Bundesgerichtshof Urteil, 13. Dez. 2005 - XI ZR 82/05

bei uns veröffentlicht am13.12.2005
vorgehend
Landgericht Berlin, 9 O 421/02, 08.05.2003
Kammergericht, 12 U 169/03, 17.02.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 82/05 Verkündet am:
13. Dezember 2005
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
_____________________
EGBGB Art. 29, 34

a) Nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte des Art. 29 EGBGB ist dessen
Anwendung auf die genannten Vertragstypen beschränkt und eine
Analogie insoweit nicht zulässig.

b) Zwingende Normen im Sinne des Art. 34 EGBGB sind Bestimmungen,
die beanspruchen, einen Sachverhalt mit Auslandsberührung ohne
Rücksicht auf das jeweilige Vertragsstatut zu regeln. Diese Voraussetzung
erfüllen nur Vorschriften, die nicht nur dem Schutz und Ausgleich
widerstreitender Interessen der Vertragsparteien und damit reinen Individualbelangen
dienen, sondern daneben zumindest auch öffentliche Gemeinwohlinteressen
verfolgen.

c) Das deutsche Verbraucherkreditgesetz zählt danach nicht zu den zwingenden
Vorschriften des Art. 34 EGBGB, da es dem Schutz des einzelnen
Verbrauchers dient, während Belange der Allgemeinheit nur reflexartig
mitgeschützt werden.
BGH, Urteil vom 13. Dezember 2005 - XI ZR 82/05 - KG Berlin
LG Berlin
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Dezember 2005 durch den Vorsitzenden Richter
Nobbe, die Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, die Richterin Mayen und den
Richter Prof. Dr. Schmitt

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 17. Februar 2005 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin, eine in der Schweiz ansässige Bank, nimmt den Beklagten auf Rückzahlung eines Darlehens in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
2
Der Beklagte, ein in Deutschland lebender Steuerberater, nahm, vermittelt durch die S. OHG bzw. die U. GmbH (nachfolgend: Vermittler), mit Vertrag vom 1. Februar 1991 bei der Klägerin einen Kredit über 101.466 CHF (= 117.778 DM) zu 7,125% Zinsen "während der ersten Laufzeit des Kredites" bei einer Auszahlung von 90% auf, um ein seinerseits der Wohnungsbau-... (W. , heute: I. ) gemäß § 17 BerlinFördG gewährtes Darlehen (sog.
"Berlin-Darlehen") über 100.000 DM zu finanzieren. Gleichzeitig schloss der Beklagte eine Kapitallebensversicherung ab und trat seine Ansprüche daraus sowie aus dem Berlin-Darlehen sicherungshalber an die Klägerin ab. In dem formularmäßigen Kreditvertrag heißt es unter anderem:
"3. Die Kreditlaufzeit beträgt 10 Jahre ab Auszahlungsdatum, d.h. bis zum 31.12.2000. 8.1 Sofern vor Ablauf der Vertragsdauer nicht schriftlich eine Verlängerung dieses Vertrages oder ein neuer Vertrag abgeschlossen wird, wird der Kredit bei Fälligkeit (gemäß Ziffer 3 Kreditlaufzeit) ohne weitere Kündigung in einem Betrag zum Nominalwert von 100% zur Rückzahlung fällig. ... 9.1 Die Bank erklärt sich bereit, den Kredit nach dessen Ablauf um eine weitere Periode von bis zu 5 Jahren zu verlängern ... 9.2 ... Die Bank behält sich zum Zeitpunkt der Verlängerung des Kredits allfällige Änderungen des Vertrages (insbesondere der Zinskonditionen) vor. 14. Dieser Vertrag unterliegt Schweizerischem Recht. ..."
3
Am 19. Dezember 2000 bot die Klägerin dem Beklagten unter Hinweis auf die unmittelbar bevorstehende Fälligkeit des Darlehens eine Vertragsverlängerung zu einem Zinssatz von 8,7% p.a. bei sonst unveränderten Kreditkonditionen für fünf Jahre an und verlangte gleichzeitig die Zahlung rückständiger Zinsen in Höhe von 1.454,90 CHF. Nachdem die Klägerin ihn in der Folgezeit wiederholt ergebnislos an die Unterzeichnung ihres Angebots erinnert hatte und trotz mehrerer Mahnungen weitere Zinsrückstände aufgelaufen waren, kündigte sie im September 2001 das Darlehen und verwertete anschließend die sicherungshalber abgetretene Kapitallebensversicherung.
4
Beklagte Der hält den Darlehensrückzahlungsanspruch mangels wirksamer Kündigung des Kreditvertrages nicht für fällig. Überdies hat er gegenüber der Klageforderung mit der Begründung aufgerechnet, dass der Darlehensvertrag den strengen Anforderungen des deutschen Verbraucherkreditgesetzes nicht genüge und wegen der daraus resultierenden Ermäßigung des vereinbarten Zinssatzes auf 4% p.a. eine Überzahlung von insgesamt 63.990,99 DM vorliege.
5
Das Landgericht hat der Klage unter Berücksichtigung von Zahlungen der I. auf das Darlehenskonto und des Verwertungserlöses aus der Kapitallebensversicherung in Höhe von 107.096,54 CHF abzüglich am 18. November 2002 gezahlter 29.547,81 CHF zuzüglich Zinsen und Mahnkosten stattgegeben sowie die auf Ersatz des durch die vorzeitige Kündigung der Kapitallebensversicherung entstandenen Schadens gerichtete Feststellungswiderklage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage unter Berücksichtigung von Beträgen, die die Klägerin aus dem an sie abgetretenen Berlin-Darlehen erhalten hat, in Höhe von 19.556,19 CHF nebst Zinsen stattgegeben, in Höhe von 28.325,56 CHF die Erledigung der Hauptsache festgestellt und die erweiterte Widerklage abgewiesen. Mit der - vom Berufungsgericht - zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seine Klageabweisungs- und Widerklageanträge weiter.

Entscheidungsgründe:


6
Die Revision ist unbegründet.

I.


7
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
8
Darlehensvertrag Der der Parteien unterliege aufgrund der Rechtswahlklausel in Ziffer 14 der Geschäftsbedingungen schweizerischem Recht. Die Rechtswahl sei auch unter Berücksichtigung der Art. 29 und 34 EGBGB wirksam. Der von der Klägerin gewährte Kredit gehöre nicht zu den in Art. 29 EGBGB genannten Vertragstypen. Nach dem Vertragsinhalt diene er nicht der Finanzierung einer Waren- oder Dienstleistung, deren Empfänger der Beklagte als Verbraucher gewesen sei. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift scheide aus, da der Gesetzgeber keine umfassende kollisionsrechtliche Schutznorm beabsichtigt habe. Das deutsche Verbraucherkreditgesetz sei auch nicht gemäß Art. 34 EGBGB anwendbar. Zwar falle die Kreditvergabe nach deutschem Recht in den Anwendungsbereich des Verbraucherkreditgesetzes, auch sei der erforderliche Inlandsbezug wegen der im Inland erfolgten Kreditvermittlung gegeben. Die Regelungen des Verbraucherkreditgesetzes seien aber nicht zwingend im Sinne des Art. 34 EGBGB, weil sie primär die individuellen Interessen des Verbrauchers schützten, während der auf internationaler Ebene maßgebliche Schutz der Gemeinwohlinteressen in den Hintergrund trete. Der in Art. 120 des Schweizer Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG) normierte Rechtswahlausschluss komme schon deshalb nicht zum Tragen, weil es sich bei dem von den Parteien geschlossenen Darlehensvertrag nicht um einen solchen über Leistungen des "üblichen Verbrauchs" im Sinne dieser Vorschrift handele.

9
In der Sache habe das Landgericht die Darlehensrückzahlungsforderung der Klägerin unter Zugrundelegung des maßgebenden schweizerischen Rechts zu Recht für fällig erachtet und einen Schadensersatzanspruch des Beklagten wegen Verwertung der sicherungshalber übertragenen Kapitallebensversicherung verneint. Da der gewährte Kredit befristet und die zehnjährige Laufzeit verstrichen sei, komme es auf die Wirksamkeit der Kündigung nicht entscheidend an. Mangels Annahme eines Verlängerungsangebotes der Klägerin zum Zinssatz von 8,7% p.a. sei der Vertrag auch nicht in modifizierter Form fortgesetzt worden und der Sicherungsfall wegen des Zahlungsverzuges des Beklagten eingetreten. Sofern Ziffer 9 der Geschäftsbedingungen dem Beklagten ein einseitiges Optionsrecht auf eine Vertragsverlängerung einräume, sei dieses nicht ausgeübt worden. Außerdem sei die Klausel gemäß Art. 18 OR dahin auszulegen, dass die Klägerin sich lediglich zur Abgabe eines Verlängerungsangebots zu einem marktüblichen Zinssatz verpflichtet habe. Dieser Pflicht sei sie nachgekommen, da sie von dem säumigen Beklagten hinsichtlich der Zinsen einen Risikozuschlag von 3% habe fordern dürfen.

II.


10
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.
11
1. Rechtsfehlerfrei ist die Ansicht des Berufungsgerichts, dass gegen die uneingeschränkte Wirksamkeit der formularmäßigen Rechtswahlklausel über die Geltung schweizerischen Rechts für den Darle- hensvertrag der Parteien keine Bedenken bestehen. Art. 29, 34 EGBGB ändern daran nichts; eine Rückverweisung nach Art. 120 des Schweizer Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG) kommt nicht in Betracht (Art. 35 EGBGB).
12
a) Die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 29 EGBGB sind, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht gegeben.
13
aa) Der Begriff der "Erbringung von Dienstleistungen" im Sinne des Art. 29 Abs. 1 EGBGB ist zwar nach dessen Schutzzweck weit auszulegen. Er umfasst tätigkeitsbezogene Leistungen aufgrund von Dienst-, Werk-, Werklieferungs- und Geschäftsbesorgungsverträgen (BGHZ 123, 380, 385 (Senat); 135, 124, 130 f.). Notwendig ist aber, dass die Leistung gegenüber dem Vertragsgegner als Verbraucher erbracht wird (Senat aaO; vgl. auch Art. 5 Abs. 1 des EG-Übereinkommens vom 19. Juni 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, EuSchVÜ, BGBl. 1986 II S. 809, 813, der Art. 29 EGBGB zugrunde liegt). Das ist hier nicht der Fall.
14
(1) Vortrag, dass die Klägerin im Rahmen des Darlehensvertrages vom 1. Februar 1991 für den Beklagten eine "Dienstleistung" gemäß Art. 29 EBGBG erbringen sollte, die nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. BGHZ 135, 124, 131), fehlt. Der zwischen dem Beklagten und der W. geschlossene Vertrag über das so genannte "BerlinDarlehen" , dessen Finanzierung der bei der Klägerin aufgenommene Kredit diente, ist nicht auf eine tätigkeitsbezogene Leistung an den Beklagten als Verbraucher gerichtet. Die W. schuldet ihm lediglich die Rückzahlung des "Berlin-Darlehens".

15
(2) Ein durch die Kreditvergabe der Klägerin finanzierter Dienstleistungsvertrag im Sinne des Art. 29 Abs. 1 EGBGB liegt - anders als die Revision meint - auch nicht in der Vereinbarung zwischen dem Beklagten und dem Vermittler der Kapitalanlage. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser für seine Leistungen aus dem streitgegenständlichen Darlehen ganz oder teilweise entlohnt werden sollte. Dagegen spricht, dass die Klägerin nach Ziffer 5.2 des Kreditvertrages den gesamten Nettokreditbetrag direkt an die W. zu überweisen hatte.
16
(3) Das von der Klägerin gewährte Darlehen ist nach dem Konzept der Initiatoren zwar fester Bestandteil des dem "Berlin-Darlehen" zugrunde liegenden steuersparenden Kapitalanlage- und Steuersparmodells. Dieser Umstand reicht aber - worauf das Berufungsgericht zu Recht hingewiesen hat - für sich genommen nicht aus, um die verschiedenen Einzelverträge nach dem maßgebenden Willen der Vertragsschließenden als eine einheitliche Dienstleistung im Sinne des Art. 29 Abs. 1 EGBGB anzusehen. Dass dabei wesentlicher Prozessstoff außer Acht gelassen wurde, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.
17
Auch bb) eine entsprechende Anwendung des Art. 29 EGBGB kommt nicht in Betracht.
18
(1) Der Bundesgerichtshof (BGHZ 135, 124, 133 ff.) hat eine analoge Anwendung bereits für den Fall abgelehnt, dass weder das konkrete Rechtsgeschäft zu den in Art. 29 Abs. 1 EGBGB aufgeführten Vertragstypen gehört noch ein Inlandsbezug nach den Nrn. 1 bis 3 vorliegt. Wie sich aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Norm ergibt, ist sie als Ausnahme von Art. 27, 28 EGBGB unabhängig von dem Inlandsbezug des konkreten Falles einer Analogie auf andere als die genannten Vertragstypen nicht zugänglich (MünchKommBGB/Martiny, BGB 4. Aufl. Art. 29 EGBGB Rdn. 14; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB Neubearb. 2004 Einl. zu §§ 491 ff. Rdn. 51; Staudinger/Magnus, BGB 13. Bearb. Art. 29 EGBGB Rdn. 28, 45; Gößmann, in: Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis Rdn. 3/410; v. Westphalen, in: v. Westphalen/Emmerich/ v. Rottenburg, VerbrKrG 2. Aufl. Anh. § 1 Rdn. 21; Gerfried Fischer, in: Festschrift für Großfeld S. 277, 283 f.; Backert, Kollisionsrechtlicher Verbraucherschutz im Mosaik der Sonderanknüpfungen des deutschen internationalen Schuldvertragsrechts S. 149-152; a.A. Baumert, Europäischer ordre public und Sonderanknüpfung zur Durchsetzung von EGRecht , S. 228; Moritz WuB IV B. Art. 29 EGBGB 1.98).
19
(2) Zwar stand der Verbraucherschutz in Deutschland und in Europa bei Abschluss des EuSchVÜ im Jahre 1980 sowie der Inkorporation in das EGBGB von 1986 noch am Anfang (vgl. Gerfried Fischer aaO S. 280; Moritz aaO). Die detaillierte Aufzählung der einzelnen Vertragstypen in Art. 29 EGBGB zeigt aber, dass der Gesetzgeber die Rechtswahlfreiheit zum Schutz der wirtschaftlich schwächeren Partei nur in bestimmten Fallkonstellationen beschränken und damit eine Entscheidung gegen einen allumfassenden kollisionsrechtlichen Verbraucherschutz treffen wollte (Backert aaO S. 152; Staudinger/Kessal-Wulf aaO Rdn. 51). Nimmt man hinzu, dass die Verbraucherschutzregelung des Art. 5 Abs. 1 EuSchVÜ anlässlich der Übereinkommen vom 18. Mai 1992 über den Beitritt von Spanien und Portugal sowie vom 29. November 1996 über den Beitritt von Österreich, Finnland und Schweden zum EuSchVÜ nicht geändert wurde, obwohl Österreich eine Erweiterung ih- res Anwendungsbereichs vorgeschlagen hatte (Erläuternder Bericht zu dem Beitrittsübereinkommen 97/C 191/02, ABl. EG Nr. C 191/11 vom 23. Juni 1997), so deutet nichts auf eine für eine entsprechende Anwendung des Art. 29 EGBGB erforderliche Regelungslücke hin.
20
cc) Die von der Revision in diesem Zusammenhang angeregte, im Ermessen des Senats stehende Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 2 des Ersten Brüsseler Protokolls betreffend die Auslegung des am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (BGBl. 1995 II S. 916) ist nicht veranlasst. Da der Darlehensvertrag der Parteien vom 1. Februar 1991 bereits vor Inkrafttreten des EuSchVÜ am 1. April 1991 (siehe Fundstellennachweis B zu BGBl. II 2000 S. 599) geschlossen wurde, unterliegt er - trotz des Gebotes der einheitlichen Auslegung (Art. 36 EGBGB) - gemäß Art. 17 EuSchVÜ ausschließlich den Vorschriften des EGBGB.
21
b) Eine Anwendung des deutschen Verbraucherkreditgesetzes ist entgegen der Ansicht der Revision auch nicht aus Art. 34 EGBGB herzuleiten.
22
aa) Dies ergibt sich allerdings nicht bereits aus einem generellen Vorrang des Art. 29 EGBGB gegenüber Art. 34 EGBGB (so aber Mankowski RIW 1993, 453, 460 ff.; Ebke IPRax 1998, 263, 268 f.; Junker IPRax 2000, 65, 71). Ein derartiger Vorrang ist jedenfalls dann nicht gegeben , wenn Art. 29 Abs. 1 EGBGB - wie hier - keine Anwendung findet und somit keine Ausschlusswirkung entfalten kann (BGHZ 135, 124, 135).
23
bb) Indessen ist den Regelungen des deutschen Verbraucherkreditgesetzes hier, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht der für Verträge mit Auslandsberührung notwendige zwingende Schutzcharakter beizumessen.
24
Ob (1) es sich bei dem deutschen Verbraucherkreditgesetz um zwingende Vorschriften im Sinne des Art. 34 EGBGB handelt, wird von einem Teil der Literatur verneint (MünchKommBGB/Martiny aaO Art. 34 EGBGB Rdn. 112; MünchKommBGB/Sonnenberger, 4. Aufl. Einl. IPR Rdn. 57, 62; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB Art. 34 EGBGB Rdn. 13, 22; Kropholler, Internationales Privatrecht 5. Aufl. S. 494; Kreuzer /Wagner, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts Rdn. R 158; Freitag, in: Leible, Das Grünbuch zum Internationalen Vertragsrecht S. 167, 178 f.), von einem anderen bejaht (Erman/Hohloch, BGB 11. Aufl. Art. 34 EGBGB Rdn. 15; Soergel/v. Hoffmann, BGB 12. Aufl. Art. 34 EGBGB Rdn. 61; v. Westphalen aaO Anh. § 1 Rdn. 26; Bülow EuZW 1993, 435, 437; Gerfried Fischer aaO S. 286; Roth RIW 1994, 275, 278). Der erkennende Senat, der die Streitfrage bislang offen gelassen hat (Senatsurteil vom 3. November 1998 - XI ZR 346/97, WM 1998, 2463), schließt sich jedenfalls für den Fall, dass der in Rede stehende Darlehensvertrag zwar von dem deutschen Verbraucherkreditgesetz , nicht aber von der Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit (ABl. EG Nr. L 42/48 vom 12. Februar 1987, "Verbraucherkreditrichtlinie") erfasst wird, der erstgenannten Ansicht an.
25
(2) Zwingende Normen im Sinne des Art. 34 EGBGB sind Bestimmungen , die beanspruchen, einen Sachverhalt mit Auslandsberührung ohne Rücksicht auf das jeweilige Vertragsstatut zu regeln. Nicht alle nach deutschem Recht zwingenden Vorschriften sind zugleich gemäß Art. 34 EGBGB unabdingbar (BAGE 100, 130, 139; MünchKommBGB/ Martiny aaO Art. 34 EGBGB Rdn. 8). Fehlt eine ausdrückliche gesetzliche Regelung des allumfassenden Geltungsanspruchs einer Norm, so ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob sie nach ihrem Sinn und Zweck ohne Rücksicht auf das nach den sonstigen Kollisionsnormen anzuwendende Recht eines anderen Staates international gelten soll (BAGE 63, 17, 25; 80, 84, 92; 100, 130, 139; MünchKommBGB/Martiny aaO Art. 34 Rdn. 9, 127; Staudinger/Magnus aaO Art. 34 Rdn. 52, 53).
26
(3) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 63, 17, 32; 80, 84, 92; 100, 130, 139) und einer in der Literatur (Kropholler aaO S. 22; Looschelders, Internationales Privatrecht Art. 34 EGBGB Rdn. 10; Staudinger/Magnus aaO Art. 34 Rdn. 57 m.zahlr. Nachw.; Junker IPRax 2000, 65, 70; vgl. ferner Klauer, Das europäische Kollisionsrecht der Verbraucherverträge zwischen Römer-EVÜ und EGRichtlinien S. 236 m.w.Nachw.) weit verbreiteten Ansicht ist für die Anwendung des Art. 34 EGBGB grundsätzlich erforderlich, dass die betreffende Vorschrift nicht nur dem Schutz und Ausgleich widerstreitender Interessen der Vertragsparteien und damit reinen Individualbelangen dient, sondern daneben zumindest auch öffentliche Gemeinwohlinteressen verfolgt.

27
(4) Diese Voraussetzung, gegen deren Berechtigung die Revision keine Einwendungen erhebt, erfüllt das deutsche Verbraucherkreditgesetz nicht. Nach seiner Zielsetzung dient es dem Schutz des einzelnen Verbrauchers vor einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Interessen sowie der Korrektur der strukturellen Ungleichgewichtslage gegenüber dem professionellen, in der Regel finanziell weit überlegenen Anbieter und damit dem Interessenausgleich zwischen den Vertragsparteien (vgl. BT-Drucks. 11/5462 S. 11, 13 f. und 11/8274 S. 19; Kropholler aaO S. 494; Staudinger/Magnus aaO Art. 34 Rdn. 71). Dass daneben auch ein öffentliches Interesse an einem privatrechtlichen Verbraucherschutz mit dem Sozialstaatsprinzip, der Marktregulierungsfunktion von Verbrauchervertragsrecht oder dem Interesse an einem funktionierenden Binnenmarkt begründet werden kann (Bitterich, Die Neuregelungen des internationalen Verbrauchervertragsrechts in Art. 29 a EGBGB, S. 279 f. Fn. 1049), ändert nichts. Das Verbraucherkreditgesetz verfolgt dieses Interesse nämlich nicht. Vielmehr handelt es sich insoweit um eine bloße Nebenwirkung, wie sie mit vielen Gesetzen verbunden ist, die dem Schutz einer bestimmten Bevölkerungsgruppe dienen. Ein solcher reflexartiger Schutz öffentlicher Gemeinwohlinteressen reicht für eine Anwendung des § 34 EGBGB nicht aus.
28
Bei der Feststellung, ob eine Norm international zwingenden Charakter hat, ist grundsätzlich Zurückhaltung geboten (Freitag/Leible ZIP 1999, 1296, 1299; Schwarz ZVglRWiss 101 (2002), 45, 49), da sonst der mit dem EuSchVÜ durch die Vereinheitlichung des Kollisionsrechts bezweckte internationale Entscheidungseinklang empfindlich gestört (Soergel/v. Hoffmann aaO Art. 34 EGBGB Rdn. 16), das differenzierte, allseitige Anknüpfungssystem der Art. 27 ff. EGBGB partiell außer Kraft gesetzt (Hk-BGB/Staudinger, 4. Aufl. Art. 34 EGBGB Rdn. 3; Looschelders aaO Art. 34 EGBGB Rdn. 13) und die Rechtsanwendung erschwert wird (Freitag, in: Leible, Das Grünbuch zum Internationalen Vertragsrecht S. 167, 171). Art. 34 EGBGB darf nicht zu einer allgemeinen Ausweichklausel umfunktioniert werden, mit der das EuSchVÜ und EGBGB beherrschende Grundprinzip der Rechtswahlfreiheit der Vertragsschließenden nach Belieben beseitigt (v. Hoffmann IPRax 1989, 261, 265) und die einheitliche Anknüpfung des Vertragsstatus aufgelöst wird (Gerfried Fischer aaO S. 285; Freitag aaO). In Zweifelsfällen ist daher davon auszugehen , dass die betreffende Vorschrift keine international zwingende Geltung beansprucht (Freitag/Leible aaO; Kreuzer/Wagner, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts Rdn. R 158; Taupitz BB 1990, 642, 649). Der Umstand, dass der auf den individuellen Schutz des einzelnen Verbrauchers gerichtete Zweck des deutschen Verbraucherkreditgesetzes reflexartig auch Gemeinwohlinteressen erfasst, stellt deshalb keine ausreichende Grundlage für eine Anwendung des Art. 34 EGBGB dar. Eine unzumutbare Belastung des inländischen Verbrauchers ist damit im Regelfall nicht verbunden. Denn abgesehen davon, dass der Verbraucherschutz mit den Art. 29 und 29 a EGBGB weitgehend verwirklicht wird, darf der Betroffene nicht ohne weiteres auf die umfassende Geltung seines Aufenthaltsrechts vertrauen.
29
cc) Ein internationaler Geltungswille des deutschen Verbraucherkreditgesetzes ist schließlich auch nicht aus seinem gemeinschaftsrechtlichen Ursprung herzuleiten. Dass der Gesetzgeber eine europäische Richtlinie in nationales Recht umsetzt, bedeutet nicht, dass diese Normen international grundlegende Bedeutung haben und unabhängig von den allgemeinen Kollisionsregeln auf Fälle mit Auslandsbezug anwendbar sein sollen. Ob und inwieweit die nationalen Gerichte nach den Grundsätzen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 9. November 2000 (Rs. C-381/98, Slg. I 2000, 9325 - Ingmar GB Ltd.) verpflichtet sind, bei der Wahl eines drittstaatlichen Rechts und bei hinreichendem Gemeinschaftsbezug des Sachverhalts das der Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie dienende nationale Recht in richtlinienkonformer Auslegung gegen das gewählte Vertragsstatut durchzusetzen (vgl. dazu Staudinger/Magnus aaO Art. 34 EGBGB Rdn. 42, 90; Freitag, in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht 6. Aufl. Rdn. 417 f.; Bitterich VuR 2002, 155, 157 ff.), kann entgegen der Ansicht der Revision offen bleiben. Denn enthält die Richtlinie - wie die Verbraucherkreditrichtlinie - keine ausdrückliche kollisionsrechtliche Regelung und schreibt sie den Mitgliedstaaten bei ihrer Umsetzung nur einen zu beachtenden Mindeststandard vor, so kann ein international zwingender Charakter der Umsetzungsnorm aufgrund der Richtlinie nur für den Mindeststandard, nicht aber für etwaige nationale Schutzverstärkungen angenommen werden (Bitterich, Die Neuregelung des Internationalen Verbrauchervertragsrechts in Art. 29 a EGBGB, S. 283 Fn. 1066, S. 289; Freitag, in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht 6. Aufl. Rdn. 417; Nemeth/Rudisch ZfRV 2001, 179, 182; Pfeiffer, in: Festschrift für Geimer S. 821, 835; Schwarz ZVglRWiss 101 (2002), 45, 71; a.A. HkBGB /Staudinger aaO Art. 34 EGBGB Rdn. 5).
30
Darlehensvertrag Der der Parteien vom 1. Februar 1991 über 101.466 CHF (= 117.778 DM) wird aber von dem Mindeststandard der Verbraucherkreditrichtlinie nicht erfasst, weil diese nach Art. 2 Abs. 1 lit. f auf Kreditverträge über mehr als 20.000 ECU keine Anwendung fin- det. Die Frage nach der Reichweite des internationalen Geltungswillens der Richtlinie ist infolgedessen nicht entscheidungserheblich und nicht gemäß Art. 234 Abs. 3 EGV dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen.
31
Zwar c) hat das Berufungsgericht verkannt, dass Art. 120 IPRG von vornherein eine Anwendung des deutschen Verbraucherkreditgesetzes nicht zu begründen vermag, weil es sich dabei um von den deutschen Gerichten nicht zu beachtendes schweizerisches Kollisionsrecht handelt (Art. 35 Abs. 1 EGBGB). Daraus vermag die Revision aber nichts für sich herzuleiten, weil das Berufungsgericht das Vorliegen eines "Konsumentenkredits" im Sinne der Vorschrift verneint hat.
32
2. Rechtsfehlerfrei ist schließlich auch die Begründung, mit der das Berufungsgericht unter Zugrundelegung schweizerischen Rechts der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen hat.
33
Der a) deutsche Tatrichter hat das maßgebliche ausländische Recht gemäß § 293 ZPO von Amts wegen zu ermitteln. In welcher Weise er sich die notwendigen Kenntnisse verschafft, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Vom Revisionsgericht überprüft werden darf insoweit lediglich, ob er sein Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt, insbesondere die sich anbietenden Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles hinreichend ausgeschöpft hat (st.Rspr., siehe etwa Senatsurteil vom 23. April 2002 - XI ZR 136/01, WM 2002, 1186, 1187 m.w.Nachw.). An die Ermittlungspflicht sind dabei umso höhere Anforderungen zu stellen, je komplexer und je fremder im Vergleich zum deutschen das anzuwendende Recht ist. Bei Anwendung einer dem deut- deutschen Recht verwandten Rechtsordnung und klaren Rechtsnormen sind die Anforderungen geringer (BGHZ 118, 151, 163).
34
Gemessen b) an diesen Grundsätzen ist dem Berufungsgericht - anders als die Revision meint - kein Ermessenfehler vorzuwerfen. Ihr Einwand, das Berufungsgericht habe nicht ermittelt, welcher Erklärungswert den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin über die Verlängerung des Darlehensvertrages nach den von der schweizerischen Rechtsprechung und Literatur entwickelten Auslegungsgrundsätzen beizumessen sei, greift nicht. Das Vertragswerk enthält keinen Hinweis darauf, dass dem Beklagten das Recht eingeräumt werden sollte, den Kredit durch eine einseitige Erklärung gegenüber der Klägerin zu verlängern. Davon abgesehen hat der Beklagte eine entsprechende Erklärung auch nicht abgegeben.
35
Berufungsgericht Das hat es entgegen der Ansicht der Revision auch nicht versäumt, der Frage nachzugehen, ob die Klägerin sich mit ihrem Angebot, den Darlehensvertrag um weitere fünf Jahre zu einem Zinssatz von 8,7% p.a. zu verlängern, nach schweizerischem Recht vertragstreu verhalten hat oder dieses Angebot für den Beklagten inakzeptabel war. Dazu bot das Vorbringen des Beklagten keinen hinreichenden Anlass. Denn der Beklagte hat es versäumt, wesentliche Umstände vorzutragen , die eine Prüfung der Treuwidrigkeit der Klägerin erst möglich gemacht hätte. Das gilt insbesondere für die Marktüblichkeit des vertraglich vereinbarten Nominalzinssatzes von 7,125% p.a. bei 90% Auszahlung im Jahre 1991, die Entwicklung der Zinsen für Personalkredite in Schweizer Franken bis zum Jahre 2000 sowie zu seiner für die Risiko- prämie der Klägerin bedeutsamen Bonität trotz mehrmonatiger Zinsrückstände mit zum Teil mehr als 1.500 CHF.

III.


36
Die Revision des Beklagten war daher zurückzuweisen.
Nobbe Müller Joeres
Mayen Schmitt
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 08.05.2003 - 9 O 421/02 -
KG Berlin, Entscheidung vom 17.02.2005 - 12 U 169/03 -

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Bundesgerichtshof Urteil, 23. Apr. 2002 - XI ZR 136/01

bei uns veröffentlicht am 23.04.2002

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 136/01 Verkündet am: 23. April 2002 Herrwerth, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein _______
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Bundesgerichtshof Urteil, 16. Sept. 2014 - XI ZR 79/13

bei uns veröffentlicht am 16.09.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil XI ZR 79/13 Verkündet am: 16. September 2014 Herrwerth, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtsho

Bundesgerichtshof Urteil, 31. Mai 2011 - VI ZR 161/10

bei uns veröffentlicht am 31.05.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 161/10 Verkündet am: 31. Mai 2011 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat au

Bundesgerichtshof Urteil, 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10

bei uns veröffentlicht am 31.05.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 154/10 Verkündet am: 31. Mai 2011 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 28. Feb. 2012 - XI ZR 9/11

bei uns veröffentlicht am 28.02.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 9/11 Verkündet am: 28. Februar 2012 Weber, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein B

Referenzen

Das in einem anderen Staat geltende Recht, die Gewohnheitsrechte und Statuten bedürfen des Beweises nur insofern, als sie dem Gericht unbekannt sind. Bei Ermittlung dieser Rechtsnormen ist das Gericht auf die von den Parteien beigebrachten Nachweise nicht beschränkt; es ist befugt, auch andere Erkenntnisquellen zu benutzen und zum Zwecke einer solchen Benutzung das Erforderliche anzuordnen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 136/01 Verkündet am:
23. April 2002
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
Der Tatrichter hat das für seine Entscheidung maßgebliche ausländische
Recht von Amts wegen zu ermitteln. Diese Ermittlungspflicht umfaßt auch die
ausländische Rechtspraxis, wie sie in der Rechtsprechung der Gerichte des
betreffenden Landes zum Ausdruck kommt.
Bei Rechtsgeschäften, die in der Absicht der Gläubigerbenachteiligung vorgenommen
werden, gehen die besonderen Bestimmungen der Insolvenz- bzw.
Gläubigeranfechtung den allgemeinen Regeln des § 138 Abs. 1 BGB vor. Etwas
anderes gilt nur dann, wenn das Rechtsgeschäft besondere, über die
Gläubigerbenachteiligung hinausgehende Umstände aufweist.
BGH, Urteil vom 23. April 2002 - XI ZR 136/01 - OLG Celle
LG Hannover
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. April 2002 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe und
die Richter Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Joeres und Dr. Wassermann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 14. Februar 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben , als die Beklagte verurteilt wurde, an den Kläger als Konkursverwalter über das Vermögen des Bankhauses B. 2.169.649,77 DM nebst 5% Zinsen seit dem 1. August 1985 zu zahlen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen des Bankhauses B. (nachfolgend: B.-Bank) und das des Komplementärs M. H.. Er
nimmt die Beklagte, die Ehefrau des inzwischen verstorbenen M. H., als Gesellschafterin einer US-amerikanischen Personengesellschaft auf Rückzahlung eines dieser Gesellschaft gewährten Darlehens nebst Zinsen sowie auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Eheleute H. gründeten gemeinsam mit ihren vier Söhnen am 1. Januar 1979 eine General Partnership unter dem Namen "H.-Farms" (nachfolgend: HFGP) für den Betrieb von zwei im US-amerikanischen Bundesstaat New York gelegenen Farmen. Zum 1. Januar 1980 wurde die HFGP umgewandelt in eine bis zum 31. Dezember 1989 befristete Limited Partnership (nachfolgend: HFLP) mit der Beklagten und ihrem Ehemann als Limited-Partner und den teilweise noch minderjährigen Söhnen als General-Partner.
Die HFGP und HFLP nahmen bei der B.-Bank Kredit auf, der zum Zeitpunkt der Umwandlung 831.196,41 DM betrug, letztmals bis Mai 1985 verlängert wurde und sich bis zum 31. Juli 1985 auf 2.169.649,77 DM erhöhte. Zur Sicherheit bestellte die Beklagte gemeinsam mit ihrem Ehemann insbesondere zwei Grundschulden (Mortgages) am Farmgrundstück in New York. Das Einverständnis mit den verschiedenen Kreditvereinbarungen unterzeichnete für die HFLP jeweils die Beklagte.
Der Kläger verlangt als Konkursverwalter der B.-Bank von der Beklagten Darlehensrückzahlung in Höhe von 2.169.649,77 DM nebst 5% Zinsen seit dem 1. August 1985 sowie als Konkursverwalter des M. H.
20.000 DM Schadensersatz wegen der unterbliebenen Rückübertragung eines Anteils an den H.-Farms.
Die Beklagte beruft sich gegenüber dem Rückzahlungsanspruch im wesentlichen auf den gesetzlichen Ausschluû ihrer persönlichen Haftung für Verbindlichkeiten der HFLP sowie auf eine Haftungsfreistellungserklärung , die M. H. am 28. November 1979 für die B.-Bank abgegeben haben soll, und macht die Einrede der Verjährung geltend.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr im wesentlichen stattgegeben. Der erkennende Senat hat die auf Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils gerichtete Revision der Beklagten nur insoweit angenommen, als die Beklagte zur Darlehensrückzahlung verurteilt worden ist.

Entscheidungsgründe:


Im Umfang der Annahme ist die Revision begründet und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht hat, soweit für die Revision noch von Bedeutung , im wesentlichen ausgeführt:

Die Beklagte hafte trotz ihrer formalen Stellung als Limited-Partner für die Verbindlichkeiten der HFLP persönlich und unbeschränkt nach § 96 des Partnership Law (P.L.) von New York, da sie nach auûen an der Geschäftsführung maûgeblich beteiligt gewesen sei (Control over management ), sowie "als in Deutschland handelnde Kreditnehmerin". Auch nach der Auflösung (Dissolution) der HFLP durch Ablauf der gesellschaftsvertraglich vereinbarten Zeit habe die Haftung der Beklagten fortbestanden , weil der Betrieb der H.-Farms unter Mitwirkung der Beklagten fortgesetzt worden und das Unternehmen nunmehr wieder als General Partnership anzusehen gewesen sei. Die Verpflichtung der Beklagten sei durch ihr Handeln begründet und könne nicht mit dem Hinweis auf die Grundsätze des Vertrauen begründenden Rechtsscheins verneint werden. Daû der damalige Alleininhaber der B.-Bank, der Ehemann der Beklagten , die rechtlichen Verhältnisse gekannt habe, sei nicht von Bedeutung.
Die Haftungsfreistellungserklärung vom 28. November 1979 sei dahin auszulegen, daû davon nur Haftungsrisiken in direktem Zusammenhang mit der Bestellung von Sicherheiten erfaût werden sollten, nicht jedoch Verbindlichkeiten aus der Darlehensaufnahme oder deren Verlängerungen. Wenn die Erklärung dagegen als Freistellung für die Familienmitglieder auch als Darlehensnehmer zu verstehen sein sollte, sei sie nach § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig.
Eine Verjährung sei weder nach dem Recht des Staates New York noch nach deutschem Recht eingetreten.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in mehreren Punkten nicht stand.
1. Für eine unmittelbare Verpflichtung der Beklagten als Darlehensnehmerin fehlt jeder Anhaltspunkt. Insbesondere werden in den Darlehensverträgen die "H. Farms" ausdrücklich als Vertragspartner genannt.
2. Hinsichtlich der vom Berufungsgericht bejahten persönlichen Haftung der Beklagten nach dem Gesellschaftsrecht des Bundesstaates New York beanstandet die Revision mit Recht die unzureichende Ermittlung des ausländischen Rechts.

a) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts , daû die Haftung der Beklagten für die Darlehensverbindlichkeiten der HFGP und HFLP sich nach dem Recht des Bundesstaates New York beurteilt.
Das internationale Gesellschaftsrecht ist in Deutschland nicht gesetzlich geregelt. Nach den von der Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen entscheidet das Personalstatut einer Gesellschaft über die persönliche Haftung der Gesellschafter gegenüber den Gesellschaftsgläubigern (BGHZ 78, 318, 334; BGH, Urteil vom 17. Dezember 1953 - IV ZR 114/53, LM § 105 HGB Nr. 7). Im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika be-
urteilt sich das Personalstatut nach Art. XXV Abs. 5 Satz 2 des DeutschAmerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrages vom 29. Oktober 1954 (BGBl. 1956 II 487, 500). Maûgeblich ist danach das Recht, nach dem die Gesellschaft gegründet wurde (OLG Celle WM 1992, 1703, 1706; OLG Düsseldorf WM 1995, 808, 810; Soergel/ Lüderitz, BGB 12. Aufl. EGBGB Art. 10 Anh. Rdn. 13). Zur Gründung hat das Berufungsgericht keine näheren Feststellungen getroffen. Aufgrund des Sitzes der HFGP und HFLP im US-Bundesstaat New York, der Eintragung der HFLP im dortigen Register sowie der unwidersprochen gebliebenen Erwähnung ihrer Gründung nach dem Recht dieses Staates in einem von der Beklagten vorgelegten Gutachten ist jedoch davon auszugehen , daû sich das Personalstatut der Gesellschaften und damit auch die persönliche Haftung der Beklagten als deren Gesellschafterin nach dem Recht des Bundesstaates New York bestimmt.

b) Das somit maûgebliche ausländische Recht hat der Tatrichter nach § 293 ZPO von Amts wegen zu ermitteln. Eine Verletzung dieser Ermittlungspflicht kann mit der Verfahrensrüge beanstandet werden (BGHZ 118, 151, 162; Senatsurteile vom 30. Januar 2001 - XI ZR 357/99, WM 2001, 502, 503 und vom 26. Juni 2001 - XI ZR 241/00, BGHReport 2001, 894). Zu ermitteln und anzuwenden ist dabei nicht nur das ausländische Gesetzesrecht, sondern das Recht, wie es der Richter des betreffenden Landes auslegt und anwendet. Die Ermittlungspflicht des Tatrichters umfaût daher gerade auch die ausländische Rechtspraxis , wie sie in der Rechtsprechung der Gerichte des betreffenden Landes zum Ausdruck kommt. In welcher Weise er sich die notwendigen Erkenntnisse verschafft, liegt in seinem pflichtgemäûen Ermessen. Die
Anforderungen sind um so gröûer, je detaillierter und kontroverser die Parteien eine ausländische Rechtspraxis vortragen (BGHZ 118, 151, 164). Vom Revisionsgericht überprüft werden darf lediglich, ob der Tatrichter sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt, insbesondere die sich anbietenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft hat (BGHZ 118, 151, 163 f.; Senatsurteile vom 30. Januar 2001 und vom 26. Juni 2001 je aaO). Gibt das Berufungsurteil keinen Aufschluû darüber, daû der Tatrichter seiner Pflicht nachgekommen ist, das ausländische Recht zu ermitteln, wie es in Rechtsprechung und Rechtslehre Ausdruck und in der Praxis Anwendung findet, ist revisionsrechtlich davon auszugehen, daû eine ausreichende Erforschung des ausländischen Rechts verfahrensfehlerhaft unterblieben ist (Senatsurteil vom 26. Juni 2001 aaO m.w.Nachw.).

c) Danach ist das Berufungsurteil rechtsfehlerhaft.
aa) Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die persönliche Haftung der Beklagten ergebe sich aus § 96 P.L.. Feststellungen zum Inhalt dieser Regelung enthält weder das Berufungsurteil noch das darin in Bezug genommene Urteil des Landgerichts. Ausführungen zur Auslegung dieser Norm durch die amerikanische Rechtsprechung und Rechtslehre fehlen völlig. Schon deshalb ist von einer unzureichenden Ermittlung des ausländischen Rechts auszugehen.
bb) Auch aus dem übrigen Akteninhalt ergibt sich, daû die von beiden Parteien beantragte Einholung eines rechtswissenschaftlichen Sachverständigengutachtens zu § 96 P.L. ermessensfehlerhaft unterblieben ist.

Dem Berufungsgericht lagen lediglich eine vom Kläger vorgelegte gutachterliche Stellungnahme der Rechtsanwälte R. in New York, ein vom Beklagten vorgelegtes rechtswissenschaftliches Gutachten des Privatdozenten Dr. Ra. sowie eine vom Gericht erbetene kurze Stellungnahme des amerikanischen Rechtsanwalts Bl. vor. Hinreichende Informationen zu dem vom Berufungsgericht im Rahmen des § 96 P.L. für maûgeblich erachteten Gesichtspunkt der Haftung eines Gesellschafters wegen maûgeblicher Beteiligung an der Geschäftsführung nach auûen (Control over management) enthält keine der drei Unterlagen. Die Stellungnahme der Rechtsanwälte R. geht auf diesen Gesichtspunkt überhaupt nicht ein. Das Gutachten des Privatdozenten Dr. Ra. enthält zwar allgemein gefaûte Darlegungen zu den Voraussetzungen einer Haftung nach § 96 P.L., verzichtet aber ausdrücklich auf nähere Ausführungen zu diesem Punkt. Auch die kurze Stellungnahme des Rechtsanwalts Bl., die vom Verfasser einleitend als nicht auf Nachforschungen beruhend, allgemein und mangels Kenntnis aller Fakten zwangsläufig etwas vage bezeichnet wird, enthält nur sehr kurze Ausführungen zur Haftung eines Gesellschafters wegen Beteiligung an der Geschäftsführung und setzt sich dabei weder mit der einschlägigen Rechtsprechung noch mit der Rechtslehre auseinander.
3. Auch die Auslegung der auf den 28. November 1979 datierten Freistellungserklärung des M. H. durch das Berufungsgericht wird von der Revision mit Recht angegriffen.

a) Entgegen der Ansicht der Revision ist es allerdings nicht zu beanstanden , daû das Berufungsgericht bei der Auslegung der Freistellungserklärung deutsches Recht und nicht das Recht des Staates New York zugrunde gelegt hat.
Das vor dem 1. September 1986 geltende deutsche Internationale Privatrecht, das nach Art. 220 Abs. 1 EGBGB für die Auslegung der genannten Freistellungserklärung maûgebend bleibt, kannte, anders als der geltende Art. 32 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB, keine ausdrückliche gesetzliche Regelung über das für das Erlöschen von Schuldverhältnissen maûgebende Recht. Es war jedoch anerkannt, daû für die Frage des Erlöschens einer Verbindlichkeit grundsätzlich das Recht maûgebend war, dem das Schuldverhältnis selbst unterstand (BGHZ 9, 34, 37 m.w.Nachw.), daû aber eine gesonderte Rechtswahl für den Erlaû einer Schuld zulässig war (OLG Karlsruhe NJW-RR 1989, 367, 368 m.w. Nachw.; ebenso für das geltende Recht MünchKomm/Spellenberg, BGB 3. Aufl. Art. 32 EGBGB Rdn. 59).
Im vorliegenden Zusammenhang kann offenbleiben, ob das Schuldverhältnis, das durch die Freistellungserklärung zum Erlöschen gebracht werden sollte, die nach New Yorker Recht zu beurteilende gesellschaftsrechtliche Haftung oder die Darlehensverbindlichkeit selbst war. Die Anwendbarkeit deutschen Rechts auf die Freistellungserklärung ergibt sich nämlich bereits aus einer gesonderten Rechtswahl der Parteien für diese Erklärung. Diese Rechtswahl wurde zwar nicht ausdrücklich vereinbart. Sie ist jedoch den Umständen des Falles und dem prozessualen Verhalten der Parteien zu entnehmen. Die Haftungsfreistel-
lungserklärung war in deutscher Sprache abgefaût und alle Beteiligten hatten die deutsche Staatsangehörigkeit sowie ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland. Sowohl im vorliegenden Rechtsstreit als auch in dem bereits abgeschlossenen Parallelprozeû des Klägers gegen einen der Söhne der Beklagten sind die Parteien insoweit übereinstimmend von der Anwendung deutschen Rechts ausgegangen. Daû in der Frage der Rechtswahl das prozessuale Verhalten der Beteiligten als wesentliches Indiz für den hypothetischen ursprünglichen Parteiwillen oder auch für eine nachträgliche stillschweigende Einigung gewertet werden kann, hat der Bundesgerichtshof wiederholt anerkannt (BGHZ 40, 320, 323 f.; 103, 84, 86; Senatsurteile vom 28. Januar 1992 - XI ZR 149/91, WM 1992, 567, 568 und vom 5. Oktober 1993 - XI ZR 200/92, WM 1993, 2119, jeweils m.w.Nachw.).

b) Bei der Anwendung deutscher Auslegungsgrundsätze auf die Haftungsfreistellungserklärung sind dem Berufungsgericht jedoch entscheidende Rechtsfehler unterlaufen.
aa) Die Auslegung individualvertraglicher Willenserklärungen ist zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters. Für das Revisionsgericht ist sie jedoch nicht bindend, wenn gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt worden sind (Senatsurteil vom 31. Januar 1995 - XI ZR 56/94, WM 1995, 743, 744 m.w.Nachw.; BGH, Urteil vom 1. Oktober 1999 - V ZR 168/98, WM 1999, 2513, 2514). Zu den allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätzen gehört es, daû die Auslegung in erster Linie den Wortlaut der Erklärung und den diesem zu entneh-
menden objektiv erklärten Parteiwillen berücksichtigen muû (BGHZ 121, 13, 16; Senatsurteil vom 31. Januar 1995 aaO; BGH, Urteile vom 27. November 1997 - IX ZR 141/96, WM 1998, 776, 777 und vom 3. April 2000 - II ZR 194/98, WM 2000, 1195, 1196) sowie daû vertragliche Willenserklärungen nach dem Willen der Parteien in aller Regel einen rechtserheblichen Inhalt haben sollen und daher im Zweifel nicht so ausgelegt werden dürfen, daû sie sich als sinnlos oder wirkungslos erweisen (BGH, Urteile vom 18. Mai 1998 - II ZR 19/97, WM 1998, 1535, 1536 und vom 1. Oktober 1999 aaO).
bb) Ein Verstoû gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze liegt darin, daû das Berufungsgericht den Wortlaut der Freistellungserklärung nicht ausreichend berücksichtigt hat. Das Gericht hat seine einschränkende Auslegung dieser Erklärung lediglich auf die einleitende Erwähnung einer unmittelbar bevorstehenden Grundschuldbestellung sowie auf die im Schluûabsatz enthaltene Bestimmung über die Unabhängigkeit der Freistellung von etwaigen künftigen Grundschuldbestellungen und Sicherungsübereignungen gestützt. Dagegen hat es die zentralen Bestimmungen der Freistellungserklärung völlig auûer Betracht gelassen, nach denen alle Gesellschafter der H.-Farms "keinesfalls ... dem Bankhaus B. in der persönlichen Haftung" sein sollten und in denen für den Fall, daû "aus irgendwelchen Gründen eine persönliche Haftung jetzt oder auch später bestehen sollte, ... hierauf ein für alle Male verzichtet" wurde.
Darüber hinaus hat das Berufungsgericht auch dadurch gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze verstoûen, daû es die Freistellungser-
klärung im Wege der Auslegung auf eine persönliche Haftung aus der Grundschuldbestellung beschränkte, ohne der nahe liegenden Frage nachzugehen, ob eine solche Beschränkung die Erklärung nicht jeder realen rechtlichen Wirkung beraubte und sie dadurch sinnlos machte. Daû für die Beklagte und die anderen Gesellschafter der H.-Farms aus der Bestellung von Sicherheiten persönliche Haftungsrisiken hätten entstehen können, wurde vom Berufungsgericht nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich.
4. Für die Revisionsinstanz muû daher zugunsten der Beklagten davon ausgegangen werden, daû die auf den 28. November 1979 datierte Freistellungserklärung des M. H. sich auch auf eine etwaige Haftung der Beklagten für die Darlehensverbindlichkeiten der H.-Farms erstreckt. Die Annahme des Berufungsgerichts, in diesem Fall sei die Freistellungserklärung nach § 138 BGB unwirksam, hält rechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand.

a) Einen Verstoû gegen § 138 BGB hat das Berufungsgericht darin gesehen, daû M. H. mit der Freistellungserklärung die B.-Bank sittenwidrig geschädigt habe. Das ist, wie die Revision mit Recht rügt, schon deshalb nicht richtig, weil M. H. am 28. November 1979, als er die Freistellungserklärung angeblich abgegeben hat, Alleininhaber der B.-Bank war und daher allenfalls sich selbst, nicht dagegen eine rechtlich von ihm verschiedene Bank geschädigt haben könnte. Ausweislich der vom Kläger vorgelegten Ablichtungen aus dem Handelsregister, deren inhaltliche Richtigkeit von der Gegenseite nicht in Frage gestellt worden ist,
war M. H. von 1974 bis 1983 Alleininhaber der B.-Bank, die erst danach als Kommanditgesellschaft weitergeführt wurde.

b) Auch der vom Berufungsgericht zusätzlich erwähnte Gesichtspunkt der Gläubigerbenachteiligung vermag auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Gerichts einen Verstoû der Freistellungserklärung gegen § 138 BGB nicht zu begründen.
aa) Rechtsgeschäfte, die ein Schuldner in der dem anderen Teil bekannten Absicht, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, verstoûen zwar in der Regel gegen die guten Sitten (BGH, Urteil vom 26. Januar 1973 - V ZR 53/71, WM 1973, 303, 304). Jedoch gehen die besonderen Bestimmungen der Insolvenz- bzw. Gläubigeranfechtung den allgemeinen Regeln der §§ 134, 138 Abs. 1 BGB vor, es sei denn, das Rechtsgeschäft weist besondere, über die Gläubigerbenachteiligung hinausgehende Umstände auf (BGHZ 53, 174, 180; 56, 339, 355; 130, 314, 331; 138, 291, 299 f.).
bb) Im vorliegenden Fall legen die Begleitumstände der Freistellungserklärung die Annahme nahe, daû M. H. diese Erklärung in der Absicht abgegeben hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, und daû dies der Beklagten auch bekannt war. Bereits zu dem Zeitpunkt, als die Freistellungserklärung angeblich abgegeben wurde, waren die H.-Farms gegenüber der B.-Bank in erheblichem Umfang verschuldet und die Notwendigkeit weiterer Kredite war absehbar. Die Grundschulden auf dem Farmgrundstück in New York boten angesichts der bekannten Schwierigkeiten und Kosten einer Rechtsverfolgung in Amerika keine ausreichen-
de Sicherheit. Deshalb war die persönliche Haftung der in Deutschland ansässigen Gesellschafter der damals noch in der Rechtsform der General Partnership betriebenen H.-Farms für die B.-Bank besonders wichtig. Daû M. H. ihnen gegenüber auf die Haftung verzichtete, obwohl sie darauf keinen Anspruch hatten, spricht dafür, daû er sie aus verwandtschaftlicher Rücksichtnahme vor dem Risiko einer persönlichen Inanspruchnahme bewahren wollte und dabei eine Schädigung seiner Gläubiger zumindest billigend in Kauf nahm. Es liegt auch nahe, daû der Beklagten als Ehefrau des M. H. und leitender Mitarbeiterin der B.-Bank diese Umstände bekannt waren.
cc) Für zusätzliche, über die Gläubigerbenachteiligung hinausgehende Umstände, die eine Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB rechtfertigen könnten, enthalten die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts jedoch keine zureichenden Anhaltspunkte.
Dem Berufungsurteil läût sich zwar entnehmen, daû die Haftungsfreistellungserklärung nicht zu den Kreditakten der B.-Bank genommen, sondern auf der Farm in Amerika aufbewahrt wurde mit der Folge, daû eine Überprüfung des Vorgangs durch die Aufsichtsbehörden der Bank verhindert und eine rechtzeitige Anfechtung durch den Kläger erschwert oder unmöglich gemacht wurde. Diese Vorgänge liegen aber zeitlich nach der Abgabe der Freistellungserklärung. Für die Beurteilung eines Rechtsgeschäfts als sittenwidrig kommt es auf den Zeitpunkt seiner Vornahme an, wobei der Sittenwidrigkeitsvorwurf nur auf Umstände gestützt werden kann, die die Beteiligten in ihr Bewuûtsein aufgenommen haben (BGHZ 130, 314, 331 f.; 138, 291, 300; BGH, Urteil vom 5. Oktober 1989
- III ZR 34/88, WM 1990, 54, 56). Im vorliegenden Fall setzt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB daher voraus, daû M. H. und die Beklagte bereits im Zeitpunkt der Abgabe der Freistellungserklärung die Verheimlichung dieses wichtigen Vorgangs geplant oder zumindest als ernsthaft in Betracht kommende Möglichkeit in ihr Bewuûtsein aufgenommen haben. Zu diesem Punkt enthält das Berufungsurteil keinerlei Feststellungen.
5. Soweit das Berufungsgericht die von der Beklagten geltend gemachte Verjährungseinrede als nicht durchgreifend angesehen hat, hält dies zwar hinsichtlich der Hauptforderung auf Darlehensrückzahlung, nicht dagegen in vollem Umfang hinsichtlich der Zinsforderung den Angriffen der Revision stand.

a) Die Verjährung der Hauptforderung hat das Berufungsgericht im Ergebnis mit Recht verneint. Dabei kommt es auf die von der Revision angegriffenen Ausführungen des Gerichts zu den Verjährungsregeln des Bundesstaates New York nicht an, weil das streitgegenständliche Darlehen einschlieûlich der Frage seiner Verjährung nach deutschem Recht zu beurteilen ist mit der Folge, daû die regelmäûige Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F. von dreiûig Jahren Anwendung findet.
Die Anwendbarkeit deutschen Rechts ergibt sich aus Ziffer 26 Abs. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken in der 1984 unverändert gebliebenen Fassung von 1977 (abgedruckt in: Canaris, Bankvertragsrecht 2. Aufl. S. 1350), die in den Kreditverträgen zwischen der B.-Bank und den H.-Farms jeweils ausdrücklich in Bezug genommen
worden waren. Nach dieser Bestimmung waren für die Rechtsbeziehungen mit auûerhalb der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Kunden die Geschäftsräume der kontoführenden Stelle der Bank für beide Teile der Erfüllungsort (Satz 1), und der Erfüllungsort war zugleich maûgeblicher Anknüpfungspunkt für das anzuwendende Recht (Satz 2). Diese Regelung kommt hier zur Anwendung, weil die H.-Farms ihren Sitz in Amerika hatten.

b) Die Verjährung der Zinsforderung hat das Berufungsgericht dagegen insoweit zu Unrecht verneint, als es um Zinsen für die Zeit vor dem 1. Januar 1990 geht. Ansprüche auf rückständige Zinsen für diesen Zeitraum waren im Zeitpunkt der Unterbrechung der Verjährung durch Einreichung der vorliegenden Klage (§ 209 Abs. 1 BGB a.F., § 253 Abs. 1 ZPO, § 270 Abs. 3 ZPO a.F.) am 11. Februar 1994 bereits nach den §§ 197, 201 BGB a.F. verjährt.
6. Die Revision rügt ferner mit Recht, daû das Berufungsgericht die Höhe der dem Kläger zuerkannten Zinsforderung nicht hinreichend begründet hat.
Die Feststellung des Berufungsgerichts, eine Verzinsung von 5% entspreche dem "seinerzeit langfristigen Darlehenszins", reicht zur Begründung der Zinsforderung nicht aus. Der zwischen der B.-Bank und den H.-Farms vertraglich vereinbarte Darlehenszins von 5% galt nur für die Laufzeit des Darlehens, die mit Ablauf der letzten Vertragsverlängerung vom 30. Mai 1984 am 31. Mai 1985 endete. Für die Zeit danach
kommen nur Zinsansprüche auf gesetzlicher Grundlage in Betracht. Dazu hat das Berufungsgericht jedoch keine Feststellungen getroffen.

III.


Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO a.F.). Aus den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich weder eine anderweitige Begründung einer Haftung der Beklagten für die Darlehensverbindlichkeiten der H.-Farms noch kann auf der Grundlage dieser Feststellungen ausgeschlossen werden, daû eine etwaige Haftung durch die Freistellungserklärung des M. H. beseitigt worden ist.
1. Eine Haftung der Beklagten für die Verbindlichkeiten der H.Farms könnte nicht nur aufgrund des vom Berufungsgericht in den Vordergrund gestellten Verhaltens der Beklagten während des Zeitraums, als die H.-Farms als Limited Partnership betrieben wurden, sondern auch aufgrund der Stellung der Beklagten als Gesellschafterin der im Jahre 1979 bestehenden General Partnership sowie aufgrund ihrer etwaigen Beteiligung an einer Fortsetzung des Farmbetriebs nach der Auflösung der Limited Partnership Ende 1989 in Betracht kommen.

a) Die Frage, ob die Beklagte aufgrund ihrer Stellung als Gesellschafterin der anfänglichen General Partnership für die bis Ende 1979 aufgenommenen Kredite der H.-Farms haftet, hat das Berufungsgericht offengelassen. Der Senat kann diese Frage nicht klären, weil dazu Fest-
stellungen zu den tatsächlichen Vorgängen beim Übergang von der General Partnership zur Limited Partnership sowie auch zum Inhalt des darauf anwendbaren New Yorker Rechts erforderlich sind, die das Berufungsgericht unterlassen hat.

b) Eine selbständige Haftungsanknüpfung an die Vorgänge nach der Auflösung der Limited Partnership Ende 1989 kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ebenfalls nicht bejaht werden. Dabei mag offenbleiben, ob die Feststellung des Berufungsgerichts , der Betrieb der H.-Farms sei nach dem Ende der Limited Partnership unter Mitwirkung der Beklagten fortgeführt worden, den Angriffen der Revision stand hält. Es fehlt jedenfalls an Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, ob nach dem Recht des Bundesstaats New York die Haftung der an der Fortsetzung einer aufgelösten Limited Partnership Mitwirkenden nur neu begründete Verbindlichkeiten erfaût oder sich auch auf die Altschulden der Limited Partnership erstreckt.
2. Auch die Frage, ob eine etwaige Haftung der Beklagten für die Darlehensverbindlichkeiten der H.-Farms durch die Freistellungserklärung des M. H. beseitigt worden ist, läût sich aufgrund der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht klären. Die Unwirksamkeit dieser auf den 28. November 1979 datierten Freistellungserklärung stünde zwar fest, wenn sie, wie der Kläger behauptet, von M. H. erst nach dem Zusammenbruch der B.-Bank und damit zu einer Zeit abgegeben worden wäre, als M. H. die Bank nicht mehr vertreten konnte. Dem steht aber die Behauptung der Beklagten entgegen, die Freistellungserklärung sei am 28. November 1979 abgegeben worden. Dafür hat die
Beklagte, die insoweit die Beweislast trägt, auch Beweis angetreten. Dazu , wann die Erklärung tatsächlich abgegeben worden ist, hat das Berufungsgericht bisher keinerlei Feststellungen getroffen.

IV.


Das Berufungsurteil muûte daher in dem Umfang aufgehoben werden , in dem der erkennende Senat die Revision der Beklagten angenommen hat (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Insoweit war die Sache, die wegen
der in mehreren Punkten noch fehlenden Feststellungen tatsächlicher Art und zum Inhalt ausländischen Rechts nicht entscheidungsreif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.).
Nobbe Siol Bungeroth
Joeres Wassermann