Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juli 2014 - XII ZB 142/14

published on 16/07/2014 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juli 2014 - XII ZB 142/14
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate
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Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 13. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 13. Februar 2014 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.

Beschwerdewert: 5.000 €

Gründe

I.

1

Die 89jährige Betroffene leidet an einer senilen Demenz vom Typ Alzheimer, wegen derer sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann. In den Jahren 1992 und 2000 erteilte sie einem ihrer Söhne, dem Beteiligten zu 2 (im Folgenden: Bevollmächtigter), notarielle General- und Vorsorgevollmacht, deren Wirksamkeit nicht in Zweifel steht.

2

Die Betroffene ist Eigentümerin eines mit einem leerstehenden Einzelhandelsgeschäft bebauten Grundstücks, das aufgrund starker Sanierungsbedürftigkeit im derzeitigen Zustand nicht vermietbar ist. Der Bodenwert ist mit 643.300 € angegeben. Weiterhin ist die Betroffene Eigentümerin einer vermieteten Eigentumswohnung im Wert von rund 80.000 € sowie Inhaberin eines Nießbrauchs für ihre zuletzt bewohnte Wohnung, welche sie im Jahre 2000 an den Bevollmächtigten veräußert hatte.

3

Auf Anregung eines anderen Sohnes der Betroffenen - des Beteiligten zu 1 - hat das Amtsgericht erstmals am 16. Februar 2011 eine Rechtsanwältin zur Berufsbetreuerin mit dem Aufgabenkreis der Überwachung des Bevollmächtigten, Geltendmachung von Rechten der Betreuten gegenüber ihrem Bevollmächtigten und gegebenenfalls Widerruf erteilter Vollmachten bestellt, weil von Angehörigen der Vorwurf des Vollmachtmissbrauchs erhoben worden sei, eine einvernehmliche Lösung nicht habe herbeigeführt werden können und die Betroffene nicht mehr in der Lage sei, den Bevollmächtigten zu überwachen. Auf die Beschwerde der Betroffenen und des Bevollmächtigten hat das Landgericht den Beschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

4

Mit Beschluss vom 23. Januar 2013 hat das Amtsgericht die Betreuung erneut mit dem Aufgabenkreis der Geltendmachung von Rechten der Betreuten gegenüber ihrem Bevollmächtigten angeordnet, weil Zweifel an der Eignung des Bevollmächtigten bestünden, das Immobilienvermögen der Betroffenen zu deren Vorteil zu verwalten, und nunmehr den Beteiligten zu 4 - einen als Insolvenzverwalter ausgewiesenen Fachanwalt - zum Berufsbetreuer bestellt. Dagegen haben erneut die Betroffene und der Bevollmächtigte Beschwerde eingelegt, die das Landgericht zurückgewiesen hat. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Betroffenen.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

6

1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Die Betroffene sei auf Grund einer psychischen Krankheit nicht mehr in der Lage, den Bevollmächtigten selbst zu überwachen. Ob Bedenken gegen die Redlichkeit des Bevollmächtigten bestünden, könne dahinstehen, da eine Kontrolle jedenfalls deshalb geboten sei, weil die zu besorgenden Geschäfte von besonderer Schwierigkeit und besonderem Umfang seien. Der Bevollmächtigte selbst habe fortlaufend über Schwierigkeiten bei der Vermietung der Gewerbeimmobilie berichtet.

7

Nach einem Bericht des Kontrollbetreuers vom 5. August 2013 stünden monatlichen Einkünften der Betroffenen in Höhe von 1.565,04 € monatliche Ausgaben in Höhe von 3.619,32 € gegenüber, die überwiegend kreditfinanziert würden. Dennoch und trotz des Verfalls der Gewerbeimmobilie habe der Bevollmächtigte nicht in Betracht gezogen, diese zu veräußern, um aus dem Verkaufserlös die monatlichen Ausgaben der Betroffenen ohne Kreditaufnahme zu bestreiten. Auch habe er keine Maßnahmen ergriffen, um die Vermietbarkeit der Wohnung herzustellen, an der die Betroffene den Nießbrauch hat. Dies sei auch insoweit bedenklich, als der Bevollmächtigte selbst Eigentümer der Wohnung sei.

8

2. Die angefochtene Entscheidung hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.

9

a) Nach § 1896 Abs. 3 BGB kann ein Betreuer zur Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten bestellt werden. Mit dieser so genannten Kontrollbetreuung kann im Falle einer wirksam erteilten Vorsorgevollmacht für eine Kontrolle des Bevollmächtigten gesorgt werden, wenn der Vollmachtgeber aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht mehr in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen.

10

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Landgericht rechtsfehlerfrei auf der Grundlage eines ärztlichen Zeugnisses (§ 281 Abs. 1 Nr. 2 FamFG) festgestellt; dagegen erinnert auch die Rechtsbeschwerde nichts.

11

b) Eine Kontrollbetreuung darf jedoch wie jede andere Betreuung (vgl. § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB) nur dann eingerichtet werden, wenn sie erforderlich ist. Da der Vollmachtgeber die Vorsorgevollmacht gerade für den Fall bestellt hat, dass er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann, um eine gerichtlich angeordnete Betreuung zu vermeiden, kann das Bedürfnis nach einer Kontrollbetreuung nicht allein damit begründet werden, dass der Vollmachtgeber aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr selbst in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen. Denn der Wille des Vollmachtgebers ist auch bei der Frage der Errichtung einer Kontrollbetreuung zu beachten (vgl. § 1896 Abs. 1 a BGB). Daher müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Errichtung einer Kontrollbetreuung erforderlich machen. Notwendig ist der konkrete, d.h. durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte Verdacht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird.

12

Dies kann der Fall sein, wenn nach den üblichen Maßstäben aus der Sicht eines vernünftigen Vollmachtgebers unter Berücksichtigung des in den Bevollmächtigten gesetzten Vertrauens eine ständige Kontrolle schon deshalb geboten ist, weil Anzeichen dafür sprechen, dass der Bevollmächtigte mit dem Umfang und der Schwierigkeit der vorzunehmenden Geschäfte überfordert ist, oder wenn gegen die Redlichkeit oder die Tauglichkeit des Bevollmächtigten Bedenken bestehen. Ein Missbrauch der Vollmacht oder ein entsprechender Verdacht ist nicht erforderlich. Ausreichend sind konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte nicht mehr entsprechend der Vereinbarung und dem Interesse des Vollmachtgebers handelt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 21. März 2012 - XII ZB 666/11 - FamRZ 2012, 871 Rn. 11 f. und vom 30. März 2011 - XII ZB 537/10 - FamRZ 2011, 1047 Rn. 10 mwN).

13

c) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landgericht die Beschwerde gegen die Bestellung des Beteiligten zu 4 zum Kontrollbetreuer zu Recht zurückgewiesen. Nach Einschätzung des in der Verwertung erfahrenen Kontrollbetreuers ist der zeitnahe Verkauf des Anwesens sinnvoll. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Bevollmächtigte dies jedoch bisher nicht ernsthaft verfolgt. Im Zusammenhang damit hat der Kontrollbetreuer auf eine zwischen der Betroffenen und dem Bevollmächtigten getroffene Vergütungsvereinbarung für die Verwaltung des Einzelhandelsgeschäfts hingewiesen, welche einzelne, die Betroffene stark benachteiligende Klauseln enthalte, die nach Auffassung des Kontrollbetreuers nichtig seien. Danach erscheint möglich, dass eine Veräußerung des Grundstücks erhebliche Auswirkungen auf Vergütungsansprüche des Bevollmächtigten gegenüber der Betroffenen hätte. Allein die daraus zu besorgenden Interessenkonflikte bei der Verwertung des Grundstücks wie auch die Verfolgung der Rechte der Betroffenen aus der Vergütungsvereinbarung rechtfertigen die Kontrollbetreuung.

Dose                             Schilling                             Günter

           Nedden-Boeger                               Botur

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(1) Anstelle eines Sachverständigengutachtens nach § 280 genügt ein ärztliches Zeugnis, wenn der Betroffene die Bestellung eines Betreuers beantragt und auf die Begutachtung verzichtet hat und die Einholung des Gutachtens insbesondere im Hinblick auf den Umfang des Aufgabenkreises des Betreuers unverhältnismäßig wäre.

(2) § 280 Abs. 2 gilt entsprechend.