Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 27. Sept. 2018 - 5 P 1/17

ECLI:ECLI:DE:BVerwG:2018:270918B5P1.17.0
bei uns veröffentlicht am27.09.2018

Gründe

I

1

Die Verfahrensbeteiligten streiten über das Recht des Antragstellers auf Teilnahme an den Gesprächen mit Bewerberinnen und Bewerbern um bestimmte Schulleiterstellen.

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Das Regierungspräsidium S. ist als obere Schulaufsichtsbehörde für die Ausschreibung und die Entscheidung über die Besetzung der Stellen für Schulleiterinnen und Schulleiter an Grund-, Haupt-, Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen sowie Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren im Regierungsbezirk zuständig. In dem insoweit von dem Regierungspräsidium in Anwendung der einschlägigen Verwaltungsvorschrift durchzuführenden Besetzungsverfahren werden von der danach bei ihm zu bildenden Auswahlkommission mit den Bewerberinnen und Bewerbern unter anderem sogenannte Bewerbergespräche (strukturiertes Interview) geführt. Der Beteiligte, der Regierungspräsident als Dienststellenleiter, vertritt insoweit die Auffassung, dass der Antragsteller, der bei dem Regierungspräsidium gebildete Bezirkspersonalrat für die vorstehend aufgeführten Schulen und Zentren, nicht gemäß § 71 Abs. 3 Satz 2 LPVG BW beanspruchen könne, an diesen Gesprächen teilzunehmen. Denn das danach eingeräumte Recht auf Teilnahme an Vorstellungs- oder Eignungsgesprächen sei auf die Fälle beschränkt, in denen diese Gespräche im weiteren Verlauf zu einer mitbestimmungspflichtigen Personalmaßnahme führten. Das treffe auf die Besetzung der in Rede stehenden Schulleiterstellen nicht zu. Der Antragsteller ist hingegen der Ansicht, das besagte gesetzliche Teilnahmerecht greife auch ein, wenn die im Anschluss an das Stellenbesetzungsverfahren beabsichtigte Personalmaßnahme nur mitwirkungspflichtig sei.

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In dem von ihm Mitte März 2015 eingeleiteten personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren hat das Verwaltungsgericht antragsgemäß festgestellt, dass ein Mitglied des Antragstellers, das von diesem benannt werde, berechtigt sei, an Bewerbergesprächen mit Bewerbern um Schulleiterstellen an Grund-, Haupt-, Werkreal-, Real-, Gemeinschafts- und Sonderschulen teilzunehmen, soweit die Maßnahme der Beteiligung der Personalvertretung unterliege. Der Verwaltungsgerichtshof hat den erstinstanzlichen Beschluss geändert und den Feststellungsantrag abgelehnt.

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Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch auf Teilnahme an den Bewerbergesprächen lasse sich nicht aus § 71 Abs. 3 Satz 2 LPVG BW herleiten. Die grammatikalische Auslegung spreche zwar für das vom Antragsteller eingeforderte Teilnahmerecht in den Fällen einer (nur) mitwirkungspflichtigen Stellenbesetzung. Der Wortlaut der Vorschrift und deren gesetzessystematisch "vor die Klammer gezogene" Stellung seien aber auch für ein auf die Fälle einer mitbestimmungspflichtigen Stellenbesetzung begrenztes Teilnahmerecht offen. Für eine derartige Beschränkung sprächen die historische und die teleologische Auslegung. Komme es im Rahmen einer mitbestimmungspflichtigen Maßnahme entscheidend auch auf die Zustimmung des Personalrates an, sei es offenkundig sinnvoll und zweckmäßig, die prozessbegleitenden Informationsrechte und Beteiligungen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt einsetzen zu lassen, um konsensuale Lösungen zu erleichtern bzw. gegebenenfalls zeit- und arbeitskraftraubende Konfrontationen im Einigungsstellenverfahren zu vermeiden. In den Fällen der Mitwirkung gebe es kein Einigungsstellenverfahren und mithin auch keinen vergleichbaren gesetzlich vorgesehenen Einigungszwang. Daher könne die Absicht einer entsprechenden Maßnahme der Dienststelle zunächst auch ohne Beteiligung des Personalrates gefasst und ihm erst hernach bekanntgegeben sowie auf Verlangen mit ihm erörtert werden.

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Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Feststellungsbegehren weiter. Er rügt eine Verletzung des § 71 Abs. 3 Satz 2 LPVG BW und zeigt im Einzelnen auf, weshalb die Auslegung dieser Vorschrift unter Anwendung der anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung die vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Beschränkung des Teilnahmerechts nicht trage. Ergänzend stützt er sich auf ein Schreiben des baden-württembergischen Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport vom 30. April 2018 sowie ein Schreiben des bei diesem Ministerium gebildeten Hauptpersonalrates vom 13. Juni 2018.

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Der Beteiligte verteidigt den angefochtenen Beschluss. Er legt zudem ein Schreiben des genannten Ministeriums vom 24. Juli 2018 vor.

II

7

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist begründet. Der angefochtene Beschluss beruht auf der unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm (§ 92 Abs. 2 LPVG BW i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Unrecht angenommen, dass das vom Antragsteller in Anspruch genommene Recht auf Teilnahme an Vorstellungs- oder Eignungsgesprächen auf solche Gespräche beschränkt ist, die im weiteren Verlauf zu einer mitbestimmungspflichtigen Personalmaßnahme führen.

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Der zulässige Antrag des Antragstellers, der damit die Feststellung begehrt, zur Teilnahme an Vorstellungs- oder Eignungsgesprächen im Vorfeld von Personalmaßnahmen berechtigt zu sein, die entweder seiner Mitbestimmung oder seiner Mitwirkung unterliegen, ist begründet. Rechtsgrundlage für das in Anspruch genommene Recht ist § 71 Abs. 3 Satz 2 in der Neufassung des Landespersonalvertretungsgesetzes (LPVG BW) vom 12. März 2015 (GBl. S. 221). Danach kann ein Mitglied der Personalvertretung, das von dieser benannt ist, an Vorstellungs- oder Eignungsgesprächen, welche die Dienststelle im Rahmen geregelter oder auf Übung beruhender Auswahlverfahren zur Auswahl unter mehreren Bewerbern durchführt oder durchführen lässt, teilnehmen.

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Die Verfahrensbeteiligten streiten zu Recht nicht darüber, dass die Gespräche, die nach § 40 Abs. 1 Satz 2 des Schulgesetzes für Baden-Württemberg i.V.m. der Verwaltungsvorschrift Besetzung von Funktionsstellen und Überprüfung von Funktionsstellenbewerberinnen und -bewerbern im schulischen Bereich vom 16. Juli 2014 mit Bewerberinnen und Bewerbern für Schulleiterstellen an Grund-, Haupt-, Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen sowie Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren zu führen sind, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 71 Abs. 3 Satz 2 LPVG BW erfüllen. Ebenso steht zwischen ihnen zu Recht nicht im Streit, dass diese Vorschrift dem Antragsteller jedenfalls ein Teilnahmerecht hinsichtlich solcher Vorstellungs- oder Eignungsgespräche einräumt, die nachfolgend in eine mitbestimmungspflichtige Personalmaßnahme münden. Des Weiteren gehen die Verfahrensbeteiligten zutreffend davon aus, dass die mit der Besetzung der vorgenannten Schulleiterstellen einhergehenden Personalmaßnahmen gemäß § 75 Abs. 6 Nr. 1 Buchst. b LPVG BW nur mitwirkungspflichtig sind.

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Dementsprechend ist zwischen ihnen allein streitig, ob sich das vom Antragsteller in Anspruch genommene Teilnahmerecht des § 71 Abs. 3 Satz 2 LPVG BW auch auf Vorstellungs- oder Eignungsgespräche erstreckt, die der Vorbereitung einer mitwirkungspflichtigen Personalmaßnahme dienen. Das hat der Verwaltungsgerichtshof zu Unrecht verneint. Ein Teilnahmerecht nach § 71 Abs. 3 Satz 2 LPVG BW besteht auch dann, wenn die Personalvertretung an der Personalmaßnahme, welche die Dienststelle im Anschluss an die Vorstellungs- oder Eignungsgespräche treffen kann, mitzuwirken hat.

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Das legt mit großem Gewicht bereits der Wortlaut der Vorschrift nahe. Denn die Vorschrift enthält keine Eingrenzung dahin, dass sie nur anwendbar ist, wenn die Vorstellungs- oder Eignungsgespräche einer mitbestimmungspflichtigen Personalmaßnahme vorausgehen. Sie räumt - was der Verwaltungsgerichtshof zugestanden hat - das Teilnahmerecht vielmehr ohne Rücksicht auf eine bestimmte Form der Beteiligung an der nachfolgenden Personalmaßnahme ein. Nach dem Wortsinn genügt es dementsprechend, wenn sich die Gespräche auf eine mitwirkungspflichtige Personalmaßnahme beziehen.

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Auch die Gesetzessystematik weist deutlich in diese Richtung. Bereits die Stellung des § 71 Abs. 3 Satz 2 LPVG BW in Abschnitt 1 "Allgemeines" in Teil 8 über die Beteiligung des Personalrats spricht für die Erstreckung des Teilnahmerechts auf derartige Vorstellungs- oder Eignungsgespräche. Die systematische Einordnung der Vorschrift in den allgemeinen Bestimmungen zeigt, dass sich das Teilnahmerecht grundsätzlich auf alle Beteiligungsformen bezieht, die in dem nachfolgend mit "Mitbestimmung, Mitwirkung und Anhörung" überschriebenen Abschnitt 2 genannt werden.

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Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs - nichts Gegenteiliges. Soweit der Gesetzgeber zur Begründung der mit § 71 Abs. 3 Satz 2 LPVG BW wortgleichen Vorgängerregelung des § 68a Abs. 3 Satz 2 LPVG a.F. ausgeführt hat, "[a]n Vorstellungs- oder Eignungsgesprächen, welche die Dienststelle im Rahmen geregelter oder auf Übung beruhender Auswahlverfahren zur Vorbereitung mitbestimmungspflichtiger Maßnahmen, insbesondere Einstellungen, Aufstieg, durchführt, soll ein vom Personalrat benanntes Mitglied des Personalrats teilnehmen können (Absatz 3 Satz 2)" (vgl. LT-Drs. 15/4224 S. 130), ist dem nicht mit der vom Verwaltungsgerichtshof angenommenen Eindeutigkeit zu entnehmen, dass Vorstellungs- oder Eignungsgespräche, die der Vorbereitung einer mitwirkungspflichtigen Personalmaßnahme dienen, vom Teilnahmerecht ausgenommen werden sollten. Gleiches gilt für die weiteren Ausführungen des Gesetzgebers im Rahmen der Referierung des im Gesetzgebungsverfahren durchgeführten Anhörungsverfahrens, die Beschränkung der Teilnahme an Vorstellungs- und Eignungsgesprächen auf die Fälle der Mitbestimmung sei "im Gesetzentwurf berücksichtigt. Bewerberauswahlverfahren vor Einstellungen oder anderen Personalmaßnahmen sind grundsätzlich Mitbestimmungsangelegenheiten, insoweit greift das Teilnahmerecht nur bei Mitbestimmung" (vgl. LT-Drs. 15/4224 S. 208). Aus beiden Textstellen lässt sich lediglich ableiten, dass der Gesetzgeber bei der Regelung des Teilnahmerechts in erster Linie die Fälle der mitbestimmungspflichtigen Personalmaßnahmen vor Augen hatte. Das genügt aber nicht, um mit der erforderlichen Klarheit zum Ausdruck zu bringen, dass Vorstellungs- oder Eignungsgespräche zur Vorbereitung mitwirkungspflichtiger Personalmaßnahmen vom Teilnahmerecht ausgenommen werden sollten, zumal ein derartiger Ausschluss - wie dargelegt - weder im Gesetzestext noch in der systematischen Stellung der Vorschrift einen Niederschlag gefunden hat.

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Die - wie aufgezeigt von Wortlaut und Systematik nahegelegte - Einbeziehung der mitwirkungsbedürftigen Personalmaßnahmen entspricht - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs - auch dem Zweck der Vorschrift. Das Teilnahmerecht des § 71 Abs. 3 Satz 2 LPVG BW soll der Personalvertretung den Zugang zu Informationen eröffnen, die für eine sachgerechte Ausübung ihrer gesetzlichen Beteiligungsrechte objektiv erforderlich, zumindest aber hilfreich und förderlich sind (vgl. LT-Drs. 15/4224 S. 129 f. und 208). Es soll sicherstellen, dass die Personalvertretung bei beteiligungspflichtigen Maßnahmen, in deren Vorfeld Vorstellungs- oder Eignungsgespräche geführt werden, hinsichtlich der aus solchen Gesprächen zu gewinnenden Informationen nicht schlechter gestellt wird als der Dienststellenleiter. Dem bezweckten Informationsgleichstand widerspräche es, die Teilnahme der Personalvertretung an solchen Gesprächen auszuschließen, die zu einer mitwirkungspflichtigen Personalmaßnahme führen. Denn für die Verwirklichung des gesetzlichen Ziels macht es unter Wertungsgesichtspunkten keinen Unterschied, ob die Personalmaßnahme der Mitbestimmung oder der Mitwirkung der Personalvertretung unterliegt und wie demzufolge bei einer fehlenden Einigung von Dienststelle und Personalvertretung verfahrensrechtlich weiter vorzugehen ist. Vielmehr ist maßgeblich, dass der Personalvertretung mittels eines zum Vorstellungs- oder Eignungsgespräch entsandten Mitglieds eine eigene Informationsbeschaffung ermöglicht und die Personalvertretung in die Lage versetzt wird, aufgrund eigener Anschauung und Kenntnis zu entscheiden, ob und wie sie von den ihr zustehenden Beteiligungsrechten Gebrauch machen will.

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Die weiteren im Zusammenhang mit der teleologischen Auslegung angestellten Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs zwingen nicht zu einer anderen Bewertung. Das gilt zunächst für dessen Hinweis, der Antragsteller erhalte durch die Teilnahme an den Bewerbergesprächen nur Einblick in einen verhältnismäßig kleinen Ausschnitt des komplexen Auswahlverfahrens zur Besetzung der in Rede stehenden Schulleiterstellen, der kaum eine hinreichende Grundlage zur substantiierten Bildung der eigenen Position biete. Denn die Besonderheiten der Sachverhaltskonstellation, für die im konkreten Fall ein Teilnahmerecht in Anspruch genommen wird, berühren die (objektive) Zweckbestimmung des § 71 Abs. 3 Satz 2 LPVG BW nicht, (jedenfalls) im Hinblick auf Vorstellungs- und Eignungsgespräche einen Informationsgleichstand von Dienststelle und Personalvertretung herzustellen.

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Auch dem Argument des Verwaltungsgerichtshofs, im Schulleiterbereich sei eine einheitliche Verfahrensweise hinsichtlich der Teilnahme an Bewerbergesprächen zweckdienlich, die bei einer Erstreckung des Teilnahmerechts auf mitwirkungspflichtige Personalmaßnahmen nicht gewährleistet sei, weil der Personalrat jedenfalls bei einer mit A 16 besoldeten Schulleiterstelle gemäß § 75 Abs. 5 Nr. 1 Buchst. a LPVG BW von jeglicher Beteiligung ausgeschlossen sei, vermag der Senat nicht beizutreten. Die genannte Ausschlussregelung zeigt vielmehr, dass der Gesetzgeber eine einheitliche Verfahrensweise bei der Stellenbesetzung und damit auch bei den in ihrem Vorfeld zu führenden Gesprächen nicht für notwendig erachtet hat. Im Übrigen berührt der Umstand, dass der Personalvertretung kein Teilnahmerecht an Gesprächen zusteht, die eine nicht beteiligungspflichtige Personalmaßnahme vorbereiten, den dargelegten Normzweck nicht.

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Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 93 Rechtsbeschwerdegründe


(1) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, daß der Beschluß des Landesarbeitsgerichts auf der Nichtanwendung oder der unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm beruht. Sie kann nicht auf die Gründe des § 92b gestützt werden. (2) § 65 fin

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(1) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, daß der Beschluß des Landesarbeitsgerichts auf der Nichtanwendung oder der unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm beruht. Sie kann nicht auf die Gründe des § 92b gestützt werden.

(2) § 65 findet entsprechende Anwendung.