Wanderfische in der Nähe der Insel Mayotte“ zugunsten der handwerklichen Flotte der Langleinenfischereischiffe von Mayotte „zu erhalten“ und somit die Entwicklung der lokalen Industrie zu ermöglichen.

50

Da diese Flotte nämlich nicht wirksam mit leistungsstärkeren Ringwadenschiffen konkurrieren könne, ziele diese Maßnahme darauf ab, dieser Flotte eine begrenzte Zone zur Verfügung zu stellen, die für sie reserviert sei, damit sie den Zug der großen Wanderfische durch diese Zone nutzen könne.

51

Art. 1 der Verordnung Nr. 1385/2013 solle damit die Nachteile ausgleichen, die sich aus der strukturbedingten sozialen und wirtschaftlichen Lage von Mayotte ergäben, und falle somit in den Geltungsbereich von Art. 349 AEUV.

52

Der Rat weist schließlich darauf hin, dass die Französische Republik der Adressat der Richtlinie 2013/62 sei, dass weder Art. 151 AEUV noch Art. 153 AEUV das spezifische Ziel erwähnten, die Gebiete in äußerster Randlage zu unterstützen, und dass im vorliegenden Fall die in Art. 155 Abs. 2 AEUV genannten rechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen seien.

Vorbringen der Streithelfer

53

Die französische Regierung ist der Ansicht, dass mit Art. 349 AEUV das Ziel verfolgt werde, den Erlass spezifischer Maßnahmen aufgrund struktureller Nachteile zu ermöglichen, und dieser Artikel daher als Grundlage für Maßnahmen dienen könne, mit denen besondere Faktoren berücksichtigt werden sollten, die zwar nicht im engeren Sinne wirtschaftliche oder soziale Faktoren seien, aber ein Gebiet in äußerster Randlage spezifisch beträfen, so etwa Umweltfaktoren wie das Klima oder der empfindliche Charakter seiner Meeresgebiete. Dieser Artikel verlange nämlich nicht, dass die in ihm vorgesehenen spezifischen Maßnahmen erlassen würden, um eine spezifische wirtschaftliche oder soziale Lage des betreffenden Gebiets zu „bewältigen“, sondern nur, dass sie „unter Berücksichtigung“ dieser Lage erlassen würden.

54

Die in der Verordnung Nr. 1385/2013 vorgesehenen Maßnahmen seien durch die für Mayotte typischen Merkmale und Zwänge vorgegeben und durch die strukturbedingte wirtschaftliche, soziale und Umweltsituation dieses Gebiets gerechtfertigt. Sie seien nämlich insbesondere erforderlich, um angesichts des empfindlichen Charakters des lokalen Ökosystems dessen Schutz zu gewährleisten und um in Anbetracht des fragmentarischen und unterentwickelten Charakters der Systeme zur Verarbeitung und Vermarktung von Fischereierzeugnissen, der Merkmale der Flotte von Mayotte und der fehlenden Ausbildung der Fischer und Inspektoren in Bezug auf die Kontrolle der Fangtätigkeiten die lokale Wirtschaft zu schützen.

55

Auch mit den in der Richtlinie 2013/64 vorgesehenen Maßnahmen solle den Besonderheiten von Mayotte insbesondere in Bezug auf den Zustand der Umwelt, den wirtschaftlichen Rückstand und die fehlenden Infrastrukturen entsprochen werden, die strukturelle Nachteile darstellten.

56

Hinsichtlich der mit der Richtlinie 2013/62 eingeführten Maßnahme ergebe sich aus den Erwägungsgründen der Richtlinie, dass mit ihr die schwierige wirtschaftliche und soziale Lage Mayottes berücksichtigt werden solle, die durch einen gering entwickelten Arbeitsmarkt, durch einen geringen Beschäftigungsgrad wegen seiner Abgelegenheit, seiner Insellage, seiner Topografie und seiner widrigen Witterungsverhältnisse, durch ein geringes Bruttoinlandsprodukt und durch die Notwendigkeit gekennzeichnet sei, jede Destabilisierung der lokalen Wirtschaft zu vermeiden.

57

Die französische Regierung fügt hinzu, dass der Hauptzweck der angefochtenen Rechtsakte entgegen dem Vorbringen des Parlaments nicht darin bestehe, nach Ablauf der von ihnen vorgesehenen Übergangszeiträume die Anwendung des unionsrechtlichen Besitzstands auf Mayotte zu gewährleisten, da sich diese Anwendung unmittelbar aus Art. 355 Abs. 1 AEUV ergebe.

58

Die spanische Regierung trägt vor, dass die von der Kommission vertretene Auslegung von Art. 349 AEUV verhindere, dass diese Vorschrift praktische Wirksamkeit erlange, da es, wenn man dieser Auslegung folge, unmöglich sei, in den Bereichen der vom Sekundärrecht geregelten „Freizonen“ und „horizontalen [P]rogramme“ spezifische Maßnahmen zu erlassen.

59

Nach Ansicht der spanischen Regierung könnten außerdem, wenn Art. 349 AEUV den Zweck habe, einen Rahmen für die spezifischen Maßnahmen zu schaffen, die hinsichtlich der Anwendung der Verträge erlassen werden könnten, vorläufige Maßnahmen oder Übergangsmaßnahmen, die die Besonderheiten der betreffenden Gebiete berücksichtigten und letztlich die volle Anwendung des unionsrechtlichen Besitzstands auf diese Gebiete gewährleisten sollten, erst recht auf der Grundlage dieser Vorschrift erlassen werden. Art. 349 AEUV unterscheide insoweit nicht zwischen Maßnahmen mit substanziellem Gehalt und Maßnahmen mit vorübergehendem Charakter.

60

Zu den angefochtenen Rechtsakten führt die spanische Regierung aus, dass ihr Hauptzweck – wie der erste Erwägungsgrund jedes dieser Rechtsakte deutlich mache – darin bestehe, das Sekundärrecht an die strukturbedingte wirtschaftliche und soziale Lage von Mayotte anzupassen. Des Weiteren sei Art. 349 AEUV die maßgebende Rechtsgrundlage, da die mit diesen Rechtsakten eingeführten Maßnahmen das Ziel hätten, die Bedingungen für die Anwendung der Verträge festzulegen, einschließlich im Bereich des Sekundärrechts.

61

Nach Ansicht der portugiesischen Regierung ergibt sich aus der Zusammenschau verschiedener Vorschriften der Verträge, dass den Wendungen „Verträge“ und „Anwendung der Verträge“ in Ermangelung einer gegenteiligen Vorschrift die Bedeutung „Unionsrecht“ und „unionsrechtlicher Besitzstand“, einschließlich des Sekundärrechts, beizumessen sei.

62

Außerdem finde das vom Parlament vorgetragene Kriterium, das eine Unterscheidung zwischen dauerhaften und vorübergehenden Abweichungen ermögliche, keine Stütze im Wortlaut von Art. 349 AEUV.

63

Folglich sei Art. 349 AEUV eine eigene Rechtsgrundlage, deren Bedeutung sich darin zeige, dass dieser Artikel erstens den Begriff „Gebiet in äußerster Randlage“ bestimme (Identifikation der Hoheitsgebiete), zweitens den sachlichen Geltungsbereich der Differenzierungsmaßnahmen klarstelle (jeder Bereich, in dem das Unionsrecht Anwendung finde), drittens die Grenzen der Entscheidungsbefugnis des Rates festlege (die Maßnahmen dürften nicht „die Integrität und Kohärenz der Rechtsordnung der Union … [aushöhlen]“) und viertens eine Ermächtigungsnorm darstelle, die eine Rechtsgrundlage biete und sowohl das einzuhaltende Verfahren bestimme (Beschluss des Rates auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Parlaments) als auch das Wesen der zu erlassenden spezifischen Maßnahmen kennzeichne (diese müssten darauf abzielen, die strukturbedingten Ungleichheiten der betreffenden Gebiete zu verringern).

Würdigung durch den Gerichtshof

64

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass Art. 52 EUV in Abs. 1 vorsieht, dass die Verträge für die Mitgliedstaaten gelten, und in Abs. 2, dass der räumliche Geltungsbereich der Verträge in Art. 355 AEUV im Einzelnen angegeben wird.

65

Gemäß Art. 355 Abs. 1 AEUV in der durch Art. 2 des Beschlusses 2012/419 geänderten Fassung gelten nach Art. 349 AEUV für die Gebiete in äußerster Randlage, zu denen Mayotte gehört, die Verträge.

66

Art. 349 Abs. 1 AEUV in der durch Art. 2 des Beschlusses 2012/419 geänderten Fassung bestimmt, dass der Rat „spezifische Maßnahmen [beschließt], die insbesondere darauf abzielen, die Bedingungen für die Anwendung der Verträge auf die genannten Gebiete, einschließlich gemeinsamer Politiken, festzulegen“.

67

Aus Art. 349 Abs. 1 AEUV geht auch hervor, dass die darin genannten „spezifische[n] Maßnahmen“„[u]nter Berücksichtigung der strukturbedingten sozialen und wirtschaftlichen Lage“ der Gebiete in äußerster Randlage erlassen werden, die durch eine Reihe von Faktoren „erschwert wird, die als ständige Gegebenheiten und durch ihr Zusammenwirken die Entwicklung schwer beeinträchtigen“.

68

Diese Faktoren werden in Art. 349 Abs. 1 AEUV somit als Gesichtspunkte dargestellt, die die strukturbedingte soziale und wirtschaftliche Lage der Gebiete in äußerster Randlage erschweren und die der Rat gemäß Art. 349 Abs. 3 AEUV beim Erlass der spezifischen Maßnahmen berücksichtigen muss.

69

Daher kann das Parlament zwar nicht mit Erfolg geltend machen, dass jede spezifische Maßnahme im Sinne von Art. 349 AEUV nicht nur durch die strukturbedingte soziale und wirtschaftliche Lage des betreffenden Gebiets in äußerster Randlage, sondern auch durch das Vorliegen zumindest eines der in Art. 349 Abs. 1 AEUV abschließend aufgezählten und für dieses Gebiet charakteristischen Faktoren gerechtfertigt sein müsse, doch muss der Rat gemäß Art. 349 Abs. 3 AEUV Gesichtspunkte darlegen können, die eine Verbindung zwischen der in Betracht gezogenen spezifischen Maßnahme und den besonderen Merkmalen und Zwängen des betreffenden Gebiets in äußerster Randlage herstellen.

70

Darüber hinaus bestimmt Art. 349 Abs. 2 AEUV, dass die vom Rat gemäß Art. 349 Abs. 1 AEUV erlassenen spezifischen Maßnahmen „insbesondere die Zoll- und Handelspolitik, Steuerpolitik, Freizonen, Agrar- und Fischereipolitik, die Bedingungen für die Versorgung mit Rohstoffen und grundlegenden Verbrauchsgütern, staatliche Beihilfen sowie die Bedingungen für den Zugang zu den Strukturfonds und zu den horizontalen Unionsprogrammen [betreffen]“.

71

Aus dem Wortlaut von Art. 349 AEUV ergibt sich somit, dass er dem Rat gestattet, insbesondere in den in der vorstehenden Randnummer genannten Bereichen spezifische Maßnahmen zu erlassen, die darauf abzielen, die strukturbedingte soziale und wirtschaftliche Lage der Gebiete in äußerster Randlage zu berücksichtigen.

72

In Bezug auf das Vorbringen der Kommission, dass Art. 349 AEUV lediglich gestatte, von der Anwendung der Vorschriften des Primärrechts auf die Gebiete in äußerster Randlage abzuweichen, nicht aber – wie im vorliegenden Fall –, Sekundärrechtsakte an die besondere Lage dieser Gebiete anzupassen, ist zunächst hervorzuheben, dass die „Bedingungen für die Anwendung der Verträge“ im Sinne dieses Artikels so zu verstehen sind, dass sie sowohl die Bedingungen für die Anwendung des Primärrechts der Union als auch die Bedingungen für die Anwendung der auf der Grundlage dieses Primärrechts erlassenen Sekundärrechtsakte erfassen.

73

Diese Auslegung wird durch die vom Gerichtshof vorgenommene Auslegung von Art. 227 Abs. 2 des EG-Vertrags (später Art. 299 Abs. 2 EG, dann Art. 349 AEUV) bestätigt, aus der hervorgeht, dass die dem Rat mit dieser Bestimmung verliehene Befugnis, spezifische Maßnahmen vorzusehen, die darauf abzielen, den Erfordernissen der überseeischen Länder und Gebiete zu entsprechen, sowohl die Vorschriften des Vertrags als auch die des Sekundärrechts betrifft (Urteil Hansen & Balle, 148/77, EU:C:1978:173, Rn. 10).

74

Des Weiteren werden mehrere der in Art. 349 Abs. 2 AEUV genannten Bereiche, wie der Rat vorgetragen hat, im Wesentlichen durch Sekundärrechtsakte geregelt. Daher wäre die praktische Wirksamkeit dieser Bestimmung beeinträchtigt, wenn sie in diesen Bereichen lediglich den Erlass spezifischer Maßnahmen gestatten würde, die darauf abzielen, die Bedingungen für die Anwendung des Primärrechts festzulegen.

75

Schließlich legen, wie der Generalanwalt in Nr. 57 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, entgegen der von der Kommission offenbar vertretenen Ansicht nicht alle Sekundärrechtsakte ihren räumlichen Geltungsbereich fest.

76

Mangels einer entsprechenden Präzisierung ist der Geltungsbereich eines Sekundärrechtsakts folglich, wie insbesondere die französische Regierung geltend gemacht hat, anhand des Art. 52 EUV und des Art. 355 AEUV zu bestimmen.

77

Der Gerichtshof hat nämlich bereits festgestellt, dass das Sekundärrecht grundsätzlich den gleichen geografischen Geltungsbereich wie die Verträge selbst hat und in diesem Bereich von Rechts wegen gilt (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Irland, 61/77, EU:C:1978:29, Rn. 46, und Hansen & Balle, 148/77, EU:C:1978:173, Rn. 10).

78

Somit ergibt sich aus dem Wortlaut und den Zielen von Art. 349 AEUV und aus der Systematik der Verträge, dass in Bezug auf die Gebiete in äußerster Randlage der geografische Geltungsbereich des gesamten unionsrechtlichen Besitzstands insbesondere durch Art. 52 EUV in Verbindung mit Art. 355 Abs. 1 AEUV sowie durch die gemäß Art. 349 AEUV erlassenen Maßnahmen bestimmt wird.

79

Daher ermächtigt Art. 349 AEUV entgegen dem Vorbringen der Kommission den Rat zum Erlass spezifischer Maßnahmen, die darauf abzielen, die Bedingungen für die Anwendung nicht nur der Verträge, sondern auch des Sekundärrrechts auf diese Gebiete festzulegen.

80

Folglich sind die Klagen der Kommission in den Rechtssachen C‑133/14 bis C‑135/14, die ausschließlich auf dem gegenteiligen Vorbringen beruhen, abzuweisen.

81

Zu dem Vorbringen des Parlaments, dass Art. 349 AEUV den Rat nicht zum Erlass von Maßnahmen ermächtige, deren einziger Zweck darin bestehe, die Anwendung bestimmter Vorschriften des Unionsrechts auf ein Gebiet in äußerster Randlage aufzuschieben, ist festzustellen, dass dieser Artikel die Entscheidungsbefugnis des Rates nicht auf eine bestimmte Kategorie von Maßnahmen beschränkt.

82

Abgesehen davon, dass das Wort „Maßnahme“ jede Art von Handlung erfasst, die der Rat durchführen kann, bedeutet nämlich das in Art. 349 AEUV gebrauchte Wort „insbesondere“, dass die Verfasser des AEU-Vertrags die Art von Maßnahmen, die auf der Grundlage dieses Artikels erlassen werden können, nicht abschließend auflisten wollten.

83

Folglich ist das Vorbringen des Rates sowie der spanischen und der portugiesischen Regierung begründet, dass die vom Parlament vorgenommene Unterscheidung zwischen Abweichungen einerseits und einer bloßen Aufschiebung der Anwendbarkeit von Unionsrechtsvorschriften andererseits im Wortlaut des Art. 349 AEUV keine Stütze findet.

84

Eine solche Beschränkung liefe auch den mit Art. 349 AEUV verfolgten Zielen zuwider, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich eine Verschiebung der vollständigen Anwendbarkeit einer Unionsrechtsvorschrift als die geeignetste Maßnahme erweist, um die strukturbedingte soziale und wirtschaftliche Lage eines Gebiets in äußerster Randlage zu berücksichtigen.

85

Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob die angefochtenen Rechtsakte den in den Rn. 67 bis 69 des vorliegenden Urteils genannten Anforderungen entsprechen.

86

Was zunächst die Verordnung Nr. 1385/2013 anbelangt, ist erstens festzustellen, dass mit ihrem Art. 1 Nr. 1 der „Region 8“, wie sie in der Verordnung Nr. 850/98 definiert ist, die Gewässer vor der Küste von Mayotte hinzugefügt wurden, welche unter die Hoheit oder Gerichtsbarkeit der Französischen Republik fallen, und dass mit ihrem Art. 1 Nr. 2 in die Verordnung Nr. 850/98 ein Art. 34g eingefügt wurde, nach dem innerhalb der 24-Meilen-Zone vor den Küsten von Mayotte, gemessen von den zur Abgrenzung der Hoheitsgewässer dienenden Basislinien, Ringwaden bei Thunfisch und Thunfischartigen nicht verwendet werden dürfen.

87

Insoweit ergibt sich aus der Zusammenschau der Erwägungsgründe 3 und 7 der Verordnung Nr. 1385/2013, wie sie der Rat vor dem Gerichtshof erläutert hat, dass das Ziel dieser Maßnahmen darin besteht, die Schwärme großer Wanderfische in der Nähe von Mayotte zum Nutzen der lokalen Flotte zu erhalten, die sich nicht mit ausländischen Flotten messen kann, da sie eine unterentwickelte Flotte von Langleinern ist. Folglich sind diese Maßnahmen unter Berücksichtigung der besonderen strukturbedingten sozialen und wirtschaftlichen Lage von Mayotte erlassen worden. Daher durfte sich der Rat zu ihrem Erlass auf Art. 349 AEUV stützen.

88

Zweitens wurde mit Art. 2 der Verordnung Nr. 1385/2013 dem Art. 35 der Verordnung Nr. 1379/2013 ein Abs. 6 angefügt, der vorsieht, dass bis zum 31. Dezember 2021 die Absätze 1, 2 und 3 dieses Art. 35 nicht für Erzeugnisse gelten, die für den Einzelhandelsverkauf an den Endverbraucher in Mayotte bestimmt sind.

89

Wie sich aus dem vierten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1385/2013 ergibt, wurde diese Maßnahme vom Rat mit der Notwendigkeit gerechtfertigt, die „sehr fragmentierten und unterentwickelten Vermarktungsregelungen von Mayotte“ zu berücksichtigen und zu verhindern, dass die verfrühte Anwendung der Vorschriften über die Etikettierung von Fischereierzeugnissen den Einzelhändlern eine Belastung auferlegt, die in keinem Verhältnis zu den Informationen steht, die an die Verbraucher weitergegeben werden.

90

Diese Maßnahme ist somit unter Berücksichtigung der besonderen strukturbedingten sozialen und wirtschaftlichen Lage von Mayotte erlassen worden. Folglich hat sich der Rat zum Erlass dieser Maßnahme auf Art. 349 AEUV stützen dürfen.

91

Da drittens das Parlament nicht bestreitet, dass die in Art. 3 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1385/2013 genannten Maßnahmen auf Art. 349 AEUV gestützt werden durften, hat der Gerichtshof nicht zu prüfen, ob diese Maßnahmen in Einklang mit den in den Rn. 67 bis 69 des vorliegenden Urteils genannten Anforderungen erlassen wurden.

92

Soweit das Parlament bestreitet, dass die in Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1385/2013 vorgesehene Einfügung der im Anhang dieser Verordnung enthaltenen Einträge betreffend Mayotte in die Tabelle in Anhang II der Verordnung Nr. 1380/2013 auf Art. 349 AEUV gestützt werden konnte, ist festzustellen, dass diese Maßnahme und die in Art. 3 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1385/2013 vorgesehenen Maßnahmen eine untrennbare Einheit bilden und, wie der Generalanwalt in Nr. 81 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, gegenüber diesen Maßnahmen einen akzessorischen Charakter hat.

93

Das Parlament kann daher dem Rat nicht zum Vorwurf machen, dass er sich auf Art. 349 AEUV gestützt hat, um den in Art. 3 der Verordnung Nr. 1385/2013 vorgesehenen Maßnahmenkomplex zu erlassen.

94

Viertens ist festzustellen, dass die von Art. 4 der Verordnung Nr. 1385/2013 vorgesehene Verschiebung des Inkrafttretens von Art. 4 der Verordnung Nr. 1069/2009 für Mayotte auf den 1. Januar 2021 vom Rat laut dem achten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1385/2013 mit dem Umstand begründet wurde, dass Mayotte über keine industriellen Kapazitäten zur Verarbeitung von tierischen Nebenprodukten verfügt.

95

Diese Maßnahme wurde somit unter Berücksichtigung der besonderen strukturbedingten sozialen und wirtschaftlichen Lage von Mayotte erlassen. Folglich war es mit dem Unionsrecht vereinbar, dass für diese Maßnahme Art. 349 AEUV als Rechtsgrundlage herangezogen wurde.

96

Was sodann die Frage anbelangt, ob die Bestimmungen der Richtlinie 2013/64 den in den Rn. 67 bis 69 des vorliegenden Urteils genannten Anforderungen entsprechen, ist zu beachten, dass der Rat – wie das Parlament zu Recht vorgetragen hat – in den Art. 1 bis 6 dieser Richtlinie die Richtlinien 91/271, 1999/74, 2000/60, 2006/7, 2006/25 und 2011/24 geändert hat, um die volle Geltung bestimmter Vorschriften dieser Richtlinien für Mayotte auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.

97

Diese Änderungen wurden nach dem Wortlaut des zweiten Erwägungsgrundes der Richtlinie 2013/64 in allgemeiner Weise mit der Notwendigkeit begründet, „die besondere Lage in Mayotte in Bezug auf den Zustand der Umwelt [zu berücksichtigen]; hier sind deutliche Verbesserungen im Hinblick auf die Einhaltung der im Unionsrecht festgelegten Umweltziele notwendig, die zusätzliche Zeit beanspruchen.“

98

Außerdem hat der Rat in den Erwägungsgründen 3 bis 9 der Richtlinie 2013/64 für jede dieser Änderungen eine gesonderte Begründung gegeben.

99

So wurde im dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/64, der die Änderungen der Richtlinie 91/271 betrifft, darauf hingewiesen, dass die besondere strukturbedingte und wirtschaftliche Lage von Mayotte in Bezug auf die Behandlung von kommunalem Abwasser nicht den Anforderungen der Richtlinie 91/271 entspricht.

100

Im vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/64, der die Änderungen der Richtlinie 1999/74 betrifft, wurde darauf hingewiesen, dass im Bereich des Schutzes von Legehennen erhebliche Investitionen und vorbereitende Arbeiten erforderlich sind, um die Lage in Mayotte mit den Anforderungen der Richtlinie 1999/74 in Einklang zu bringen.

101

Im fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/64, der die Änderungen der Richtlinie 2000/60 betrifft, betonte der Rat, dass der Französischen Republik aufgrund der besonderen strukturbedingten und wirtschaftlichen Lage von Mayotte eine ausreichende Frist eingeräumt werden sollte für die Verabschiedung und Umsetzung von Maßnahmen, mit denen gewährleistet wird, dass die Bewirtschaftungspläne für die Einzugsgebiete mit den Anforderungen der Richtlinie 2000/60 in Einklang stehen.

102

Im sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/64, der die Änderungen der Richtlinie 2006/7 betrifft, wurde hervorgehoben, dass der Zustand der Oberflächengewässer in Mayotte beträchtlicher Verbesserungen bedarf, um die Anforderungen der Richtlinie 2006/7 einzuhalten, da die Qualität der Badegewässer angesichts der besonderen sozialen und wirtschaftlichen Lage dieses Gebiets beeinträchtigt sei.

103

Im siebten Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/64, der die Änderungen der Richtlinie 2006/25 betrifft, wies der Rat darauf hin, dass es aufgrund der besonderen sozialen und wirtschaftlichen Lage Mayottes dort keine technischen Einrichtungen für die Durchführung der Maßnahmen gibt, die für die Einhaltung der Richtlinie 2006/25 im Bereich der künstlichen optischen Strahlung erforderlich sind.

104

Im neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/64, der die Änderungen der Richtlinie 2011/24 betrifft, stellte der Rat schließlich klar, dass die Umsetzung der Richtlinie 2011/24 eine Reihe von Anpassungen zur Gewährleistung der Kontinuität der Versorgung und Information der Patienten erfordert.

105

Es ist festzustellen, dass die in der Richtlinie 2013/64 genannten Maßnahmen, mit denen der Rat die Richtlinien 91/271, 1999/74, 2000/60, 2006/7, 2006/25 und 2011/24 änderte, unter Berücksichtigung der besonderen strukturbedingten sozialen und wirtschaftlichen Lage von Mayotte erlassen wurden. Folglich hat sich der Rat zum Erlass dieser Maßnahmen zu Recht auf Art. 349 AEUV gestützt.

106

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen geht aus den Zielen und dem Inhalt der angefochtenen Rechtsakte hervor, dass die in ihnen enthaltenen Maßnahmen unter Berücksichtigung der strukturbedingten sozialen und wirtschaftlichen Lage von Mayotte im Sinne von Art. 349 Abs. 1 AEUV erlassen wurden.

107

Daher kann das Parlament nicht mit Erfolg geltend machen, dass weder die Art. 1, 2 und 4 der Verordnung Nr. 1385/2013 noch die Richtlinie 2013/64 rechtmäßig Art. 349 AEUV als Rechtsgrundlage haben konnten.

108

Folglich sind die Klagen des Parlaments in den Rechtssachen C‑132/14 und C‑136/14 ebenfalls abzuweisen.

Kosten

109

Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

110

Da der Rat die Verurteilung des Parlaments und der Kommission beantragt hat und die beiden zuletzt genannten Organe in den Rechtssachen C‑132/14 bis C‑136/14 unterlegen sind, sind ihnen die Kosten aufzuerlegen, die dem Rat in diesen Rechtssachen entstanden sind.

111

Das Königreich Spanien, die Französische Republik und die Portugiesische Republik tragen gemäß Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Klagen in den Rechtssachen C‑132/14 bis C‑136/14 werden abgewiesen.

 

2.

Das Europäische Parlament trägt die Kosten, die dem Rat der Europäischen Union in den Rechtssachen C‑132/14 und C‑136/14 entstanden sind.

 

3.

Die Europäische Kommission trägt die Kosten, die dem Rat der Europäischen Union in den Rechtssachen C‑133/14 bis C‑135/14 entstanden sind.

 

4.

Das Königreich Spanien, die Französische Republik und die Portugiesische Republik tragen ihre eigenen Kosten.

 

Unterschriften


( * )   Verfahrenssprache: Französisch.

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